Kapitel 2
Kapitel 2
Die Tage mit meiner Familie vergingen viel zu schnell. Als sie erfuhren, dass ich zu ihnen fliegen würde, hatte sogar mein kleiner Bruder Jihyun alle Mittel in Bewegung gesetzt, um auch vorbei zukommen. Er brachte seine Freundin Sumi mit. Ich fand sie sehr nett und wir kamen gut miteinander aus. Anfangs war sie sehr schüchtern. Sie wusste, wer ich war und war offensichtlich ein Army, doch als wir immer mehr Zeit miteinander verbrachten, taute sie auf und schon bald war kaum noch Distanz zwischen uns. Ich wusste schon lange, wie ich meinen Charme einsetzen musste.
Ich beneidete Jihyun um sie. Nicht direkt um sie als Person, sondern um den schlichten Fakt, dass er eine Beziehung mit jemanden führen konnte, den er liebte. So unproblematisch.
Beziehungen waren bei Idols, wie ich es nun mal war, schon immer eine schwierige Angelegenheit gewesen. Wir versuchten damals immer den Kontakt zu Frauen im allgemeinen zu reduzieren, wo wir konnten. Es gab immer Gerüchte, wenn wir auch nur in der Nähe von weiblichen Sängern standen. Natürlich hatte es immer auch schon private Treffen gegeben, jedoch waren wir immer sehr vorsichtig gewesen und wurden zum Glück nie wirklich erwischt. An eine langfristige Beziehung war aber kaum zu denken. Diese Geheimniskrämerei war kaum jemand bereit einzugehen und sie beanspruchte mit jedem Jahr, den man diesen Beruf ausübte, einen mehr.
Namjoon hatte die Pause genutzt und sogar geheiratet. Als das die Öffentlichkeit zwei Monate später erfuhr, gab es wochenlang kein anderes Thema mehr. Auch wenn die Mehrheit unserer Armys ihn unterstützte und sich für ihn freute ... wollte ich mir gar nicht vorstellen, durch welche Hölle er damals gegangen sein musste. Als dürften Idols kein Privatleben haben. Es war bei Namjoon keine überstürzte Entscheidung gewesen, wir alle kannten Ahri schon lange und schätzten sie sehr. Wir waren sogar bei seiner Hochzeit dabei gewesen, das war kurz bevor ich nach Amerika zog.
So war die Hochzeit von RM zwar äußerst schön, aber schwer für mich zu ertragen gewesen. Ich würde wohl nie in diesem konservativen Land so öffentlich mit aller Welt feiern können, wenn es soweit war.
Ich hielt mich bei meinem Liebesleben in der Öffentlichkeit äußerst bedeckt. Es gab auch niemanden, den ich präsentieren konnte.
Ich war in der ganzen Zeit seit unserem Debüt kein Mönch gewesen, hatte jedoch nie eine längerfristige Beziehung aufbauen können. Nie hatte ich eine so große Zuneigung für jemanden empfunden, dass ich mit ihm den Rest meiner Tage verbringen wollte. Nicht, seit ich in Amerika lebte.
Nur zu meinen Bandmitgliedern empfand ich etwas Ähnliches und das war etwas, was nicht in Frage kam. Auch wenn gewisse Gefühle für einen von ihnen da waren und es eventuell sogar mit uns hätte funktionieren können. Es wäre ein riesengroßer Skandal geworden, wenn so etwas je herausgekommen wäre, also versuchte ich es nicht einmal, hatte alle Annäherungsersuche seiner Seite her mit brüderlicher Geduld abgelehnt.
Ich gab es ungern zu, aber ... Ich war verdammt einsam. Die paar Tage bei meiner Familie hatten es mir nur wieder mehr in mein Bewusstsein gebracht. Wie sollte ich je einen Partner fürs Leben finden, wenn ich doch so eine verdammt schlechte Partie war? Mein Leben wurde auch in der Pause immer noch auf Schritt und Tritt verfolgt. Ich war trotz allem ein Teil von Bangtan, würde es wohl stets bleiben. Selbst im Flughafen hatten bei meiner Anreise in Busan Journalisten auf mich gewartet. Es war für mich schon irgendwie Normalität.
Gerade war ich dabei meine wenigen Sachen zusammen zu packen, als es an meiner Tür klopfte. Obwohl ich so selten bei meiner Familie war, so hatte ich hier doch noch immer ein Zimmer. Auch, wenn es immer öfter als Gästezimmer herhalten musste. Wirklich persönliche Dinge hatte ich hier eh kaum noch, also störte es mich nicht.
„Stören wir?" Mein Bruder schielte vorsichtig durch den Türspalt.
