19
Elian
Ich musste zuhause einfach raus. Jetzt gerade hielt ich es wirklich nicht aus. Mein Vater hat mal wieder einen zu viel getrunken und hing kotzend über der Kloschüssel. Zusätzlich dazu schrien meine Eltern sich gegenseitig an. Sie schrien auch mich an und wollten, dass ich Zigaretten hole. Das tat ich, denn ich hatte keinen Bock auf noch mehr Stress.
Doch bis jetzt hatte ich die Zigaretten noch nicht gekauft, ich stand einfach an einem der Stehtische die vor dem kleinen Kiosk aufgestellt waren und beobachtete die Leute die an mir vorbeiliefen.
Sie alle sahen glücklich aus und hatten bestimmt keine kaputte Familie.
Ich seufzte und sah im Augenwinkel wie sich jemand neben mich stellte und mir ein Bier vor die Nase schob.
Als ich in diese Richtung schaute, sah ich Levin.
Das kann doch jetzt wirklich nicht wahr sein. Langsam glaube ich, dass er mich verfolgt.
"Du siehst ziemlich niedergeschlagen aus. Ich dachte ein Bier tut dir vielleicht gut."
"Nein danke."
Levin beließ es einfach dabei und nahm einen Schluck aus seinem Bier.
"Was ist los?", fragte er.
"Nichts."
"Sieht nicht, nach nichts aus."
Ich antwortete ihm nicht. Levin war einer der letzten Leute denen ich von meinen Problemen erzählen würde.
"Alles gut, du musst mir wirklich nichts erzählen.", sagte er leicht lächelnd. "Ich würde mir an deiner Stelle auch nichts erzählen."
Darauf wusste ich nichts zu erwidern, weswegen ich ihm nur ein leichtes Lächeln schenkte und wieder nach vorne schaute.
Es entstand eine unangenehme Stille zwischen uns. Zumindest empfand ich das so. Levin trank genüsslich aus seinem Bier.
"Wenn ich die Leute hier so beobachte...", unterbrach Levin die Stille. "Frag ich mich immer, was für Geheimnisse sie wohl haben. Ich meine, jeder hat schließlich ein dunkles Geheimnis. Die Frau da vorne geht ihrem Mann garantiert fremd."
Fragend schaute ich ihn an.
"Ist so. Schau sie dir an. Warum sollte man hier am Kiosk sonst in pinken High Heels stehen und diesem kurzen Kleid?"
Als hätte Levin es gewusst, fuhr ein schwarzer Audi vor und die Frau stieg lachend an.
"Siehste?"
"Das kann auch ihr Mann sein."
"Nein, glaub ich nicht. Warum sollte er sie hier abholen und warum fahren sie nicht zusammen von zuhause aus?"
Darauf wusste ich tatsächlich keine Antwort. "Woher wusstest du das?"
"Ich komm viel rum, wenn man der Sohn des Bürgermeisters ist. Da hat man irgendwann einfach eine gewisse Menschenkenntnis."
Ich nickte nur und schaute dem wegfahrendem Auto hinterher.
"Hey, was hast du heute Abend vor?"
Dieses mal zuckte ich mit den Schultern.
"Ich hol dich um 20 Uhr ab, okay?"
Was will er tun? Warum? Nein, ich hab kein Bock was mit ihm zu machen. Auch wenn ich zugeben musste, dass es gerade echt eine Ablenkung war mit ihm hier zu stehen, wenn er so freundlich ist.
"Warum?", brachte ich nur heraus, weil er mich tatsächlich etwas sprachlos machte.
"Warum nicht? Wir müssen beide auf andere Gedanken kommen, auch wenn du es nicht zugeben willst. Aber vergiss nicht, ich hab gute Menschenkenntnisse. Also 20 Uhr. Ich schreib dir, wenn ich da bin."
Er trank sein Bier aus und nahm dann die Flasche die vor mir stand in die Hand. "Zum Verschwenden ist es zu schade. Vergiss nicht. 20 Uhr. Ich bin pünktlich."
