Kapitel 17
Kapitel 17
"Läuft da jetzt eigentlich was zwischen dir und JK?", fragte mich Taehyung, einen großen Bissen von seinen Nudeln nehmend.
Ich schüttelte vehement mit meinem Kopf. "Nein."
"Komisch... Ich hätte schwören können..." Er ließ den Satz in der Luft zwischen uns schweben.
"Was?"
Tae schaufelte die letzten Nudeln in sich rein und legte die Verpackung weg. Heute hatte es Instantnudeln gegeben, ich saß bei Tae in der Küche am Esstisch und holte das auf, was ich die letzten Tage vernachlässigt hatte.
"Ihr umschwirrt euch die ganze Zeit wie zwei Sateliten. Es ist total schwer, euch mal alleine zu erwischen", erklärte er seine Vermutung.
War das wirklich so? Rückblickend gab es wirklich kaum Momente, in denen ich nicht in Kookies Gegenwart gewesen war.
Während des Tanztrainings waren wir ja alle zusammen. Aber auch in den Pausen blieb er stets bei mir oder ich bei ihm. Nur Abends, nach dem Training, war jeder getrennt in seiner Wohnung.
Diese plötzliche Stille in meiner Wohnung hatte mich heute Nacht erneut zu Minho getrieben. Er war da bemerkenswert unkompliziert.
"Mh", gab ich ihm zur Antwort, "möglicherweise hast du damit Recht, aber da läuft nichts zwischen uns." Tae sah mich aus großen, zweifelnden Augen an.
"Wirklich nicht. Jetzt hör auf mich so anzugucken!"
Er sah sich in der Küche um, löste seinen Blick von mir, nichts Bestimmtes fixierend.
"Du würdest es mir doch erzählen?", fragte er zögerlich.
"Natürlich." Fest sah ich ihm in die Augen. "Es... Wir sind nicht zusammen oder so, ich hab ihm gesagt, dass ich Zeit brauche und er erst einiges klären muss, nachdem wir uns geküsst habe-"
"IHR HABT EUCH GEKÜSST?"
Tae starrte mich aus großen Augen an.
"Wann?"
"Vor drei Tagen, aber-"
"Vor drei Tagen?? Und du sagst mir nichts?" Er wirkte ein wenig verletzt, vor allem aber aufgeregt.
"Naja...", begann ich und wurde nervös bei dem Blick, mit dem Tae mich bedachte. "Es ist ja nicht so, dass ich mit großen Leuchtbuchstaben durch halb Seoul gerannt bin und alle bis auf du davon wissen. Du bist der Erste, dem ich es erzähle, nicht einmal Minho weiß davon."
Er wirkte deutlich besänftigt, ich fuhr aber trotzdem fort, vielleicht um ihm den letzten Wind aus den Segeln zu nehmen. "Es ist aber nichts passiert. Wir haben uns geküsst und das war's. Er ist nach Hause gegangen und hat sich am nächsten Tag wieder mit ... seiner Freundin getroffen. Ende der Geschichte."
"Er ist nicht über Nacht bei dir geblieben?"
"Nein."
"Mhh..." Er dachte einen Moment nach und friemelte an dem Deckel herum, der seine Nudeln verschlossen hatte und einsam auf seinem Küchentisch lag. "Er liebt dich wirklich, weißt du?"
"Ja."
Natürlich wusste ich es. Ich hatte es damals erst nur als eine Phase eingestuft, die anfing, als ich ihm anvertraute, dass ich schwul war. Ich dachte, dass er sich in den Gedanken verliebt hatte, es auch einmal mit Männern probieren zu wollen, schließlich war er der Jüngste unter uns und sich und seine ganze Sexualität hatte er mitten in diesem ganzen Wahnsinn von Autogrammstunden, Comebacks und Konzerten finden müssen. Jungkook blieb aber dabei und machte mir unmissverständlich klar, dass er mich mehr mochte, als es Brüder normalerweise taten.
Die Blicke, die er mir damals zuwarf, die kleinen Gesten der Aufmerksamkeit, seine halb ausgesprochenen Geständnisse, die ich damals nicht hören wollte.
Die Tatsache, dass seine derzeitige Freundin, seine erste wirkliche Beziehung war, zeigte mir, dass er eigentlich auf mich gewartet hatte.
Ich hatte ihm aber nicht geben können, wonach er suchte. Erst jetzt war ich bereit eine Beziehung mit ihm einzugehen, obwohl ich immer noch Angst vor den möglichen Konsequenzen hatte.
"Genug von mir", beschloss ich den Spieß umzudrehen, "du bist auch sehr schweigsam über deine japanische Schönheit?"
"Ach, bin ich das?", mimte er den Ahnungslosen.
"Taeee", fing ich an, dieses unerträgliche Verhalten zu bemängeln, "komm schon, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, ich hab dir auch alles erzählt."
"...und da war nicht gerade viel zu erzählen."
