16.Kapitel
Die nächsten Tage vergingen ohne, dass sie viel davon mitbekam. Sie verschlief die meiste Zeit und schaffte es kaum länger als zwei Stunden am Stück wach zu bleiben. Ihre Freunde kamen sie nach wie vor besuchen, doch oft trafen sie sie schlafend an. Pearl spürte dann zwar ihre Anwesenheit, hörte Bruchstücke davon, was sie ihr erzählten, oder spürte wie jemand ihre Hand hielt, doch sie wünschte sich trotzdem, dass der Spuck endlich ein Ende nahm. Es machte ihr Angst, dass nach all dem Schlaf, stärkender Medizin und dem ein oder anderen Trank von Snape, sich ihr Zustand immer noch nicht gebessert hatte.
Als sie das nächste Mal die Augen aufschlug war ihre erste Reaktion heftig zu blinzeln, um sicher zu gehen, dass sie wirklich das sah, was sie glaubte zu sehen.
„Bei Merlins Bart!", rief sie leise aus und versuchte sich aufzurichten, jedoch ohne Erfolg.
„Hey unsere Kleine ist wach", einer der Weasleyzwillinge kam auf sie zugestürmt und umarmte sie stürmisch.
„Autsch", keuchte sie überrumpelt, „Nicht so fest."
„Tut mir leid, Kleines", George setzte sich an den Rand ihres Bettes und die anderen taten es ihm gleich.
„Sollen wir dir aufhelfen?", kam es nach einer kurzen Zeit des Schweigens von Ginny.
„Bitte", sie nickte schwach und verfluchte sich selbst, dass sie nicht stärker war.
Als sie schließlich saß, blickte sie ihre Freunde nach der Reihe an und sah dann schließlich zu den kleinen Häufchen an Geschenken, an ihrem Bettende.
„Was ist eigentlich los?", fragte sie schließlich.
„Es ist Weihnachten, dass ist los", antwortete Ron und die anderen boxten ihn in die Seite, als sie ihren geschockten Gesichtsausdruck sahen.
„Es ist was?", Tränen traten ihr in die Augen, sie hatte vollkommen das Zeitgefühl verloren.
Sie hatte Weihnachten bei den Frinks verbringen wollen, sie hatte für eine kurze Zeit vergessen wollen, was sie war. Die Elfjährige konnte die Tränen nicht verbergen und so schlug sie einfach die Hände vor das Gesicht, damit sie niemanden ansehen musste.
Schweigend strich ihr George, der ihr am nähesten saß über die Schulter und schien einmal nicht zu wissen was er sagen sollte.
„Es tut mir leid", schniefte sie schließlich, „Ich versaue euch wahrscheinlich das ganze Fest."
„Das Fest findet heute bei dir statt", erwiderte Harry und legte ihr aufmunternd lächelnd ein Päckchen in den Schoß.
Zögernd fuhr sie mit den Fingern darüber und schluckte schwer.
„Na los", ermunterte Fred sie, „Wir haben unsere auch noch nicht aufgemacht."
„Wir wollten es hier bei dir machen", ergänzte sein Zwilling, „Aber wenn du nicht willst übernehme ich es gerne für dich."
Traurig lächelnd drückte sie das Päckchen an sich.
„Das mach ich schon selbst."
Während sie das Papier langsam aufriss, überkam sie ein merkwürdiges Gefühl. Es war das erste Mal, dass sie Weihnachten ohne die Frinks, ohne ihren kleinen Bruder, der immer die Geschenke verteilt hatte, feierte und es zog ihr das Herz zusammen. Sie liebte ihre Freunde dafür, dass sie hier waren, doch noch mehr wünschte sie sich nun nach Hause.
Trotzdem trat ein leises Lächeln auf ihre Lippen, als sie das Geschenk endlich ausgepackt hatte.
„Lass mich raten", sie sah ihre ältere Freundin lächelnd an, „Das ist von dir, Hermine."
„Ich hoffe du hast es noch nicht gelesen", erwiderte diese und lächelte zurück.
„Nein, hab ich noch nicht", sagte sie leise und drehte das Buch in ihren Händen, „Ich hab noch nicht all zu viele Bücher über Zaubertränke durch. Es ist perfekt, Hermine, danke."
