Kapitel 26
Kapitel 26
Ich saß nun bereits seit einer Viertelstunde in diesem Stuhl und ließ mir mein Make-up auftragen. Ich wünschte mir meine frühere Make-Up-Artist zurück, sie hatte stets ein halbes Wunder aus meinem Gesicht herausgeholt. Nicht, dass die Frau, die gerade an mir herum werkelte unfähig war, aber ich war da sehr mäkelig, gerade was die Augen betraf.
Ein wenig erschlugen mich die Ereignisse der letzten Stunden, die dazu geführt hatten, dass ich mich jetzt hier befand, kurz davor ein Video abzudrehen mit den anderen Teammembern.
Es war erstaunlich wie gut unsere Agentur auf jegliche Eventualitäten vorbereitet war. Wir hatten ihnen den Entschluss mitgeteilt, den wir zusammen getroffen hatten. Es endlich öffentlich machen. Endlich hätte dieses Versteckspiel ein wenig ein Ende. Ich war jetzt schon irgendwie erleichtert, auch wenn ich spürte, dass der Druck der Erwartung unserer vielen Fans auf mir liegen würde. Damit würde ich aber umgehen können. Die gespannte Sensationsgier der Presse war da was anderes.
"So, fertig", verkündete sie mir freudestrahlend. Ein Blick in den Spiegel zeigte mir, dass sie ihre Arbeit gut gemacht hatte, ich sollte wirklich damit zufrieden sein. Anerkennend nickte ich ihr zu und stand nervös auf.
Meine Nerven lagen jetzt schon ein wenig blank, ich konnte nichts dagegen tun. Dabei war es nur eine kurze Videoaufzeichnung, die heute noch in den Schnitt ging und so schnell es ging, veröffentlich werden würde.
Ich hielt Ausschau nach der einzigen Person, deren Anwesenheit mich jetzt beruhigen würde.
Jungkook saß in einer Ecke auf einer Couch, sein Handy in der Hand, ich könnte aber sehen, dass er mehr fahrig durch irgendwelche Apps scrollte, als wirklich etwas zu lesen.
Ich ließ mich neben ihn auf die Couch sinken und wurde augenblicklich ruhiger, als mich sein ihm ganz eigener Geruch empfing. Genießerisch schloss ich meine Augen und legte meinen Kopf an seine Schulter.
Es war mir egal, dass es hier Kameras gab, die so gut wie jede Bewegung von uns einfingen. Exklusives Backstagematerial.
Kookie schien zu spüren, dass ich innerlich nicht zur Ruhe kam, auch wenn ich versuchte, es mir äußerlich nicht anmerken zu lassen. Er legte sein Telefon zur Seite, nahm meine Hand in seine beiden so viel größeren und streichelte beruhigend über sie, immer und immer wieder in kleinen Kreisen, die kein klares Muster bildeten.
"Jimin, es wird alles gut", brummte er mir leise entgegen, zu leise für die Kameras, die uns aus einiger Entfernung filmten.
Ich brummte ihm ebenso leise eine Antwort entgegen. "Ich weiß. Solange ihr bei mir seid, bekommen wir das hin."
Er drehte ein wenig seinen Kopf in meine Richtung, unsere Haltung machte es ihm aber unmöglich in mein Gesicht zu sehen.
"Was ist dann los?", fragte er mich ein wenig ratlos.
"Was, wenn sie es nicht mögen werden? Das wir wieder kommen?", fasste ich leise meine Ängste in Worte.
Es hätte sich so vieles verändert in der Welt des K-Pops, konnte so eine ausgediente Gruppe wie wir es waren, überhaupt Bestand haben?
Kookie fing lauthals an zu lachen, was mich erschrocken von ihm aufspringen ließ, sodass ich wieder auf meinen Füßen stand.
Als er meine Reaktion sah, fing er sich wieder und murmelte immer noch grinsend, eine Entschuldigung.
Zu mir kamen gleich wieder zwei Mitarbeiter gewuselt, um meine Haare in Ordnung zu bringen, die durch diese Aktion in alle Richtungen abstanden.
"Wenn das alle deine Sorgen sind, dann sei ganz beruhigt", gab er noch von sich, "sie werden es feiern." Seine Stimme klang fest und bestimmt. Vermutlich hatte er recht, aber so ganz konnte er mir die letzte Nervosität dann doch nicht nehmen.
"So, alle bitte auf die Markierung, es geht los!", hörte ich jemanden rufen und in uns kam Bewegung.