Und damit verschwand er und ließ mich total perplex stehen.
Was hatte er vor? Da konnte etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Er verarschte mich, haushoch. Und ich war wahrscheinlich wieder so dumm und fiel voll drauf rein.
Schnell unterbrach ich meine Gedanken, als mich die Realität einholte. Die Zigaretten für meine Eltern! Sie wunderten sich wahrscheinlich schon wo ich blieb und werden gleich mega wütend auf mich sein. Ich bezahlte die Zigaretten und lief mit schnellen Schritten nach Hause. Auf dem Weg bereitete ich mich langsam auf den Anschiss vor.
Doch als ich zuhause ankam war es ruhig. Leise schaute ich ins Wohnzimmer, dort schlief meine Mutter auf dem Sofa. Ich stellte die Zigaretten einfach auf den Tisch.
Mein Vater war nicht im Wohnzimmer, doch ich hatte eine Vermutung wo er war. Vermutlich war er auch eingeschlafen. Jedoch auf der Toilette. Aber das war mir sowas von egal. Ich lief einfach nach oben in mein Zimmer und wartete nur darauf, dass es 20 Uhr wurde und dann würden wir ja sehen was Levin wirklich vorhatte...
(...)
Ich würde lügen, wenn ich nicht alle paar Minuten auf die Uhr schauen würde. Mittlerweile war es zehn Minuten nach 20 Uhr und Levin war immer noch nicht da, aber das war ja klar. Er hatte mich verarscht und lachte sich wahrscheinlich wieder den Arsch ab.
Aber was genau hatte er jetzt davon? Naja, es war Levin, ich sollte diese Frage eigentlich gar nicht mehr stellen.
Da ich nun sicher war, dass er nicht kommen wird, konnte ich wenigstens noch ein wenig die Hausarbeit erledigen, die schon wieder viel zu lange liegen geblieben ist.
Ich stand vom Bett auf und lief Richtung Treppe. Dabei schaute ich aus dem Dachfenster, welches die Straße vor unserem Haus zeigte. Ein rotes Auto erregte meine Aufmerksamkeit. Es fuhr ziemlich langsam durch die Straße und blieb plötzlich vor unserem Haus stehen.
Nein...
Das war doch nicht...
Schnell lief ich die Treppen hinunter und schaute vorsichtig erneut aus dem Fenster neben der Haustür.
Doch, er war es tatsächlich.
Levin lief ums Auto herum und steuerte geradewegs auf die Tür zu.
Scheiße, meine Eltern sollten ihn auf keinen Fall sehen. Es reichte schon, dass Dad ihm damals an der Tür ein Bier angeboten hatte.
Am Liebsten würde ich ihm die Tür nicht aufmachen. Doch wenn ich es nicht tat, taten es meine Eltern. Also öffnete ich die Tür und trat nach draußen.
Als Levin mich sah, lächelte er mich an. "Hey, tut mir leid, dass ich spät dran bin, aber ich musste warten bis meine Eltern weg waren. Damit ich das Auto nehmen konnte. Hast du Bock ein wenig durch die Gegend zu fahren?"
Nein, ich hatte tatsächlich gar keinen Bock darauf. Bestimmt fuhren wir jetzt an irgendeinen Ort wo seine Freunde schon warteten und dann würden sie mich wieder total demütigen. Aber wenn ich wirklich Nein sage, dann wird er nicht locker lassen. Was ist, wenn er dann an meinem Haus klingelt? Wenn meine Eltern dann wirklich aufmachen und er sieht wie sie wirklich sind.
Also gab ich die einzig richtige Antwort: "Ja."
"Cool.", antwortete er und zusammen liefen wir zu dem Auto. Erst jetzt realisierte ich, was er eben gesagt hatte.
"Warte.... Du hast doch gar keinen Führerschein oder?"
Grinsend schaute er mich an. "Angst?"
Leicht schüttelte ich den Kopf. Ich hatte nicht mehr Angst als sowieso schon vor ihm.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top