033 | Louis

Louis' P.o.V.

Seit einer Stunde suchte ich nun Ella und auch Gigi und Jane halfen bereits mit. Lottie und Fizzy hatten die Kleinen zu ihren Müttern gebracht und waren anschließend ins Haus, um das Essen mit Anne vorzubereiten.

"Und du hast wirklich nicht gesehen wo sie hingelaufen ist?" Genervt schaute ich Jane an. Am liebsten hätte ich jetzt etwas dazu gesagt, aber ich ließ es bleiben. Es brachte nichts, wenn ich mich jetzt nur noch mehr aufregen würde. Ich war schon vollkommen aufgekratzt, weil wir Ella immer noch nicht gefunden hatten. Michal war noch mit jemand anderen auf Patrouille oder sonst irgendwie beschäftigt. Ich wusste einfach nicht, wie ich es ihm sagen sollte.

"Ich gehe rein und schaue nach ob sie vielleicht doch schon drinnen ist." Möglich wäre es doch, oder? Ohne auf eine Antwort von den beiden zu warten, ging ich ins Haus zurück und schaute zuerst unten und dann in der oberen Etage nach. Aber auch hier war sie nirgends. Das konnte doch nicht sein. Ella würde niemals weglaufen. Sie liebte es sich zu verstecken, aber dann doch immer in unmittelbarer Nähe. Nie würde sie sich so weit entfernen. Oder doch? Ich wusste es nicht. Ich wusste einfach gar nichts was Kinder betrifft. Bei meinen Schwestern war es anders, sie kannte ich doch schon ihr ganzes Leben lang. Da war es leicht einzuschätzen was sie machen würden und wo ihre liebsten Orte waren. Aber bei Ella?

Harry kümmerte sich meist um sie, wenn Gemma und ihr Mann keine Zeit hatten. Er trug dieses kleine Mädchen auf Händen und wachte über sie. Aber Harry war... Ich schluckte und kniff meine Augen zusammen. Aber Harry war nicht hier. Schwer atmend legte ich meine Hand auf die Brust und keuchte als es wieder krampfte. Wenn das so weiter geht überstehe ich es nicht.

Ich brauchte nur eine Sekunde an Harry zu denken und direkt kamen die ganzen Sorgen und Ängste zurück. Zittrig atmete ich tief durch und strich durch meine Haare. Ich sollte jetzt Ella finden, zusehen dass es meinen Schwestern gut geht und dann sollte ich mich auch wieder hinlegen.

Gerade schloss die Tür von Ellas Zimmer und legte mir im Kopf schon die Worte zurecht, die ich Michal sagen sollte, als ich etwas Rascheln hörte. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen. Die anderen waren doch alle in der Küche. Ich folgte den leisen Geräuschen und blickte ins Badezimmer. Meine Ohren vernahmen ein leises Schnaufen und erschrocken blickte ich zur Badewanne, welche vollkommen mit Handtüchern ausgefüllt war.

Als ich ein Stück helles Fell erblickte fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich überbrückte den letzten Meter und zog eins der vielen Handtücher beiseite und schaute geradewegs auf Ella, welche es sich in dem ganzen Chaos gemütlich gemacht hatte. Erleichtert atmete ich auf und Freudentränen stiegen mir in die Augen. Mehr als nur glücklich hob ich Ella hoch und drückte sie an mich. Die Handtücher, in denen sie geschlafen hatte, waren bereits mollig warm. Da wäre ich auch nicht mehr weg und einfach liegen geblieben. Zugegeben, es sah wirklich sehr gemütlich aus.

Das kleine Wolfsmädchen verwandelte sich in meinen Armen und schaute mich müde an. "Loueh?" Ich nickte nur und drückte sie wieder sanft an mich. "Du kannst nicht einfach weglaufen. Wir haben dich so lange gesucht", ermahnte ich sie und schaute zu ihr hinunter.

