Kapitel 7

Kapitel 7
Die Musik dröhnte laut aus den Lautsprechern, als ich ein ums andere Mal meine Runden zum Aufwärmen drehte.
Das Gespräch war weitaus besser verlaufen, als ich angenommen hatte. Si-Hyug war mir in sämtlichen Punkten entgegengekommen, fast so als wäre ihm alles Recht gewesen, Hauptsache ich wäre bereit zu dem Konzert.

Ich hatte sogar die Erlaubnis für Minho bekommen, dass er im Hybe-Gebäude für meinen Channel filmen durfte. Das war verrückt. Wir würden wenn überhaupt erst etwas nach dem Konzert hochladen.

Natürlich gab es auch ein, zwei Eingeständnisse, die ich ihm machen musste. Nichts dramatisches. Ich hatte damit gerechnet, dass das ein oder andere behind gedreht werden würde. Eine vorzeigbare Frisur. Ein, zwei Fotoshootings. Interviews. Eventuell ein Dokufilm über die nächsten Monate. Alles kein Problem.

Der Vertrag wurde gerade fertig gemacht und war nachher bereit zum Unterschreiben.
Die Zeit nutzte ich, um ein wenig zu trainieren. BTS hatte in diesem Gebäude nach wie vor einen eigenen Trainingsraum und ich somit genug Platz, indem man mich nicht stören würde. Ein bisschen hatte ich mich in diesem unübersichtlichen Gebäude verlaufen, als ich diesen Raum suchte, aber nach kurzer Zeit hatte ich ihn schließlich gefunden.

Als die Agentur ganz frisch vor drei Jahren umgezogen war, sah man hier regelmäßig verzweifelte Gesichter, die ihre Räume suchten. Das ein oder andere Mal musste ich auch Tae aus Fluren retten, weil er den Weg nicht mehr zurück fand.
Langsam beendete ich meine Runden und fing an mich zu dehnen.
Auch wenn ich versucht hatte weiterhin körperlich fit zu bleiben, konnten die paar Fitnessstunden in der Woche und das wöchentliche Tanztraining nicht mit dem Workout als Idol mithalten.

Ich sah kurz an mir herunter, hob das übergroße T-Shirt an, das mir Tag geliehen hatte und betrachtete mich gedankenverloren im Spiegel.
Ich war nach wie vor nicht dick, hatte mir aber ein kleines Polster zugelegt. Wie immer sah man es mir im Gesicht besonders an. Wenn ich bis zum Konzert wieder fit sein wollte, musste ich wohl wieder eine Diät machen. Vielleicht würde sich es aber auch mit intensiveren Training geben.

Als ich mit ausgiebigem Dehnen fertig war, suchte ich auf meinem Handy nach einem Lied von uns, auf das ich Lust hatte und an dessen Choreografie ich mich erinnern konnte. Klar, meistens bekam ich einen Teil der Choreo wieder zusammen, sobald das Lied lief, aber es war wirklich lange her, dass ich mir eine Choreografie in Erinnerung rufen musste. Ich hatte einiges vergessen.
Als ich durch meine Liste ging, skippte ich einige Titel. Dann kam mir ein Lied unter die Augen, auf das ich Lust hatte.

Da mein Handy an die Anlage gekoppelt war, dröhnten bald die ersten vertrauten Töne von Dynamite durch den Saal. Schnell fand ich mich ein, nachdem ich erst ein wenig auf der Stelle hin und her getappst war und erinnerte mich an die Choreo. Es gab einige Lücken, die ich provisorisch mit Bewegungen füllte, die sich falsch anfühlen.