Ich starrte ihn nieder. Mit meinem du-weißt-dass-ich-Recht-habe-also-rede-endlich-Blick. Es wirkte, er gab klein bei.
"Wir haben uns jetzt ein paar Mal getroffen", seine Wangen nahmen einen leichten rosa Schimmer an bei dem Gedanken daran, "Sie möchte mich gern ihren Eltern vorstellen."
"Oh." Ich merkte, wie mir förmlich der Mund offen stand und schloss ihn lieber schnell, weil ich sicher wie der letzte Vollidiot aussah. Er sah mich verunsichert an.
"Ja, ich weiß, das geht alles ziemlich schnell, aber weißt du, sie ist das netteste Mädchen, das ich je-"
"Ich freu mich so für dich!!!", unterbrach ich seinen halben Monolog, sprang auf, riss dabei meinen Stuhl um und fiel ihm in die Arme. Wurde aber auch langsam Zeit, dass er eine Partnerin fand, die es ernst mit ihm meinte.
Er lachte verlegen und ein wenig peinlich berührt, wegen meines Gefühlsausbruchs.
"Meinst du nicht, dass du ein wenig übertreibst?", fragte er mich kleinlaut.
"Nein", nuschelte ich an seiner Brust.
"Jimin", hörte ich die leise Panik in seiner Stimme, "weinst du?!"
"Nein", schniefte ich an seiner Brust und versuchte mir unauffällig eine Träne an seinem Hemd abzuwischen, was ihn nur laut auflachen ließ.
"Wieso weinst du?", fragte er mich und drückte mich ein wenig fester an sich ran.
"Du Dummkopf", scholt ich ihm und verpasste ihm einen lieblosen Klaps auf den Rücken,"ich freue mich halt so für dich!"
"Und deswegen weinst du gleich?"
"Ich weine nicht!"
Stille, nur durchbrochen von meinem Schluchzen.
"Ja, deswegen", gab ich schließlich zu und versuchte nun meine Tränen nicht mehr zu verstecken.
Er brach nun vollkommen in ein lautstarkes Lachen aus, das so ansteckend war, dass ich mit einstimmte.
"Du bist unmöglich Jimin-ssi", schwächte er seine Aussage stark mit seiner übertrieben höflichen Anrede ab.
"Ich bin unmöglich, weil ich mich so für meinen besten Freund freue?"
"Ich dachte, diesen Platz hätte mittlerweile Minho eingenommen."
Ich drückte mich schließlich von ihm weg und sah ihm in die Augen.
"Minho", ich hielt ihm meinen Zeigefinger ins Gesicht,"und ich, stehen uns sehr nahe und er ist oft für mich da, wenn ich ihn brauche, selbst in... schwierigen Situationen", erläuterte ich meine unorthodoxe Beziehung zu ihm,"aber du bist mein Chingu."
Ich sah ihn an und sah immer noch leichten Zweifel in seinen Augen.
"Weißt du noch, was ich immer gesagt habe?"
"Dass das Schicksal wollte, dass ich noch in deinem Geburtsjahr auf die Welt komme."
"Das glaube ich noch immer. Du hast mich bisher immer unterstützt, egal was war." Ich zögerte kurz. "Ich weiß nicht, wie die Hyungs das sehen werden. Aber du hast mich immer bestärkt, auch wenn meine Zweifel bleiben, was eine Beziehung mit Jungkook angeht."
Ich hatte wirklich Schiss davor, wenn sie herausfinden würden, was da langsam aber sicher zwischen mir und Jungkook wuchs. Zwar hatten wir immer unser Privatleben gegenseitig respektiert- sofern es überhaupt vorhanden war- aber... eine Beziehung zwischen Jungkook und mir wäre nicht privat. Es würde die ganze Gruppe betreffen. Es ging alle etwas an.
"Sie lieben euch, natürlich unterstützen auch sie euch, egal was ist." Tae sagte das mit einer Bestimmtheit in seiner Stimme, die keinen Zweifel zuließ. Ich wollte auch so optimistisch in die Zukunft sehen, es war mir aber nicht möglich.
Er sah, dass ich nicht seine unerschütterliche Überzeugung teilte.
"Ach Jimin, du wirst schon sehen, wenn es soweit ist", hörte ich ihn voller Zuversicht in meine Hyungs sagen.
"Du hast es trotzdem geschafft, dass Yoongi kein Wort mehr mit dir redet", versuchte ich das Thema von mir abzulenken und endlich herauszufinden, was zwischen den Beiden passiert war.
Seine Miene verdüstert sich schlagartig.
"Ach der." Er fuhr sich aufgebracht durch die Haare. "Dieser aufgeblasene Pinsel, glaubt er das Ganze auch noch wirklich? Ich meine, wie blöd muss man sein?"
Tae holte gerade Luft, um noch mehr loszuwerden, als ich dazwischen fuhr.
"Tae, ich habe keine Ahnung, wovon du redest."
Er blinzelte einmal. Noch einmal. "Nicht?"
