Kapitel 38

Kapitel 38
Eigentlich war ich nicht der romantische Typ. Klar, hin und wieder war ich für schnulzige Dinge zu haben und scheinbar war heute einer dieser Tage. Was sonst hätte mich hier am Abend auf meinen kalten Balkon getrieben?
Kookie hatte mir fürsorglich einen Stuhl herausgeholt und da er wusste, wie dämlich ich es finden würde hier alleine zu sitzen, hatte er sich selbst gleich einen mitgebracht.
Mein Knie war nämlich mittlerweile kaum noch zu gebrauchen. Es war nicht meine erste Zerrung und ich wusste, dass es bald besser werden würde, aber für heute war ich genug gelaufen und Ewigkeiten blöd auf meinem Balkon herum stehen gehörte auch nicht unbedingt zu den Dingen, die ich für heute geplant hatte.

Als mich Kookie aber mit seinen großen Rehaugen bittend ansah, den Abend hier draußen zu verbringen, konnte ich es ihm einfach nicht abschlagen. Außerdem konnte ich mir deutlich schlimmeres vorstellen, als die Dämmerung Seite an Seite mit ihm zu beobachten.
Etwas fröstelnd zog ich meine Jacke enger um mich herum, es war für Ende April noch immer ungewöhnlich kalt. Meine Bewegung veranlasste Jungkook gleich besorgt zu mir zu sehen. "Ist dir kalt?"

Leugnen war zwecklos, er war heute Abend so aufmerksam, dass es schon fast unheimlich war. Also nickte ich. "Ein wenig. Du musst aber nicht...", setzte ich noch hinterher, da war er aber schon aufgesprungen und kam ein paar Momente später mit einer Decke wieder und legte sie mir um. Anstatt sich hinzusetzen, ging er jedoch noch einmal in die Wohnung zurück, wo ich ihn geschäftig in der Küche hantieren hörte.
Ich kuschelte mich tiefer in die flauschige Decke und genoss die angenehme Wärme, die sich in mir ausbreitete.

Wenig später ließ er sich neben mir in seinem Stuhl nieder und reichte mir ein Weinglas und schenkte mir ein. Die Flasche stellte er einfach vor sich auf den Boden, nachdem er auch sein Glas gefüllt hatte. Auffordernd hielt er mir sein Glas entgegen.
"Auf uns Chimmy", prostete er mit entgegen, "auf dass ich jeden Abend in der Zukunft, an deiner Seite verbringen kann."
Ich musste Grinsen. Es war noch immer ein wenig surreal ihn hier an meiner Seite, als meinen Partner zu wissen.
"Auf unsere Zukunft", pflichtete ich ihm bei und wir stießen an.
Wo auch immer er diesen Rotwein her hatte, er schmeckte köstlich und war genau das Richtige für diesen Abend.
Zufrieden besah sich Jungkook die Reste in seinem Glas, ehe er es zu der Flasche auf dem Boden stellte.

Der Tag war besser verlaufen, als ich heute früh noch gedacht hatte. Zwar hatte es diesen kleinen Zwischenfall mit meinem Knie gegeben, aber das Gespräch mit Bang Si-Hyuk lief besser als erwartet. Das wir erst heute die restlichen Member von Bangtan über uns eingeweiht hatten, war merkwürdig in den Hintergrund getreten, so vieles war heute geschehen. Jungkook und ich, wir hatten wirklich allen Grund zum Feiern. Unsere engsten Vertrauten hatten alles weitaus besser aufgenommen, als ich gedacht hatte.
Ich versuchte mein Gewicht ein wenig zu verlagern, eine Position zu finden, in der mein Knie nicht so dämlich schmerzte. Mein überfürsorglicher Freund bekam das natürlich mit.

"Tut dein Knie weh?", fragte er mich besorgt.
Er erwartete keine Antwort auf seine offenbar rhetorische Frage, beugte sich zu mir runter und griff vorsichtig mein Bein, bis es ausgestreckt über den seinen lag.
Gerade noch rechtzeitig hielt ich mich an dem Balkongeländer fest. Fast wäre ich vom Stuhl gefallen. Wieso war sitzen eigentlich sooft für mich eine so schwierige Sache? Die anderen fielen doch auch nicht so häufig von Stühlen.
Die gerade Haltung meines Knies fühlte sich schon viel besser an und als Kookie seine kalten Hände auf mein warmes Knie legte, hatten sie fast den Effekt des Kühlpads, dass ich vorhin noch darauf zu liegen hatte, obwohl der Stoff meiner Hose noch zwischen ihnen war. Wohlig ließ diese Erleichterung mich aufstöhnen.

