༻Vɪᴇʀ༺

She said, "hey, it's alright"
Does it make you feel alive?
Don't look back
Live your life
꧁———○———꧂

Als ich durch die hölzerne Tür trete, glänzen meine Augen ganz sicher vor Freude und ein Grinsen stiehlt sich auf meine Lippen.
Dieser Ort ist fantastisch.

Im Café stehen zwanzig vielleicht fünfundzwanzig Tische und alle sind voll besetzt mit Schülern und Studenten, Teenagern und junge Erwachsenen, die mit Freunden den freien Nachmittag genießen wollen, teilweise alleine sitzen und in Aufgabenblätter, Bücher oder ihr Handy verteilt sind oder verliebte Pärchen.
Es herrscht eine angenehm Atmosphäre.
Alle wirken vertraut und irgendwie so, als wäre das hier ein großes WG-Wohnzimmer. Oder die Cafeteria, das Unicafé. Einfach ein Ort, an dem sich jeder direkt wohl fühlt und jeder willkommen ist.

Der gesamte Raum ist heimelig eingerichtet.
Die Gäste sitzen auf bunt zusammengewürfelten und trotzdem nicht wahllos aussehenden Stühlen und Sesseln, einige aus Holz, andere aus Metall, auf den Tischen stehen kleine unterschiedliche Vasen mit bunten Blumen, dampfende Tassen, Waffeln und köstlich aussehende Kuchen, Kekse und Torten. Die pastellfarbene Wand ziert bis Brusthöhe eine Wandvertäfelung aus edlem, warmen Holz, die sich an zwei Seiten in eine Bank verwandelt. An dem Stück Wand dadrüber hängen Bilder und Sprüche. Die mannshohen Fester mit breiten, gepolsterten Fensterbänken erhellen das Café und Pendelleuchten mit großen, außen schwarzen, innen goldenen Lampenschirmen oder schlichten, modischen Metallgestellen hängen über den Tischen von der Decke herab.

Während ich durch das Café laufe, beschließe ich, dass es ab sofort ganz oben auf der Liste meiner Lieblingsorte steht, vielleicht wird es wirklich einer meine Lieblingsort in Köln.
Mal schauen, wie der Kakao ist und ob die Waffeln, Kuchen, Kekse und Torten auch so gut schmecken, wie sie riechen und aussehen.

„Hey, kann ich dir irgendwie helfen? Suchst du jemanden?" Eine kleine zierliche junge Frau schiebt sich in mein Blickfeld und lächelt mich offen an. „Ja, ich suche tatsächlich jemanden. Lucy, sie ist eben-"
Wenn man vom Teufel spricht. Wie aufs Stichwort dröhnt die nervtötende Stimme meiner Freundin durchs ganze Café und so zieht alle Blicke auf sich.

„Aimée"
Wild wedelt sie mit ihrer Hand in der Luft herum.
„Hier bin ich!", ergänzt sie unnötigerweise.
Jetzt weiß es jeder.

„Jap, das sehe ich. Leider", seufze ich resigniert.
Sie hat auch echt ein Talent dafür, sich und alle anderen darzustellen, meist nicht umbedingt gut, und noch nie ein Problem damit, leider...
Ich hätte damit rechnen müssen.

Zur grinsenden Bedienung gewandt füge ich hinzu: „Hab sie wohl gefunden, oder sie mich...
Wie komm ich aus der Sache nur heil wieder raus?"

„Gar nicht", erwidert die Kurzhaarige in blauer Schürze feixend und bedenkt mich mit einem wissenden Schmunzeln.
„Ich glaube, du kannst nur verhindern, dass es noch schlimmer wird. Also geh schon, ich halt dich nicht auf. Sag Lucy ruhig schonmal, ich komm gleich, sie muss mich nicht auch so zu sich pfeifen, und nehme dann direkt nach deine Bestellung auf. Die Karte liegt wahrscheinlich noch auf dem Tisch, sonst kannst du dir auch eine an der Theke holen, oder auf die Tafel schauen."
Meine Blick folgt ihrer wagen Bewegung weiter ins Cafe hinein und fällt auf die Theke, wie sie sie genannt hat.

