Kapitel 42

Kapitel 42
Noch bevor Jungkook die Klinke zu Yoongis genius lab herunter drückte, war mir der Ausgang klar gewesen. Die Tür war von außen stets durch einen Code gesichert, der unerwünschten Besuch aussperrte. Ganz offensichtlich zählten auch wir dazu, ich kannte zumindest die Zahlenfolge nicht, die uns Zutritt gewähren würde und Kookies frustriertem Gesichtsausdruck nach zu schließen, ging es ihm ebenso.
Gerade als ich den Mund aufmachte und vorschlagen wollte, uns schon mal auf den Weg zum Raum zu machen, in der gleich gedreht werden würde, konnten wir deutlich Geräusche hören, die aus dem Studio drangen.

Kurze Zeit später wurde uns die Tür von einem vollkommen zerzaust aussehenden Yoongi geöffnet. Seine Augen waren noch kleiner als sonst, auf seiner rechten Wange prangte ein roter Abdruck und seine Haare standen asymmetrisch zu einer Seite ab. Ganz offensichtlich war er bis eben noch im Land der Träume gewesen.
"Ah", war alles was er zu uns sagte und ließ uns mit einem Brummen in sein Studio eintreten. Minho, der schon wieder ganz in die Rolle meines persönlichen Kameramanns gefunden hatte, ließ bei Yoongis einschüchternden Blick gleich das Aufnahmegerät wieder sinken. Es würde wohl noch ein paar Monate dauern, bis er merken würde, dass Yoongi eigentlich keiner Fliege etwas zu leiden tun konnte. Egal wie grummelig und müde er war, so war er nie fies den Menschen gegenüber, die ihm etwas bedeuten. Ich hatte ihn nur wenige Male wirklich furchterregend erlebt. Wenn jemand unfair oder etwas ausfallend den Menschen gegenüber wurde, die ihm am Herzen lagen, konnte er wirklich einschüchternd sein. Auch wenn er mein Hyung war und einige Jahre älter als ich, so ließ er mir doch ab und an ein paar Frechheiten ihm gegenüber durchgehen. Er hatte es zumindest vor der Pause getan. Seitdem wir wieder zusammen gefunden hatten, hatte sich auch die Dynamik innerhalb der Gruppe ein wenig geändert.

Ich war gespannt, wie lange Army brauchen würde, um diese Veränderungen zu sehen. Wir waren alle sieben ein ganzes Stück reifer geworden, seitdem wir in die Pause gegangen waren. Bei mir war vieles dem Militärdienst und meinem Weggang nach Amerika geschuldet, ich merkte selbst, dass ich oft noch ein wenig verkrampft mit den anderen Membern umging, nicht mehr so einfach scherzen konnte, wenn sie in meiner Nähe waren, egal wie sehr ich mich bemühte.
Bei Namjoon, der schon immer der vernünftigste von uns gewesen war, kam ein ganzer Batzen neues Verantwortungsbewusstsein durch die Gründung seiner Familie hinzu. Es hatte sich die letzten Wochen eine mittlerweile wie festgetackerte, senkrechte Falte zwischen seinen Augen auf der Stirn festgesetzt. Egal, wie oft wir ihn darauf hinwiesen und er für einen Augenblick versuchte zu entspannen, so kam sie dennoch nach kurzer Zeit wieder, wenn er für einen Moment auf sein Telefon sah oder mit den Gedanken bei unseren Tanztrainings abdriftete.
Jungkook, der die letzten drei Jahre scheinbar nicht so einfach weggesteckt hatte, wie ich anfangs gehofft hatte, versuchte zwar hin und wieder mit Seokjin an alte Zeiten anzubandeln und herum zu albern, aber ich sah, dass das Lächeln nie seine Augen erreichte. Erst, wenn sein Blick mich fand, wirkte es echt.

Seokjin selbst hatte einiges seiner Leichtigkeit verloren, die ich vor der Pause stets bewundert hatte. Wahrscheinlich hatte ihm diese Auszeit von uns am härtesten getroffen, es war ihm sicher schwer gefallen, das alles zu kompensieren, was auf einmal wegfiel. Er blödelte nicht mehr so viel herum, riss weniger Witze und war generell ernster. Oft sah ich ihn ein wenig abseits sitzen, wenn wir in unserem straffen Training eine Pause machten und in Gedanken irgendwo hin driften.

