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Meine Brust zog sich bei dem Anblick der roten Haustür, die wie Faust aufs Auge zu dem Lockenkopf des Jungen passte, der darin wohnte, schmerzhaft zusammen und ich schloss meine Hände zu Fäusten. Noch stand ich im Schutz der dichten Lorbeerhecke und wagte es nur hin und wieder zu dem Hauseingang herüber zu schielen, während mir tausend Gedanken durch den Kopf gingen. Warum war ich überhaupt hier? Was sollte ich bloß sagen? Und was würde passieren, wenn sie die Wahrheit erfuhren?
Doch im selben Moment sah ich die flehenden Augen Jimins vor mir und wurde daran erinnert, wie glücklich es ihn doch machen würde, wenn ich mit Hobi reden würde. Ich hatte einfach keine andere Möglichkeit, denn ich wollte nicht mehr der Grund dafür sein, dass mein kleiner Bruder traurig war. Ich musste es jetzt einfach tun - was hatte ich schon zu verlieren? Falls sie mich danach abstoßend finden würden, dann verlor ich nicht mehr, als ich bis zu diesem Zeitpunkt eh schon verloren hatte. Außer vielleicht meinen Stolz.
Deshalb nahm ich einen letzten tiefen Atemzug und fasste den Entschluss, es einfach anzugehen. Meinen Mut zusammennehmend, rappelte ich mich auf, streckte meine Schultern nach hinten und mein Kinn in die Höhe - zumindest bis Hobi die Tür aufmachen würde, konnte ich ja noch meinen Stolz bewahren. Dann trat ich hinter der Hecke hervor und stapfte den schmalen Kiesweg zu dem Eingang herauf. Vor der Tür angekommen wurde mir ganz schnell bewusst, dass mein Stolz sich auch ohne Zutun des Rotschopfs schon längst verabschiedet und meinen Mut gleich mitgenommen hatte, was mich geschafft aufseufzen ließ. Mein Herz schmerzte mit jedem Schlag in meiner Brust und schlug zu allem Überfluss auch noch ziemlich schnell. Meine Finger begannen zu zittern, als ich meine Hand hochhob und sie zur Klingel herüberwandern ließ. Dann drückte ich den kleinen Plastikknopf.
Als das Klingeln durch das Innere des Hauses schallte, zuckte ich merklich zusammen und stolperte einen Schritt zurück. Dennoch wollte ich mir jetzt nicht die Blöße geben, diese wirklich dumme Aktion abzubrechen. Jetzt stand ich schonmal hier, dann würde ich es auch durchziehen. Einige Sekunden blieb es noch still, als sich mit einem Mal etwas an der Tür tat und diese schließlich schwungvoll aufgezogen wurde.
Sofort trafen meine Augen auf die meines besten Freundes, dessen Kinn aufklappte und der ziemlich erstaunt zu mir schaute. Ein paar Mal blinzelte er völlig perplex, bevor sich seine Augenbrauen jedoch finster zusammenzogen und er seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammenpresste. Mein Herz zog sich bei diesem Anblick krampfhaft zusammen und ein Kloß bildetete sich in meinem Hals. Doch als Hobi die Tür plötzlich mit einem Schlag zuwerfen wollte, erwachte ich aus meiner Starre und sprang mit einem Satz nach vorne. Gerade noch rechtzeitig, bevor das Holz zurück ins Schloss fiel, schob ich meinen Fuß zwischen Rahmen und Tür.
"B-bitte lass uns reden!", presste ich dann angespannt hervor und ignorierte den Schmerz, der sich nun durch mein Fußgewölbe zog. Danke auch Hobi, du Idiot! "Was willst du, Jungkook?", blaffte er mir dann scharf entgegen. "Meinst du nicht, dass du es überhaupt nicht wagen solltest hier nochmal aufzutauchen... nach allem, was ich für dich getan habe?" Ich hatte ja geahnt, dass er verletzt gewesen war, aber ihn nun hier vor mir zu sehen, mit Tränen in den Augen und bemüht festem Gesichtsausdruck, raubte mir beinahe den Verstand.