Es war merkwürdig, dieser Titel war irgendwie der Grund für die ganze Trennung von mir und BTS und nun war es der erste Track, den ich wieder spielte. Es fühlte sich richtig an, als würde ich da weitermachen, wo ich aufgehört hatte. Es machte mir Spaß, jedoch war es nicht dasselbe alleine zu tanzen, wenn die Choreografie für sieben ausgelegt war.
Gestern hatte es mir noch etwas ausgemacht die Stimme von Jungkook hören, jedoch hatten sich die Dinge geändert. Erstens hatte ich das Lied ganz bewusst ausgesucht und ich hörte sie nicht so unvorbereitet wie den Tag zuvor. Zweitens wusste ich, dass ich ihn in naher Zukunft wieder sehen würde, was mich euphorischer stimmte, als es vermutlich sollte. Ich vermisste ihn schrecklich.

Gerade, als ich in den letzten Sekunden des Tanzes war, wurde die Tür zu meinem kleinen privaten Zufluchtsort aufgerissen.
"Wie oft soll ich es euch noch sagen-"
Ein vollkommen aufgebrachter Yoongi stand in der Tür. Seine Miene wandelte sich jedoch von aufgebracht zu ungläubig, als er mich mitten im Saal stehen sah, in der Bewegung erstarrt. Die letzten Töne verklungen und es wurde kurz darauf das nächste Lied abgespielt, was mich aus meiner Starre befreite. Schnell drückte ich auf Pause.
"Jiminie?", fragte er mich vollkommen verdutzt.
"Hallo Hyung!", begrüßte ich ihn, freudig überrascht ihn doch noch zu treffen, bevor ich wieder zurück nach Amerika flog.
Auch auf seinem Gesicht breitete sich ein breites Grinsen aus und mit großen Schritten kam er zu mir heran.

"Was machst du hier?"
Ein wenig skeptisch sah ich ihn an. Er konnte sich doch wohl denken, dass ich einen neuen Vertrag brauchte. Der alte Vertrag hatte schon lange keinen Bestand mehr. Er war wegen meiner Krankheit durch irgendeine Klausel aufgelöst worden. Ich wusste aber schon damals, dass wenn ich zurück kommen wollte, von Seiten meiner Agentur nie etwas dagegen sprechen würde.
"Ich war zur Vertragsunterzeichnung hier..."
"Ah."

Unauffällig versuchte ich Yoongi zu mustern. Drei Jahre waren nicht so viel Zeit, wie man auf dem ersten Blick denkt. An Yoongi und den anderen Membern schienen sie zumindest physisch so gut wie spurlos vorbeigegangen zu sein. Er sah genauso aus wie damals.
Als er mein Starren zu bemerken schien, versuchte ich unauffällig abzulenken.

"Wen wolltest du hier eigentlich so anfahren?"
"Mh? Was meinst du?", riss ich ihn scheinbar auch aus seinen Gedanken.
"Du kamst hier so herein gestürmt, als würdest du jemand ganz bestimmtes hier drin erwarten."
"Oh...", er suchte nach den richtigen Worten. "Ich kam hier zufällig vorbei und sah, dass das Licht an ist und Musik läuft. Das ist in der letzten Zeit schon mal passiert. Da hab ich hier irgendeine Rookiegruppe drin erwischt, die es cool fanden, in unserem Raum herumzualbern."
"Tja. Ich bin's nur. Enttäuscht?"

Yoongi war einen Moment sprachlos. Ich wusste, dass er wohl einfach nicht damit gerechnet hatte, mich hier zu sehen. Ihn aber ein wenig zu necken, machte mir echt Spaß.
Er nahm mich bei den Schultern und drückte sie leicht. Für Yoongi war das schon fast eine Art Liebesbeweis, so selten, wie er unsere körperliche Nähe suchte.
"Wir haben dich alle sehr vermisst. Ich auch." Er sah so aus, als wollte er noch etwas sagen, jedoch blieb er nach kurzem Zögern noch immer stumm.

