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Mit gesenktem Kopf und gut einem Meter Abstand lief ich stillschweigend neben Taehyung her. Nein, ich wusste nicht wie es schon wieder so weit gekommen war, denn eigentlich wollte ich einfach nur nachdenken; alleine, unter meiner Bettdecke. Doch mein aufgewühltes Ich hatte es wohl für richtig empfunden, sich von den warmen Augen weichkochen zu lassen und diesem Penner noch eine Chance zu geben, mich davon zu überzeugen, dass die Entscheidung, ihn nicht aus meinem Leben zu verbannen, die richtige sein würde.
Jedoch war ich mir da nicht so sicher. Ich kannte den Lockenschopf doch erst seit ein paar Wochen, ganz im Gegensatz zu meinen Freunden. Sie würden ihn doch niemals akzeptieren und das, was sich dort zwischen uns aufbaute. Eine Freundschaft mit so einem komischen Kauz würden sie nur mit schrägen Augen betrachten und mich schließlich vollends für verrückt erklären. Bis jetzt war ich für sie immer nur Jungkook gewesen, einfach Jungkook, dem alles egal war. Doch sie hatten ja schon bemerkt, dass ich mich verändert hatte und viel länger würde ich ihnen das mit Taehyung nicht mehr verheimlichen können. Genauso wie die Rettungsaktion von Jimin. Sie würden mich doch für geisteskrank halten.
"Worüber denkst du nach?", riss mich die tiefe und so sanfte Stimme plötzlich aus meinen Gedanken und jagte mir einen wohligwarmen Schauer über den Rücken. Ich spürte den forschenden Blick des Jungen quasi auf mir, doch ich hielt meinen Kopf weiterhin gesenkt und verzog meine Lippen zu einer schmalen Linie. Nach einigen Sekunden des Schweigens seufzte Taehyung neben mir laut auf und wir sprachen auch die nächsten Minuten kein Wort miteinander.
Aber diese erdrückende Stille über unseren Köpfen machte mir irgendwie zu schaffen. Ich wollte Taehyung nicht anschweigen und ich wollte ihn auch nicht verletzen. Sein trauriger Blick von vorhin tauchte nämlich immer wieder vor meinem inneren Auge auf und versetzte mir einen Stich ins Herz. Zudem zog sich meine Brust bei dem Gedanken stark zusammen und raubte mir beinahe den Atem. Was war das nur für ein Gefühl? Fast dasselbe hatte ich auch gespürt, als mir bewusst wurde, dass ich Jimin all die Jahre über so sehr gequält hatte und meine Taten am liebsten alle rückgängig machen würde.
Kurz schüttelte ich den Kopf, um meine wirren Gedanken zu vertreiben, denn es tat jetzt auch nichts mehr zur Sache, welches Gefühl ich empfand, sondern viel mehr, dass ich neben dem Grund für all das Chaos herlief. Nur durch Taehyung war ich überhaupt wieder im Stande gewesen, so etwas zu fühlen. Er hatte sich einfach erlaubt, alles auf den Kopf zu stellen und mich aus meinem alten Leben in ein völlig neues und unbekanntes zu werfen. Als würde der Glaskasten, in dem ich all die Jahre zwar durch die Welt gegangen war, aber sie nie wirklich an mich ran gelassen hatte, nun anfangen Risse zu bekommen und langsam zu zersplittern.
Ratlos linste ich zu dem Schwarzhaarigen herüber, der seinen Blick den Weg heraufgerichtet hatte. Er war so anders im Gegensatz zu all den Menschen, die ich näher kannte. Er war nicht wie einer dieser Edelsteine ohne Ecken und Kanten, die einfach schön anzusehen waren. Taehyung war etwas Besonderes, so wie ein robuster Diamant, der vielleicht manchmal zu auffällig funkelte, aber in dem sich das Licht in abermillionen verschiedenen Winkeln brach und ihn gerade deshalb wunderschön und besonders machte. Für ein paar Sekunden hafteten meine Augen noch auf dem schlanken Körper meines Nebenmannes, als ich meinen Kopf erneut gen Boden wandern ließ.
"Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass eine Federboa tatsächlich tragbar wäre", nuschelte ich dann jedoch schüchtern und begann meine Hände zu kneten. Ich konnte es nicht mehr aushalten ihn anzuschweigen und noch weniger von ihm angeschwiegen zu werden. "Nicht wahr?", jauchzte der Lockenschopf sogleich auf und machte einen kleinen Sprung in die Höhe. "Sie steht mir einfach augesprochen gut!"
Bei seiner selbstverliebten Aussage konnte ich mir ein verächtliches Schnauben nicht verkneifen und verdrehte kurz meine Augen. "Ich habe gesagt, dass sie tragbar ist, du Narzisst", gluckste ich amüsiert auf und blickte ihm dann forsch entgegen. Für einen Moment klappte das Kinn des Schwarzhaarigen empört nach unten, ehe er allerdings ein schiefes Grinsen aufsetzte und mich von der Seite etwas anrempelte. "Du kannst ruhig sagen, dass dir das gefällt, Jungkookie", kicherte er und zeigte mir sein kastenartiges Lächeln. Bei diesem Anblick konnte auch ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, realisierte dann aber, dass ich ihm so Recht geben würde, sodass ich schnell die Arme vor der Brust verschränkte und den Kopf schüttelte: "Träum weiter, du Spinner."
Danach kehrte wieder Stille zwischen uns ein und nur das leise Zwitschern der Vögel und das immer leiser werdende Rauschen der Motoren füllte die Umgebung. "Wo gehen wir eigentlich hin?", fragte ich schließlich und schielte gespannt zu Tae herüber. Anstatt mir zu antworten, hob dieser einfach nur seinen Zeigefinger und deutete geradewegs auf das Ende des Pfades. Doch mehr als ein paar entfernte Bäume, konnte ich noch nicht erkennen. "Wow", entwich es mir sarkastisch, "das ist ja wirklich krass."
"Hey, warte doch einfach ab", meckerte der Schwarhaarige sofort und brachte mich erneut zum kichern. "Ist ja gut, ist ja gut", winkte ich ab, "aber denk daran, von diesem Treffen hängt wirklich viel ab." Nach meinen Worten zog ich scharf die Luft ein. Was redete ich denn da? Das hörte sich ja beinahe so an, als würde ich wollen, dass dieser Tag unvergesslich und Taehyung in meinem Leben bleiben würde. Oh Gott, hatte sich mein Inneres vielleicht schon längst für eine Seite entschieden? Panik stieg in mir auf und wie in Trance verschnellerte ich meinen Gang.
Taehyung hatte Mühe mit mir Schritt zu halten und ich konnte ihn bereits hinter mir keuchen hören, als mir plötzlich etwas rosanes vor die Nase wehte und mich abrupt in meinem Laufschritt stoppte. Überrumpelt riss ich meine Augen auf und beobachtete, wie das helle Etwas in schwankenden Bewegungen gen Boden herabsank. Dort konnte ich auch ganz viele andere der hellen Dinger erkennen, sodass ich mit einem Ruck meinen Kopf gen Himmel riss und beinahe aus dem Staunen nicht mehr herauskam.
Über mir befand sich ein Dach aus weißen und rosa Blüten, die immer wieder wie Schneeflocken vom Wind verweht wurden. Zwischen den beschmückten Ästen, blitzte das satte blau des Himmels hindurch und die Sonnenstrahlen kitzelten an meiner Nase. Einige Sekunden später wandte ich meinen Blick von dem Himmel ab und sah mich weiter um. Tatsächlich standen wir inmitten eines Meeres aus Kirschbbäumen, dessen Blüten um uns herum durch die laue Frühlingsluft tanzten. Der kleine Weg schlängelte sich duch die knorrigen Stämme und wurde stetig von einem schmalen Fluss begleitet, dessen Plätschern mir einen warmen Schauer über den Rücken jagte.