"Bitte, Hobi... ich kann mich erklären und ich denke, dass du zumindest eine Erklärung verdient hast. Ob du dann danach noch mein Freund sein willst, das liegt einzig und allein bei dir", versuchte ich es ein weiteres Mal und hoffte inständig, dass er einwilligen würde. Einen Moment herrschte eine angespannte Stille über unseren Köpfen, doch schließlich nickte er mir stumm zu und öffnete die Tür wieder, sodass ich eintreten konnte. "Dann musst du es den anderen aber auch erklären", bestimmte er und ich wusste genau, dass ich keinen Widerspruch erheben konnte. Wenn ich Hobis Vertrauen zurückgewinnen wollte, dann musste ich ihm beweisen, dass ich es ernst meinte.
"Ist gut", nickte ich seine Aussage deshalb ab und folgte ihm still die Treppen herunter in den Keller. Dort angekommen fiel mein Blick durch die noch offene Tür gleich auf drei andere Personen. Tatsächlich hockten auf dem Sofa und dem Boden nicht nur Namjoon und Yoongi, sondern auch mein Bruder, der als er mich erkannte, über beide Ohre zu strahlen begann. Seine blauen Augen glitzerten stolz auf und brachten den verlorenen Mut zurück in meinen Körper, sodass ich mich ein Stück weit mehr aufrichtete und die Tür hinter mir schloss.
"Na dann... ich warte", durchbrach der Rothaarige schließlich die erdrückende Stille, wofür ich ihm sogar dankbar war, da ich nicht wusste, ob ich es mir nicht doch noch anders überlegt hätte, wenn wir uns noch weiter angeschwiegen hätten.
Und dann begann ich zu erzählen. Von dem Moment an, wo ich auf dem Weg zu Hoseok war und Taehyung das erste Mal auf dem Bürgersteig getroffen hatte. Ich erzählte davon, dass er mich als leblos betitelt hatte und mich dieser Satz fast in den Wahnsinn getrieben hatte. Ich versuchte ihnen klar zu machen, dass ich durch diesen komischen Sternen-Deal doch tatsächlich lernte Gefühle zu empfinden und Emotionen zu deuten und dass ich mich wahrscheinlich so sehr verändert hatte, dass sie mich deshalb kaum wieder erkannt haben. Und zu guter letzt nahm ich all meinen Mut zusammen und erklärte ihnen, dass ich Taehyung an dem Tag im Park, an diesem unendlich doofen Tag, durch mein Gespräch mit dem Rothaarigen zutiefst verletzt hatte. Ich versuchte ihnen zu verdeutlichen, dass ich da noch völlig überfordert mit meinen Gefühlen und vor allem den Gefühlen gegenüber Taehyung gewesen war.
Nachdem ich zuvor unruhig durch den Raum getigert war und meine Hände nervös knetete, hielt ich plötzlich abrupt inne und riss meinen Kopf herauf. All ihre Blicke lagen wie gebannt auf mir und trotzdem schien es sie nicht wirklich aus den Socken zu hauen. Hatten sie es vielleicht überhört? Sollte ich-
"Ich bin schwul... denke ich und ich liebe Taehyung", platzte es da aber mit einem Mal auch schon aus mir heraus und ich hatte die Last auf meinen Schultern überhaupt nicht als so schwer empfunden, doch als ich die Worte endlich ausgesprochen hatte, fühlte sich mein ganzer Körper sogleich zehn Kilo leichter an. Mit großen Augen und glühenden Wangen starrte ich in die Runde und hatte wirklich mit allem gerechnet - aber nicht damit, dass Yoongi und Hoseok auf einmal anfangen würden zu lachen.
