Kapitel 12

Kapitel 12
"Jimin!", donnerte Hobis Stimme genervt durch unseren großen Trainingsraum und ich schrak zusammen.
"Was?", fragte ich ein wenig zu laut, als ich mich wieder einigermaßen gesammelte hatte. Es war nicht das erste Mal an diesem Tag, dass Hobi etwas an meinem Tanz auszusetzen hatte, ich hatte aber keine Ahnung, was es diesmal war.

"Du bist schon wieder zu spät dran!"
Ich atmete langsam und geräuschvoll aus. Schon immer hatte ich ein anderes Verständnis von Takt und Bewegung gehabt als die anderen, was mich in der Gruppe oft unangenehm hervorstechen ließ. Wir sollten eine Einheit sein, ich ruinierte es oft und es war harte Arbeit, das richtige Timing für mich zu finden. Zwar war ich der Meinung, dass alle anderen auf den falschen Takt tanzten, aber es war einfacher, nur einen von uns zu korrigieren, als alle anderen sechs Mitglieder. Diesen Kampf hatte ich vor langer Zeit aufgegeben.

Hobi setzte an, mir das richtige Timing zu zeigen und simultan ließen sich alle anderen erschöpft auf den Boden sinken und versuchten wieder etwas zu Atem zu kommen.
Auch ich stütze mich mit meinen Händen auf meinen Oberschenkeln ab und versuchte wieder einigermaßen zu Luft zu kommen.
Wir trainierten bereits seit drei Stunden, nahezu ohne Pause.

Hoseok war eisern, was auch gut so war. Er wollte uns wieder fit für das Konzert bekommen und wir konnten uns keine großen Unterbrechungen erlauben. Ich sorgte gerade in der letzten Stunde für viele kleine Fehler und nun hatte Hobi ein wenig die Geduld verloren.
Aufmerksam sah ich ihm zu, wie er den Tanz markierte und mir so das richtige Timing zeigte.
"Bam, Bam, Bam! Hast du das gesehen?"
Ich nickte etwas kraftlos. Eine Pause war längst überfällig, egal wie dringend nötig wir das Choreographietraining hatten.
"Und weiter!"

Niemand stand auf. Tae lag sogar auf dem Boden und atmete schwer. Jungkook war von uns allen noch in der besten Verfassung, schließlich war er noch nicht so lange aus dem Militär, wie wir anderen. Er hatte noch Kondition. Allerdings wirkte auch er schon leicht erschöpft. Er sah sich im Raum um, sorgsam meinen Blick meidend. Ich versuchte möglichst nicht an ihn zu denken und mich auf meine Atmung zu konzentrieren.
Unsere erste Begegnung letzte Woche saß mir noch tief in den Knochen, ich bemühte mich aber, es mir nicht anmerken zu lassen. Noch immer war ich tief verletzt und fühlte mich zurückgewiesen von Jungkook. Dass er in einer Beziehung war, war gar nicht mal das Schlimmste für mich, es war eher seine extrem abweisende Art.

Ich versuchte so gut es ging alle Gedanken daran zu verdrängen, sonst würde ich nur wieder auf der Stelle losheulen. Dieses Dilemma musste Tae schon jeden Abend ertragen.
Es war aber gar nicht so einfach nicht an ihn zu denken, wenn er mir hier beim Training so nah war.

"Fünf Minuten Pause bitte!", meldete sich schließlich Seokjin zu Wort und sprach uns allen aus der Seele.
"Ok, zehn Minuten Pause, dann gehts weiter."
Erschöpft ließ ich mich neben Tae ebenfalls auf den Boden sinken. Er sah mich aus zusammengekniffenen und müden Augen an. So anstrengend wie jetzt, hatte ich unsere Choreographien nicht in Erinnerung gehabt. Es fehlte eindeutig das Training.
Minho eilte zu uns, die Kamera in der Hand. Er hielt viel von unserem Training auf Video fest. Ich hatte keine Ahnung, ob es brauchbare Aufnahmen waren.

