044 | Louis
Louis' P.o.V
Geschockt sah ich Harry an und schnappte nach Luft. "H-Harry." Ich sah von ihm zu Gemma und anschließend wieder zurück. "Du-" Ich schüttelte meinen Kopf und griff nach seiner Hand. "Du kannst sowas doch nicht einfach sagen!" Ich war mehr als nur empört. Das was Gemma gemacht hatte wurde auf einmal so unwichtig, dass ich es beinahe vergaß.
"Du kannst- Das geht nicht. Sie ist deine Schwester, sie ist deine Familie", flüsterte ich und sah ihn enttäuscht an. "Sie hat aber gegen meine Worte verstoßen. Sie kann froh sein, dass sie hierbleiben darf", knurrte Harry und wendete den Blick von mir ab.
Ich biss mir fest auf die Lippe und sah mitleidig zu Gemma, welche vollkommen erstarrt auf den Boden blickte. Von ihr kam keinerlei Reaktion, aber sie wurde ja auch gerade von Harry verstoßen. Ich konnte mir nicht einmal annähernd vorstellen wie sie sich fühlte.
"Harry, sie ist Familie. Würdest du es auch bei mir machen, wenn ich gegen deine Regel verstoße?" Direkt blickte Harry mich an und schüttelte schnell mit seinem Kopf. "Und warum machst du es dann mit ihr? Gemma hat das nicht verdient...", versuchte ich meinem Alpha zu erklären. Doch es war als würde ich mit einer Wand reden. Er wiederholte seine Worte und sagte lediglich, dass sie gegen seine Regeln verstoßen hatte.
Ich ließ Harrys Hand los. Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare und blickte hilfesuchend zu Anne, welche lediglich den Kopf schüttelte. War Harrys Wort das letzte? Durfte keiner etwas dagegen sagen? Frustriert zischte ich leise. Das ich Harry schon angeknurrt hatte war ein Risiko, aber er warf seine Schwester einfach achtlos weg.
Das konnte und wollte ich nicht akzeptieren.
Mir tat es immer noch weh, dass Gemma es einfach erzählt hatte. Ich wollte das alles in meinem eigenen Tempo angehen, aber mir wurde es verwehrt. Und ich musste mich damit abfinden. Vielleicht wusste es auch wirklich nur Gemma, Anne und Robin. Dann könnte ich es den anderen irgendwann sagen. Der Gedanke, dass es nur die beiden und eventuell sogar noch Michal wussten beruhigte mich mehr, als der Gedanke, dass es direkt das ganze Rudel erfahren hatte.
Eigentlich sollte es Mama als erste erfahren... Ich wollte morgen ihr Grab besuchen und mit ihr sprechen. Ob sie sich gefreut hätte? Sie hatte mich doch nicht ohne Grund immer versteckt...
Ich schüttelte leicht meinen Kopf und biss mir auf die Lippe. Ich sollte nicht darüber nachdenken. Wichtiger war, dass mir und meinen Schwestern die Eltern genommen wurden und Harry stieß Gemma absichtlich weg.
Das war falsch.
Ich legte meine Hände auf Harrys Brust und schob ihn in unser Schlafzimmer zurück. Er schaute zwar verwirrt auf mich herunter, sagte aber nichts. Auf dem Weg überlegte ich mir schon meine Worte und als ich die Zimmertür schloss konnte ich mich einfach nicht zurückhalten.
"Gemma hat etwas Blödes angestellt, sogar was ganz Blödes, aber deine Reaktion ist ja mal sowas von überzogen", keifte ich und zeigte mit dem Finger auf ihn. So wie ich es erwartet hatte, ließ Harry es sich nicht gefallen und rümpfte seine Nase verächtlich.
"Du kannst nicht so mit mir sprechen!"
"Kann ich nicht? Mache ich aber! Manche wünschen sich eine Schwester und du? Du wolltest sie sogar aus dem Rudel verbannen! Was ist mit Michal? Oder mit Ella? Ich dachte deine Nichte bedeutet dir so viel..." Schwer atmend stemmte ich meine Hände in die Hüfte und zuckte zurück als Harry knurrte.
Ich schloss meine Augen und versuchte mein Herz zu beruhigen. Meine Gefühle vermischten sich mit denen von Harry und es fiel mir immer schwerer nicht einzuknicken. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und blickte in Harrys wütendes Gesicht. Schnell senkte ich meinen Kopf und seufzte leise.
"Ich weiß, dass es unsere Entscheidung sein sollte und ich bin auch nicht froh darüber, aber das mit Gemma... Das kannst du wirklich nicht machen. Geh bitte zu ihr und entschuldige dich." Ich sah Harry flehend an und ging vorsichtig einen Schritt auf ihn zu.
"Gemma kann dir nicht egal sein, dass weiß ich."
Anstatt das er irgendwas sagte, drehte er lediglich seinen Kopf zur Seite und sah mich nicht mehr an. Es schien, als würde er um Worte ringen. Im Moment erinnerte er mich einfach nur an den Harry, der mich aus meiner Familie gerissen hatte, um das zu bekommen was er wollte. Egal wie es anderen dabei ging. Und das er jetzt so war mochte ich nicht.