"Ich wäre gestern gern dabei gewesen, ich hatte bloß einen Kunden, der mit dem einem Lied nicht zu Frieden war, das ich-"
Ich schüttelte den Kopf und zeigte ihm so, dass es unbedeutend für mich war, was gestern war. Es zählte nur, dass er jetzt hier war und das war genug. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass er mir nur die halbe Wahrheit sagte.
"Hast du Lust etwas Essen zu bestellen?", fragte ich ihn. Die Verhandlungen und das kurze Training hatten mich hungriger gemacht, als ich gedacht hätte.
"Klar."

Ich zog mich wieder um und bedauerte ein bisschen, dass meine Trainingszeit erst einmal vorbei war für heute. Aber jetzt zusammen mit Yoongi zu sein, war es allemal wert. Blöd rumstehen und zu versuchen die Choreografie wieder in den Kopf zu bekommen, konnte ich auch noch in Amerika.
Kurze Zeit später saßen wir in seinem Studio und futterten unser geliefertes Essen.
Natürlich hatten wir es am Eingang entgegen nehmen müssen, der arme Lieferant hätte Yoongis Studio in diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr gefunden.
Nach langer Zeit hatte ich endlich wieder echtes koreanisches Kimchi. Auch wenn die Restaurants in New York nicht schlecht waren- an die in Heimat kam einfach keins heran. Es dauerte nicht lang, da hatte ich meinen Anteil aufgegessen. Yoongi bekam das mit und schob mir seine Portion entgegen, die ich aber dankend ablehnte. Eine doppelte Portion war definitiv zu viel, wenn ich nicht noch mehr auseinander gehen wollte. Vielleicht übertrieb ich auch. Ich hatte aber keinen Lust wieder eine Essstörung zu entwickeln.
"Und du hast dich für das Konzert entschieden?", fragte er mich.
"Ja."

Ein breites Grinsen zeigte sich bei Yoongi. "Lass mich dir etwas zeigen."
Er räumte die ganzen Verpackungen zusammen und ging zu seinem Schreibtisch. Nachdem er ein wenig auf seiner Tastatur herum getippt hatte, erklang schließlich ein Lied. Es war bisher nur eine Melodie, der Gesang fehlte noch.
Es war eine schöne Melodie und ein guter Beat. Ich hätte das Gefühl, dass Suga darin etwas versuchte zu verarbeiten und zu erzählen. Ich mochte es.
"Gefällt es dir?", fragte er mich abwartend.
"Ich mag doch alles, was du machst."
Vielleicht wollte er eine explizitere Antwort, er wirkte ein bisschen enttäuscht. Ich fasste ihn am Unterarm und er sah mich an.
"Es ist wirklich schön."

Zufrieden strahlte er mich an.
Ich besah mir nun sein Studio etwas genauer. Viel verändert hatte es sich in den letzten drei Jahren nicht. Ich könnte hier und da jedoch ein paar neue Auszeichnungen entdecken. Er war die ganze Zeit über nicht untätig gewesen und hatte sich als Produzent einen Namen gemacht und war überaus erfolgreich damit. Schwer zu glauben, dass er immer noch einen weichen Fleck in seinem Herzen für unsere Gruppe hatte.
"Freust du dich auf das Konzert?", fragte ich ihn voller Neugier. So ganz wollte es nicht in meinen Kopf.

Er sah mich abschätzend an, wie ich seine Auszeichnungen begutachtete, ehe er nickte.
"Ich hätte nie gedacht, dass ich es so vermissen würde, auf der Bühne zu stehen. Ich wollte ja nie Idol werden, aber es fehlt mir. Ihr alle."
Ok, das war nun so absolut gar nicht seine Art, war er doch früher oft froh gewesen, wenn wir ihn In Ruhe ließen. Gefühlsbekundungen waren sehr untypisch für ihn. Kurz überlegte ich, ob er sich vielleicht den Kopf gestoßen hatte und ich einfach von nichts wusste. Wir hatten uns drei Jahre lang nicht gesehen. Wahrscheinlich vermisste er uns als Gruppe einfach wirklich.