Ihm wurde von den anderen Membern nicht viel Aufmerksamkeit entgegengebracht, Jungkook mied ihn komplett. Dass Minho vieles filmte, wurde geflissentlich übergangen, zu sehr waren wir mit Kameras um uns vertraut. Auch jetzt standen rund ein dutzend Mitarbeiter zusammen mit uns im Tanzraum und dokumentierten alles.
Minho war so lieb und hatte Tae und mir jeweils eine Wasserflasche besorgt und hielt sie uns hin.
Ich dankte ihm, Tae krächzte nur und leerte sie mit einem Mal. Ich nahm mir ein Vorbild an ihm und leerte meine ebenfalls schnell.
Minho setzt sich zu uns und spielte den Interviewer.
"Und, wie läufts?"

Tae gab nur ein Stöhnen von sich, was mich auflachen ließ.
"Es ist anstrengender, als ich gedacht habe." Ich wischte mir kurz mit einem Handtuch über mein Gesicht. Ich musste fürchterlich aussehen.
"Das kannst du laut sagen", kam es von neben mir.
"Wir kommen auch nicht so gut voran, wie ich gehofft habe. Irgendwie ist heute die Stimmung merkwürdig."
Ich sah mich suchend im Raum um, nicht ganz wissend, was ich eigentlich suchte. Ich fand jedenfalls nur sehr verschwitzte Teammitglieder, die immer noch ein wenig nach Luft japsten.
"Los Leute, weiter gehts!", versuchte uns Hobi zu animieren. Wir stöhnten unisono auf. Das waren nie und nimmer zehn Minuten Pause gewesen.

"Naja, auf gehts.... Fighting!", versuchte ich gute Miene für die Kamera zu machen und mich nicht so hängen zu lassen wie die anderen, auch wenn ich mich danach fühlte.
"Komm, steh auf." Ich hielt Tae meine Hand hin und zog ihn hoch. Unsere Wasserflaschen warf ich in die Ecke des Zimmers, wo unsere Taschen lagen. Die würden wir nachher entsorgen.
Minho stellte sich wieder in seine Ecke des Raumes und sah uns interessiert zu. Er hatte sich bereits mit dem Personal von Hybe angefreundet, wie auch immer er es so schnell geschafft hatte und unterhielt sich hin und wieder mit ihnen.

"Alle auf Position!"
Locker stellten wir uns in einer Reihe auf und Hobi begann zu zählen.
"One, Two, Three", zählte er uns an und wir bewegten uns zur Seite. Es dauerte gar nicht lang, bis Tae sich lautstark über Yoongi beschwerte.
"Du darfst nicht so dicht bei mir stehen, du rempelst mich dauernd an!", fuhr er ihn an.
Hobi hörte auf zu zählen und schaute irritiert zu den beiden rüber.

"Ich kann nichts dafür, wenn du dich so breit machst!"
"Jetzt hört schon auf, so kommen wir nie weiter", hörte ich Hoseok sagen. Tae guckte verkniffen, sagte aber nichts und wir stellten uns wieder auf. Wirklich weit waren wir bisher nicht gekommen. Die Choreo von Boy with Luv hatten wir heute ganz gut durch bekommen, sie war auch nicht besonders schwierig und scheinbar hatten wir sie noch ganz gut in Erinnerung. Es hatte aber auch da schon den einen oder anderen Streit gegeben, der jedoch schnell wieder geschlichtet werden konnte.

Nun waren wir dabei Fake Love durchzusprechen und es lief entsetzlich.
Sobald wir zu siebt in einer Einheit standen, kam die Erinnerung an die einzelnen Tanzelemente bei mir wie von selbst. Es gab natürlich hin und wieder Lücken bei mir, die Hobi aber schnell ausbesserte. Der wahre Grund, wieso es so bescheiden lief, war die Stimmung zwischen uns, die man beinahe schneiden konnte.
Hobi zählte uns von Neuem an.
Diesmal war ich derjenige, der Jungkook auf den Fuß trat, sodass dieser sich nun lautstark beschwerte.

"JIMIN!", fuhr er mich lautstark an. Ich erkannte meinen alten Freund gar nicht wieder, als er mich wütend anfuhr.
Auch Yoongi warf Tae wieder einen wütenden Blick zu. Dann explodierte zwischen uns die Stimmung. Wir redeten alle durcheinander und um uns gegenseitig zu hören wurden wir dabei auch immer lauter.
"Ich hab gesagt, du-" "DU stehst falsch-" "Kim Taehyung, mach dich nicht so breit!"
"Jimin, pass gefälligst auf, wo du hintri-" "Aber du bist zu langsam, das ist meine Position-" "Tritt mir nicht auf die Füße, verdammt!"

