Kapitel 36
Kapitel 36
Nach unserem Mittagessen, dass die Stimmung zwischen uns wieder deutlich hob, wurde Yeontan von Hana abgeholt.
Sie war so hübsch, wie ich sie in Erinnerung hatte, wirkte aber ein wenig eingeschüchtert von uns. Freundlich grüßte sie in die Runde und verbeugte sich tief vor uns.
Tae stand gleich auf und umarmte sie liebevoll, mehr Zärtlichkeiten wollte er aber vor versammelter Gruppe nicht zeigen. Ich konnte es ihm nicht verdenken, hielt ich mich trotz unseres Outings vorhin sehr zurück, Kookie in irgendeiner Art vor den anderen anzufassen. Man musste ihr Verständnis ja nicht gleich auf die Probe stellen.
"Hey Hana", grüßte ich sie, stand dabei auf und hielt ihr meine Hand hin, die sie ergriff. Namjoon und Hobi murmelten auch etwas vor sich hin.
Kookie sah sie aufmerksam an, schenkte ihr aber ein breites Grinsen und nickte ihr zu.
Jae schlief noch immer friedlich in seinen Armen, was das Essen für ihn ein wenig schwierig gestaltet hatte.
Yoongi stellte sich ihr höflich vor, sie kannten sich noch nicht, da er und Tae in dieser Zeit nicht miteinander gesprochen hatten.
"Na da ist ja unser kleiner Frechdachs", sagte sie leise und beugte sich zu dem kleinen Hund herunter, den sie streichelnd weckte.
Ich zückte mein Telefon und filmte den niedlichen kleinen Kerl, der ausgiebig gähnte und verschlafen blinzelte.
"Danke Hana, dass du dir die Umstände machst und ihn hier abholst."
"Natürlich nehme ich ihn mit Tae. Ich war sowieso in der Nähe und weiß doch, dass das hier kein Ort für einen Hund ist." Sie streichelte Tannie über den Kopf und nahm ihn schließlich in ihre Arme und leinte ihn an, bevor sie sich wieder uns zuwandte.
"War schön euch alle wiederzusehen", verabschiedete sie sich schließlich und Tae warf ihr einen sehnsüchtigen Blick hinterher. Ob ich so auch immer Kookie ansah?
Ich wollte Kookie für einen Moment erlösen und machte ihm begreiflich, dass ich Jae für ihn kurz abnehmen würde. Der kleine wechselte von seinen Armen in die meinen, glücklicherweise ohne dabei aufzuwachen.
Er lag ungewohnt in meinen Armen. Schwerer, als ich gedacht hatte und irgendwie fremd. Wie hatte Kookie ihn so lange tragen können? Gut, er war ein wenig trainierter als ich, aber verstecken brauchte ich mich auch nicht mehr.
Namjoon wurde mit jeder Minute die verging deutlich gelassener. Wer wusste schon, wie verdammt stressig sein Morgen gewesen sein musste, damit er so neben sich stand, das war an sich schon ungewöhnlich.
Es gab für heute noch einiges zu regeln. Wir waren unserem Management und vor allem unserem Chef noch eine Erklärung und vernünftige Entschuldigung schuldig. Wir hatten Ihnen in den letzten Jahren und Wochen so vieles zu verdanken, dass wir die Beziehung zueinander nicht gefährden wollten. Ohne ihre Unterstützung hätten selbst wir es schwer.
Namjoon kümmerte sich um ein erneutes Treffen und glücklicherweise stimmten sie noch für heute einer Wiederholung zu.
Sein Nachwuchs wechselte munter von meinen in Hobis und schließlich in Yoongis Arme, der ein Funkeln in seinen Augen hatte, als er ihn hielt. Jae hatte uns alle um die kleinen Finger gewickelt, wir waren ihm alle verfallen, sogar Yoongi, der nach außen immer so hart und verschlossen wirkte.
Das Treffen mit der Chefetage würde erst in zwei Stunden sein, die Zeit bis dahin mussten wir irgendwie überbrücken. Kookie zog es natürlich wieder in das Fitnessstudio, darauf hatte ich aber beim besten Willen keine Lust.