"Minho hat mir das Video gezeigt, von dir beim Tanzen, bevor du dein Knie verdreht hast", murmelte er wie beiläufig. So recht wusste ich nicht, wohin er dieses Gespräch lenken wollte, also brummte ich ihm wortkarg zu.
Jungkook veränderte die Haltung seiner Hände, es kühlte wunderbar. Innerlich machte ich mir eine Notiz, mir Kühlpads zu besorgen.
In der Eile schnell nach Hause zu komme um mit Jungkook endlich wieder alleine zu sein, hatte ich nur das eine Ding mitgenommen, dass man mir vorher ausgehändigt hatte. Der kühlte aber gerade in meinem Eisfach herunter, damit er für die Nacht einsatzbereit war.
Ganz offensichtlich war mein Zuhause noch nicht ausreichend eingerichtet. Kookies Hände waren aber für den Moment mehr als genug.

"Ich habe ganz vergessen, was für ein guter Tänzer du bist. Ich meine...", Jungkook suchte nach den richtigen Worten und streichelte ganz vorsichtig über mein lädiertes Knie, sodass ich seine Berührung kaum merkte, "ich seh dich im Training jeden Tag unsere Choreographien tanzen und weiß, wie gut du bist. Aber das vorhin war irgendwie anders. Contemporary liegt dir sowieso, das weiß ich... Aber dein Tanz war so voller Emotionen...", er ließ den Satz zwischen uns unvollendet stehen.
Ich wusste noch immer nicht, was ich dazu sagen sollte und drehte in Gedanken mein Weinglas in meinen Händen herum.
"Möchtest du noch Wein?", deutete er meine Geste dankenswerterweise falsch und ich nutzte diese Ausrede und nickte.
Vorsichtig griff er unter sich und zog die Flasche und sein eigenen Glas hervor und schenkte uns beiden noch einmal nach.
Vielleicht lag es am Alkohol, ich merkte, wie Jungkook ein wenig lockerer wurde und auf das eigentliche Thema zu sprechen kam.

"Jimin... Als du dich beim Tanzen verletzt hast... Woran hast du da gedacht? Du hattest so einen verzweifelten Ausdruck auf deinem Gesicht... Ist bei dir alles in Ordnung?"
Konnte ich diesem Mann überhaupt etwas vor machen?
Ich seufzte auf und nahm noch einen letzten Schluck, bevor mein Glas auch schon wieder geleert war. Dieser Wein war einfach köstlich, ich trank ihn schneller, als gut für mich war.
"Du bist manchmal viel zu aufmerksam", beschwerte ich mich ein wenig, klärte ihn aber nicht weiter auf.

Wie könnte ich ihm sagen, dass er meine Gedanken in dem Moment in dem Tanzsaal vor so wenig Stunden derart beherrscht hatte, dass mein Körper nicht mehr hinterher gekommen war und sich mein Knie blöd verdreht hatte? Ich neigte dazu einfach alles zu vergessen, ihn meine Gedanken dominieren zu lassen. Es war schön und furchterregend zugleich. Nie hatte ich gedacht, dass ich mich an einen anderen Menschen einmal derart verlieren könnte, wie es mir mit Jungkook passiert war.
"Du kannst mit mir über alles reden, ich hoffe, das weißt du."
In meiner Brust breitete sich dank des Alkohols eine angenehme Wärme aus, sodass ich meine kuschelige Decke ein wenig um mich herum lockerte.
Jungkook sah mich aufmerksam an, langsam begann er wieder über mein Knie zu streichen.
Es wurde still zwischen uns und ich versuchte mich zu erinnern,, woran ich genau bei meinem Tanz gedacht hatte.

An Jungkook, klar, aber wohin waren meine Gedanken nochmal gewandert? Mein Kopf war von den zwei Gläsern Wein schon ein wenig vernebelt, was mir das Erinnern nicht leichter machte.
Ich hob meine Hand und strich über meinen Hals. Zwar konnte ich sie nicht sehen, aber ich wusste, dass die Knutschflecken natürlich sich noch immer präsent auf meiner Haut abzeichneten.
Ich hatte ganz sicher an den wunderschönen Morgen gedacht, an die Liebe, die ich zu Jungkook empfand und der seinen, die er mir deutlich zeigte. Alleine seine Fürsorge in diesem Moment, wie er sich um mein geschundenes Knie kümmerte, zeigte mir mehr als tausend Worte, was er mir gegenüber empfand.
Ein Bild blitzte in meinem Kopf auf, das noch gar nicht so lange her war. Für mich schien aber eine Ewigkeit vergangen zu sein, zu viel war zwischenzeitlich passiert.
Jungkook, wie er liebevoll Namjoons Sohn in seinen Armen hielt.
Ich musste ein wenig stockend geatmet haben, vielleicht sah er auch einen veränderten Ausdruck auf meinem Gesicht, jedenfalls hörte er auf in seinen Bewegungen. Ich rechnete es ihm hoch an, dass er mich nicht weiter bedrängte und mich nur aufmerksam ansah.

