Kapitel 24

Bevor das Kapitel losgeht, möchte ich euch allen noch Frohe Weihnachten  wünschen! Ich hoffe, ihr alle habt einen wunderschönen Tag mit euren Familien. :)
Ich selbst bin zwar noch nicht wirklich in Weihnachtsstimmung, aber was nicht ist, kann ja noch werden ;D

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Logan löste sich viel schneller von mir als es mir lieb war. Ich ging davon aus, dass er mir nun irgendetwas erzählen würde, doch stattdessen griff er hinter sich. Zuerst wusste ich nicht, was er vorhatte, dann fiel mir allerdings wieder ein, wie er schnell etwas unter seiner Decke versteckt hatte, als ich in das Zimmer gekommen war.

Logan zog einen Bilderrahmen hervor und hielt ihn mir unter die Nase. Es war ein Bild von einer kleinen Familie, die sich in einem komplett weißen Raum befand- wahrscheinlich ein Krankenhaus. Im Bett lag ein Mann im mittlerem Alter, er war an viele leuchtende Geräte angeschlossen und ihm fehlten jegliche Haare. Er lächelte, aber man konnte sehen, dass es ihm nicht gut ging. Sein Körper wirkte schwach und ausgelaugt, als hätte er einen langen Kampf hinter sich.
Auf der linken Seite saß eine Frau mit langen, dunklen Locken, sie war ungefähr im gleichen Alter war wie der Mann. Liebevoll hielt sie seine Hand, ihre Lippen umspielte ein trauriges Lächeln.
Beide hatten helle Augen - genau wie Logan.
Auf der rechten Seite befand sich ein kleiner Junge. Er hatte sich neben den Mann aufs Bett gelegt und lächelnd einen Arm um ihn gelegt. Den anderen riss er euphorisch in die Höhe, genau wie die beiden Erwachsenen es auch taten. Alle streckten ihre Arme in die Luft; es wirkte als würden sie sich über etwas tierisch freuen, aber ich konnte mir denken, dass sie alles andere als Grund zur Freude hatten. Der Mann lag nicht umsonst im Krankenhaus und ich konnte mir auch schon denken, was das Ganze zu bedeuten hatte.

Logan bestätigte meine Annahme, als er leise sagte: "Meine Familie. Das in dem Bett ist mein Vater." Er zeigte auf den Kranken mit einem unendlich traurigen Lächeln im Gesicht. "Er starb vor sechs Jahren, Diagnose: Blutkrebs. Ich würde gern sagen, dass er friedlich von der Welt gegangen ist, doch das ist nicht die Wahrheit."
"Oh Gott.." Ich brachte kaum ein Wort heraus, in meinem Hals hatte sich ein dicker Klos gebildet. "Seinen Vater zu verlieren muss so verdammt hart sein..."

"Der Tod ist nicht der schlimmste Verlust im Leben. Der größte Verlust ist das, was in dir stirbt, während du noch lebst- aber der andere nicht." Logan seufzte und legte eine Pause ein. Automatisch rutschte ich ein Stück näher an ihn heran und legte behutsam eine Hand auf sein Bein, um irgendwie meine Anteilnahme visuell sichtbar zu machen. Seine Worte taten mir im Herzen weh, ich konnte mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie es wohl war, seinen Vater zu verlieren.

"Zwei Jahre später, ich war gerade vierzehn geworden, fuhr meine Mutter mit mir zu einem Arzt da ich im Sportunterricht plötzlich zusammengebrochen war. Der Arzt teilte uns dann mit, dass ich Leukämie hätte.
Es war natürlich eine harte Zeit für meine Mutter und mich. Aber sie hat jeden Tag gekämpft, für uns beide. Sie musste für sich und gleichzeitig auch für mich stark sein. Aber natürlich war sie trotzdem unendlich traurig und am Boden zerstört, sie ist nie wirklich über seinen Tod hinweggekommen. Aber eines Tages da..." Logan räusperte sich und spielte an seinen Finger herum, bevor er fortfuhr.
"Wir waren gerade im Supermarkt einkaufen, da traf sie diesen Typen, Steven.  Es war Liebe auf den ersten Blick. Natürlich- natürlich habe ich mich gefreut für sie. Er hatte ihr einen neuen Sinn in ihrem Leben gegeben. Endlich konnte sie wieder ehrlich lächeln, die beiden waren anfangs wie ein typisches Teenie Pärchen." Logan lachte kurz auf, verstummte aber ganz schnell wieder und setzte eine emotionslose Miene auf.