"Na, gefällt es dir?", vernahm ich plötzlich wieder die Stimme Taehyungs und riss meinen Kopf sofort zu ihm herum. Ein breites Lächeln zierte meine Lippen und ich wusste selbst nicht einmal so richtig, warum mir das hier so gut gefiel. Ein warmes Kribbeln jagte durch meinen Körper, als ich in die dunklen Iriden des Lockenschopfs schaute. Für einen kurzen Moment hatte ich sogar das Gefühl, dass sie glücklich aufblitzten, als hätte er nur darauf gewartet meine Reaktion zu seiner Überraschung zu sehen. "E-es ist wirklich schön hier", stammelte ich atemlos und spürte mit einem Mal eine sanfte Berührung an meinen Handflächen.
Augenblicklich ließ ich einen flüchtigen Blick zu meinen Händen herabwandern, nur um zu erkennen, dass Taehyung seine Finger mit den meinen verschränkte. Hastig sah ich wieder zu ihm herauf und traf ein weiteres Mal auf die Sterne in seinen Augen. Plötzlich war er mir so viel näher als noch vor wenigen Sekunden und löste ein aufgeregtes Kribbeln in meinem Bauch aus. Still wanderte ich mit meinem Blick über seine sanften Gesichtszüge, die wenigen Locken, die ihm verwegen in die Stirn hingen, über seine rosa Wangen und schließlich zu den vollen Lippen. Fast ganz von selbst, lehnte ich mich noch ein Stückchen weiter zu dem Jungen vor, sodass sich unsere Nasenspitzen beinahe berührten und wir uns weiterhin tief in die Augen sahen. Mein Herz pochte wie wild in meiner Brust und ich hatte schon die Befürchtung, dass Taehyung es hören würde, doch er umgriff meine Hände nur fester und zog mich noch ein Stückchen näher zu sich.
"Und was hast du jetzt vor?", hauchte ich ihm leise entgegen und das war wohl das Stichwort für den Älteren. Denn mit einem Mal konnte ich spüren, wie er meinen Arm hochhob und mich schwungvoll im Kreis drehte. Etwas überrumpelt von der plötzlichen Drehung, stolperte ich hilflos mit dem Rücken gegen seine Brust und fand mich dann in seinen Armen wieder, die er von hinten um meine Taille geschlungen hatte. Langsam begann er sich von links nach rechts zu bewegen und ich schmiegte mich näher an seinen warmen Körper. An jeder Stelle, an der wir uns berührten, begann es aufgeregt zu prickeln und ich schloss sogar für einen kurzen Moment die Augen, um mich einfach von ihm führen zu lassen.
"Wir tanzen...", flüsterte er schließlich in mein Ohr und zauberte mir ein amüsiertes Lächeln ins Gesicht. "Hast du eigentlich nichts anderes außer Tanzen im Kopf", kicherte ich, löste mich jedoch nicht von ihm. "Ich habe noch so viel mehr in meinem Kopf...", sprach er, wobei seine Stimme nun einen geheimnisvollen Ton angenommen hatte und damit mein Herz für einen Moment aussetzen ließ. Danach schlug es allerdings noch um einiges schneller und ich drückte mich noch mehr an den schmalen Körper Taehyungs.
Nach kurzer Zeit löste ich mich aber von ihm, nur um ihn ebenfalls in einer fließenden Bewegung herumzudrehen und meine Hände um seinen Nacken und seine Taille zu legen. Zärtlich drückte ich ihn näher an mich, sodass er seine Nase an meinem Hals vergraben konnte und sein warmer Atem meine Schulter traf. Eilig warf ich einen Blick auf unsere Umgebung, sodass ich erkennen konnte, wie die Blüten um uns herumwirbelten und uns darin verschwinden ließen. Die Vögel sangen uns ein Lied und im Großen und Ganzen hatte ich die Natur noch nie so intensiv erlebt. Doch viel intensiver nahm ich den Geruch des Jungen in meinen Armen wahr, der so lieblich nach Lavendel roch. Veträumt schloss ich meine Augen, gab mich diesem wunderschönen Augenblick gänzlich hin und war mir mit einem Mal so sicher, dass ich diesen Jungen - diesen verrückten Penner - niemals mehr in meinem Leben missen wollte.
"Jungkook?!", riss mich aber mit einem Mal eine mir nur allzu bekannte Stimme aus meiner Trance, sodass ich mich ruckartig von Taehyung löste, ihn harsch von mir wegstieß und mit völlig schockiertem Blick die Person vor mir anstarrte.
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