Hoseok war wohl von uns allen der Charakter, der noch immer am ausgeglichensten war. Er unterstützte Namjoon in den Aufgaben als Leader, wo es ihm möglich war, nahm ihm viel von den Gesprächen ab, die zwischen den Vorstellungen von uns als Gruppe und unserem Vorstand vermittelten. Auch er war ein wenig ernster geworden, wusste aber stets die Stimmung zu heben. Seine äußerst seltenen gewordenen Lobs beim Tanztraining motivierten wie eh und je zu noch besseren Leistungen. Es gab noch immer Momente, an denen der fröhliche Sonnenschein, der er war und dessen Spitzname er nicht umsonst trug, herauskam und uns alle förmlich mit seiner guten Laune ansteckte, auch wenn sie ein wenig seltener geworden waren.
Alles in Allem waren wir noch immer die gleichen Jungs wie vor drei Jahren. Ich erkannte sie alle wieder, ihre Macken sowie ihre Vorzüge. Einiges hatte sich davon ein wenig verschoben, ich lernte aber schnell damit umzugehen.

Was seit der Zeit, in der wir uns nicht gesehen hatten, sich jedoch geändert hatte, war mein Respekt ihnen gegenüber. Er war nur umso mehr gewachsen, je mehr wir uns jetzt bemühten, uns wieder anzunähern, dass ich mir sicher war, dass ich vor meinem Weggang einfach nur wie ein kleines dummes Kind gewesen war. Wie hatte ich das meinen Brüdern nur antun können? Ich sah eindeutig, wie sehr uns diese Jahre auseinander getrieben hatten, wie sehr sie die vertraute Verbindung zwischen mir und ihnen verändert hatten. Ich würde das nie wieder gut machen können.

Die Beziehung zu mir und Yoongi war bemerkenswert unangetastet von der dreijährigen Abwesenheit. Ich wusste, dass das Brummen, mit dem er uns bedachte, als er uns in sein Studio ließ, viel eher dem Umstand geschuldet war, dass er vollkommen übermüdet war, als dass er jetzt nicht gefilmt werden wollte. Natürlich konnte Minho das aber nicht einschätzen. Wir alle und vor allem Yoongi, waren sooft beim Schlafen gefilmt worden, dass es uns mittlerweile egal war, ob sich eine Kamera in der Nähe befand. Es war wohl viel mehr der Umstand, dass er uns etwas zeigen wollte, dass so schnell nicht mehr als die 4 paar Ohren erreichen sollte, die gerade anwesend waren.

"Hyung, hast du heute Nacht überhaupt geschlafen?", fing Kookie an das Gespräch mit Yoongi zu suchen. So wie ich ihn kannte, hatte er sich die ganze Nacht um die Ohren geschlagen. Was wohl seine Freundin Minji davon hielt, wenn er nicht nach Hause kam?
Yoongi machte nur eine weg wischende Handbewegung, ein Zeichen dafür, dass wir uns darüber keine Sorgen machen sollten, dass es seine Angelegenheit war. Trotzdem machte ich mir im Geiste eine Notiz, dass ich auf jedenfall darauf achten würde, ihn hier heute nicht zurück zu lassen. Zur Not müsste ihn Jungkook hier eben heraus zerren, ich konnte mit meinem Knie derzeit nicht allzu viel ausrichten.
"Wir haben nicht mehr viel Zeit", bemerkte Yoongi mit einem Blick auf die Uhr, "also seid ruhig und hört zu."
Er drückte ein paar Tasten, zog deine Kopfhörer aus dem Laptop und stellte die großen Lautsprecher an.

Was uns da entgegen schallte war eine provisorische Aufnahme, wie ich sie schon dutzende Male zuvor gehört hatte. Yoongis doch recht wenig vorhandene Gesangskünste schalten uns entgegen, ihm schien es aber nicht das geringste auszumachen, dass er sie so offen für uns präsentierte. Ich war von Namjoon einiges gewohnt und das Gekrächste von Yoongi war da nicht viel schlimmer.

