3 | ↠ we're on the ground, we're screaming




3 | we're on the ground, we're screaming

01. November 2013 | Paris

Louis || Konzentriert legte ich die fünf Gänseblümchen, die ich gepflückt hatte, auf Eleanors Kopfkissen. Ganze sechs Blöcke hatte ich entlangwandern müssen, bevor ich die Blumen entdeckt habe. Es wurde immer schwieriger, sie aufzutreiben. Die Kälte des Jahresendes vertrieb sie. Sie hinderte die Blumen daran, ihre Köpfe auszustrecken und  die Welt mit ihrer Schönheit zu bereichern. Jedes Jahr bedauerte ich das erneut, denn mit den Gänseblümchen verschwand immer auch ein bisschen Magie von der Welt, bis sie im Frühjahr dann wieder erstrahlte.

Doch gänzlich würde das Wunder der Erde nie verschwinden, denn mein ganz persönliches Wunder schlummerte gerade seelenruhig im Bett neben mir. Eleanor war immer präsent, egal wo ich mich auch aufhielt, denn sie befand sich in meinem Herzen.

Sie war wie mein Lieblingssong, den mein Herz unbewusst immer schon kannte. Sobald ich sie das erste Mal sah, erinnerte ich mich an die Worte des Liedes. Als wäre Eleanor die Brise, die den Schleier über meinem Lieblingslied wegwischte.

Ich erinnerte mich nicht daran, wann genau ich mich damals in Eleanor verliebte. Ich erinnerte mich nicht daran, wann mein Herz anfing, schneller zu schlagen, wenn ich sie sah und wann mein Herzschlag plötzlich stoppte, als sie mich küsste. Sie schlich sich in mein Herz, wie ein wunderschöner Räuber und zog es in ihre Krallen. Es war der schönste Raub, der je passiert war.

Wenn ich einen Zeitpunkt nennen musste, wann ich bemerkte, dass Eleanor mein Ein und Alles war, dann gelang mir das nicht.

Alles, was ich wusste, war, dass es mein Herz brechen würde, wenn ich sie gehen lassen musste. Wenn sie mich zurückließ, würde mein Herz in Scherben zerspringen. In so viele Einzelstücke, dass man es niemals wieder zusammenkleben könnte.

Lächelnd sah ich auf das Mädchen neben mir, das die Nase kräuselte und dann die Augen aufschlug. So langsam, dass es mir wie eine Ewigkeit vorkam, bis ich endlich das wunderschöne Braun erblicken konnte. Ein Blick in ihre Augen und ich verliebte mich jedes Mal wieder erneut.

Manche Leute beschrieben braune Augen als langweilig. Für mich jedoch waren sie das wunderschönste, denn sie hatten eine warme Magie in sich, die mein Herz zum Singen brachte. Außerdem erinnerte mich Eleanors Augenfarbe immer an ihr Lieblingswetter. Auch der Regen wurde von den meisten als gewöhnlich angesehen, doch mit der richtigen Person konnte jeder Sturm der schönste Tag im Leben werden. Eleanor war mein Tornado. Sie wirbelte mein Leben so sehr durcheinander, wie es noch nie jemand hinbekommen hatte. Ich liebte es.

„Habe ich dich geweckt, Regenmädchen?" Ich flüsterte, um die Magie des frühen Tages nicht zu zerstören.

Lächelnd schüttelte Eleanor den Kopf. „Der wunderbare Blumengeruch hat mich geweckt."

„Tut mir leid", murmelte ich.

Ihre Finger streckten sich und begannen, sanft durch meine Haare zu fahren. „Tut es nicht. Du bist froh, dass ich wach bin, Lou."

Ich lachte leise. „Erwischt. Ich dachte, ich wäre ein besserer Lügner."

Eleanors Lippen verzogen sich zu einem sanften Lächeln, das mich an jedes meiner Lieblingslieder erinnerte. Es zu sehen, brachte mein Herz dazu, tausend Schläge pro Sekunde zu absolvieren. „Ich bin eigentlich ein guter Lügner, Regenmädchen. Du kennst mich einfach zu gut."

„Ich kenne dich besser als andere", neckte sie mich.

Ich beugte mich zu ihr herunter und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. „Du kennst mich besser als jeder andere. Und ich würde mir nichts lieber wünschen."

Eleanor nahm die fünf Gänseblümchen in Hand, so vorsichtig, als wären sie der größte Schatz der Welt. Auch das liebte ich an ihr so sehr. Sie sah den Zauber in Dingen, die alle anderen als selbstverständlich ansahen.

„Louis?"

Sanft malten meine Finger kleine Muster auf ihren Arm, während ich still darauf wartete, dass sie fortfuhr. Ich musste ihr nicht sagen, dass ich zuhörte, denn das wusste sie ohnehin.