Yoongi schob Jae wieder in den Tragegurt, den sich sein Vater wieder umgeschnallt hatte. Er würde einen Spaziergang machen und Hobi und Jin würden ihn begleiten.
Yoongi machte sich auf den Weg in sein GeniusLab und verabschiedete sich für die kurze Zeit indem er seine Hand flüchtig hob. Hoffentlich würde er die Zeit nicht vergessen und wieder pünktlich bei uns anderen sein. Wenn er erst einmal in seine Musik vertieft war, konnte um ihn herum die Welt untergehen und er würde es vermutlich gar nicht merken.
So richtig wusste ich nicht, was ich mit meiner freien Zeit anfangen sollte.
Tae folgte Kookie zu dem Trainingsraum, er meinte, er müsste für das Comeback noch fitter werden. Ich irrte aber ein wenig planlos alleine durch die Gänge, bis ich schließlich bei unserem Tanzraum angekommen war.
Ach, wieso eigentlich nicht, es sprach nichts dagegen, ein wenig vor sich hin zu tanzen, losgelöst von Choreographien. Das letzte Mal hatte ich es vor Monaten in Amerika getan. Diese Kreativität fehlte mir ein bisschen, es hatte mir stets Spaß gemacht und geholfen, dass ich abschalten konnte, egal was los war.
Ich verband mein Telefon mit unserer Musikanlage und spielte das erstbeste Lied ab, dass ich in meiner Playlist fand. Es hieß zuerst einmal aufwärmen,sonst würde ich unnötige und ärgerliche Verletzungen riskieren.
Mittlerweile hatte ich hier Wechselkleidung deponiert und so tauschte ich schnell mein T-Shirt und meine Jeans gegen eine Jogginghose aus. Ich bezweifelte zwar, dass ich großartig ins Schwitzen kommen würde, aber ich musste gerade heute nicht einen noch schlechteren Eindruck bei unserer Chefetage hinterlassen, als es eh schon der Fall war.
Bei meinem Aufwärmen wanderten meine Gedanken zurück an dem Morgen, den ich zusammen mit Kookie verbracht hatte.
Ich konnte mir noch immer das Gefühl seiner Hände auf meiner Brust ins Gedächtnis rufen, seine zarten Lippen an einer Halsseite. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel, als ich mein Halstuch etwas zur Seite schob, zeigte mir deutlich die dunklen Flecken von vor so vielen Stunden. Es war seltsamerweise ein gutes Gefühl, das sie in meinem Bauch auslösten. Diese Male sprachen eine deutliche Sprache. Ich gehörte zu Jungkook. Ich war sein. Dennoch musste er damit aufhören mich derart zu markieren, schließlich wollte ich bei dem anstehenden Fotoshooting keine Probleme bekommen. Diese Peinlichkeit konnte ich mir kaum ausmalen, der Visagistin diesen Hals vorzeigen zu müssen.
Als ich das Gefühl hatte, genug aufgewärmt zu sein, durchsuchte ich meine Playlist nach einem Lied, auf das ich Lust hatte, das ich nicht mit einer schon vorgefertigten Choreographie verband. Ich fand etwas passendes und versuchte mich Fallen zu lassen.
Es fiel mir nicht leicht, mich von allem zu lösen, aber je mehr Zeit verging, umso besser wurde es.
Meine Gedanken gingen ihre eigenen Wege, wanderten von meinem wunderschönen Morgen mit Jungkook weiter zu Bildern in meinem Kopf, die sich bei mir eingebrannt hatten. Jungkook mit dem kleinen Jae in seinem Arm, der friedlich schlief.
Ich fühlte den Beat des Liedes und drehte mich im Takt dazu.
Der Anblick der beiden war beruhigend und wirklich schön gewesen und dennoch fühlte ich einen bittersüßen Schmerz in meiner Brust.
Jungkook hatte mich gewählt und ich ihn, diese Tatsache war in meinem Kopf langsam aber sicher angekommen. Sie hieß aber gleichzeitig, dass wir keine normale heterosexuelle Beziehung führten. Ich würde ihn nie mit unserem Kind in seinen Armen sehen können, es war schlichtweg nicht möglich.