Was war bitte Jungkooks Problem? Er hätte doch dort nicht stehen sollen. Sowieso benahm ER sich doch so seltsam abwesend und eigenartig, seitdem wir uns wieder getroffen hatten. Ich wurde einfach nicht daraus schlau und hatte es ehrlicherweise auch aufgegeben. Andernfalls wäre ich vergangene Woche verrückt geworden.
"RUUUUHEE!!!", hörte ich schließlich Namjoon durch den Raum rufen und es wurde still im Raum.

Ich sah erschrocken auf. Irgendwie hatte ich ganz vergessen, dass noch andere Personen außer Jungkook und mir anwesend waren.
"Ihr zwei", er deutete auf Yoongi und Tae, "und ihr beide", er zeigte auf Jungkook und mich", ihr geht jetzt sofort raus und klärt das, was auch immer zwischen euch steht. Das ist ja nicht zum Aushalten!" Verzweifelt warf er die Arme über den Kopf.

Tae schnaubte nur verächtlich und sah demonstrativ in die entgegengesetzte Richtung von Yoongi. Auch Jungkook machte keine Anstalten sich zu bewegen. Wenn er so wie eben drauf war, hatte ich auch kein gesteigertes Bedürfnis mit ihm zu reden. Als wäre ich ihm absichtlich auf den Fuß getrampelt. Was dachte er eigentlich?
Schließlich wurde es ihnen zu dumm. Namjoon schnappte sich meine Hand und zog mich aus dem Raum, ich leistete vor Überraschung kaum Widerstand. Jungkook trieb er vor sich her. Ich glaube Hoseok bemühte sich, Tae und Yoongi in eine Ecke des Raumes zu lotsen, ich bekam es aber kaum mit, weil wir so schnell den Raum verließen. Wir gingen in einen unbenutzten Lagerraum gegenüber, fahrig schaltete Namjoon das Licht an, das alles in einem unwirklich kalten Ton beleuchtete.

Wir waren uns näher, als mir Recht war. Ich wollte Jungkook momentan gar nicht bei mir haben, so abweisend und aufbrausend wie er zu mir war.
"Ihr werdet das jetzt wie zwei erwachsene Männer ausdiskutieren. So, wie wir das immer gemacht haben. Benehmt euch nicht wie kleine Kinder! Und ihr kommt erst wieder raus, wenn ihr das miteinander geklärt habt! Das hält ja keiner aus mit euch!" Diese Worte saßen.
Als Namjoon aus dem Raum trat und wütend die Tür hinter sich zuknallte, zuckten wir beide zusammen.

Tae wusste ja, was zwischen mir uns Jungkook für eine Stimmung herrschte. Doch auch für die anderen war es scheinbar sehr offensichtlich gewesen, auch wenn ich mein Bestes versucht hatte, professionell zu wirken.
Es breitete sich eine unangenehme Stille zwischen uns aus, gemischt mit dieser seltsamen Anspannung, die seit Neusten zwischen uns herrschte. Keiner von uns wollte den ersten Schritt machen.

Jungkook verschränkte wütend seine Arme vor der Brust und taxierte mich aus zusammengekniffenen Augen.
"Wieso bist du so? Was hab ich dir bitte getan, dass du so abweisend zu mir bist?", rang ich mich schließlich doch durch, den ersten Satz zu sagen. Das beschäftigte mich tatsächlich am Meisten. Diese absolute Zurückweisung von ihm, überhaupt irgendetwas mit mir tun zu haben wollen.
Jungkook explodierte von einer Sekunde auf die andere.

"Du fragst, was du MIR GETAN HAST?"
Ich stolperte unbeholfen einen Schritt nach hinten und stieß gegen irgendetwas, das laut scheppernd zu Boden fiel, so überrascht war ich von seinem plötzlichen Ausbruch. Er wurde selten laut und noch seltener mir gegenüber.
Jungkook war selbst ein wenig erschrocken über seinen lauten Tonfall und fasste sich mit den Fingerspitzen seiner rechten Hand an die Nasenwurzel, versuchte sich so ein wenig zu beruhigen.
"Hast du wirklich keine Idee?"
Immer noch etwas vor den Kopf gestoßen von seinem plötzlichen Ausbruch, sah ich ihn aus großen Augen an. Mit ahnungslosen Augen, nicht verstehend, was er von mir wollte. Große, braune Augen, die ihm sagen sollten, dass er mit dem ganzen Quatsch einfach nur aufhören und mich wieder lieben sollte.