„Warum schenkst du mir eigentlich immer Gänseblümchen und keine Rosen?"

Ich lächelte zu ihr herunter. Ihre braunen Haare waren total verknotet und die langen Arbeitsstunden in den letzten Wochen hatten Ringe unter ihren Augen hinterlassen. Sie war so wunderschön.

„Weil ich mir sicher bin, dass gewöhnliche Rosen für dich nicht genug sind, El. Denn du bist alles, aber kein gewöhnliches Mädchen. Alles an dir ist so außergewöhnlich und zauberhaft, dass ich manchmal befürchte, dem gar nicht gerecht zu werden."

Eleanor berührte mich, sanft spürte ich ihre Finger auf meiner Haut. Die Bewegung kaum wahrnehmbar und dennoch so präsent, als würde sie die Sterne an den Himmel zeichnen.

„Weißt du was, Lou? Bevor du mir das erste Mal Gänseblümchen geschickt hast, habe ich sie nie wirklich beachtet. Aber jetzt? Jetzt sind sie meine absoluten Lieblingsblumen."

Ich beugte mich zu ihr herunter, bis uns nur noch Milimeter voneinander trennten. Dann hielt ich kurz inne, um diese Spannung und die Vorfreude vor dem Kuss bis aufs Äußerste auszukosten. Ich liebte den Moment, bevor unsere Lippen sich aufeinander legten und uns vereinten. Es gab nichts Schöneres als Eleanor so nah zu sein.

Von hier konnte ich die Sommersprossen auf ihren Wangen erkennen, die im Winter so sehr verblassten, dass sie kaum wahrnehmbar waren. Sie waren wie eine Landkarte zu ihrem Herzen und ich war der einzige, der sie lesen konnte. Lächelnd wanderte mein Blick über ihre perfekt geschwungenen Lippen, die so einladend waren, das ich ihnen nie würde wiederstehen können. Dann über die kleine Narbe an ihrem Kinn, die sie sich letzten Sommer zugezogen hatte, als wir lachend vor meinem Bodyguard wegrannten.

Eleanors Augen jedoch waren das Allerschönste von allen.

In ihren Augen spiegelte sich meine ganze Welt.

„Alles Gute zum Jahrestag, Regenmädchen", flüsterte ich.

Ihre Mundwinkel zuckten nach oben. „Alles Gute zum Jahrestag, Lou."

Dann küsste sie mich und ich war verloren.

Der Kuss war wie eine Himmelsexplosion, so überraschend und einvernehmend und kraftvoll. Es gab Zeiten, da dachte ich, dass die Sensation ihrer Küsse verfliegen würde, doch mit den Monaten stellte ich fest, dass ich mit jedem einzelnen nur noch süchtiger nach diesem einzigartigen Gefühl wurde.

Als wir uns wieder voneinander lösten, schnappten wir nach Atem.

„Was machen wir heute?" Fragend sah Eleanor mich an.

Ich zwinkerte ihr zu. „Zieh dich an, dann geht es los."

Es dauerte keine zwanzig Minuten, bis wir uns wahllos Kleidung übergeworfen und auf die Schnelle im Hotelrestaurant ein trockenes Toastbrot gegessen hatten.

Gemeinsam schlenderten wir beide durch die Straßen von Paris, das ich liebte und an das auch Eleanor im Laufe der Monate ihr Herz verloren hatte. Denn wo mein Herz wohnte, da wohnte auch sie.

„Wissen wir überhaupt, wo wir hinwollen?", fragte Eleanor mich nach einer Weile. Sie klang nicht besorgt, sondern bloß neugierig.

Ich grinste und zwinkerte ihr zu. „Der Weg ist das Ziel, Regenmädchen. Außerdem ist es egal, wo wir sind, solange wir zusammen sind."

„Also ist das hier ein Abenteuer, Lou?"

„Ein Abenteuer der besten Sorte", bestätigte ich lächelnd.

Ihre Augen strahlten bei meinen Worten, denn Eleanor liebte das Abenteuer und das Abenteuer liebte sie. Manchmal, da hatte ich Angst, dass ich nicht genügend Abenteuer für sie bieten konnte. Doch dann lächelte sie mich wieder an und ich vergaß die Sorgen, denn ihre Blicke gaben mir Unsicherheit in einer Welt des Risikos, das wir beide liebten.

Wir tranken uns einen viel zu überteuerten Kaffee und verschwanden dann spontan in eine Fotobox, um ein paar Bilder miteinander zu schießen. Zunächst hatte ich vorgehabt, diese hinterher in unserer gemeinsamen Wohnung in London aufzuhängen, doch als Eleanor einfach ihr Shirt hochschob und sich nackt ablichten ließ, ließ ich den Gedanken wieder fallen. Stattdessen lachte ich einfach nur und tat es ihr gleich.