"Harry, bitte. Denk nach", murmelte ich und legte meine zittrigen Hände auf seine Brust und blickte zu ihm hoch. So langsam fiel mir nicht mehr ein, was ich noch alles sagen könnte. Das es falsch war, hatte ich ihm jetzt mehrfach gesagt.
Harry begann langsam zu nicken und erwiderte meinen Blick. Dankbar lächelte ich leicht und schmiegte mich an ihn. "Du hast ihr mehr weh getan als sie mir." Er seufzte laut, legte seine Hände auf meine Schultern und drückte mich leicht weg. "Gemma hat-" Ich schüttelte meinen Kopf und murrte. "Es reicht", zischte ich und wurde direkt wieder angeknurrt.
"Seit wann bist du so aufmüpfig?"
"Seitdem du dich dazu entschlossen hast deine eigene Familie zu verstoßen!", fauchte ich und trat einen Schritt zurück. "Knurre oder fauche mich noch einmal an...", keifte Harry und kam mir den Schritt näher, welchen ich gerade nach hinten gegangen war.
Ich biss mir auf die Lippe und schüttelte meinen Kopf. Wir drehten uns die ganze Zeit im Kreis. Ich akzeptierte seine Entscheidung nicht und er nicht meine Meinung zu dem Ganzen. "Können wir aufhören?" Mit großen Augen sah ich Harry an. "Wie bitte?" - "Ich möchte nicht mit dir streiten", murmelte Harry und sah mich nicht an.
"Dann geh dich bei Gemma entschuldigen."
"Erst wenn sie sich entschuldigt." Sprachlos sah ich ihn an und brauchte einen Moment, bis ich überhaupt irgendwas sagen konnte. "Sag mal... Du verstehst es wirklich nicht, oder?!" Ich seufzte und verschränkte meine Arme.
"Sie hat dir wehgetan."
Deswegen machte er den ganzen Aufriss? "Ich will dich doch nur schützen, dir sollen keine Entscheidungen mehr weggenommen werden. Wir wollten doch warten... Niemand sollte davon wissen." Harrys Stimme wurde immer leiser und zögerlich legte ich meine Hand an seine Wange. Traurig sah ich zu ihm hoch und strich vorsichtig mit meinem Daumen über seinen Wangenknochen.
"Aber das ist doch kein Grund Gemma so anzufahren. Es hätte doch gereicht, wenn du sie einfach nur zurechtgewiesen hättest. Das du sie nicht mehr als deine Schwester, als deine Familie, ansiehst, hat ihr unglaublich weh getan."
Harry erwiderte für einen Moment nichts. Erst nach mehreren Atemzügen und einem lauten Seufzten nickte er langsam. "Ich gehe mich entschuldigen." Zufrieden stimmte ich dem zu, stellte mich auf Zehenspitzen und küsste Harrys Wange. "Kein richtiger Kuss?" - "Wenn du dich entschuldigt hast."
Harry grummelt, ergab sich aber direkt. "Wenn die anderen von deiner Schwangerschaft wissen, dann-"
"Dann ist es so." Harry schlang seine Arme um mich und legte seinen Kopf auf meinem ab. "Warum bist du so schnell damit einverstanden?" Ich legte meine Stirn an seine Brust und genoss es, dass wir uns nicht stritten.
"So wirklich einverstanden bin ich nicht. Ich werde es wohl einfach akzeptieren müssen. Aber wenn es wirklich so ist,dass Gemma es nur euren Eltern gesagt hat, dann ist es zwar nicht toll, aber okay. Ich werde gewiss nicht alle Rudelmitglieder an meiner Schwangerschaft teilhaben lassen. Das wäre doch Wahnsinn. Ich mag meine Privatsphäre. Die anderen haben schon einfach genug mitbekommen. Den Tod meiner Eltern, die Trauer als ich dich vermisst habe und du einfach nicht aufgewacht bist... Ich werde nur diejenigen, die ich am liebsten habe, an mich heran lassen. Alle anderen haben Pech gehabt." Dabei dachte ich vor allem an Jane und ihre Beschimpfungen. Nicht eine Sekunde lang würde ich mein Baby in ihre Nähe lassen. Niemals.
"Du stellst eine Tradition, welche sich über Jahrhunderte entwickelt hat, vollkommen auf den Kopf." An Harrys Tonlage wusste ich, dass er grinste. "Hast du nicht mit meiner Entführung damit angefangen?", fragte ich belustigt und sah zu ihm hoch. Auch wenn ich die Tatsache immer noch nicht wirklich mochte, habe ich mich damit abgefunden. Anders hätte ich Harry wohl niemals kennengelernt. Und jetzt wollte ich nie mehr auf ihn verzichten.
"Stimmt", grinste Harry und küsste meinen Hals entlang. "Würde ich auch jederzeit wieder tun", wisperte er und biss mir zärtlich in den Hals. "H-Harry, hör auf abzulenken. Du gehst dich jetzt entschuldigen. Na los." Ich schob ihn von mir und sah ihn ernst an.