Kurz verzog ich jedoch mein Gesicht, als das Lied startete und musste es erst einmal wieder unter Kontrolle bekommen. Es war einfach zu lange her, dass ich ein Demotape gehört hatte, sodass mich die zum größten Teil schiefen Töne, etwas unvorbereitet trafen.
Minho hatte sich da nicht so sehr unter Kontrolle, wie Jungkook und ich. Er stöhnte kurz bei der Folge an schiefen Klängen auf, was ihm einen dunklen Seitenblick von Yoongi einbrachte.
Beruhigend legte ich meinem Hyung eine Hand auf dem Arm und versuchte mich mehr auf das eigentliche Lied zu konzentrieren, ungeachtet der nicht vorhandenen Gesangstalente.
Jungkook hatte den Rhythmus schnell verinnerlicht und summte neben mir schon einige Passagen leise mit.

Wenn ich mir seine Stimme über diesem Beat vorstellte, begann ich langsam zu sehen, was Yoongi meinte, dass das Lied zu uns passte.
Es erzählte von einer Sehnsucht in einem drin, an alte Zeiten anzuknüpfen, die Zeit zurück zu drehen. Wieder dort weiterzumachen, wo so plötzlich aufgehört wurde. Jedoch auch über die Dankbarkeit für das, was gewesen war und die Hoffnung für die Zukunft, die hell und klar vor einem lag und mit Zuversicht strahlte.

Yoongi war niemand, der seine Gefühle leichtfertig auf der Zunge trug oder generell gern zeigte. Er verarbeitete vieles mit seiner Musik und das hier war gerade ein Paradebeispiel dafür. Es war nur mehr ein Zeichen wie schwierig die letzten Jahre wohl auch für ihn gewesen sein mussten.
Er spielte es uns noch zwei weitere Male vor, als Minho mit einem Blick auf die Uhr, langsam ungeduldig wurde.
"Ich glaube, wir sollten langsam los."
Als wir über die Flure gingen, in einem recht langsamen Tempo, da ich sie ziemlich aufhielt, fragte uns Yoongi in seiner leisen Art, wie sie ihm oft zu eigen war.
"Und, was haltet ihr davon?"

Jungkook summte noch immer fast lautlos die Melodie vor sich hin, nickte aber bekräftigend.
"Hyung, ich glaube, das ist genau das Richtige. Ich kann es kaum erwarten, meine Parts einzusingen!" Ich sah die ehrliche Begeisterung in den Augen meines Partners und sie erfüllte mich mit einem warmen Glücksgefühl.
"Es ist ein toller Song geworden", stimmte ich zu, "versuchen wir ihn bei unserem Management durchzuboxen."
"Haben die anderen ihn schon gehört?", fragte Jungkook und sah zu Yoongi neugierig hin. Gleichzeitig kam er ein paar Schritte auf mich zu und stützte mich mit einem Arm, offensichtlich kamen wir ihm zu langsam voran.

"Namjoon hat mir teilweise mit den Lyrics ausgeholfen", meinte er, "Seokjin-hyung hat es schon gehört und mag es. Hobi und Tae hab ich noch nicht erwischt."
Mit der Unterstützung von Kookie, musste ich mein Knie weniger belasten und wir kamen deutlich schneller voran, als vorher. Pünktlich erreichten wir den Raum, in dem diese Folge gedreht werden würde. Noch immer mangelte es mir an dem nötigen Überblick, sodass ich den Raum überrascht musterte, als wir zu viert eintraten.
Tae und Namjoon waren heute vor uns da, ebenfalls überpünktlich. Sie befanden sich gerade in der Obhut unserer fähigen Stylisten, die sie gerade abpuderten und für den Dreh vorzeigbar machten. Nicht, dass Tae nicht sowieso mit einer natürlichen Schönheit gesegnet war, aber ein wenig Makeup unterstützte sie gekonnt.

Eine Dame weiter hinten war noch frei und winkte uns heran, also opferte ich mich als erster und ließ mir die Schichten Makeup auftragen. Als ich bei Taes Platz vorbei schlenderte, folgten mir seine großen Augen aufmerksam und er ließ ein anerkennen Pfiff hören, der natürlich die Aufmerksamkeit auch der anderen auf uns zog.
"Jimin, na das sieht doch endlich mal wieder vernünftig aus", meinte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht, "die Farbe sieht ein bisschen wie mein Großvater aus, aber es steht dir", meinte er. Gerade in diesem Moment war ich an seinem Stuhl vorbei gekommen und gab ihm spielerisch eine Kopfnuss mit meiner Faust.

