Kapitel 2
Ich ging nach draußen auf den Campus. Ich musste einfach mal an die frische Luft und einen freien Kopf bekommen. Doch schon als ich das Gebäude hinter mir gelassen hatte, wurde ich von irgendwelchen Mädchen, die ich nicht kannte, regelrecht angehimmelt. Viele grüßten mich, wenn ich an ihnen vorbeikam, einige umarmten mich sogar und die ganze Zeit fühlte ich mich fehl am Platz. Es war, als würde ich das Leben eines anderen führen. Als wäre das gar nicht mein Leben.
Irgendwann gesellte sich Jacky zu mir. Sie hatte mitbekommen, dass ich etwas verloren in der Gegend herumgestanden hatte.
"Na, was ist los Süße? Du wirkst verloren. Lass uns ein bisschen durch die Gegend schlendern!" Ich nickte und gemeinsam gingen wir über den Campus der Schule.
Es war Herbst, goldbraune Blätter segelten in sachtem Winde zu Boden und landeten schließlich auf dem noch vom letzten Regen feuchtem Boden, wo sie kurzerhand von unserem Hausmeister zu Haufen zusammengekehrt wurden. Es war noch nicht zu kalt, aber auch nicht mehr heiß. Man konnte noch beruhigt im T-shirt herumlaufen.
Im hinteren Teil des Geländes warfen sich zwei Jungs einen Football zu. Einer von ihnen weckte gewisse Erinnerungen in mir, allerdings wollte mir nicht einfallen, wer es war.
Als die beiden uns bemerkt hatten, kam er auf mich zu und küsste mich kurzerhand. "Hi Baby."
Mit gesenktem Blick lief ich mit meinem Stapel Schulbücher durch den Gang. Ich hatte es eilig, da ich eh schon zu spät war und unsere Lehrerin Verspätungen überhaupt nicht leiden konnte. Plötzlich, ich hatte nicht aufgepasst, stieß ich mit jemandem zusammen und ließ mit einem Mal alle meine Bücher und losen Blätter fallen. Genervt stöhnte ich auf und sammelte alles wieder ein. Nachdem die Person, die in mich reingerannt war, sich zu fein war, mir zu helfen und ich mich wieder aufgerichtet hatte, schaute ich mir den Übeltäter genauer an. Es war Jasper aus meinem Kurs. Groß, sportlich und ein eingebildets Arschloch, das sich für jeden zu fein war und nur Football im Kopf hatte.
"Hey, tut mir leid. Ich bin Jasper", sagte er entschuldigend.
"Ich weiß. Wir sind im selben Kurs."
"Oh, ja. Stimmt ja." Er lachte etwas verunsichert. "Hast du... ähm, vielleicht mal Lust etwas zu unternehmen? Als Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten."
"Und dafür dass ich viel zu spät zu Mrs. Grant's Unterricht komme?", fügte ich hinzu und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Äh ja, genau. Das auch. Sagen wir Freitag um 8 im Two Whales?"
"Okay, abgemacht."
Drei Wochen später waren wir ein Paar.
Ich blinzelte mehrmals und befand mich zurück in der Realität.
Jasper sah mich besorgt an und legte eine Hand an meine Wange. "Alles in Ordnung Chloe? Du warst gerade wie weggetreten."
Ich schenkte ihm ein Lächeln und nickte anschließend. "Ja, alles bestens. Nur etwas müde."
Wir unterhielten uns noch ein bisschen, dann wurde ich von Jacky zu den Wohnheimen gezogen, weil sie mir etwas Wichtiges zeigen wollte und wir erst nachmittags wieder Unterricht hatten.
Als wir in der Art Park vor unserem Wohnheim angekommen waren, zeigte Jacky plötzlich auf einen Jungen, der etwas abseits auf einer Bank saß und versuchte mit einem Stückchen Brot, ein Eichhörnchen anzulocken.
"Schau mal! Da ist wieder der Freak vom Dienst." Verwirrt zog ich eine Augenbraue nach oben. "Wer?"
Meine beste Freundin fing an zu lachen und klopfte mir auf die Schulter. "Ha! Der war gut."
Sie bemerkte nicht, dass ich es vollkommen ernst gemeint hatte. Dieser Typ sagte mir gar nichts und ich bekam dieses Mal auch keinen Flashback, der mir seinen Namen verriet.