"Ich hätte nie gedacht, dass mich ein Omega jemals so herumkommandieren würde." Meine Wangen färbten sich rot. Harry lachte rau und legte seine Lippen kurz auf meine Stirn. Doch dann schaute er mich ziemlich ernst an und seine Augen verdunkelten sich wieder. Seit wann war das eigentlich so? "Knurre und fauche mich nur nicht nochmal so oft an. Sonst lasse ich mir was einfallen und ich weiß nicht, ob dir das dann gefällt. Also lass es lieber." Ich schluckte leicht und nickte schnell. "Ich meine das ernst, Louis. Auch wenn ich dein Gefährte bin, bin ich auch der Ranghöchste. Vergreif dich nicht im Ton. Nochmal werde ich es nicht tolerieren."
Unsicher sah ich ihn an und blickte dann auf den Boden. Plötzlich fühlte ich mich ganz klein und würde mich am liebsten irgendwo verstecken. Als ich meinen Blick zögerlich hob ging Harry aus dem Zimmer. Ich wusste nicht ob ich mich wieder zurückhalten sollte, wenn nochmal so etwas passieren würde. Allerdings wollte ich auch nicht herausfinden, auf welche Ideen Harry dann kam. Bestraft werden wollte ich nicht.
Da die Neugier, ob er sich wirklich entschuldigte, siegte, schlich ich hinter her. Ich sah noch so gerade, wie er Gemmas Zimmer betrat. Anne und Robin waren noch im Flur, weswegen ich langsam zu ihnen lief. "Tut mir leid, dass ich dich angelogen habe. Ich wollte nur nicht, dass es schon jemand weiß. Gemma und Harry waren die einzigen. Ich wollte es noch nicht einmal meinen Schwestern erzählen, weil ich nicht wusste wie."
Anne sah mich verstehend an und zog mich in eine Umarmung. "Es wissen auch nur Robin und ich. Den anderen kannst du es dann erzählen, wann du möchtest." Ein Stein viel mir vom Herzen und erleichtert atmete ich auf. Als Anne mich aus der Umarmung frei ließ sah ich zu Robin, welcher mich mit strengem Blick musterte.
"Ich finde es erstaunlich, wie gut du meinen Stiefsohn in der Hand hast. Das hätte ich niemals von dir gedacht, aber es ist gut das er jemanden an seiner Seite hat, welcher ihm dem Kopf geraderückt." Langsam nickte ich und spielte nervös mit meinen Händen. Robins Nähe ließ mich weiterhin unwohl fühlen. Harrys Aura war bei weitem nicht so dominant, obwohl auch er ein Alpha war.
"Und auch wenn du dich noch daran gewöhnen musst, vor allem da es nicht geplant war... Alles Gute zur Schwangerschaft." Robin klopfte mir kurz auf die Schulter und Anne lächelte mich glücklich an. "Darf ich?", fragte die leise und zeigte auf meinen Bauch.
Etwas überrumpelt nickte ich. "Aber man sieht doch noch gar nichts", stellte ich verwirrt fest. "Ich spüre sowas trotzdem." Auch wenn ich mich nicht wirklich wohl damit fühlte, ließ ich es zu, dass Anne ihre Hand auf meinen Bauch legte. "Ich bin wirklich gespannt, ob es nur ein Baby ist oder doch Zwillinge."
"Zwillinge?" Ich schluckte und sah sie alles andere als begeistert an. Anne lachte leise und zog ihre Hand zurück. „Wenn Zwillinge in der Familie auftauchen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es irgendwann nochmal Zwillinge geben wird. Hab aber keine Angst. Du bist in den besten Händen. Vor allem bei Harry. Er weiß eine Menge über Geburten und Kinder, auch wenn es manchmal nicht den Anschein erweckt." Sie zwinkerte mir zu und schaute dann hinter mich.
"Hast du dich entschuldigt?" Ich drehte mich um und sah Harry auf uns zukommen. Er nickte und schlang seine Arme von hinten um mich. "Lou? Sie möchte sich auch bei dir entschuldigen. Gemma weiß, dass es falsch war. Sie weiß auch nicht, was sie dazu getrieben hat. Momentan steht sie etwas neben sich."
"Geht morgen nochmal zu ihr, ich denke etwas Ruhe wäre für jeden gut. Louis, deine Schwestern müssten auch bald von dem Ausflug mit Niall und Liam zurück sein. Kommt doch später alle zusammen zum Essen."
Ich nickte und Harry tat es mir gleich. Gemeinsam gingen wir beide wieder zurück ins Schlafzimmer. "Harry?" Er schaute schnell zu mir und sah mich fragend an. "Anne sagt du weißt vieles über Geburten. " Er nickte und setzte gerade an etwas darauf zu erwidern, doch ich kam ihm zuvor.
"Beantwortest du mir ein paar Fragen?"
__________
2095 Wörter 22/11/2020
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top