"Nein. Woher denn?"
"Hab ich es dir nicht erzählt? Ich hab das Gefühl, dass die ganze Welt bereits Bescheid weiß!"
Geduldig wartete ich, dass er mich nun endlich aufklärte.
"Yoongi glaubt, dass ich mich an seine Freundin rangemacht habe. Ich kenne Minji aber von früher, wir-"
"Warte, Warte. Yoongi hat eine Freundin?", fragte ich etwas überrumpelt. Ich hatte das Gefühl, hinter dem Mond zu leben. Was war mir noch entgangen, was für die anderen Member so offensichtlich war, dass sie vergessen hatten, es mir zu erzählen?
"Ja. Minji. Sie sind seit zwei Jahren zusammen", klärte er mich auf und ließ sich kaum unterbrechen. "Jedenfalls kenne ich sie von früher. Sie ist erst vor anderthalb Jahren nach Seoul gezogen und wohnte vorher in Daegu- wir gingen auf die gleiche Schule."
Manchmal war die Welt echt klein. Aufmerksam lauschte ich seinen Ausführungen weiter.
"Als ich sie vor einem halben Jahr sah, hab ich sie sofort wiedererkannt. Wir haben uns halt einfach gut unterhalten und herum gewitzelt. Yoongi hat das mitbekommen und hält mir seitdem vor, ich hätte versucht, ihm Minji auszuspannen. Er meint es wirklich ernst. Kannst du das glauben?"
Es gab das ungeschriebene Gesetz zwischen uns, dass wir uns kein Mädchen untereinander streitig machen würden. Das führte nur zu Zoff und im schlimmsten Fall immer zur Auflösung der Gruppe. Dieses selbst auferlegte Gesetz war uns hoch und heilig und ich wusste, dass es jeder von uns akzeptierte, auch wenn wir alle lange auf der Suche nach dem richtigen Partner gewesen waren. Oder im meinem Fall eben noch auf eine Entscheidung warteten.
"Ah.... das erklärt einiges", stöhnte ich auf, "ich hatte mich schon am Tag, als ich meinen Vertrag unterschrieben habe, gewundert, wieso du so schräg drauf warst- ich wäre es an deiner Stelle sicher auch und hätte keinen größeren Wert darauf gelegt, Yoongi zu sehen."
Tae war kurz ruhig, sortierte seine Gedanken.
"Aber Tae... Das muss doch zu klären sein. Ich meine, hast du einmal versucht mit ihm zu reden?"
"Natürlich habe ich das!", sagte er, sicherlich lauter als beabsichtigt und erschrank selbst. "Er hört mir einfach nicht zu", setzte er deutlich leiser hinzu. Tae zögerte kurz und sah mich weiter aus diesen unergründlichen Augen an. "Jimin... Meinst du, du könntest es noch einmal probieren und mit Yoongi reden?", fragte er mich leise, "Er hatte schon immer einen weichen Fleck in seinem Herzen für dich, dir wird er bestimmt mehr zuhören als mir."
Wie hätte ich meinem besten Freund diese Bitte abschlagen können? "Natürlich. Ich lass mich nicht einfach abwimmeln."
Es wurde kurz still zwischen uns, wir hingen beide unseren Gedanken nach. Ich hoffte sehr, dass Yoongi wenigstens mir zuhören würde, wenn er Tae schon so abblockte.
"Kommst du mit zum Fitness?" Er verzog sein hübsches Gesicht zu einer angewiderten Grimasse. Er sah so aus, wie ich mich fühlte. Ich hatte auch keine Lust, wusste aber, dass es sein musste.
"Ach komm schon, ich muss sonst Jungkook fragen und der macht sich sicher über meine nicht vorhandene Muskelmasse lustig!"
Auch wenn ich versuchte es absolut ruhig angehen zu lassen, um meine Muskeln für mein Knie langsam aufzubauen, hatte ich gestern Abend schon mit einfachen Übungen angefangen. Jungkook war viel zu durchtrainiert, er würde mich bestimmt zu Leistungen anspornen, die viel zu schwer für mich waren. Tae war da perfekt- er hatte auch keine Lust.
"Dann geh doch alleine...?", schlug mir Tae absolut unmotiviert vor.
"Alleine ist noch schlimmer. Das ist sterbenslangweilig." Tae vergrub sein Gesicht in seinen Händen. "Ich hatte heute so gute Pläne... auf der Couch liegen... Pizza bestellen... Meinen Muskelkater ignorieren..."
"Ach komm schon...", fing ich an zu quengeln. Wir hatten den Tag heute frei bekommen, um unsere Kräfte ein wenig zu regenerieren. Ab morgen würde die Trainingshölle unverändert weitergehen, wir hatten es aber zugegebenermaßen auch bitter nötig.
"Na gut", grummelte er mich an,"aber nur, weil du es bist."
Ein wenig fühlte ich mich durch seine Aussage geschmeichelt.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top