Es verpasste mir einen Stich in mein Herz, ihm diese Möglichkeit zu verbauen. Der Blick, mit dem er Jae bedacht hatte, war so liebevoll gewesen, dass ich ihn am liebsten für immer festgehalten hatte. Das Bild, dass mir Hoseok vorhin geschickt hatte von den beiden, hatte ihn nicht einmal annähernd eingefangen.
Das nächste Lied spielte ab und ich passte mich dem veränderten Rhythmus an.
Dieser Schmerz und die Befürchtung Kookie seine Zukunft derart zu verbauen, bahnte sich seinen Weg in meinen Tanz.
Ich hatte mich mit der Tatsache schon längst abgefunden, wahrscheinlich nie eigene Kinder zu haben. Ich mochte sie, hatte aber bislang nie den Drang verspürt, irgendetwas in diese Richtung ausleben zu müssen, etwas zu verpassen.
Als das dritte Lied endete, verdrehte ich schließlich unglücklich mein Knie. Ich fiel zu Boden und ein lautloser Schluchzer bahnte sich seinen Weg über meine Kehle. Mein Knie tat entsetzlich weh, er war aber eher aus meinem mentalen Zustand geboren.
Ich hörte, dass sich mir Schritte schnell näherten, hatte nicht einmal mitbekommen, dass ich nicht mehr alleine im Raum gewesen war. Während ich mir mein Knie hielt, hörte ich die vertraute Stimme meines Freundes entgegen rufen. "Jimin!"
Es bahnten sich die ersten Tränen ihren Weg über meine Wange. Eigentlich wäre ich gern allein gewesen, in dieser Situation war ich dennoch irgendwie froh, dass er bei mir war.
"Hast du dir weh getan?", fragte mich Minho und beugte sich zu mir herunter, legte seine kleine Videokamera zur Seite.
"Ich..." Eigentlich weinte ich eher, weil ich mich so über mich selbst ärgerte. Meine Gefühle fuhren momentan Achterbahn, ich konnte es mir selbst nicht erklären, was mit mir los war. Heute früh war ich derart glücklich gewesen, wo kam diese ganze Verzweiflung in mir mit einem Mal her? Ich fühlte mich seltsam leer, es erinnerte mich unangenehm an die Zeit vor unserer Pause. Es gab in diesem Moment nur eine Person, die ich bei mir haben wollte, die ich brauchte.
"Kannst du Jungkook holen?", fragte ich ihn und versuchte mir die Tränen vom Gesicht zu wischen.
Er zögerte kurz, machte sich aber schließlich auf den Weg, Kookie zu finden.
Die Zeit, in der ich alleine war, kam mir beinahe endlos vor. Ich versuchte mich ein wenig bequemer hinzusetzen und mein Knie in eine bessere Position zu bringen, es protestierte aber sogleich schmerzhaft. Ich biss die Zähne zusammen und hoffte das Beste. Es war nicht meine erste Verletzung vom Tanzen und schon gar nicht meines Knies. Wahrscheinlich hatte ich mir eines meiner Bänder gezerrt, das konnte auch schon wahnsinnig weh tun.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, öffnete sich die Tür und Kookie kam hereingestürmt, direkt auf mich zu.
"Jimin!"
Mit ein paar langen Sätzen war er bei mir, ich bekam nur am Rande mit, dass ihm Minho folgte.
"Was ist los?", wollte er voller Sorge in seinen Augen von mir wissen. Ich hoffte, dass meine Augen nicht mehr so verräterisch glänzten, wie sie sich zumindest anfühlten.
Jetzt, wo er bei mir war, ging es mir tatsächlich schon sehr viel besser. Meine Welt drehte sich weiter, ich hatte wieder Luft zum Atmen, die Leere in mir kam mir nicht mehr ganz so groß und furchtbar vor.
"Ich hab mein Knie beim Tanzen verdreht..."
"Kannst du aufstehen?"
Ich zögerte, war mir nicht sicher, ob mich meine Beine tragen würden. Jungkook überlegte nicht lange, schob mir einen Arm unter meine Kniegelenke, stützte mich mit der anderen im Rücken und hob mich hoch, als wäre ich ein Leichtgewicht.