„Ich muss weiter und kommt gleich auch zu euch. Bis gleich!"

Schon wirbelt sie weiter und lässt mich mitten im Paradies stehen.

Ungeduldig meldet sich mein Magen zu Worte und lässt mich zusammen fahren. Ich sollte vielleicht doch auch mal etwas zu mir nehmen und begebe mich zu Lucy, die erstaunlicherweise kein weiteren Radau gemacht hat, sondern geduldig auf der gepolsterten Fensterbank an ihrem Tisch sitzt. Ungewöhnlich der Anblick.
Lucy und ruhig?

Mit einem lauten Plumps lasse ich mich auf den bunt angemalten Holzstuhl ihr gegenüber fallen, schließe die Augen und sauge geräuschvoll den Duft des Cafés ein. Kaffee, Kuchen, Waffeln, Kakao, Früchte.
„Hmm...", rutscht mir ein genießerisches Seufzen über die Lippen.

„Wusst ich's doch! Aimée-Ort! Sowas von!"

Durch meine Wimpern blinzle ich sie an, und erwidere ihr breites Grinsen.
„Und wie!"

Immer noch von der Schönheit dieses Cafés beeindruckt, sauge ich alle Details in mich auf.

„Gut, dann weiß ich ja, wo ich dich in Zukunft zuerst suche. Nachdem ich bei Hanna und Anton war natürlich."
Sie zwinkert mir zu.

„Und jetzt erzähl mal. Was war los? Du klangst echt extrem fertig."

Ihr Blick trifft den meinen und sie lächelt mir aufmunternd zu. Seufzend beginne ich ihr zu berichten, was eben im Park passierte.
Gänsehaut zieht sich über meinen ganzen Körper, als ich, schneller als mir lieb ist, zu meinem Verfolger und meiner unsäglichen Angst vor ihnen komme.
Meine Stimme bricht und diskret senke ich den Kopf, um die aufkommenden Tränen womöglich irgendwie weg blinzeln zu können, und Lucy nicht länger ins, von Trauer, Angst, Mitleid und Wut gezeichnete Gesicht schauen zu müssen.

„Oh Gott, Aim. Ist jetzt alles gut? Du bist hier. Er ist nicht mehr hinter dir."
Erbarmungslos rinnen die ersten Tränen meine Wagen herunter und tropfen auf meine Jeans und hinterlassen dunkle Flecken.

„Du bist sicher, aber das musst du melden. So kannst du doch nicht leben. Ich würde sterben vor Angst. Wie packst du das nur?
Du bist erst seit sechs, seit sechs verdammten Tagen hier - das ist nicht viel, echt nicht viel, das weißt du - und jetzt schon haben sie dich gefunden - Köln ist groß, sehr groß. Wie geht das? Die müssen gut seid, sehr gut, wenn du mich fragst, und dann muss du dir wirklich Hilfe holen. Wirklich. Aim. Aimée. Schau mich an", fleht sie beinahe. Im Laufe ihrer Rede, muss sie irgendwann ihre Hand neben meine auf den Tisch gelegt haben, denn jetzt nimmt sie diese und bringt mich so dazu zu ihr hoch zu schauen.

Verschwommen sehe ich sie durch den Tränenschleier und verzieh kaum merklich meine Lippen zu einem schwachen Lächeln.

„Hab so ein Glück dich zu haben, Lu", schniefe ich, halb weinend, halb lachend.

„Du musst nicht weiter erzählen, wenn es nicht geht. Wirklich! Ich will es nicht schlimmer machen. Jetzt wisch dir erstmal deine Tränen ab, bevor deine Schminke-"

„Lu, ich trage keine Schminke, und wenn schon: Das wäre mein geringstes Problem."