"Immer noch besser als dein Gestrüpp", erwiderte ich und konnte mir ein Grinsen meinerseits nicht verkneifen, als er über die scheinbar leicht schmerzende Stelle an seinem Kopf strich.
Taes Haare waren tatsächlich auf dem besten Weg, die längsten von uns Membern zu werden. Nachdem meine Haare nun endgültig heruntergestutzt waren, sah man den Vergleich zu ihm nur umso deutlicher. Es war mir ein Rätsel, wie er es geschafft hatte, deswegen noch nicht angezählt zu werden, so wie es mir wegen meines Ansatzes passiert war. Natürlich stand ihm auch diese Haarlänge hervorragend, er konnte einfach alles tragen und es sah immer gut aus.
Ich ließ mich in den Stuhl neben ihn fallen, bei der Frau, die mich vorher herangewunken hatte. Schüchtern und leise begrüßte sie mich, scheinbar war sie noch nicht so lange dabei und ein wenig verunsichert.

"Hallo", kam die leise Begrüßung in meine Richtung.
Ich nickte ihr freundlich zu und schloss die Augen für einen Moment.
Mein Knie zeigte mir schon wieder deutlich, dass ihm die kurze Strecke, über der ich es gerade belastet hatte, nicht gefiel.
Vorsichtig machte sich die junge Frau ans Werk und tupfte mich mit Puder ab. Ich schrak bei der Berührung ein wenig zusammen, was sie natürlich in ihrem Werken innehalten und mich verschreckt anstarren ließ, was ich bemerkte, als ich meine Augen wieder öffnete.
"Neu hier?", konnte ich mir dann einen Kommentar nicht ganz verkneifen und bekam ein schüchternes Nicken zur Antwort. Außerdem lief sie puterrot an, ich versuchte aber über diesen Umstand hinweg zusehen um sie nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen.
Die Noona neben mir, die sich gerade um Tae kümmerte, bekam das Verhalten ihrer Kollegin mit und flüsterte ihr aufgeregt etwas ins Ohr. Ich hörte etwas von "zusammenreißen" und "professionell", jedenfalls fasste sie scheinbar danach ein wenig Mut.

"Nicht erschrecken", meinte sie nun zu mir und tupfte mich weiter mit Puder ab.
Ich musste schief Grinsen. "Dafür ist es zu spät." Ich sah, wie sie noch roter als ohnehin schon anlief und biss mir auf die Lippe. Es schien ihr erster Tag zu sein, so unsicher, wie sie sich mir gegenüber präsentierte. Ich hatte prinzipiell nichts gegen Anfänger, der Umgang mit Profis, den wir stets in allen Bereichen pflegten, bot wenig Abwechslung und konnte schnell ermüdend sein. Es wunderte mich aber, wieso Hybe ausgerechnet uns eine Anfängerin vorsetzte. Wahrscheinlich war sie außerordentlich talentiert, anders konnte ich mir das nicht erklären.
Jungkook hatte mich die ganze Zeit stets im Auge behalten, auch wenn er vorgab, auf seinem Handy zu scrollen. Es war jedoch Tae, der noch immer neben mir saß, der dem Mädchen zur Hilfe eilte.

"Jimin, hör auf sie so in Verlegenheit zu bringen, sie verliert ja ganz ihre Fassung!"
"Ich mach doch gar nichts!", erwiderte ich ihm, als die junge Frau neben mir nur noch roter anlief.
"Nein, ist schon gut", murmelte sie leise, wahrscheinlich war es schwer für Tae, sie wirklich zu verstehen.
Jetzt sprang ihr die Noona an Taes Seite zur Hilfe.
"Yejin-ah ist heute spontan eingesprungen. Wir wurden von einer großen Krankheitswelle überrollt und hatten nicht genug Stylisten. Sie wurde quasi ins kalte Wasser geworfen und ist noch ein wenig unsicher", erklärte sie.
Das erklärte, wieso man jemanden so unerfahrenes zu uns eingeteilt hatte.
Im Versuch möglichst freundlich zu sein, stellte ich mich ihr vor. "Nett dich kennen zu lernen. Ich bin Jimin", meinte ich und sah sie über den Spiegel an, während sie weiter das Puder auf meinem Gesicht auftrug.