„Nein, ich bin so gut wie fertig mit Packen." Es war nichts, worauf man stolz sein konnte, aber in der ganzen Zeit, in der ich viel um die Welt und von Land zu Land getourt war, war ich eine Art Profi im Kofferpacken geworden. Ich war echt schnell.
„Wir wollten uns verabschieden." Jihyun kam in mein Zimmer, dicht gefolgt von Sumi. Ich nahm meinen Bruder in meine Arme und drückte ihn kurz. Auch Sumi bekam eine kurze Umarmung. Zwar merkte ich, dass sie etwas schüchtern und verunsichert war, aber sie gehörte jetzt zur Familie und musste da durch.
„Melde dich bald mal wieder."
„Ja, werd ich."
Als die beiden das Zimmer verließen, wandte ich mich ein wenig traurig wieder meinem Koffer zu. Es war nicht mehr viel, was ich einpacken musste, lediglich meine Jacke, mit der ich angekommen war, musste noch verstaut werden. Ich hatte mir aus einem Schrank hier in meinem alten Zuhause, einen Mantel ausgesucht, der meinem Bruder gehörte. In diesem Mantel würde mich niemand erkennen, erst recht nicht die Presse. Er war zu alt und nicht mein Stil. Das war nur eine Vorsichtsmaßnahme von vielen, die ich ergriff. Ich wollte, wenn ich in Seoul angekommen war, auf gar keinen Fall auffallen.
Nachdem ich den Reißverschluss meines Koffers mit etwas Mühe geschlossen hatte - ich hatte für die wenigen Tage einfach zu viele Klamotten mitgenommen - setzte ich einen großen Hut auf und schob mir eine Sonnenbrille auf die Nase. Der obligatorische Mundschutz durfte natürlich auch nicht fehlen.
Ich fühlte mich so langsam selbst unwohl in diesem Aufzug, aber es war notwendig. Vielleicht würde so auch niemand meine Körperhaltung erkennen, die nun merklich anders war als sonst. Ich konnte in dieser Aufmachung unmöglich so selbstbewusst wie sonst auftreten.
Als ich mit all meinen Sachen in den Flur trat, warteten schon meine Eltern auf mich. Sie würden mich zum Bahnhof fahren, auch wenn ich insistiert hatte, das dies nicht nötig war, wollten sie noch so viel Zeit wie möglich mit mir verbringen. Wer weiß, wann wir uns das nächste Mal sehen würden.
„Hast du alles?", fragte meine Mutter und ließ verwirrt ihre Augen über meine seltsame Erscheinung gleiten. Sie wussten, dass ich nach Seoul zu Taehyung fahren würde und deswegen in so einem seltsamen Outfit steckte, es jedoch dann mit eigenen Augen zu sehen, wie ihr Sohn rumlief, war sicher noch einmal etwas anderes.
Meine Eltern hatten sich sehr darüber gefreut, dass ich meinen besten Freund wiedersehen würde. Sie hatten nie verstanden, wieso ich nur noch so wenig Kontakt zu ihm hatte und im Nachhinein konnte ich dafür auch keine wirkliche Begründung mehr finden. Je mehr und länger ich drüber nachdachte, umso verkehrter und dämlicher kam es mir tatsächlich vor. Ich freute mich sehr auf ihn.
„Ja, ich denke schon..." Ich schenkte dem Raum hinter mir nochmal einen flüchtigen Blick und konnte nichts finden, das ich vergessen hatte. Wie gesagt, ich war geübt im Koffer packen.
„Na dann los."
~+~+~+~
Es war eine ruhige und nicht allzu lange Fahrt zum Bahnhof. Wie sooft musste sich meine Mutter eine Träne wegwischen, als ich sie und meinen Vater zum Abschied drückte.
Da ich etwas zu früh war, durchquerte ich den Bahnhof und nahm noch kurz in der Wartehalle platz. Einige Personen warfen mir irritierte Blicke zu, die ich geflissentlich ignorierte.
Der Bahnhof war groß, jedoch kannte ich mich hier gut aus, sodass ich wusste, wo das Gleis war, an dem mein Zug abfuhr und ich mich nicht verlaufen würde. Ich nutzte die Zeit und ging auf meinem Handy alle meine eingegangenen Nachrichten durch. Mein Bruder hatte sich gemeldet. Ich antwortete ihm, dass ich gerade auf dem Weg nach Seoul war.
Er wusste zwar nicht, wohin ich unterwegs war, doch fragte er nach, ob bei mir alles in Ordnung war. Er wusste, dass ich nicht gleich wieder nach Amerika zurückgehen würde. Weil seine Freundin eine Army war, hatte ich es ihm nicht gesagt, dass ich mich mit meinen alten Bandkollegen treffen würde. Zu groß war die Sorge, dass sie es in der Fanbase weiterleiten würde. Auch wenn sie jetzt zur Familie gehörte, ich musste immer vorsichtig sein.