"Na ich bin ja bald wieder da." Das war nur die halbe Wahrheit. Ja, ich war bald wieder hier bei ihnen in Korea und würde mit ihnen trainieren und ein Konzert haben- aber was dann?
Diese Frage machte mir selbst etwas Angst. Ich schob sie tief in den hintersten Winkel meiner Gedanken. Einfach auf dich zukommen lassen, sagte ich mir. Es würde sich schon alles finden.
Yoongi sah ebenfalls nicht überzeugt aus, fing aber um der Friede Willen nicht an zu diskutieren.
Als ich einen kurzen Blick auf mein Handy warf, wusste ich, dass ich noch einmal kurz zum Management gehen musste. Der Vertrag war sicher fertig.
"Yoongi, ich muss nochmal zur Chefetage, den Vertrag abschließen. Ist es ok, wenn ich danach wieder zu dir komme?"
"Klar."

~+~+~+~

Yoongi und ich saßen lange zusammen und redeten über Alles und Nichts. Wir näherten uns wieder an und es war ein gutes Gefühl, dass ich bei den Jungs, die ich bisher getroffen hatte, beinahe dort weiter machen konnte, wo ich aufgehört hatte. Er spielte mir ein paar Tracks vor, auf die er ganz besonders stolz war und zeigte mir auch einige, wo er nicht weiter wusste. Wahrscheinlich war ich ihm keine wirkliche Hilfe, aber die gemeinsame Zeit tat mir gut.
Als schließlich mein Telefon in meiner Hosentasche vibrierte, war ich ein wenig traurig, dass mich Tae anrief. Ich ging ran und hielt mit das Handy ans Ohr. Yoongi musterte mich interessiert.
"Na? Wie ist es gelaufen?"

Ich konnte die Anspannung in seiner Stimme hören, als er mich das fragte. Heute früh wirkte er mir gegenüber wie die Ruhe selbst. Scheinbar war er sich doch nicht so sicher gewesen, dass alles bei mir reibungslos ablaufen würde. Was für ein guter Schauspieler mein bester Freund doch war.
"Ach... ähm.. weißt du... ich glaube das wird nichts."
Ich versuchte möglichst traurig und bekümmert zu klingen, ganz anders, als ich mich fühlte.
"Du meinst, es ist kein Vertrag zustande gekommen?" Mittlerweile klang er nicht mehr angespannt, sondern eher leicht panisch.
"Genau." Ich konnte nicht mehr und musste leicht lachen. Ich war schon immer kein besonders guter Schauspieler gewesen. Natürlich hörte Tae es und zählte eins und eins zusammen.
"Du Arsch."

Nun brach ich endgültig in Lachen aus, Tae stimmte mit ein.
"Soll ich gleich runter kommen, oder möchtest du Yoongi kurz Hallo sagen?"
Ich wusste nicht, was ihm lieber war.
Es wurde kurz still am Telefon, es war nur das Brummen vom Autoverkehr und das Setzen des Blinkers bei Tae zu hören.
"Komm bitte gleich runter. Ich bin in fünf Minuten da." Damit beendete er den Anruf.
"Oh, ich muss langsam los, Tae ist gleich da."
"Na dann." Er stand auf und drückte mich fest. "Lass bald wieder was von dir hören, ja?"
"Mach ich." Er war die wie viele Person, der ich das versprach, seitdem ich wieder in Korea war? Die Fünfte?

Etwas zielsicherer fand ich meinen Weg zurück zur Tiefgarage, als vorhin meinen Weg hinauf. Es war noch die gleiche Mitarbeiterin anwesend wie vor ein paar Stunden. Sie verbeugte sich tief vor mir und wünschte mir noch einen schönen Abend.