Scheinbar war das auch wieder genau das Falsche gewesen. Sie stockte kurz in ihren Bewegungen und wirkte daraufhin seltsam steif. Trotzdem schenkte sie mir ein nervöses Lächeln.
"Ich bin Yejin."
Mittlerweile hatte ich zu viel Erfahrung mit unseren Armys gesammelt, um diese Reaktion deuten zu können. Ich biss mir auf die Lippe und sagte nichts, es war aber recht offensichtlich für mich, dass sie mich bereits kannte. Hybe war normalerweise sehr darauf bedacht, keine Fans als Mitarbeiter einzustellen.
Sie arbeitete sich weiter vor und war nach kurzer Zeit bei meinem Augen-make-up angelangt. Was das anging war ich schwierig und nur schwer zufrieden zu stellen. Damit sie in Ruhe alles auftragen konnte, schloss ich meine Augen für sie.
Ihre Berührungen waren leicht und zügig, fast so, als würde sie bereits seit einiger Zeit als Stylistin arbeiten und nicht nur heute eingesprungen sein.

Ein Bellen aus der Ecke ließ mich wieder meine Augen öffnen. Tae war mittlerweile fertig in der Maske und aufgestanden. Scheinbar hatte er auch heute Yeontan mitgebracht. Der kleine Kerl saß bei einem mir unbekannten Mitarbeiter, wedelte aber freudig mit seinem Schwanz, als sein Herrchen auf ihn zukam.
Er bekuschelte den kleinen Fellball auch gleich und lobte ihn für die Zeit, die er ruhig ohne sein Herrchen bei einer fremden Person verbracht hatte.
"Na wer ist ein guter Junge?"
Tannie bellte darauf zur Bestätigung und dieser Zufall ließ mich laut auflachen. Ein wenig beneidete ich Tae um den putzigen Hund, aber in meinem Leben hatte ich derzeit einfach keinen Platz für Haustiere. Vielleicht in ein paar Jahren, wenn es bei mir etwas ruhiger geworden war.
Die Tür öffnetete sich und auch Hobi und Seokjin stießen nun zu uns, noch immer pünktlich.
Kurz blieb Hoseoks Blick an mir hängen und ich wusste, dass er gerade meine neue Haarfarbe betrachtete, ehe er höflich alle im Raum grüßte.

Jin murmelte ebenfalls ein "Guten Morgen", war aber schon auf dem Weg zu Taehyung und Tannie. Jeder von uns liebte dieses Kerlchen einfach.
"So, fertig", verkündete Yejin neben mir und ich lenkte meinen Blick nun wieder auf mich selbst, weg von Tannie und Jin.
Wie ich vermutet hatte, stand ihr Talent als Stylistin und Make-up-artist den anderen Mitarbeitern in nichts nach. Kritisch beäugte ich meine Erscheinung im Spiegel, war aber mit dem, was ich sah, sehr zufrieden. Ich würde ein gutes Wort für sie im Management einlegen, wenn es sich ergab.
"Gute Arbeit", lobte ich sie und sie schien sich darüber zu freuen. Diesen Moment nutzte Kookie natürlich gleich als Steilvorlage.

"Oha", meinte er laut in den Raum, "Yejin-ah, wenn Jimin nichts an seinem Make-up auszusetzen hat, dann ist das so etwas wie ein Ritterschlag!"
Das brachte uns selbstverständlich die ganze Aufmerksamkeit der restlichen Member ein, die mich neugierig aus der Ferne beobachten.
"Wie jetzt, Jimin ist mal zufrieden mit seinem Make-up?", fragte Tae in die Runde und schüttelte nur ungläubig den Kopf.
"Ach hört doch schon auf", grummelte ich in mich hinein. Ich hatte mich was das anging wirklich gebessert und war schneller zufrieden zustellen, als noch zu Rookiezeiten. Vielleicht war ich einfach nur mehr mit mir selbst im Reinen als früher. Den Ruf der Mäkeltante hatte ich seitdem trotzdem weg.