Wir stellten uns lose in eine Gruppe, dort, wo das kleine dunkle x auf dem Boden geklebt war. Wir wurden hin und her geschoben, ausprobiert, was wie am Besten zusammen aussah. Schließlich wurden zu uns drei Stühle geschoben und wir stellten uns wie sooft in zwei Reihen auf.
Ich wollte die Seite von Jungkook nicht verlassen, der Direktor trennte uns aber, weil unsere Anzugfarben zusammen nicht harmonierten.
Eines musste man Hybe lassen, auch wenn die ganze Situation recht spontan geschehen war, so waren sie vorbereitet gewesen und hatten nichts dem Zufall überlassen. Es gab hier genug maßgeschneiderte Anzüge für uns, sodass wir hübsch und ansehnlich unser Konzert verkünden konnten.
Es brauchte mehrere Takes, bis wir schließlich etwas brauchbares hinbekommen hatten. Das Reden hatte RM übernommen, der aber auch sichtlich nervös war und sich so einige Male verhaspelte.
Der Rest von uns sollte einfach nur simpel dastehen, ab und an in die Kamera lächeln oder entspannt wirken, was uns aber auch mehr Kraft und Anstrengungen kostete, als ich je für möglich gehalten hatte. Wir waren alle viel zu angespannt, um es uns nicht anmerken zu lassen. Meine Haltung glich zeitweise der eines Stockes, Vs breites Grinsen wirkte deutlich nervös und gezwungen, Jin tippelte von einem Bein aufs andere.
Erleichtert ließ ich mich auf den Boden sinken, als der Direktor schließlich mit einem Take zufrieden war und ließ ein lautes "uff" hören.
Ich sah Tae dabei zu, wie er mit schnellen Schritten zu seiner Tasche eilte und nach seinem Telefon angelte. Auch der Rest verteilte sich schnell im Raum, verabschiedeten sich bis morgen. Das für heute angesetzte Training hatten wir schon vor Stunden abgeschrieben.
Tae kam zu mir und Jungkook herüber geschlendert und ließ sich neben Kookie auf einen Stuhl sinken.
"Was haltet ihr davon, wenn ich für nachher etwas zu Essen bestelle?", fragte er uns beide und genau in diesem Moment machte mein Bauch ein zustimmendes Grummeln.
Wir mussten wie auf Knopfdruck lachen und Tae bestellte schließlich schnell über eine App das Essen.
Die anderen vier waren schon weg, Kookie und ich zogen uns noch um, mein Makeup ließ ich aber noch auf meinem Gesicht, es gefiel mir doch mehr, als ich zugeben wollte.
Ich kam mir aber in der Gegenwart von Tae dann etwas underdressed vor. Er behielt einfach seinen Anzug an, scheinbar gefiel er ihm. Oder er wollte einfach nur Eindruck vor Hana damit schinden.
Tae fuhr uns zielsicher durch den dichten Verkehr.
Ich hatte mich diesmal zusammen mit Jungkook auf den Rücksitz verkrümelt, um den Reportern, die noch immer vor dem Hybe-Gebäude standen, nicht noch mehr Möglichkeiten zu geben, uns ungefragt zu fotografieren.
Er hielt seine linke Hand locker mit der Innenseite nach oben, zwischen uns. Natürlich hatte ich es mitbekommen. Trotzig sah ich aus dem Fenster zu meiner linken Seite, bis er sie irgendwann seufzend auf seinen Schoß nahm.
Taes Worte vom Morgen spukten mir dabei in meinem Kopf herum. Als ich meinen Kopf zu Kookie drehte, sah ich, dass dieser peinlich ertappt seinen Blick senkte.
Was hatte Yoongi zu Tae gesagt? Das Jungkook sich an mich klammerte, wie ein Ertrinkender an einem Rettungsring? So ganz wollte ich diese Metapher nicht glauben, wahrscheinlich passte sie eher anders herum, aber... Was war, wenn er mich wirklich ebenso sehr jetzt brauchte, wie ich ihn? Wenn er kurz vor dem Ertrinken war und ich war derjenige, der ihn retten konnte? Die eine Nacht letzte Woche, die er weinend in meinen Armen verbracht hatte, hätte mir schon früher die Augen öffnen sollen. So sehr, wie er in letzter Zeit meine Nähe suchte, war ich seine rettende Insel.
Ich hielt ihm meine Hand genauso hin, wie er es bis eben getan hatte. Er sah mich verwundert an, auch ein wenig schüchtern, verschränkte aber schließlich unsere Finger miteinander und strahlte vor sich hin. Bei diesem Anblick wusste ich, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.