"Jungkook, ich...",
Wie sollte ich ihm je erklären, was ich empfunden hatte, als ich ihn mit einem Baby in seinen Armen gesehen hatte? Diese tiefe Verzweiflung, ihm nicht zu genügen, ihm seine Zukunft zu verbauen, schnürte mir den Brustkorb enger.
Vorsichtig veränderte ich meine Sitzposition, ohne dabei mein Bein von Jungkooks zu nehmen und lehnte mich ein wenig nach vorne. Es half mir ein bisschen, ich hatte das Gefühl, dass wenn ich mich nach vorne beugte, ich etwas mehr Luft bekam.
"Ist alles ok, Jiminie?", fragte er mich vorsichtig und ich konnte deutlich seine ganze Liebe und Zuneigung in seiner Stimme hören.
Bewusst versuchte ich ein und auszuatmen, mich ganz darauf zu konzentrieren wieder vernünftig Luft zu bekommen.
Kookie veränderte neben mir seine Sitzposition, verlagerte mein Bein vorsichtig nach unten und rückte dichter an mich heran.

"Jimin?"
Er legte behutsam seine Arme um mich und hielt mich fest. Die Nähe zu ihm half mir mehr,als jedes Wundermittel und die enge in meiner Brust nahm allmählich ab. Ich bekam besser Luft.
"Was ist los?"
Ich lehnte mich seiner Umarmung entgegen und schloss die Augen, genoss seine Anwesenheit. Eigentlich hatte ich keine große Lust über meine ganzen Bedenken jetzt mit ihm zu reden, aber ich wollte ehrlich zu ihm sein und dazu gehörte es auch, solche Dinge mit ihm zu teilen. Ich wollte ihm zumindest ein so guter Partner sein, wie ich konnte, wenn ich ihn schon in anderen Dingen derart limitierte.

"Kookie, ich... Ich liebe dich", sprach ich aus, was ich dachte und was ich in diesem Moment als besonders wichtig empfand, mit ihm zu teilen, bevor ich weiter sprach.
"Ich liebe dich auch." Er drückte mich ein wenig enger an sich und wartete geduldig, dass ich weiter sprach.
Ich war wirklich ein Blödmann. Jungkook hatte hier einen romantischen Abend zu zweit verbringen wollen und ich ruinierte ihn gerade und zog die Stimmung herunter.
"Ich habe Angst, dass du dich vielleicht falsch entschieden hast", begann ich leise meine Besorgnis in Worte zu fassen.
"Womit? Wie meinst du das?"
"Mit mir. Ich habe Angst." Ich flüsterte beinahe. "Dass du etwas verpasst, weil du mit mir zusammen bist."

Kookie löste seine Umarmung um mich herum und das Fehlen seiner Berührung bereitete mir so gleich ein flaumiges Gefühl im Magen.
Er ließ sich vom Stuhl auf den Boden sinken, kniete sich vor mich hin. So hatte er einen besseren Blick auf mich, da ich den Kopf ein wenig hängen ließ. Er nahm mir mein Weinglas aus der Hand und stellte es neben sich, ehe er meine beiden Hände in seinen nahm.
"Jiminie", begann er und sah mir dabei tief in die Augen. Sein Blick hatte beinahe etwas hypnotisches, ich konnte nicht weggucken, wollte es auch gar nicht. "Ich habe mich schon vor Jahren für dich entschieden. Ich kann mir keinen besseren Partner vorstellen, niemanden, der mich glücklicher machen könnte."

Er stockte kurz bevor er weitersprach. "Ich habe es lange mit Hyuna versucht, aber... Es gibt nur dich für mich. Es hat immer nur dich gegeben. Und ich bin mir den Konsequenzen und Herausforderungen bewusst, viel zu lang habe ich auf dich gewartet, damit es anders sein könnte."
Noch immer sah er mir tief in meine Augen, bis ich den Blickkontakt brach und meine Augen schloss.
"Aber wir werden nie öffentlich zusammen sein können...", murmelte ich.
"Aber Jiminie, das sind wir doch schon." Verwirrt sah ich wieder zu ihm hin. Er hatte ein schiefes Grinsen aufgesetzt. "Jedes Mal, wenn wir zusammen zur Agentur gehen, sind wir doch zusammen. Oder bei Interviews oder Videodrehs. Wir sind immer zusammen."
Ich verstand seine Sichtweise, war mir aber nicht sicher, wie ich auf diese verdrehte Ansichtsweise reagieren sollte.