„Wenn uns die Polizei gleich festnimmt wegen zu viel Nacktheit, dann schiebe ich alles auf meine verrückte Freundin", zog ich Eleanor auf, als wir die fertigen Bilder betrachteten.

Lachend stupste sie mich an. „Den Polizisten wird der Anblick so sehr gefallen, dass sie direkt ebenfalls solche Bilder mit uns machen wollen."

Gespielt entsetzt sah ich sie an. „Bedeutet dass, das du dich vor der Polizei ausziehen willst?"

„Sag niemals nie", lachte El.

Ich nahm ihre Hand wieder in meine und wir machten die Straßen der Stadt unsicher, bis es dunkel wurde. Keine Sekunde waren wir stumm, denn bei Eleanor und mir gab es keine Stille. Wir waren immer in Bewegung, immer im Austausch. Selbst wenn unsere Lippen sich nicht bewegten, verständigten sich unsere Herzen miteinander.

Der Mond verdrängt die Sonne von ihrem Platz und läutete die Nacht ein. Beinahe lautlos ging der Wechsel ineinander über, als hätten sie eine geheime Absprache getroffen, das es nun Zeit sei, das Abenteuer der Dunkelheit zu begrüßen.

Meine Augen wanderten über eine Hauswand in einem heruntergekommenen Viertel, das Eleanor und ich vor einer Stunde entdeckt hatten. Die Touristenaktionen waren uns zu langweilig, wir liebten es stattdessen viel mehr, die richtigen Orte einer Stadt kennenzulernen, die bloßen Reisenden verborgen blieben.

„Ich habe eine Idee, Regenmädchen", verkündete ich.

Eleanor zog eine Augenbraue hoch. „Auf einer Skala von Eins bis Zehn, wie wahrscheinlich ist es, dass uns deine Idee ins Gefängnis bringt, Lou?"

Meine Mundwinkel zuckten nach oben. „Eine sechs vielleicht?"

Sie nickte zustimmend. „Das Risiko gehe ich ein."

„Nur so aus Interesse, Regenmädchen? Was wäre den Limit bei verrückten Aktionen?"

„Mit dir? Eine glatte Elf", antwortete sie so überzeugt, dass die Wärme in meinem Herzen die Kälte der Novembernacht schlagartig vertrieb.

Lächelnd zog ich sie in einen Laden, den ich vor einer halben Stunde entdeckt hatte. Auch dieser Ort sah nicht wirklich vertrauenserweckend aus. Die Eistruhen waren zweckentfremdet worden und beherbergten stattdessen Alkohol jeder Art. Neben Kaugummi, Taschenmessern und ein paar Schmuckstücken, die sich sicherlich nicht mehr in den Händen der rechtmäßigen Besitzern befanden, gab es ebenfalls Süßigkeiten jeder Art sowie Postkarten mit Sprüchen, die meine Mutter zum Schreien bringen würden. Wenn man genau hinsah, dann konnte man auf den Regalen ebenfalls Marihuana entdecken, das durch neugierige Blicke geschützt war. Doch ich wusste, worauf man achten musste.

Wahrlich kein Ort, an dem man Louis Tomlinson von One Direction erwarten würde. Doch heute war mir diese Person auch fremd. Heute war ich bloß Lou, der gemeinsam mit seinem Regenmädchen die Stadt der Liebe erkundete.

„Wie kann ich ihnen helfen?", fragte uns jemand unwirsch in gebrochenem Englisch. Die Dame war zierlich, doch der starre Blick ließ sie riesig wirken.

Dieses Geschäft war genau das richtige für meine Erledigung.

„Ein paar Spraydosen bitte", meinte ich.

Die Frau musterte uns einen Augenblick, als versuchte sie herauszufinden, ob wir ihr Vertrauen verdienten. Eleanor starrte genauso entschlossen zurück, was dafür sorgte, dass die Mundwinkel der Frau amüsiert nach oben zuckten.

„Welche Farben wollt ihr?"

„Alle", antworte Eleanor selbstsicher, bevor ich überhaupt die Gelegenheit bekam.

Ohne mit der Wimper zu zucken, stellte sich die Frau auf einen Hocker und reichte uns vier der Dosen. „Das sind alle, die ich abgebe. Wenn ihr erwischt werdet, habt ihr die nicht von mir. Verstanden?"

Ich nickte eilig und verstaute die Spraydosen in einem Jutebeutel, bevor sie es sich anders überlegte. Dann reichte ich ihr wortlos einen Schein, den die Angestellte überprüfte. Ich bekam das Restgeld übereicht und dann waren wir wieder auf offener Straße.