Ich beantwortete ein paar Fankommentare auf YouTube und so verging die Zeit wie im Flug. Als ich schließlich das nächste Mal auf die Uhr sah, war es für mich Zeit zum Bahnsteig zu gehen.
Mein Zug stand schon da und wartete nur darauf, dass ich einstieg. Meinen Sitz fand ich schnell, ich hatte beim Buchen darauf geachtet, dass ich am Fenster saß. Mein Sitznachbar war noch nicht eingetroffen, sodass ich mich leicht auf meinen Platz setzen konnte. Ich versuchte, es mir so gemütlich wie möglich zu machen, schließlich dauerte sogar die Fahrt mit dem Schnellzug immer noch gute zwei Stunden. Auf meine Tarnung wollte ich nicht verzichten, jedoch setzte ich meine Sonnenbrille ab. Sie wäre dann doch zu auffällig gewesen.
Ich schob mir meine Kopfhörer auf die Ohren und machte eine Playlist von Spotify an. Als ich die Augen schloss, merkte ich, wie angespannt ich war, wie wenig ich in der letzten Nacht geschlafen hatte, vor lauter Vorfreude, aber auch vor Nervosität.
Kurz wurde ich aufmerksam, als sich meine Sitznachbarin neben mir niederließ, aber schon bald daraufhin war ich weggedöst.
Da ich mich kannte, hatte ich, kurz bevor ich in den Zug gestiegen war, mir einen Wecker gestellt, sodass ich frühzeitig genug geweckt werden würde.
Als es schließlich soweit war und der Alarm losging, zuckte ich zusammen. Ich war doch tiefer im Land der Träume gewesen, als ich angenommen hatte.
Als ich den Wecker ausstellte, bemerkte ich die vertraute Stimme, die mir von einem Lied entgegenschallte. Zu lange hatte ich sie nicht gehört. Kurz schloss ich meine Augen und gab mich ihr hin, bevor ich zur Vernunft kam und das Lied stoppte. Was machte ich hier eigentlich? Ich sollte klug genug sein, um es besser zu wissen, dass es mich nur runterziehen würde, wenn ich Jungkook noch länger lauschte. Ich würde ihn nur noch mehr vermissen, als ich es ohnehin schon tat.
Die junge Frau neben mir sah mir bei meinen etwas hektischen Bewegungen, das Lied zu stoppen, neugierig zu. Als sich unsere Blicke trafen, war ich mir ziemlich sicher, dass sie wusste, wer ich war. Na toll.
Eigentlich dachte ich, dass ich unsere Fans so gut wie nie unterschätzte. Jedoch traf es mich unerwartet, hatte ich mich doch so sehr bemüht nicht aufzufallen. Nervös fummelte ich an den Ringen an meiner linken Hand herum. Natürlich, alleine meine Hände würde jeder Army auf zehn Meter Entfernung erkennen.
Noch immer sah sie mich an.
Ich suchte meine paar Sachen zusammen, nahm den Träger meiner Tasche in die Hand und sah ihr in die Augen.
Es war wirklich wichtig für mich, keine große Aufmerksamkeit zu erregen. Ich nahm meinen Zeigefinger und hielt ihn kurz vor den Mund. Eine Geste, die sie trotz meines Mundschutzes verstehen musste. Sie nickte zwar, jedoch war es für mich völlig offen, ob sie über meine Fahrt nach Seoul Stillschweigen behalten würde. Es gab jene und solche Fans und es war für jeden Army eine große Neuigkeit, dass ich nach Seoul fuhr. Zu dem Sitz von Hybe.
Ein kurzes Stoßgebet in Richtung Himmel sendend, quetschte ich mich an meiner Nachbarin vorbei und wenige Minuten später konnte ich aus dem Zug aussteigen.
Ebenso wie zuvor in Busan, kannte ich mich auch hier auf dem Bahnhof aus und fand deshalb schnell den Haupteingang.
Taehyung und ich hatten in der Nähe einen Treffpunkt ausgemacht, an dem es für gewöhnlich nicht allzu schwer war, sich zu finden. Auch hier waren recht viele Menschen unterwegs, sodass ich hoffte, nicht groß aufzufallen.
Taehyung lehnte lässig an seinem schwarzen Auto. Auch jetzt, mit einem eigenwillig aussehenden Hut auf dem Kopf und mitten in der Öffentlichkeit, sah er noch wie ein Model aus. Ihn konnte scheinbar nichts entstellen. Es war unmöglich für mich, ihn nicht zu finden.
Mit schnellen Schritten kam ich ihm näher. Langsam aber sicher fiel alle Unsicherheit und Nervosität von mir ab, als ich ihn da stehen sah und er seine Arme für eine Umarmung ausbreitete. Ein Lachen auf meinen Lippen nahm ich ihn in meine Arme und drückte ihn.