Wir kamen in der Tiefgarage des Gebäudekomplexes an, in dem Tae wohnte, ich erkannte es mittlerweile im Schlaf.
Als wir unsere Hände loslassen mussten, um aus dem Auto zu steigen, fühlte sie sich daraufhin seltsam leer an, als würde ein wichtiger Teil fehlen. Ich vergrub sie tief in meiner Jackentasche und schulterte meine Tasche.
Tae stürmte förmlich voran zu seiner Wohnung, konnte es wohl kaum erwarten, endlich Hana wieder zu sehen.
Ich schüttelte nur ungläubig meinen Kopf und folgte ihm mit schnellen Schritten, Jungkook dicht bei mir.
"Heeey", begrüßte er seine Liebste auch sofort, als er durch die Wohnungstür trat, wirbelte sie kurz im Kreis.
"Hey", hörte ich sie sagen. Sie gaben sich einen kurzen, scheuen Kuss auf den Mund, gerade als ich die Tür hinter uns schloss. Tae zeigte wieder dieses breite, glückliche Lächeln und ich konnte nicht anders, als es bei seinem Anblick ebenso zu tun.
Als Tae sich zu uns drehte und uns vorstellte, verbeugte ich mich tief vor ihr, ganz wie meine gute Erziehung es von mir verlangte.
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Sie war wirklich bezaubernd, ganz so, wie es Taehyung uns schon vorgeschwärmt hatte. Zwar hatte ich bereits einen ersten Eindruck von ihr gewonnen, aber ich hatte kaum zwei Wörter mit ihr gewechselt. Ich mochte sie auf Anhieb und verstand, wieso ihm so viel an ihr lag. Auch Kookie unterhielt sich gut mit ihr, was zum ersten Mal, seitdem ich wieder zurück in Korea war, zu einer wirklich ausgelassenen Stimmung zwischen uns führte.
"Und, wofür habt ihr euch jetzt entschieden?", fragte sie uns neugierig mit ihren großen Augen und in einem leichten japanischen Akzent.
Tae sah zu Kookie und mir hinüber. "Es wird bald ein Video online gehen", erklärte er ihr und schob nachdenklich sein Essen auf seiner Platte mit den Stäbchen hin und her, "wir melden uns für unsere Army, dass wir zurück sind."
Sie lächelte ihm ehrlich entgegen und streichelte sanft sein Bein. "Das ist doch schön!"
"Ja, ganz schön viel Druck", brummte Kookie neben mir und ich wusste, dass es ihm eigentlich nichts ausmachte. Er könnte auch in Angesicht des noch so größten Druckes hervorragend abliefern. Er sagte es, weil er Angst hatte, dass es mir dieses Mal wieder zu viel werden würde. Aber es fühlte sich anders an für mich. Das würde nicht passieren. Nicht mit ihm so dicht an meiner Seite.
Ich schnaubte nur und auch wenn er mich daraufhin unergründlich ansah, wusste ich, dass er verstanden hatte, dass er durchschaut worden war.
Ich lehnte mich nach hinten, stützte mich mit den Händen hinter mir ab und spiegelte so haargenau die Position, die Jungkook inne hatte. Wie zufällig lag meine Hand wieder bei der seinen und es gab für mich kein schöneres Gefühl.
Er zog mich nach vorne, meine Hand noch immer haltend und spielte in Gedanken an ihr herum.
Hana maß uns mit solch einem langen Blick, dass ich schließlich aus dem Fenster sah.
Ihre dunklen Augen bekamen mehr mit, als mir recht war.
Das Gespräch ging in einfachere Themen über, was wir alles noch proben mussten, wie anstrengend unser Training im Moment war.
Hana wusste scheinbar, wer wir waren, sie wirkte aber nicht wie ein Army. Als sich ihre anfängliche Nervosität legte, begannen wir ganz unbefangen miteinander umzugehen und ich konnte sehen, was Tae so an ihr liebte. Sie war gut, aufmerksam und zuvorkommend. Natürlich war sie auch sehr schön. Die beiden so nebeneinander zu sehen, grenzte schon fast an Masochismus, es blendete sprichwörtlich in den Augen.
Wir würden ein wenig überrumpelt, als schon nach kurzer Zeit das Video online ging, welches wir erst vor ein paar Stunden gedreht hatten. Hybe war wirklich schnell und anhand dessen konnte ich erahnen, wie ernst die ganze Situation für unsere Agentur war. Es war besser geworden, als ich gedacht hatte. Die Cutter der Agentur hatten ganze Arbeit geleistet und etwas mit zusammenhängenden Inhalt gezaubert.