"Nur gab es einen Haken an der ganzen Sache. Und der trug meinen Namen." Als er das sagte, lief mir regelrecht ein kalter Schauer über den Rücken. Ich konnte nur ahnen, was er damit meinte.

"Steven hasst mich und zwar mit jeder einzelnen Zelle seines Körpers. Nicht, dass er ein Problem mit Kindern hat - ganz im Gegenteil. Er wünscht sich sogar ein gemeinsames Kind mit meiner Mutter."

"Was ist es dann?", fragte ich so leise, dass es kaum mehr als ein Flüstern war. Nach einer kurzen Pause antwortet Logan dann: "Nicht ich bin das Problem, sondern meine Krankheit. Er verabscheut Krebspatienten, bezeichnet sie als misslungenes Erzeugnis der Evolution, als Krüppel, die es nicht verdient haben zu leben. Aber ich schätze, ich habe mich damit abgefunden. Ich meine, vielleicht hat er ja sogar Recht. Ich bin nicht normal und vielleicht bin ich auch misslungen, aber es gibt sicherlich noch andere Wege, mir das zu sagen."

"Ich nehme an...", begann ich nachdenklich, "dass er das war?" Ich deutete kaum merklich auf seinen Rücken. Logan nickte stumm. Dann fielen mir wieder die Narben an seinen Handgelenken ein- und plötzlich machte auch das Sinn. Ich brauchte gar nichts zu sagen, ein kurzer Blick auf seine Hände reichte, dass Logan wusste, was ich dachte. Er seufzte wieder, dann schaute er auf dieselbe Stelle wie ich.

"Wir alle sind Kämpfer, weißt du. Eigentlich wird man von der heutigen Gesellschaft regelrecht dazu gezwungen. Aber irgendwann ist man an einem Punkt angekommen, da reicht die Kraft einfach nicht mehr aus. Man gibt auf; die Hoffnung, die Welt und schließlich auch sich selbst. Man schafft es einfach nicht mehr. Tja, ich schätze, an genau dem Punkt war ich damals."
"Und... und bist du es jetzt immer noch?", fragte ich zögerlich, doch zu meiner Erleichterung schüttelte er sanft mit dem Kopf. "Man gewöhnt sich wohl an alles", war das Einzige, was er dazu sagte.

Ich war von der ganzen Geschichte überwältigt - aber nicht im positiven Sinne. Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich schlecht; wie ich einfach nur so dasaß und irgendwelche belanglosen Kommentare von mir gab, aber was hätte ich schon sagen sollen? In der Situation gab es kein richtig oder falsch, keine richtigen Antworten. Alles, was ich konnte, war das zu sagen, was mir durch den Kopf ging und das hatte ich ja auch getan. Zumindest mehr oder weniger.

Ich könnte ihn jetzt natürlich schrecklich bemitleiden; ihm mitteilen, wie leid mir das alles doch für ihn täte und dass ich es mir gar nicht vorstellen konnte, dass er das erlebt hatte - aber es würde rein gar nichts ändern. Also blieb ich einfach ruhig, starrte zum Fenster hinaus und wartete darauf, dass er das Wort ergriff. So verging eine ganze Weile, wir saßen beide einfach nur da und starrten aneinander vorbei. Langsam begann ich mich unwohl zu fühlen. Ich versuchte, das Gefühl beiseite zu schieben, es zu ignorieren, doch so wirklich bekam ich es nicht auf die Reihe. Stattdessen saß ich da auf seinem Bett wie ein verkrampfter Fisch auf dem Trockenen, so stellte ich mir mich zumindest vor. Bei dem Gedanken musste ich mir schon fast das Lachen verkneifen, weil es doch lustiger war als es eigentlich sein sollte.
Irgendwann schien die Stille auch Logan zu erdrücken, denn er räusperte sich etwas und richtete dann seinen Blick auf mich. Etwas sagen tat er allerdings immer noch nicht, also übernahm ich schweren Herzens das Wort, auch wenn mir dabei nicht ganz wohl war.

"Das alles ist ziemlich... krass und ich werde wahrscheinlich auch nie verstehen können, wie du dich fühlen musst, aber eins kann ich dir versprechen. Ich werde immer für dich da sein, wenn du jemanden brauchst. Die Tatsache, dass du nach all dem noch immer hier vor mir sitzt, lachst und mir Kekse anbietest, macht dich zu einem unglaublich starken Menschen und dafür kann ich dich echt nur bewundern. Du warst schon ganz unten und auch wenn du versucht hast, alles zu beenden, du bist danach wieder aufgestanden und hast es bis hierher geschafft. Du weißt gar nicht, wie glücklich und irgendwie auch stolz mich das macht, dabei sind wir noch gar nicht so lange befreundet."




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