„Hi!", lachte ich ihm entgegen, drückte ihn leicht von mir weg und sah ihm in die Augen.
Auch Tae hatte ein Grinsen auf seinem Gesicht, sah sich jedoch aufmerksam in der Umgebung um.
„Komm, wir sollten einsteigen."
Ich nickte ihm entgegen. Ohne weiter Zeit zu vergeuden, ging er um sein Auto herum und nahm auf dem Fahrersitz platz. Ich öffnete die Beifahrertür und ließ mich ebenfalls auf den Sitz sinken.
Als Tae den Schlüssel umdrehte und den Motor startete, konnte ich meine Augen nicht von ihm abwenden. Er war zu Recht das Model von Gucci. Ich hatte schon immer gewusst, dass er wirklich schön war, jedoch hatte ich das Gefühl, dass unsere vorherige räumliche Trennung mir diese Erkenntnis nur umso deutlicher machte. Es schrie mir quasi ins Gesicht, sodass ich ihn förmlich mit offenem Mund anstarrte.
Als mir Tae kurz in die Augen sah, wandte ich peinlich berührt meinen Blick von ihm ab. Meine Wangen wurden heiß, als mir das Blut vor Scham hinein floss. Was machte ich hier eigentlich gerade? Starrte ich meinen besten Freund an, weil er wie ein Model aussah? Das war doch nichts Neues für mich, das wusste ich doch alles. Ich schüttelte verwirrt meinen Kopf.
Um die peinliche Stille etwas zu überbrücken, nahm ich meinen fürchterlichen Hut ab und nestelte daran herum. Als ich das nächste Mal zu Tae blickte, war er vollkommen auf den Verkehr konzentriert, jedoch mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht. Er durchbrach zuerst die Stille.„Hattest du eine angenehme Fahrt?"
Ich nickte automatisch, erwiderte dann aber auch noch etwas. Wenn Tae schon derjenige war, der das Eis so gut es ging versuchte zwischen uns zu brechen, dann wollte ich nicht unhöflich sein und das Gespräch gleich versiegen lassen.
„Ja, danke. Die Zugfahrt war sehr ruhig und ich hab fast alles verschlafen. Ich hoffe du musstest nicht zu lange auf mich warten?"
„Nein, du weißt doch, wie pünktlich unsere Züge sind."
Wir hielten an einer roten Ampel und warteten, dass sie auf grün umschaltete. Tae nutzte die Gelegenheit und drehte sich etwas zu mir hin, beobachtete meine Reaktionen auf seine nächste Frage.
„Die Jungs wollten heute Abend essen gehen. Möchtest du mitkommen?"
Ich wollte am Liebsten sofort zusagen, doch zögerte ich. Den ersten Abend in Seoul hatte ich mir etwas ruhiger vorgestellt, vielleicht nur mit Tae in seinem Appartement, die halbe Nacht redend, dass wir die Zeit, die wir getrennt gewesen waren, etwas aufholen konnten. Tae bemerkte mein Zögern und ermunterte mich.
"Du warst so lange nicht in der Stadt... Sie vermissen dich."
Kurz meldete sich das schlechte Gewissen in mir, dass ich ich mich so lange nicht bei ihnen gemeldet hatte. Ich fasste einen Entschluss. Nie wieder würde ich so ein schlechter Freund für sie sein, wenn sie sich selbst jetzt noch um mich bemühten. Sie waren meine Familie und ich würde alles tun, um die angebrochene Beziehung zwischen uns wieder zu kitten.
Ich sagte Tae für heute Abend zu und freute mich, meine Freunde wiederzusehen, auch, wenn nicht alle von ihnen anwesend sein konnten. Er ließ darauf ein Lachen hören und ich wusste, dass es die einzig richtige Antwort war.
Ich suchte in meiner viel zu voll gepackten Tasche mein Handy und entsperrte es.
In unserem Chat postete ich das erste Mal seit Monaten nun selbst wieder etwas.
Chimchim (10:23): Ich freue mich auf heute Abend!
Es dauerte gar nicht lange, bis die ersten Antworten eintrafen.
Hobi (10:24): Woooah..
Hobi (10:24): Wirklich?
Joonie (10:26): Ich freu mich auch
Yoongi (10:26): Ich kann heute leider nicht, wir sehen uns aber beim nächsten Mal!
Zehn Minuten später traf noch eine Nachricht ein, die mich gleichzeitig traurig machte, aber auch mein Herz deutlich schneller schlagen ließ.
Kookie (10:36): Ich bin leider erst wieder in drei Wochen frei, um tun zu können, was Ich will. Ich wünsche euch aber viel Spaß. Trinkt einen für mich mit!
Chim Chim (10:36): Mach ich, versprochen!
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