Kookie betrachtete mich still von seinem Platz, als das Video zu Ende war. Sein Blick brannte mir unsichtbare Spuren auf meine Haut.
Müde stand er schließlich auf, streckte sich und machte anstalten, in sein Zimmer zu gehen, als er nochmal stehen blieb und einen Blick zu mir zurück warf.
"Jimin, kommst du mal kurz? Ich würde dir gern etwas zeigen."
Überrascht blinzelte ich zu Tae, der jedoch so mit Hana beschäftigt war, dass er das Ganze nicht wirklich mitbekam. Die beiden hatten nur Augen füreinander, so kannte ich ihn gar nicht.
"Klar." Schon trottete ich mit einigem Abstand hinter ihm her, in das Zimmer, das mir nur zu vertraut war.
Als ich es betrat, konnte ich Jungkook nirgends finden, erst als hinter mir die Tür ins Schloss fiel und ich mich umdrehte, sah ich ihn wie einen Türsteher, der sich dort aufbaute.
Ein ungläubiges Lachen entkam meiner Kehle, er sah mich jedoch nur unverwandt ernst an.
"Setzt dich bitte", sagte er in einem leisen Ton zu mir und wie automatisch trugen mich meine Füße zu dem Schreibtischstuhl, auf den ich mich niederließ. Kookie wirkte erleichtert, weil ich ihm so einfach Folge leistete, aber ich hatte ja auch keinen Grund, es nicht zu tun.
Ich war einen langen Moment lang wirklich so blöd zu glauben, dass er sich gleich bewegen würde, etwas holen würde, dass er mir zeigen wollte. Als er mich aber dann noch immer mit seinem Blick taxierte, dämmerte es mir, wie blöd ich gewesen war.
"Also, was... gibts?"
"Ach Jimin." Es sah aus, als würde er ein Stoßgebet in Richtung Himmel senden. "Jimin, ich glaube wir müssen reden. Ich kann das so nicht mehr."
Ich blinzelte ihn eine Weile nur verwirrt an, nicht in der Lage etwas zu erwidern. Kookie kam ein paar Schritte auf mich zu und ließ sich mir gegenüber auf das Bettende fallen, sodass wir uns direkt ansehen konnten.
Er streckte sich ein wenig aus und nahm meine Hand in seine. Ein freudiges Prickeln breitete sich wie die beiden Male heute zuvor bereits wieder in ihr aus.
Er fing meinen Blick mit seinen Augen ein, ich konnte ihn nicht von ihm lösen.
"Jimin, ich... Wieso weichst du mir die ganze Zeit so aus?"
Ich reagierte noch immer nicht und er drückte mir leicht meine Hand, was mich ein wenig aus meinem fast schon katatonischen Verhalten riss.
"Kookie, ich..." Diese großen braunen Augen, die mich zu durchbohren schienen, machten es mir verdammt schwer, mich auf eine Antwort zu konzentrieren. "Ich dachte, du brauchst noch mehr Zeit, ich meine...", versuchte ich mein Verhalten zu rechtfertigen,"du hast dich doch gerade erst getrennt. Ich wollte dir ein wenig Luft zum Atmen geben."
"Jimin", er sah mich leicht amüsiert an, "ich habe doch deinetwegen mit ihr Schluss gemacht. Ich brauche keine Zeit mehr, ich habe mich doch schon längst entschieden."
Ich wusste, dass ich mich die ganze Zeit selbst belogen hatte. Es war blödsinnig gewesen zu behaupten, dass Kookie derjenige war, der noch Zeit gebraucht hatte. Ich war derjenige, der nicht bereit gewesen war.
Er zog mich bestimmend an meiner Hand zu sich, ich kam dem bereitwillig nach und setzte mich neben ihn auf das Bett.
Seine freie Hand legte er an meine Wange und sah mir abwartend in die Augen. Ich erwiderte den Blick und merkte, wie mir mein Herz fast aus der Brust sprang.
Doch, es fühlte sich endlich richtig an, hier mit ihm zusammen zu sein. Ich brauchte nicht noch mehr Zeit, ich wollte endlich ausprobieren, ob das hier mit uns funktionieren konnte. Ich war bereit dazu. Auch wenn ich ein wenig Angst hatte, unsere Freundschaft dabei zu ruinieren.
Jungkook sah das stille Einverständnis in meinen Augen und scheinbar fand er auch, wonach er suchte.
Endlich küsste er mich, zum ersten Mal als freier Mann, nicht an jemand anderen gebunden.
Wir waren beide bereit, gemeinsam eine Zukunft anzugehen.
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