Tae war schon da und wartete außerhalb seines Autos auf mich. Irgendwie wirkte er aufgewühlt. Er würde es mir schon sagen, wenn er darüber reden wollte, so hielten wir es meistens.
"Da bist du ja endlich!", begrüßte er mich wenig herzlich und stieg sofort in sein Auto. Ein bisschen vor den Kopf gestoßen dadurch, brauchte ich einen Moment, bis ich ebenfalls meine Tür öffnete und einstieg. Hier war jetzt Diplomatie gefragt, wenn Tae so schlechte Laune hatte, dass er sie an andere ausließ, musste ich aufpassen, was ich sagte. Es würde sonst nur noch schlimmer werden.

Unsicher, ob ich ihn irgendetwas fragen konnte, ohne ihm auf den Schlips zu treten, blieb ich die Fahrt über zunächst ruhig und sah nur aus dem Fenster. Das Seoul, das sich dort vor mir ausbreitete, würde ich bald wieder täglich sehen. Obwohl ich gerade hier war, empfand ich so etwas wie Heimweh. Was hatte mich nur geritten, damals nach Amerika zu gehen? Es hatte sich damals richtig angefühlt und ich hatte es gebraucht, aber mit etwas Abstand betrachtet war es eine dumme Entscheidung gewesen, mich von allem zu trennen, dass ich kannte.
"Jetzt sag halt schon was.", fuhr er mich an. Na das konnte ein spaßiger Abend werden. Wenn ich nur wüsste, was ihm so die Laune verdorben hatte.

"Äh...", ich überlegte fieberhaft, was ich möglichst unverfängliches zu einer Unterhaltung beisteuern konnte. Es kam selten vor, dass Tae so mies drauf war, jedenfalls war es mir gegenüber nur selten passiert. Eigentlich war er eine Frohnatur. Er ließ selten seine schlechte Laune bei jemanden aus, der nichts dafür konnte. Zumindest war ich mir keiner Schuld bewusst.
"Mein Vertrag kam ohne Probleme zustande. Sie haben einfach alles akzeptiert, was ich wollte."
Tae nahm es auf, was ich gesagt hatte und blieb einen Moment still.
"Sie wollen uns zurück haben, deswegen sind sie so großzügig bei den Vertragsverhandlungen. Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast, aber seitdem wir nicht mehr öffentlich als Gruppe auftreten, sind die Umsätze der Firma eingebrochen. Sie versuchen es aber so gut es geht, nicht nach außen zu kommunizieren."

Dass sie natürlich unser Fehlen merken würden, war mir klar gewesen, dass es jedoch so um Hybe stand, war mir nicht bewusst gewesen.
"Sie haben doch noch andere Idols...", versuchte ich zu rechtfertigen, dass ich an dem ganzen Dilemma nicht schuld war.
"Ich hab gesagt, die Umsätze sind eingebrochen, nicht, dass sie pleite sind. Sie verdienen noch genug. Enhypen und TxT haben sich Übersee auch eine große Fanbase aufgebaut. Moas und Engenes erreichen aber zusammen nicht einmal die Hälfte der Größe von unserer Army." Es klang ein wenig Stolz in seiner Stimme mit, als er an unsere überaus leidenschaftlichen Fans auf der ganzen Welt dachte. Sie waren schon etwas Besonderes. Ich spürte wie sich auch seine Laune besserte und ich mich so langsam auf ungefährlichem Terrain befand.
"Na, sie bekommen ja bald neuen Content." Wie glücklich sie sein werden, wenn auf ihren Bildschirmen die ersten brandneuen Videos erscheinen würden. Es war ein gutes Gefühl so viele Menschen glücklich machen zu können.

Mittlerweile waren wir in der Garage zu seiner Wohnung angekommen. Oben an der Tür begrüßte uns wieder ein kleiner flauschiger Fellball.
"Ich muss noch eine Runde mit ihm gehen. Kommst du mit?"
"Gerne."