"Und du dachtest wirklich, wir hätten das nicht gewusst?", warf Yoongi kichernd ein und schmiss sich noch lauter lachend zurück in das Sofa. Ich hingegen wusste überhaupt gar nicht mehr, was ich jetzt denken sollte. Lachten sie mich nun aus? Hassten sie mich? Oder wie konnte ich das verstehen?
"I-ihr habt... es gewusst?", hakte ich deshalb völlig weggetreten nach und runzelte misstrauisch meine Stirn. "Man Kooks, du hirnverbrannter Gipskopf", warf Hobi da ebenfalls kichernd ein und strampelte wie ein kleines Kind auf dem Boden herum, "ich bin dein bester Freund. Als ob ich nicht wüsste, wenn etwas mit dir nicht stimmte."
"Nicht stimmte? Heißt das... ihr findet es abstoßend... eklig?" Ich konnte nichts dafür, dass sich diese Gedanken heimlich in mein Gehirn schlichen, denn diese ganze Situation löste in mir ein Stresslevel von einer nie für möglich gehaltenen Intensität aus. Doch gleich nach meiner Frage verstummten die beiden, tauschten einen Seitenblick miteinander aus und der Raum hüllte sich erneut in diese zum zerreißen angespannte Stille. Langsam lehnte Yoongi sich auf der Couch etwas vor und rückte näher an den Rothaarigen heran, auf dessen Lippen sich nun ein breites Grinsen geschlichen hatte. "Naja... also eigentlich", gluckste der sonst immer so griesgrämige Junge heiter auf, während ein rosa Schimmer auf seine Wangen wanderte, "wär es schon ein bisschen komisch, wenn wir ein Problem damit hätten." Seine Augen lagen weiterhin auf Hoseok und als sie sich immer näher kamen und ich mit einem Mal begriff, was sie im Begriff waren zu tun, schoss mir das Blut durch die Adern und ich machte einen wütenden Satz nach vorne.
"Das ist nicht lustig. Mich hier ins Lächerliche zu ziehen, geht gar nicht!", zischte ich ihnen sofort finster entgegen und war schon kurz davor aus dem Keller zu stürmen, bei all dieser Respektlosigkeit. Als Hoseok sich jedoch aufrappelte und den Hellhaarigen mit auf seine Beine zog, war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher, ob sie wirklich scherzten. "Ist ja ganz wundervoll, dass du deine Gefühle wiedergefunden hast Kooks, aber Tomaten hast du anscheinend immer noch auf den Augen", meckerte Hobi halb kichernd, halb verärgert, wurde jedoch keine Sekunde später durch die Lippen Yoongis auf den seinen zum Schweigen gebracht.
"W-warte w-was?", atemlos betrachtete ich, wie die beiden sich stürmisch um den Hals fielen und zweifelte definitiv keine Minute länger an der Wahrheit ihres Geständnisses. "Was denn? Hast du etwa ein Problem damit?", brummte nun Yoongi, der den Kuss widerwillig löste und Jungkook mit schief gelegtem Kopf musterte. "Ich...ehm nein, also nein, natürlich nicht!", stammelte ich noch ziemlich überfordert, aber meinte es absolut ehrlich. "Na siehst du", schnaubte Hobi dann und trat mit Yoongi an der Hand auf mich zu, "und dasselbe gilt für uns."
Direkt vor mir blieb er stehen und betrachtete mich aus diesen warmen Augen, die mir damals so viel gegeben hatten und ich bekam sogar ein ziemlich schlechtes Gewissen, dass ich genau das nie wirklich erkannt hatte. "Jungkookie...", kam meinem besten Freund mein Name über die Lippen und er seufzte einmal auf, "du wusstest doch, dass du immer mit mir hättest reden können. Ich wäre für dich da gewesen, denn mir war es schon immer egal, was andere über dich gedacht haben. Du warst mein Bruder." "Ey, er ist mein Bruder", warf Jimin plötzlich ein, verstummte allerdings sofort wieder, als er von den Augen aller finster durchbohrt wurde.