"Und das reicht dir?"
"So lange ich dich in meiner Nähe weiß, reicht es mir. Ja."
"Aber wir werden nie so zusammen sein können, wie es Joonie und Ahri sind", gab ich leise von mir. Natürlich wusste Kookie, was genau ich meinte.
"Ist das denn so wichtig? Wir wissen, dass wir uns haben. Die Hyungs wissen es. Und Si-Hyukssi weiß es nun auch. Das reicht mir. Es muss nicht die ganze Welt erfahren."
Er stand wieder auf und setzte sich auf seinen Stuhl, ließ aber meine Hand dabei nicht los.
"Das ist aber nur ein Teil dessen, der dich beschäftigt, oder? Da ist doch noch mehr. Du meintest, du hast Angst, dass ich etwas verpassen könnte."
Ich nickte, war unfähig die nächsten Worte auszusprechen, meine Kehle war wie zugeschnürt. Vielleicht war er noch zu jung, um die Tragweite dessen zu verstehen, was unsere Beziehung mit sich brachte.

"Jimin. Was ist es?"
Ich sammelte mich einen Moment, kaum in der Lage die nächsten Sätze vernünftig herauszubringen.
"Dich mit Jae in deinen Armen zu sehen, hat mir gezeigt, was ich dir alles wegnehme. Was du mit Hyuna alles hättest haben können."
Obwohl ich mir vorgenommen hatte stark zu sein, rollte nun doch eine Träne leise meine Wange herunter. Ich wischte sie schnell weg, Jungkook hatte sie aber sicher bemerkt.

Nach einer kurzen Stille antwortete er mir schließlich.
"Nein." Ich hatte mit jeder Antwort gerechnet, aber nicht mit dieser. "Jimin, du nimmst mir nichts weg. Im Gegenteil, du gibst mir so viel. Deine Liebe zu mir ist so viel mehr, als ich für möglich gehalten habe, jemals zu spüren. Das mit Hyuna hatte eigentlich von Anfang an keine Zukunft, ich war mir nur selbst zu feige, es mir einzugestehen. Ich hätte nie mit ihr eine Familie gründen können. Das wäre nicht gut gegangen."

Er seufzte auf, als er mein noch nicht vollkommen überzeugtes Gesicht sah, stand auf, griff mich kurzerhand unter den Kniekehlen und am Rücken, bevor er sich wieder selbst hinsetze. Ich saß nun schief auf seinem Schoß, sein Griff eisern um mich gelegt. Er wollte nicht, dass ich mich von ihm losmachte, ich hatte es aber auch nicht vor. Müde von diesem emotional und körperlich anstrengenden Tag, kuschelte ich mich mit geschlossenen Augen an seine Brust und sog gierig dem ihm ganz eigenen Duft ein.

"Guck dir mal an, wie schön Seoul in der Dämmerung ist", murmelte er leise an mein Ohr und ich öffnete wieder leicht meine Augen.
Kookie hatte recht. Die Sonne versank gerade langsam aber stetig am Horizont und schickte ihre letzten Strahlen als Gruß über den orange rosanen Himmel. Langsam wurden die Lichter der Wohnungen um uns herum angemacht, wenn man aber genau hinsah, konnte man hier und da schon einige Sterne entdecken. Die Lichtverschmutzung war in der Hauptstadt üblicherweise so schlimm, dass es sonst schier unmöglich war.

"Ich liebe dich Park Jimin", hörte ich seine schöne Stimme noch immer dicht an meinem Ohr, "vergiss das ja nicht. Egal wie abweisend ich bei unserer Arbeit dir gegenüber scheinen mag, mein Herz gehört nur dir." Ich spürte, wie er mir einen Kuss auf meine Haare gab.
"Ich bin erwachsen Jimin, ich glaube ihr Hyungs vergesst das gerne einmal, weil ich der Maknae bin. Ich weiß, was ich möchte. Ich weiß, was es heißt, mit dir zusammen zu sein. Ich habe mich entschieden. Für dich."

Ich sah nun endlich zu ihm auf. In seinen Augen lag eine Zärtlichkeit, die mir den Atem verschlug. Seine Worte brannten sich tief in mein Innerstes, wärmten mich wie ein Feuer. Erneut lief mir eine Träne das Gesicht herab, diesmal jedoch vor Freude und Rührung.
Ich würde seine Liebeserklärung in meinem Herzen tragen, dort, wo sie mir niemand jemals wegnehmen konnte.
Meine Gedanken drehten sich immer und immer wieder um den einen Satz, den er soeben gesagt hatte, dessen ich nie überdrüssig werden würde, ihn zu hören.

Ich liebe dich Park Jimin.

Ich streckte mich ihm entgegen und drückte meine Lippen gegen die seinen. Es war kein vorsichtiger Kuss. Ich wusste was ich wollte und ich spürte auch sein Verlangen nach mir in diesem Kuss.
Kurz machte ich mich aber noch einmal von ihm los, was ihn ein wenig enttäuscht aufbrummen ließ.
"Ich liebe dich auch Jeon Jungkook."

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