„Verstanden, denkst du ich weiß das nicht? Gut, dann eben bevor, Frieda deine Bestellung aufnimmt, und die anderen Gäste auf uns aufmerksam werden-"

„Als ob dich das stören würde", offenbare ich schmunzelnd durch den Tränenteppich und entziehe ihr sanft meine Hand um die Tränen best möglich verschwinden zu lassen.

„Also willst du weiter erzählen, oder nicht?", fragt sie vorsichtig.

Kraftlos nicke und schüttelte ich gleichzeitig mit dem Kopf.
„Mach ich, aber nicht jetzt, okay? Ich brauche erstmal etwas Ablenkung"
„und eine Waffel und einen Lat-"
„Einen Kakao, keinen Latte Macchiato mit Zimt - oder doch schon Vanille? Was darf es für Madam gegen Ende März sein? Das ist beides einfach nur- Ihh! Wie kannst du das tri-"

„Zimt, bis zum 1. April und ab da Vanille", antwortet eine Stimme hinter mir, die ich nicht zuordnen kann.
Die Bedienung tritt zu uns an den Tisch und zwinkert Lucy mit gezücktem Stift und Block zu, während ich mir verstohlen noch einmal übers Gesicht fahre um die Tränen verschwinden zu lassen.

„Ganz richtig. Deshalb könnte es gut sein, dass dieser der letzte bis Herbst ist, also nehme ich direkt noch einen."

„Und was kann ich dir bringen? Aimée, richtig?", flötet sie und wendet sich mir mit leuchtenden Augen zu.

Ich nicke und werfe Lucy einen vernichtenden Blick zu. Jetzt weiß jeder hier im Café rein theoretisch meinen Namen.

„Ich bin Frieda." Lächeln hält sie mir ihre Hand entgegen.
„Freut mich!"

„Tut mir leid, kann nicht länger mit euch quatschen, haben krassen Betrieb, aber in anderthalb Stunden hab ich endlich mal Pause und dann komm ich gerne zu euch, wenn ihr dann noch da seid-"

„Bestimmt", fügt Lu grinsend hinzu.

„-und mich dabei haben wollt, aber jetzt sagt mir erstmal, was ich euch bringen kann. Außer deinem Latte und einem Kakao für dich?"

Lucy und ich wechseln einen Blick.
„Waffel?"
„Waffel!"
„Zwei Waffeln, eine mit Kirschen und Sahne, die andere mit Schokosoße, oder Aimée?"
Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und sofort wirken alle Probleme schon viel kleiner, bei der Aussicht auf eine duftende Waffel mit Schockosoße.
„Perfekt!"

„Kommen sofort." Und schon wirbelt Frieda zum nächsten Tisch und lässt uns alleine.

„Freust du dich schon auf die Uni?", greift Lucy ein neues Thema auf, als wäre nichts passiert.

„Joah... Ich glaub schon. So wie man sich eben auf den Stress freuen kann, nh? Aber sonst schon! Ich hab voll Bock auf den Studiengang. Mal schauen, wie es Wirkich wird, aber so wie damals in London wird's eh nicht, also kann eigentlich nichts schief gehen", erwidere ich, froh den bisherigen Nachmittag für vielleicht ein paar Stunden vergessen zu können. Ablenkung ist bekanntlich die beste Medizin. Und bei mir bis jetzt das einzige, das hilft.

Vergessen.

Einfach eine normale Studentin zwischen den anderen zu sein, die den Nachmittag vor einem neuen Semester nochmal genießen wollen, und nicht an das denken, was alles schon passiert ist.
Verschwinden in dem Menge der Gäste, lachen, quatschen und Genießen, also lasse ich mich zurück in den Stuhl fallen und lache, tratsche und genieße.

Genieße das jetzt, das hier, den Moment.

Lass alles andere einfach nicht rein.
Es wird mich einholen, schlimmer als zuvor, aber diese Momente sind mein Anker, und das rettende Seil kann ich nur knüpfen, wenn ich versuche zu vergessen, aus sperre, genieße.

Nicht denke, sondern lebe.

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