Grinsend zeigte Jacky auf einen Stock, der am Boden lag, und nickte dann in die Richtung des Jungen. Ich ahnte, was sie vorhatte und wollte sie davon abhalten, da ich es echt nicht in Ordnung fand. Doch da hatte sie bereits ausgeholt und traf den Unbekannten voll am Hinterkopf. Dieser zuckte zusammen und drehte sich um.
Als unsere Blicke sich trafen, war ich für einen Moment wie paralysiert von seinen faszinierenden Augen. Doch er funkelte mich nur kalt an und drehte sich dann wieder weg Jacky lachte und rief: "Sorry Logan! Ich wollte dich gar nicht treffen!" Ich sah sie nur verständnislos an.
"Was sollte das denn?"
Allerdings war sie total amüsiert über ihren Angriff und fragte stattdessen: "Seid wann kümmerst du dich um den da? Du warst doch diejenige, die ihm den Namen 'Freak' gegeben hat! Man, du bist heute echt komisch Chloe. Und du verdirbst mir total den Spaß. Lass uns jetzt reingehen, ich wollte dir eh noch was zeigen." Sie fasste mich am Arm und zog mich, die Augen stur geradeaus gerichtet, mit sich.
Ich allerdings konnte mein Blick nicht von dem Jungen abwenden, wie er gekrümmt auf dieser Bank saß und so tat, als würde er sich für das kleine Eichhörnchen vor ihm interessieren. Doch insgeheim wusste ich, dass er mich bzw. uns ebenfalls beobachtete.
Später am Nachmittag hatte ich bei Mrs. Grant. Sie konnte eine sehr strenge Lehrerin sein, allerdings war sie auch total liebenswürdig und gehörte somit zu den Lieblingslehrern unserer Schule.
Sie war gerade dabei, etwas mithilfe eine Präsentation zu erklären, als Jasper, der zu meiner Linken saß, mich an der Schulter antippte. "Was ist?", murmelte ich und beugte mich zu ihm vor.
"Lust auf ein bisschen Spaß?"
Ich sah ihn misstrauisch an. "Inwiefern?"
Jasper schnappte sich einen Stift und einen kleinen Zettel, auf den er grinsend etwas schrieb. "Ich habe da eine wichtige Nachricht für unseren Lieblingspsycho. Möchtest du mir die Ehre erweisen und sie überbringen?" "Wie jetzt, du etwa auch noch?", fragte ich genervt. Jasper schien nicht zu verstehen, was ich meinte und hakte nach: "Was 'ich jetzt etwa auch noch'? Darf man nicht mal ein bisschen Spaß haben? Komm schon, ich weiß doch ganz genau, dass du das magst. Logan stört das doch schon lange nicht mehr." Er grinste und bewarf den Jungen von heute morgen mit seiner Papierkugel. Zum Glück war diese nicht sehr groß gewesen, somit dürfte die Attacke nicht unbedingt weh getan haben. Trotzdem fühlte ich mich unheimlich schlecht, dabei hatte ich das Papier nicht einmal geworfen.
Stumm faltete Logan den Zettel auseinander und las den Inhalt. "Was hast du ihm geschrieben?", fragte ich Jasper flüsternd. Er grinste. "Also interessierst du dich doch wieder dafür? Da ist meine Chloe, die ich kenne."
"Was auch immer."
Jasper schmunzelte. "War nichts Großes, das Übliche halt."
Ich fragte nicht weiter nach. Um ehrlich zu sein, hatte ich kein großes Interesse daran, zu erfahren, was das Übliche war. Die größte Frage, die ich mir allerdings schon seit meiner ersten Begegnung mit Logan heute morgen stellte, war: War ich früher auch so gemein und gehässig zu ihm gewesen? War ich wirklich ein Mobber?
Laut den Aussagen der anderen schon, aber das konnte ich mir irgendwie nicht vorstellen. Er machte auf mich nicht den Eindruck, dass es irgendeinen Grund gab, ihn fertig zu machen. Er war ein Schüler wie jeder andere hier. Oder gab es vielleicht etwas, was ich noch nicht wusste?
Ich nahm mir fest vor, in den nächsten Tagen mit Logan zu reden.
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