~+~+~+~

Es war viel zu kalt, um uns irgendwo hinzusetzen, also blieben wir in Bewegung, als Tannie munter durch die Gegend tobte. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Tiere gehabt, jedoch vor Allem in den letzten Jahren nie die Zeit für eines gefunden. Es war mir ein Rätsel, wie Tae es schaffte ihm gerecht zu werden.
Es dämmerte bereits und die Beleuchtung schaltete sich ein, so gingen wir im Halbdunkel durch die kleine Parkfläche, Seite an Seite, Yeontan neugierig vor uns, alles beschnüffelnd, was ihm unter die Nase kam.

"Es kommt mir so surreal vor, dass du morgen schon wieder zurück fliegst."
"Mir auch." Obwohl ich nur knappe zwei Tage bei ihm verbracht hatte, fühlte es sich so an, als wären wir uns näher denn je.
Der Weg auf dem wir liefen war menschenleer, was relativ ungewöhnlich war. Normalerweise waren um diese Uhrzeit immer Menschen unterwegs. Ich freute mich, so hatte ich die letzten Stunden mit Tae wirklich für uns allein.
Ich hakte mich an seinem linken Arm runter, was ihn überrascht aufsehen ließ. Nachdem er den menschenleeren Weg sah, sagte er jedoch nichts und fing nach kurzer Zeit an, über meinen Arm zu streichen.

"Wann kommst du zurück?"
"Ich weiß noch nicht genau. Ich muss drüben noch ein paar Dinge regeln und vor allem hier eine Wohnung finden für die nächste Zeit."
"Du weißt, dass du jederzeit bei mir wohnen kannst." Er war immer so großzügig.
"Ich glaube aber für zwei wird es ein wenig eng."
Er sah mich ungläubig an.
"Du bringst jemanden mit?" Er sah ein wenig gekränkt aus und schob mich ein wenig auf Distanz.
"Mhhh... Wenn er möchte, kann Minho mitkommen."
"Achso." Deutlich entspannter ging er nun neben mir her. Er hatte Minho damals kurz kennengelernt, kurz bevor ich nach Amerika ging. "Ich dachte schon, du bist endlich in einer Beziehung."

So konnte man die Freundschaft, die mich mit Minho verband, nicht bezeichnen. Er hatte mir viel geholfen in der Zeit, in der es mir nicht gut ging und auch danach hatte ich seine Unterstützung stets bekommen. Vielleicht standen wir uns näher, als es normale Freunde taten und vielleicht war auch ab und zu etwas mehr gelaufen, als es unter Freunden üblich war. Aber wir waren in keiner Beziehung und wir mochten es beide so. Er wusste, dass mein Herz jemand anderem gehörte.
"Nein, ich hab den Richtigen noch nicht gefunden."

Er sah mich skeptisch an. Lange. Mit hochgezogener Augenbraue.

Er erinnerte sich sicher genauso gut wie ich an die vielen Nächte, an denen ich mich bei ihm ausgeweint hatte. Wortwörtlich. Er war der Erste gewesen, der verstanden hatte, was zwischen mir und Jungkook war. Beziehungsweise nicht war. Ich glaube die anderen Member wussten es zwar auch, hatten aber zumindest nie mit mir darüber gesprochen. Vielleicht war es auch nicht so offensichtlich, wie ich dachte.
"Jaaa, ist gut. Du weißt doch. Es würde nicht gut gehen."
"Ich weiß, das sagst du immer."
Und wie immer glaubte Tae mir das nicht. Er war stets der Meinung, dass es klappen könnte, wenn wir vorsichtig sein würden. Ich sah das anders.
Die Dinge hatten sich zwar Zwischenzeitlich geändert, aber durch unser Konzert, das nun bevor stand, dann irgendwie doch wieder nicht.