Das schwermütige Gefühl blieb die ganze Zeit, während sie ein Geschenk nach dem anderen aufriss. Schließlich lagen Hermines Buch, einige Süßigkeiten von Harry und Ron, ein Pulli von Ginnys Mum, der ihr wahrscheinlich um einiges zu groß sein würde, ein riesen Stapel sich bewegender Bilder, die Colin noch vor seinem Unfall irgendwo deponiert haben musste, eine die farben wechselnde Feder von Ginny, auf ihrem Schoß und nun sah sie neugierig zu den anderen, was sie wohl für Geschenke bekommen hatten.
„Warte, Kleines", George legte ihr noch ein kleines Päckchen in den Schoß, „Ich hab noch was für dich."
„Aha", sein Zwillingsbruder stieß den rothaarigen Jungen lachend an, „Ist das etwa das an dem du schon seit Wochen herumbastelst. Bekomme ich es jetzt auch endlich mal zu Gesicht?"
Fragend sah sie den älteren Jungen an, der nur grinsend mit den Schultern zuckte.
„Mach es einfach auf."
Neugierig tat sie es auch und hielt schließlich eine Kette mit einem schlichten silbernen Anhänger in Form einer Kugel in der Hand.
„Die Kugel verändert die Form und Farbe so wie du willst", erklärte George, „Du kannst sie in alles verwandeln. Jedenfalls wenn ich alles richtig gemacht hab."
„Kann sie sich auch...", die junge Hexe schloss die Hand um den Anhänger und konzentrierte sich auf die Frinks.
Als sie die Handfläche wieder öffnete waren in die Kugel die Gesichter jener Personen, die sie ihr ganzes Leben lang für ihre Familie gehalten hatte, eingraviert.
„Danke, George", sie umarmte ihn und er strich ihr anscheinend überrumpelt über den Rücken.
„In was hast du sie verwandelt", wollte Ginny neugierig wissen und sie löste sich von den rothaarigen Jungen, um den Anhänger in die Höhe zu halten.
„In die Frinks", antwortete sie schlicht.
Mitleid blitzte in den Augen ihrer Freunde auf und ein unangenehmes Schweigen entstand.
„Wisst ihr", begann sie schließlich leise, „Ich vermisse sie so sehr. Nichts gegen euch, aber ich wäre am liebsten bei ihnen, das Heimweh ist einfach immer schlimmer geworden. Außerdem fühle ich mich hier einfach so einsam. Ich kann hier die Ereignisse einfach nicht vergessen, weil mich alles daran erinnnert."
Wieder traten ihr Tränen in die Augen und sie blinzelte sie energisch weg.
„Weißt du was", einer der Weasleyzwillinge sprang auf.
„Dann werden wir dich heute alles vergessen lassen", vollendete sein Bruder seinen Satz und stand ebenfalls auf, „Wir entführen dich in die Große Halle."
„Aber Madam Pomfrey...", hielt sie leise dagegen, doch die beiden rothaarigen Jungs zuckten nur mit den Schultern und rannten davon um sie zu fragen.
„Zieh den währenddessen an", Hermine zog ihr den Weasleypulli über den Kopf, „Und mit deinen Haaren muss auch was gemacht werden."
Pearl wunderte es nicht, dass Rons Brüder eine halbe Ewigkeit brauchten, bis sie schließlich wieder angerannt kamen.Sie saß schon in einer ihrer Jeans, die ihr noch vor einigen Wochen gepasst hatte und in die sie nun beinahe zweimal reinpassen würde, wartend da und sah die zwei fragend an.
Erschrocken schrie sie auf, als George sie plötzlich aufhob und auf die Füße stellte. Die Elfjährige krallte sich an seinen Armen fest, als ihr die Beine wegknickten, doch er hielt sie sicher fest.
„Ich glaub, dass ist...", sie glaubte kaum, dass sie es auch nur schaffen würde ein paar Schritte zu gehen.
„Komm ich nehme dich Huckepack", ohne zu warten, schnappte er sie sich einfach und lief los, sodass sie sich gerade noch an seinem Pulli festkrallen konnte.
„Überanstrengt sie nicht, Mr Weasley", rief ihnen Madam Pomfrey nach und sie konnte sich gut vorstellen, wie sie ihnen kopfschüttelnd nachsah.
Behutsam schlang sie schließlich die Arme um seinen Hals, legte den Kopf bequem auf seine Schultern und genoss den wilden Lauf.
„Gemütlich genug, Kleines?", George drehte kurz den Kopf und lachte ihr ins Ohr.
„Pass auf wo du hinläufst!", rief sie statt einer Antwort, als ihnen ein paar andere Gryffindors aus dem Weg sprangen.
„Der Weasleyexpress ist der sicherste auf der ganzen Welt, keine Angst", erwiderte der Rotschopf und rannte einfach weiter.