Augen, die ihm scheinbar keinerlei Informationen gaben.
"Jimin verdammt, nun sag halt auch mal was!"
"Ich...", stammelte ich vor mich hin, "ich weiß ehrlich gesagt nicht, worauf du hinaus möchtest."
Er seufzte tief und sah mich abschätzend an. Diese tief braunen Augen, bei denen ich mir so sehr wünschte, dass die alte Freundschaft, die wir einst teilten, wieder sichtbar werden würde.
Er zögerte kurz, sichtlich musste er sich überwinden mir seine Gefühle mitzuteilen. Es tat mir etwas weh, das zu sehen, schließlich hatte es mal eine Zeit gegeben, da konnten wir über alles reden. Wir hatten damals wirklich über alles gesprochen, wir waren die engsten Vertrauten gewesen. Und das obwohl ich mich sonst bei anderen nur selten öffnete.

"Du bist damals einfach so gegangen... Du hast dich nicht einmal verabschiedet. Dass du ins Militär gegangen bist, das war nicht mal das Schlimmste, du warst immerhin im gleichen Land und ich wusste, du brauchst eine Pause... Aber gleich nach Übersee zu ziehen und dich dann nicht einmal mehr zu melden..." Jungkook sah mich mit einer tiefen Traurigkeit in seinen Augen an und mein Herz zerbrach in meiner Brust. Ich war daran Schuld, dass er so fühlte. Nur ich allein und ich konnte niemand anderem die Schuld zuschieben.

Er atmete tief durch und blinzelte in das Licht, gegen die Decke. "Wie konntest du uns das allen antun Jimin? Nur weil ich der Einzige bin, der es offen anspricht, heißt das nicht, dass die anderen nicht auch verletzt sind... Aber... Jimin...", er sah mich nun direkt an und obwohl er sichtlich dagegen ankämpfte, bahnte sich die erste Träne ihren Weg über seine Wange hinab,"du wusstest doch, was ich für dich empfinde, wieso hast du mich zurückgelassen?"

Er sah aus wie ein Häufchen Elend. Es tat mir einfach nur weh ihn so zu sehen und ich wusste nicht, was ich überhaupt sagen konnte, damit es ihm besser ging. Es gab keine Entschuldigung für mein damaliges Verhalten. Es war einfach scheiße gewesen und doch hatte ich diesen Abstand zu allem Bekannten so sehr gebraucht.
Ich zog ihn fest in meine Arme und hielt ihn fest.

"Es tut mir so leid", brachte ich schließlich flüsternd hervor. Ich wusste, dass er es gehört hatte, fing er nur noch mehr an zu schluchzen. Auch mir liefen die Tränen mittlerweile über das Gesicht. Alles was ich nur immer und immer wieder sagen konnte, war: "Es tut mir leid."
Wir standen eine halbe Ewigkeit so da, er fest in meinen Armen, mein Gesicht an seiner Schulter.
Langsam, ganz langsam beruhigte sich Jungkook und zog mich auch nun auch fester in seine eigenen Arme. Ich nahm das als ein gutes Zeichen und wurde auch meinerseits ruhiger. Ich ertappte mich dabei, wie ich nach einiger Zeit nur noch da stand und seine Nähe genoss. Wer wusste schon, wann ich sie das nächste Mal so ausführlich bekommen würde. Ob es überhaupt ein nächstes Mal geben würde.

Es war schließlich Jungkook, der mir das Friedensangebot überreichte.
"Mach das nie wieder, ja?"
Ich sah zu ihm auf, das sehr nasse T-Shirt, das ich ihm verursacht hatte, ignorierend. Er sah genauso aus, wie ich mich fühlte, hatte aber einen mittlerweile zärtlichen Zug um seine Augen. Ich nickte wild, glücklich über diesen riesigen Schritt, den er auf mich zu machte. Er war schon immer zu gut für mich gewesen.

Er drückte mich ein wenig von sich weg und hielt mir seinen kleinen rechten kleinen Finger hin.
"Versprochen?", er sah mich hoffnungsvoll aber auch ein wenig ernst an.
Ich hakte meinen deutlich kleineren Finger bei ihm ein.
"Versprochen."

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