"Ich war einfach so verletzt, dass du mir nicht vertraut hast... dass du nicht einfach mit mir geredet hast", sprach Hobi dann aber weiter und senkte bedrückt seinen Kopf. "Es tut mir wirklich unendlich leid", entwich es meiner Kehle, wobei mein Mund sich ganz trocken anfühlte und mir die ersten Tränen in die Augen schossen. "Ich hatte nur solche Angst euch zu verlieren. Ihr ward immer irgendwie die harten Jungs und als ich dann gemerkt habe, dass ich anders und vor allem gar nicht so hart bin, wie ich mich immer gab... da bekam ich Panik!" Die erste Träne lief meine Wange hinab und keine Sekunde später fand ich mich in den Armen meines besten Freundes wieder, der diese fest um meinen Nacken geschlungen hatte.
"Ach Kooks, du bist so ein Idiot, wirklich", schnaubte Hobi gegen meine Schulter, "wir haben uns doch auch verändert. Wir sind auch reifer geworden und haben unsere Einstellungen gegenüber der Welt und den Dingen überdacht. Wir stehen kurz vor unserem Abschluss und sind definitiv nicht mehr die rebellischen Teenager aus der Mittelstufe. Uns ist vor allem dadurch, dass du dich so verändert hast auch bewusst geworden, wie viele Fehler wir damals gemacht haben." Langsam löste er sich wieder von mir und hielt meine Schultern fest. "Du warst schon immer mein bester Freund und das wird auch in Zukunft so bleiben... wenn du es möchtest", seine letzten Worte murmelte er schüchtern und wandte seinen Blick dabei kurz gen Boden. Als ich ihm aber keine Sekunde später erneut in die Arme fiel, lachte er glücklich auf und plötzlich spürte ich auch mehrere andere Arme um meinem Körper.
"Ich lass mich nur dieses eine Mal auf dieses irrsinnige Gruppenkuscheln ein", murrte Yoongi widerwillig, legte dann aber auch seine Arme um uns herum. So verweilten wir ein paar Sekunden, bis Namjoon sich jedoch räusperte und Jimin sich mühsam aus den Griffen der anderen löste. "Du genießt das viel zu sehr, Yoongi", neckte der Kleine den Hellhaarigen, kassierte dafür aber keine Sekunde später einen Schlag gegen seinen Oberarm. Daraufhin richteten sich auch die anderen beiden wieder auf und ich bekam endlich etwas mehr Luft.
"Also ehm- Namjoon und ich... wir haben euch auch noch etwas zu sagen", sprach Jimin mit einem Mal schüchtern, wobei sich ein tiefroter Schimmer auf seine Wangen legte und er seinen Blick gen Boden senkte. Ratlos ließ ich meinen Blick zwischen den beiden hin und her schweifen und anscheinend war ich diesmal nicht der Einzige, der überhaupt nicht zu verstehen schien, was abging. Denn als Namjoon den Kleinen plötzlich von hinten umarmte und ihn dabei um fast zwei Köpfe überragte, klappte meine Kinnlade erstaunt auf.
"Also wir... naja also-", versuchte Jimin erneut etwas zu sagen, stammelte sich aber nur wirsches Zeug zusammen, sodass Namjoon ihn grinsend unterbrach. "Wir daten uns!"
"Ihr macht was?!", entkam es uns allen gleichzeitig und wenn ich wirklich geglaubt hatte, dass die Bombe mit meinem Outing und der Beziehung zwischen Yoongi und Hobi schon geplatzt war, dann hatte ich mich mächtig getäuscht. Dennoch hielt das Staunen nicht lange an, denn da durchbrach Hoseok, mein immer gutgelaunter und für einen Spruch aufgelegter Kumpel, die Stille.
"Von den Badboys zur Gaygang... diese Entwicklung gefällt mir!", warf er kichernd ein und keine Sekunde später brachen wir alle auch schon in schallendes Gelächter aus. Und zum ersten Mal konnte ich auch mit meinen Freunden wirklich ehrlich und von tiefstem Herzen lachen.
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