Instinktiv knallte ich mich mit meinen Armen um seinen Hals fest, lockere aber schnell meinen Griff, als ich merkte, dass er mich absolut fest und sicher hielt.
"Ihr hättet das mal sehen müssen, wie er getanzt hat!", versuchte Minho die Stimmung ein wenig aufzulockern, als Kookie mich über die Flure trug. "So etwas anmutiges hab ich noch nicht gesehen..."
Jungkook kicherte neben mir. Ich hatte mittlerweile meinen Kopf an seiner Schulter vergraben und hoffte einfach, dass mich niemand so hilflos in seinen Armen sah. Ein kleiner Teil von mir wollte aber auch, dass dieser Moment nie endete.
"Ja, das klingt ganz nach unserem Jiminie", hörte ich Taes tiefere Stimme hinter mir. Ein paar Tasten wurden gedrückt und wahrscheinlich sahen sie sich das Video an, welches Minho zuvor von mir aufgezeichnet hatte.
Jungkook brachte mich zu unserem Arzt.
Die Agentur war mittlerweile so groß, dass wir glücklicherweise dauerhaft diesen Posten besetzt wussten. Es war ein trauriger Luxus, aber Verletzungen blieben eben nicht aus. Irgendjemand wurde immer krank bei dieser Menge an Mitarbeitern.
Als wir vorsichtig anklopften und in den kleineren Vorraum kamen, saß dort bereits jemand, der mich mit großen Augen musterte.
"Hey Soobin", begrüßte ich meinen jüngeren Kollegen, als mich Kookie herunter ließ und ich zu seinem Stuhl hüpfte, um möglichst kein Gewicht auf mein verletztes Knie zu geben.
Soobin sah nicht gut aus. Seine Stirn glänzte und seine Wangen waren gerötet. So, wie er in seinem Stuhl hing, hatte er vermutlich Fieber. Eine Katastrophe, TxT hatte in einer Woche ihr Comeback und es war unabdinglich, dass er bei den Proben dabei war.
Er verneigte sich vor uns und murmelte eine Begrüßung.
Der Arzt kam mit einem Papier in der Hand in den Raum, musterte mich kurz und wandte sich schließlich an den jüngeren.
"Wie besprochen- nehmen sie Antibiotika und Fiebersenker, damit sollte es ihnen bald besser gehen." Soobin verneigte sich und schlurfte aus dem Raum, als der Doktor ihm noch halb verzweifelt hinterher rief: "Und viel Ruhe!"
Sein gemurmeltes "Ja ja", konnte ich mehr erahnen als hören, es brachte trotzdem ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Idols konnten so unvernünftig sein, es war unglaublich. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, nicht auch schon mit Fieber und vollgepumpt mit Medikamenten auf der Bühne gestanden zu haben.
"Was kann ich für Sie tun?", wandte er sich nun zu uns.
Natürlich wusste er nicht, wer sein eigentlicher Patient war. Ich wollte die beiden aber an meiner Seite wissen, sie konnten ruhig bei mir bleiben. Minho filmte schon wieder, zwar ein wenig diskret, aber alles im Blick habend, Jungkook wollte ich nicht wegschicken, er war wie ein Ruhepol an meiner Seite, ich brauchte ihn. Er wirkte besorgt, so kannte ich ihn kaum.
"Ich habe mir beim Tanzen mein Knie verdreht", erklärte ich mit möglichst ruhiger Stimme, die aufkommende Panik herunter schluckend. Was würde sein, wenn die Verletzung schlimmer war, als ich annahm?
"Dann kommen sie einmal bitte mit." Er deutete auf eine Tür, hinter der ich eine Liege sehen konnte. Ich versuchte wirklich ohne größeres Gehumpel zu dieser Liege zu kommen, letztendlich brauchte ich aber Jungkook, der mich so gut es ging stützte.
Er wollte schon gehen, damit ich mit dem Arzt alleine war, ich hielt ihn aber an seinem Arm zurück und er setzte sich seufzend zu mir an die Liege.
Der Arzt bog an meinem Knie herum, beugte es und drückte vorsichtig. Ich konnte die Schwellung schon deutlich sehen und es fühlte sich auch warm an. Natürlich tat es höllisch weh, ich versuchte den Schmerz aber weg zu atmen und zu lachen, eine alte Angewohnheit von mir.