Leise hörte ich Kookie neben mir lachen und dann eine mir bekannte Melodie vor sich hin summen. Der neue Song von Yoongi hatte wirklich Ohrwurmcharakter.
Ich grinste Yejin noch einmal zu, ehe ich aufstand und zu Seokjin, Tannie und Tae hinüber ging.
Mein Hyung musterte mich mit aufmerksamen Augen. "Jiminssi, mit diesen grauen Haaren siehst du aus wie der älteste der Gruppe!"
Ich überging diese Stichelei, ich wusste, dass er nur auf sein ewig junggebliebenes Gesicht anspielen und mich ein wenig aus der Reserve locken wollte. Diese Farbe stand mir hervorragend, fand ich und machte mich höchstens unwesentlich älter.
Ich hielt Tannie meine Hand hin, ließ ihn kurz daran schnuppern, ehe ich ihn Seokjin aus den Armen nahm und in meine schloss. Er war ein unkompliziertes Kerlchen, es machte ihm nichts aus, wenn man ihn hin und her reichte und freute sich über die Aufmerksamkeit.
Seokjin-hyung nutzte die Gelegenheit und begab sich nun seinerseits in die fähigen Hände von Yejin. Nicht, dass er es mit seiner glatten und hellen Haut großartig nötig hätte, aber ein wenig Make-up an den richtigen Stellen ließ uns alle in einem besseren Licht erscheinen und auf den Aufnahmen weniger glänzen.

"Was wir wohl heute wieder machen werden", hörte ich Namjoon laut neben mir überlegen und ich fragte es mich selbst. Oft verriet unser Aufnahmeleiter uns nicht viel über die Run BTS Drehs, es sollte für uns eine Überraschung bleiben und uns stets fordern, unvorbereitet auf die Geschehnisse zu reagieren. Heute würde ganz sicher ein wenig Bewegung dabei sein, wenn er mich schon aus den Aktivitäten herausnahm und als unparteiischen Richter einsetzte.
Ich wurde von einer freundlichen Stylistin, dessen Gesicht mir nicht das geringste sagte, darauf hingewiesen, dass ich doch bitte für den Dreh noch mein Oberteil wechseln müsste. Ich tat es ohne es zu hinterfragen. Vielleicht harmonierte mein weißer Pullover nicht mit dem Hintergrund des Sets. Vielleicht schrie er auch zu sehr nach einer Markenkleidung, mit dessen Firma wir gerade nicht kooperierten.

Wenn wir nur unter uns gewesen wären oder mit den Mitarbeitern, die ich seit Jahren kannte, hätte ich mir vermutlich nicht die Mühe gemacht in das kleine Badezimmer zu gehen, um mich umzuziehen. Der Umstand, dass wir aber jemand komplett unerfahrenes im Stylingteam hatten, ließ mich dann doch in den Nebenraum wechseln. Tae folgte mir, er bekam sogar noch eine Jogginghose in die Hand gedrückt, mit einem mehr als auffälligen Schriftzug von einem unserer Sponsoren auf einem Hosenbein. Es würde also eine sportliche Folge werden und außerdem eine Werbesendung aller erster Güte. Army würde es vermutlich trotzdem gefallen, wenn es nicht überhand annahm.
Als ich meinen eigenen Pullover über den Kopf zog und den Bund des T-Shirts suchte, glitt Taes Blick über meinem Körper und blieb ungläubig an meiner Brust hängen.
Er blinzelte überrascht, ganz offensichtlich hatte er nicht erwartet, dass ich mir ein Tattoo dort hatte stechen lassen.

Er kam ein paar Zentimeter näher, beugte sich zu mir runter und beäugte es neugierig.
Ich drehte mich ein wenig zur Seite, dieses Gestarre war mir unangenehm.
"Jimin", fing Tae leise an, "ist das etwa ein-"
"Ja", unterbrach ich ihn gleich. Abwartend sah er mir in die Augen, ich beschloss jedoch, dass es keiner weiteren Erklärung bedurfte.
"Wann hast du dir das stechen lassen?"
"Als ich in Amerika war, vor ein paar Tagen."
Er seufzte. "Ich muss dir nicht sagen, dass wenn die Öffentlichkeit von diesem Tattoo erfährt, die Gerüchteküche brodeln wird?"
Ich schüttelte den Kopf und zog mir endlich mein neues T-Shirt über den Kopf. "Nein. Das ist mir klar." Kurz überlegte ich, ob ich es dabei belassen sollte, ich wollte aber eigentlich Taes Unterstützung hinter mir wissen.
"Sollen sie doch reden."