Zwar hatte Namjoon geheiratet, aber wenn ich zurück dachte, was für einen medialen Aufschrei es damals gab als es herauskam, dass er sich verlobt hatte, wollte ich gar nicht wissen was passieren würde, wenn bekannt werden würde, dass ich schwul war und womöglich in einer Beziehung. Mit einem Bandkollegen.
Eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus und ich zog fröstelnd meine Jacke enger an mich ran, auch wenn die Kälte aus meinem Inneren kam und nicht von den kühlen Temperaturen stammte.
"Es ist ja nicht so, dass ich der Einzige hier bin, der kein Date hat!"
Spielerisch boxte ich ihm in die Seite.

"Hey!", er versuchte meine Hände zu greifen und sich so vor weiteren Attacken zu schützen. "Weißt du... Eigentlich hab ich bald ein Date", gestand er mir dann etwas leiser.
Damit hatte ich nicht gerechnet, es traf mich etwas unvorbereitet.
"Oh." Der spielerische Moment war vorbei.
"Du kennst sie sogar."
Jetzt war ich verwirrt. Wenn ich sie kennen sollte, musste es jemand von früher sein, die ich schon länger kannte. In den zwei Tagen hier, hatte ich schließlich niemanden kennengelernt.
"Hana. Du hast sie gestern getroffen", klärte er mich auf.
Langsam, ganz langsam dämmerte es mir.
"Die Kellnerin von gestern?", rief ich überrascht aus und erschrak vor meiner eigenen Lautstärke. Auch Tae zuckte etwas zusammen.

Fieberhaft versuchte ich mir das Gesicht von ihr in Erinnerung zu rufen. Mehr als dass sie ein hübsches Gesicht hatte, wusste ich nicht mehr.
"Wie lang geht das schon zwischen euch?", fragte ich ihn nun deutlich leiser als zuvor.
Er schüttelte nur den Kopf und blieb kurz stumm, als uns doch noch eine Frau entgegen kam und an uns vorbei ging.
"Ich hab sie erst gestern gefragt, ob sie möchte und sie hat mir ihre Nummer gegeben."
"Kennst du sie schon länger?", konnte ich meine Neugier kaum im Zaum halten. Tae hatte sich früher kaum mit Frauen getroffen, nur, wenn es ihm besonders ernst mit einer war. Glück hatte er mit keiner gehabt.
"Nein, ich war dort erst zweimal Essen, seitdem sie da arbeitet. Aber mir hat sie von Anfang an gefallen."

Ich erinnerte mich an die Blicke, die die beiden sich zugeworfen hatten und rückblickend ergaben sie nun Sinn.
"Keine Sorge, Tae", versuchte ich ihn zu beruhigen, "Sie wäre echt blöd, wenn sie dich nicht mag."
"Meinst du?" Seine dunklen braunen Augen sahen mich an.
"Tae, du bist der beste Fang, den eine Frau machen kann."
Er sah mich zweifelnd an. "Und furchtbar berühmt." Damit nahm er meiner Argumentation den Wind aus den Segeln. War das doch der Punkt, der vieles auch für mich immer erschwerte. Wen wollte ich hier belügen? Wir waren allesamt kein guter Fang. Blieb nur zu hoffen, irgendwann einen Partner zu finden, der den ganzen Wahnsinn ertragen konnte.

~+~+~+~

Als wir schließlich Nachts Arm in Arm wieder bei Tae im Bett zusammen lagen, dachte ich noch lange darüber nach.
Ich hatte mir dieses Leben damals ausgesucht, als ich Trainee wurde und auch mit all diesen Schwierigkeiten, die es mit sich brachte, würde ich es immer wieder so wählen. Trotzdem war ich damals sehr blauäugig nach Seoul gezogen. Es konnte ja auch niemand ahnen, dass wir dermaßen erfolgreich sein würden.
Ich lauschte den langsamen Atemzügen meines Freundes, die mich schließlich schläfrig werden ließen. Ich wusste jetzt schon, dass ich ihn die nächsten Wochen sehr vermissen würde.

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