"Das ist beim Tanzen passiert?", wollte er routinemäßig wissen, als er gerade einen sehr empfindlichen Punkt traf.
Ich nickte nur und verzog das Gesicht.
"Ich glaube nicht, dass etwas ernsthaft verletzt ist", teilte er mir schließlich mit, "wahrscheinlich haben sie eine Distortion des Ligamentum collaterale tibiale. Das Bein ist noch gut beweglich", schloss er in seiner für Ärzte typischen Fremdsprache.
Als ich ihn verständnislos ansah, setzte er nochmal etwas hinzu. "Das Seitenband des Knies ist vermutlich gezerrt."
"Ah." Gezerrt war deutlich besser als gerissen. Das waren gute Nachrichten.
"Sie müssen sich schonen, vier Tage minimum, besser eine ganze Woche, bis die Schmerzen nachlassen. Laufen und Stehen sind kein Problem, aber Tanzen ist tabu für den Moment. Und kühlen, damit die Schwellung zurück geht." Ein wenig erleichtert atmete ich aus und sah zu Kookie. Seine Miene hatte zwar noch einen besorgten Ton, aber er wirkte bei diesen Worten deutlich entspannter als zuvor.
Mit ein paar Tagen Ruhepause konnte ich leben. Es hätte deutlich schlimmer kommen können.
Mir wurde ein Kühlpad in die Hand gedrückt und mit einer höflichen Verbeugung verabschiedete ich mich dankend von ihm, Kookie umfasste noch immer stützend meinen Arm.
Minho folgte uns, hatte scheinbar weiterhin alles mit seiner Kamera festgehalten, aber aus der Distanz.
Langsam humpelte ich durch die Flure, in den Fahrstuhl, dann zurück zu unserem Trainingsraum. Ich wollte mich trotz allem wieder umziehen. In diesen durchgeschwitzten Trainingsklamotten war ich wenig präsentabel. Kookie half mir, als ich die Hose wechseln wollte. Er war ungefragt fürsorglich mir gegenüber und ich wusste jetzt schon, dass wenn es so weiterging, er mich schnell in den Wahnsinn treiben würde. Fürs Erste genoss ich es aber und fand es sogar süß, wie er sich bemühte, mir ohne große Schmerzen zu verursachen, die Hose zu tauschen.
Leider beflügelte es auch gleich meine Fantasien, wie er da vor mir hockte, und zu mir hoch sah. Schnell versuchte ich meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Nicht auf Arbeit, ermahnte ich mich und stellte mich mit Absicht auf mein lädiertes Bein. Es half mich wieder auf Kurs zu bringen.
Es tat weh, war aber auszuhalten, laufen war weitaus schlimmer.
Gemeinsam gingen wir schließlich langsam durch die Flure. Kookie hatte mir angeboten, mich erneut zu tragen, ich hatte aber dankend abgelehnt. Diese Blöße, dabei von jemanden gesehen zu werden, wollte ich mir nicht geben.
"Warte hier kurz auf mich, ich bin gleich wieder da", wies mich Jungkook an und zog mich bestimmend zu einer kleinen Sitzbank, die in einer Nische stand. Minho leistete mir Gesellschaft, war aber nicht in der Stimmung für ein Gespräch und so schwiegen wir uns an.
Jungkook eilte in Richtung Fitnessraum davon, vermutlich um sich ebenfalls schnell umzuziehen und seine Sachen zu holen.
Auch wenn wir in meinem Schneckentempo zu unserem erneuten Treffen mit unserem Management aufbrachen, so hatten wir noch mehr als genug Zeit. Nichts in dieser Welt würde uns diesmal aufhalten, überpünktlich dort aufzutauchen. Wir waren Vollblutprofis, keine Amateure. Gedankenverloren drückte ich das Kühlpad gegen mein Knie und die Kühle tat angenehm gut.
Jungkook ließ nicht lange auf sich warten und hatte als Anhang Tae dabei.
Dieser musterte mich leicht besorgt.
"Alles ok bei dir Jiminie?"