Tae sah mich abwartend aus seinen hübschen Augen an. Es wirkte so, als würde er auf eine Reaktion von mir warten, die scheinbar nicht kam.
"Jimin", fragte er vorsichtig, während er selbst dabei war, seinen Pullover gegen das Shirt zu wechseln, "Seit wann nimmst du das so gelassen?"
"Mh", brummte ich nachdenklich, "ich denke Jungkook färbt langsam auf mich ab."
"Wird auch mal Zeit!", meinte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. Der Klapps wars stärker, als er es vermutlich vorgehabt hatte, gedankenverloren strich ich mir über die schmerzende Stelle, als Tae seine Hose wechselte.
Die Tür zu dem kleinen Waschraum ging erneut auf und Kookie kam mit Jin herein. Es wurde mir hier deutlich zu eng, ich schmiss meinen Pullover in eine Ecke der Waschbeckengarnitur, in der er sicher nicht stören würde und trat den Rückzug an.
"Wer sucht eigentlich immer diese Sportkleidung aus?", hörte ich Seokjin sich noch beschweren, bevor die Tür hinter mir zu fiel.

Mir gefiel die Kleidung von unserem Sponsor auch nicht besonders, privat würde ich sie nie anziehen, aber als Kunden waren wir nicht in der Position groß wählerisch zu sein. Gerade Seokjin konnte vermutlich fast alles tragen.
Ich setzte mich wieder zu Tannie, streichelte ihn vorsichtig, wohl darauf bedacht mich nicht vollkommen mit Hundehaaren einzusauen.
Unser Manager kam schließlich in unseren Make-Up Raum und sah sich suchend um, Minho dicht hinter ihm. So gut es ging versuchte ich das Grinsen zu verstecken, dass sich unweigerlich auf meinem Gesicht ausbreitete. Minho war wirklich schwer abzuschütteln, wenn er etwas wollte. Scheinbar hatte nicht einmal unser armer Manager es geschafft, ihm etwas abzuschlagen.

"So, wie weit seid ihr? Wir wollen in zehn Minuten mit dem Dreh anfangen!", rief er in den Raum, konnte aber nur uns vier Member entdecken, da die anderen noch im Nebenraum mit ihrem Outfitwechsel beschäftigt waren.
Ich nickte ihm zu, Namjoon murmelte eine kurze Erwiderung, die ihn offenkundig beruhigte. Er selbst war seit einer Weile schon vorzeigbar für den Dreh und wie sooft in letzter Zeit mit seinem Telefon beschäftigt.
"Wie geht es Ahri?", fragte ich, als sich auf der Stirn meines Hyungs eine tiefe Falte bildete.
Er sah kurz auf und zu mir hin, seufzte schwer.
"Noch nicht besser, das Fieber geht nicht runter." Das waren keine guten Nachrichten, ich war mir aber sicher, dass das noch nicht alles war, was ihn beschäftigte.
"Jetzt ist Ihre Mutter gestern Abend zu Besuch bekommen und kümmert sich um sie", meinte er genervt und fuhr sich durch seine Haare. Eine unserer Stylisten sah ihn strafend an und kam gleich wieder zu ihm, um die Frisur zu richten. Namjoon merkte erst, was er getan hatte, als sie bei ihm war und an ihm herum fummelte. "Entschuldige", gab er leise von sich.
Eigentlich dachte ich immer, dass er eine gute Beziehung zu seinen Schwiegereltern hatte, wahrscheinlich war es aber noch einmal etwas anderes, wenn man nicht bei seinem Partner sein konnte, während sich dessen Mutter um ihn kümmerte. Ich mochte Jungkooks Eltern beispielsweise auch, aber sie als selbsternannte Krankenpfleger um mich zu haben, widerstrebte selbst mir.

"Jimin", brachte mich Namjoon aus meinen Träumereien zurück, "habt ihr gerade gestreamt?"
Als ich ihn etwas perplex ansah, fuhr er fort. "Kannst du mir das bitte erklären?" Er drehte mir sein Telefon hin, dass ich mit Leichtigkeit erkennen konnte, was er meinte. Also galt sein Stirnrunzeln nicht nur seiner Schwiegermutter, auch Kookie und ich waren daran schuld. Auf sämtlichen Social Media Seiten trendeten Hashtags wie #Jikook.
Ich war mir tatsächlich keiner Schuld bewusst, mich irgendwie auffällig zusammen mit Jungkook verhalten zu haben.
Beruhigend legte ich meinem Hyung eine Hand auf den Unterarm. "Namjoon, du weißt doch wie sie sind. Sie sehen einen Blick, den wir uns zuwerfen und es kursieren wochenlang Gerüchte. Wir waren vorsichtig."
Er seufzte als Antwort und ich beließ es dabei.


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