Als er sie schließlich auf ihren Stammplatz am Gryffindortisch ablud, konnte sie selbst nicht anders als ausgelassen zu lachen. Die anderen am Tisch sahen sie überrascht an. Sie getraute sich kaum ihnen in die Augen zu sehen, bis ihr jemand frohe Weihnachten wünschte. Überrascht sah sie auf und konnte keine Spur Feindseligkeit mehr in den Gesichtern der anderen entdecken, anscheinend hatten sie erkannt, dass sie nicht Slytherins Erbin war. Erleichterung durchflutete sie und ließ sie noch etwas breiter grinsen.
Während die anderen ausgelassen redeten sah sie sich in der prächtig geschmückten Halle um und konnte sich beinahe nicht an dem wunderbaren Anblick sattsehen. Von der verzauberten Decke rieselte sanft Schnee, rießige Weihnachtsbäume schmückten die Halle, es sah aus als wäre alles einem Märchen entsprungen.
Langsam strich sie sich die viel zu langen Ärmel des Pullis zurück, während sie sich weiterhin umsah. Ihr Blick wanderte langsam zum Lehrertisch, an den sich gerade Snape niedersetzte. Er schien ihren Blick zu spüren und sah auf, sein Gesichtsausdruck verriet nichts, doch sie wusste, dass er überrascht sein musste sie hier zu sehen.
Allmählich spürte sie, wie sie wieder müde wurde. Seufzend lehnte sie sich an einen der Weasleyzwillingen und rollte sich so gut es ging auf der Bank zu einer Kugel zusammen.
Es war um einiges gemütlicher, als man annehmen würde und sie würde alles tun, um nicht mehr in ihr Krankenbett zurück zu müssen.
Der Rummel, der in der großen Halle herrschte tat ihr gut. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor seitdem sie das letzte Mal hatte schreien müssen, um sich zu verständigen. Doch so viel Lärm hier auch war, es hielt sie nicht davon ab immer müder zu werden. Bis alle mit essen und herumalbern fertig waren, war sie schon wieder eingeschlafen.
Erst als jemand sie sanft wachrüttelte, wachte sie wieder auf und sah sich überrascht um.
„Na, hast du Lust noch mit uns in den Gemeinschaftsraum zu kommen?", fragte George und nahm sie wieder ohne groß zu fragen Huckepack.
Noch ziemlich verschlafen nickte sie und machte sich wieder auf einen wilden Lauf gefasst, doch diesmal trotteten sie im Schneckentempo in den Gryffindorturm, anscheinend hatten sie allesamt für sie mitgegessen.
Im Gemeinschaftsraum legte George sie auf die Coach und die anderen setzten sich um sie und begannen endlich ihre Geschenke auszupacken, zu dem sie vorhin nicht mehr gekommen waren. Lächelnd beobachtete sie sie dabei und bemerkte nicht einmal, dass das schwermütige Gefühl verschwunden war, sie genoss einfach den Moment und freute sich mit ihnen über ihre Geschenke.
Sie merkte nicht einmal, dass es draußen schon dunkel wurde. Die Elfjährige nickte immer wieder ein, doch das ausgelassene Lachen ihrer Freunde weckte sie immerwieder auf.
Als selbst ihre Freunde merkten, dass es ziemlich spät wurde und sie sie in den Krankenflügel zurückbringen sollten, seufzte sie und richtete sich mit viel Mühe auf.
Schweigend ließ sie sich von George wieder tragen, doch bevor sie die Tür zum Krankenflügel aufmachten trommelte sie sanft auf seine Schultern.
„Was ist?", der ältere Rotschopf nahm seine Hand von der Türklinke und sah sie an.
„Lass mich versuchen das letzte Stück selbst zu gehen", bat sie leise lächelnd.
„Na gut", er ließ sie hinunter und stützte sie sofort, als sie ins wanken kam.
Der Weasleyjunge streckte beide Hände aus und ging ganz dicht hinter ihr, damit er sie sofort auffangen konnte falls sie das Gleichgewicht verlieren sollte. Ihre Freunde tanzten um sie herum und feierten sie dafür, dass sie es schaffte ein paar Schritte zu gehen.
Madam Pomfrey fiel beinahe aus allen Wolken, als sie sie so sah, doch sie hielt sie nicht auf. Sie beobachtete das Treiben nur mit Argusaugen, damit ja nichts geschah.
Einzig und allein Snape machte dem allen ein Ende. Ihre Freunde erstarrten zur Salzsäule, als sie ihn bemerkten, ohne, dass er etwas sagen musste. Sie selbst richtete sich noch ein wenig weiter auf und ging die letzten Schritte bis sie sich bei ihrem Bett festhalten konnte.