Ich nickte, er schien mit dieser Antwort gerechnet zu haben.
"Was machst du nur immer für Sachen..."
Tae war irgendwie unverwüstlich. Ich war leider schon einige Male ausgefallen, oft machten mir meine Nackenmuskeln schon in der Vergangenheit einen Strich durch die Rechnung.
Tae versuchte stets den temporären Verlust eines der Member mit noch mehr Energie auf der Bühne zu kompensieren und meist gelang ihm das ausgesprochen gut. Es war selten, dass er einmal ausfiel.
Ich hievte mich hoch, versuchte das verletzte Knie möglichst wenig zu belasten. Es lagen drei Augenpaare auf mir, was mich dazu verleitete, mal wieder alles herunter zu spielen. Tatsächlich hatte ich schon schlimmeres erlebt.
Langsam gingen wir durch die dunklen Flure und erreichten schließlich den Raum, den wir vor einigen Stunden unter Schimpf und Schande verlassen hatten.
Wir waren früh dran, zwanzig Minuten vor unserem vereinbarten Termin. Zu meiner Überraschung waren alle anderen Member schon anwesend. Wir konnten eben auch pünktlich, stellte ich mit grimmiger Zufriedenheit fest.
Minho blieb draußen- bei solch intimen Firmengesprächen hatte er nichts verloren. Ich war mir sicher, dass er gerne dabei gewesen wäre.
Besorgt lagen gleich alle Blicke auf meinem humpelnden Gang, Namjoon und Hobi sprangen gleich besorgt auf.
"Was ist passiert?", hörte ich unseren Leader über die allgemeine Unruhe Fragen, die meine Erscheinung ausgelöst hatte.
Erleichtert ließ ich mich in einen Stuhl neben Yoongi fallen und drückte mir mein Kühlpad wieder auf das Gelenk. Sofort umfing mich wohltuende Kälte.
"Das sieht alles schlimmer aus, als es ist...", murmelte ich in die ausgebrochene Besorgnis meiner Freunde, wahrscheinlich zu leise, als dass sie mich hörten.
"Jimin hat einen gezerrten Muskel", klärte Jungkook die anderen nun lauter auf, "er fällt für eine Woche aus beim Training."
"Das Band ist gezerrt, nicht der Muskel", verbesserte ich meinen Freund, aber in der allgemeinen Erleichterung über meinen wohl nur kurzen Ausfall, bekam das niemand mit.
Yoongi besorgte mir einen Stuhl, auf dem ich mein Bein hochlegen konnte. So musste ich es nicht beugen und auch das Kühlpad konnte ich so einfach abgelegen, ohne es groß festhalten zu müssen. Manchmal war er echt großartig und fürsorglich.
"Danke Hyung."
Erst jetzt bemerkte ich, dass Namjoon seinen Sohn nicht mehr bei sich hatte, scheinbar hatte er jemanden finden können, der auf ihn aufpasste. Es war wichtig, dass er als Leader sich vollkommen auf das Treffen konzentrieren konnte. Es ging schließlich um die unmittelbare Zukunft von uns.
"Jimin bekommt das aufgearbeitet, was er tänzerisch innerhalb einer Woche verpasst...", hörte ich Hobi mir gegenüber mehr zu sich selbst murmeln, als zu jemand bestimmtes sagen. Tatsächlich machte ich mir darum kaum Sorgen. Tanzen war meine Berufung, mein Hobby, mein Leben. Es müsste schon mehr passieren, als so eine lächerliche Bänderzerrung, damit das Comeback von meiner Seite aus in Gefahr wäre.
Die Tür ging schließlich pünktlich auf. Allen voran betrat Bang Sihyuk das Zimmer, gefolgt von unseren Managern. Das letzte Team hatte sich leider seit unserer Pause geändert, noch konnte ich den fremden Gesichtern keinen Namen zuordnen, das würde aber sicher noch kommen.
Ich sah den grimmigen Stolz auf dem Gesicht von unserem Chef. Er hatte erwartet, dass wir uns zusammenreißen und diesmal pünktlich und vollzählig anwesend sein würden. Wir hatten ihn nicht enttäuscht.
"Sehr schön. Dann fangen wir mal endlich an."
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