„Wohin jetzt?" Fragend sah ich Eleanor an.

Sie nahm meine Hand in ihre und zog mich dann bestimmten Schrittes durch die Straßen, bis wir vor einem heruntergekommenen Haus ankamen. Es war abseits der Hauptstraße, versteckt in einer Gegend, die nur jemand fand, der nach ihr suchte.

„Hier wohnt keiner mehr", meinte Eleanor. „Da zerstören wir nichts."

Die zerplatzten Scheiben und grasbewachsene Mauer gaben ihr Recht. Also ließ ich den Beutel mit den Farben neben uns auf die Kupfersteine der Straße fallen.

Meine Hände zogen zwei der Dosen heraus und reichten ihr dann eine der beiden.

„Dann wollen wir loslegen, Regenmädchen."

Ich zögerte einen Moment, bevor ich die Kappe von der Spraydose zog. Doch Eleanor neben mir wirkte so sehr in ihrem Element, dass ich grinsend ihrem Beispiel folgte.

„Auf eine Runde Abenteuer", bestimmte ich.

„Und auf den besten Jahrestag", entgegnete sie.

Wir hauten unsere Spraydosen sanft gegeneinander.

Dann begannen wir, die Wände zu bemalen. Wir verwandelten die graue Welt in eine bunte, die so viel schöner war. Eleanor war meine Farbe und nun verhalf ich der Stadt der Liebe dabei, ebenfalls ihre strahlendste Schattierung zu bekommen. Wir erweckten die Magie von Paris.

Die Stadt der Liebe erstrahlte, doch noch viel größer leuchtete die Liebe, die Eleanor und ich füreinander empfanden. Sie war wie ein Leuchtfeuer, das nie erlöschen würde.

„Lou? Ist dein Pullover eigentlich teuer?", fragte Eleanor mich, während sie einen blauen Elefanten an die Backsteinwand sprühte. Das Tier hatte ein breites Grinsen im Gesicht und ließ eine Wasserfontäne in die Luft hochgehen, die noch nicht ganz fertig gemalt war.

Mein Bild eines Eiscremes im Hörnchen ähnelte leider eher einem Penis, der gerade einen Kopfstand machte. Zayn war der Künstler von uns, an mir war jegliches Talent leider vorbeigegangen.

„Nein, wieso?" Stirnrunzelnd sah ich auf den schwarzen Hoodie, den ich mir heute Morgen übergeworfen hatte.

Eleanor grinste. „Weil ich dich jetzt leider etwas leuchtender gestalten will."

Im nächsten Augenblick sprühte sie mir ein blaues Herz auf. Es war nicht ganz symmetrisch, nicht ganz perfekt. Aber dafür umso echter.

„Sollten Herzen nicht eigentlich rot sein?", merkte ich lachend an, ohne ihr auch nur im Geringsten böse zu sein.

„Rot ist langweilig", winkte Eleanor ab.

„Ach ja, Regenmädchen?"

Im nächsten Moment hatte sie selbst ein rotes Herz auf ihrem Oberteil, das genau genommen wahrscheinlich ebenfalls mir gehörte. Die Ärmel hatte sie hochgekrempelt und sie versank beinahe in dem Stoff.

El quietschte vergnügt und wich mir lachend aus, als ich erneut mit der Spraydose in ihre Richtung zielte.

Vergessen war das Gemälde an der Hauswand. Meine Gedanken richteten sich voll und ganz auf das Kunstwerk vor mir, das atmete und lebte und mich lieben ließ.

Dann küsste ich sie, so fordernd und ergreifend, dass sich in meinem Kopf nur noch Leere befand. Gänzliche Leere, bis auf ihren Namen. Eleanor Calder, Liebe meines Lebens.

Ich küsste Eleanor, bis wir keine Luft mehr bekamen.

Ich küsste Eleanor, bis unsere Herzen im gleichen Takt schlugen.

Ich küsste Eleanor, bis sie ich wurde und ich sie.

Dann lösten wir unsere Lippen voneinander, ohne jedoch unsere Umarmung zu lösen. Mit strahlenden Augen sah Eleanor in meine und ich fühlte mich, als könnte ich fliegen, wenn ich nur genug an sie glaubte.

Es war nicht das erste Mal, dass ich mich in ihre Arme flüchtete. Dennoch schlug mein Herz immer noch wie bei der allerersten Gelegenheit. Eleanor war Abenteuer und Zuhause zugleich. Die große Liebe, an die ich vor ihr nicht geglaubt hatte. Doch dann traf ich auf das Mädchen, das den Regen liebte und sie lehrte mich das Wichtigste im Leben.

Jede Art von Liebe war einzigartig, doch die, die ich für Eleanor empfand, war die einzigartigste und wertvollste von allen.

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