„Genug für heute", hörte sie wie Madam Pomfrey ihre Freunde aus dem Krankenflügel scheuchte, während sie versuchte Snapes Gesichtsausdruck zu deuten.
Erschöpft ließ sie sich schließlich in ihr Bett fallen und gab es auf seine versteinerte Miene entschlüsseln zu wollen.
„Danke, dass ...", wandte sie sich an die Heilerin, doch die winkte ab bevor sie den Satz überhaupt zu Ende hatte sprechen können.
„Es ist Weihnachten", sagte sie nur schlicht und wandte sich dann ab, um Snape und sie alleine zu lassen.
„Haben Sie wieder einen Ihrer scheußlichen Trunks für mich?", Pearl zog die Beine an, stützte ihr Kinn auf ihre Knie und sah ihn fragend an.
Ohne ein Wort zu sagen legte er drei kleine Päckchen in ihr Bett und setzte sich zu ihr.
Erstaunt blickte sie auf die bunten Geschenke und nahm eines in die Hand.
„Sind die von...?", sie hielt inne als sie das Papier aufreißen wollte.
„Ihrer Familie", vollendete er ihren Satz und sah sie fragend an, als ihr Blick zu ihm schnellte.
„Von den Frinks?", fragte sie noch einmal mit zittriger Stimme.
Der dunkle Zauberer nickte nur und runzelte die Stirn, als sie das Päckchen wieder zur Seite legte und nur darauf starrte.
„Stimmt etwas nicht?", die Elfjährige konnte die Sorge in seiner Stimme hören und sah ihn mit Tränen in den Augen an.
„Mir geht es gut", wisperte sie leise und fuhr sich über die Augen, um irgendwie die Tränen zurückhalten zu können, doch sie wusste, dass es nicht lange klappen würde.
„Könnten Sie...", Pearl schlang die Arme um ihre angezogenen Beine und schloss die Augen, um die Tränen noch ein paar Sekunden länger zurückhalten zu können, doch ihre Stimme zitterte so sehr, dass niemand es überhören könnte, dass sie kurz davor war zu weinen.
Die kleine Hexe spürte wie er aufstand, doch sie sah nicht mehr auf.
„Gute Nacht", wünschte er ihr leise und sie merkte, dass er noch kurz stehenblieb, als wüsste er nicht ganz was er tun sollte, oder ob er ihr irgendwie helfen könnte.
Erst als seine Schritte verklungen waren und die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, sah sie auf und wischte sich die Tränen, die sie nicht hatte aufhalten können, mit dem Ärmel fort.
Mit zittrigen Fingern öffnete sie das erste Päckchen und eine selbstgebastelte Eule kam zum Vorschein. Sie zweifelte nicht daran, dass Karjetan daran lange gebastelt hatte und sie liebte ihn dafür. Vorsichtig stellte sie die Eule aus bunt angemalten Karton auf ihr Nachtkästchen und machte die anderen beiden Päckchen auf. Ein dickes Fotoalbum, mit unzähligen Bildern von ihr und den Frinks und eine kleine Schachtel voller selbst gebackener Keckse lagen in ihrem Schoß, als sie leise weinend auf die Briefe blickte, die auch bei den Geschenken dabei waren.
Sie schrieben nichts davon, warum sie nicht zu Weihnachten nach Hause gefahren war. Die Frinks schrieben nur wie sehr sie sie vermissten und wie ruhig es im Haus war, wenn sie und Karjetan sich nicht kabbelten oder wie viele Keckse übrig blieben wenn sie nicht mithelfen konnte. Sie schrieben nur über solch alltägliche Sachen, doch es tat so weh davon zu lesen, weil sie so gern bei ihnen sein würde, um sie selbst zu erleben. Pearl hatte nicht gedacht, dass die Frinks ihr überhaupt etwas schicken würden, wenn sie nicht einmal wussten wieso sie nicht nach Hause kam. Die Elfjährige war erleichtert, dass sie nicht böse zu sein schienen, doch sie konnte trotzdem nicht aufhören zu weinen. Wenn Madam Pomfrey ihr nicht das Licht gelöscht hätte, hätte sie wahrscheinlich die ganze Nacht in dem Fotoalbum geblättert, egal wie müde sie schon war.
Es tat einfach so gut sich in die Vergangenheit zu flüchten und sie hoffte sie würde es in ihren Träumen vielleicht auch können.
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