"Müde", murmelte sie, rieb sich die Augen und gähnte ausgiebig. Mit ihr auf meinem Arm ging ich in ihr Kinderzimmer und legte sie auf ihrem Bett ab. Nach kurzem Umschauen fand ich ihren Schlafanzug und schnell zog ich sie um. Es war etwas umständlich, aber schlussendlich lag sie in ihren Schlafsachen unter der Decke und kuschelte sich eng an die Kissen. "Versprich mir aber, dass du nicht wieder abhaust." Sie nickte nur und schloss immer wieder ihre Augen, bis sie sich gar nicht mehr öffneten.

Noch ein paar Minuten verweilte ich an ihrem Bett, da sie aber nun tief und fest zu schlafen schien, machte ich das Licht aus. Als ich aus ihrem Zimmer raus war, lief ich schnell die Treppen hinunter raus aus dem Haus zu Gigi. "Ich habe sie gefunden. Sie schläft jetzt im Bett." Sowohl Gigi als auch Jane atmeten erleichtert auf. "Sie war einfach so müde und hat sich ein kleines Nest im Badezimmer gebaut und ist dort eingeschlafen."

Gigi lachte leise und schüttelte etwas ihren Kopf. "Dieses Mädchen ist echt unglaublich. Ich gehe mal wieder nach Hause. Bis dann" Sie verabschiedete sich und ich schaute ihr noch einen Moment hinterher. Ich sollte mich auch verabschieden. Vermutlich ist gleich schon das Essen fertig und so wie ich Anne kannte, musste ich wieder mitessen. "Ich gehe dann auch mal", murmelte ich und sah Jane unsicher an. Ich wusste nicht ganz wie ich sie einschätzen sollte. Nach dem heutigen Tag konnte ich ohne schlechtes Gewissen sagen, dass ich sie nicht sonderlich mochte.

"Louis, ganz ehrlich? Ich bin froh, dass du keine Kinder hast. Die würden es bei dir bestimmt nicht überleben. Du passt auch nicht wieder auf die Kleinen auf, das ist ja regelrecht eine Zumutung", stellte Jane schnippisch klar. Vollkommen benommen schaute ich sie mit aufgerissenen Augen an und schluckte.

"W-Wie bitte?" Langsam schüttelte ich meinen Kopf und ballte meine Hände zu Fäusten. Auch wenn Ella verschwunden war, hatte ich es dann doch noch einigermaßen hinbekommen. Auch wenn die kleinen Wölfe immer mal wieder abgehauen sind, konnte ich sie dennoch finden.

"Du hast mich schon verstanden. Du und Kinder?" Sie fing an zu lachen und in ihren Augen blitzte etwas auf, was ich nicht deuten konnte. "Ich weiß gar nicht was Harry an dir findet, du kannst ja einfach nichts. Nicht das er sich noch jemand anderen sucht. Er merkt noch früh genug, dass du einfach nur unfähig bist."

Mit jedem weiteren Wort, welches über ihre Lippen kam, machte ich mich kleiner und sah sie mit Tränen in meinen Augen an. Ich wollte einfach wegrennen, doch es ging nicht. Meine Beine zitterten und mir wurde unglaublich schlecht.

"Gott und jetzt heulst du auch noch. Du bist es echt nicht wert." Sie drehte sich um und ging einfach. Kraftlos sank ich auf meine Knie und vergrub meine Hände in meinem Gesicht. War es wirklich so? War ich so schlimm? Schluchzend dachte ich an Harry und begann zu weinen.

Ich wollte zu ihm.

Mein Herz zog sich immer wieder schmerzvoll zusammen. In meiner Brust breitete sich ein komisches Gefühl aus, welches mir die Luft zum Atmen nahm. Ich fiel zur Seite und krümmte mich, als sich das Gefühl in der Brust in Schmerz umwandelte. Fest krallte ich meine Hand ins Gras, als es unerträglich wurde. Ich biss mir fest auf die Lippe, um nicht zu schreien. Doch das hielt nicht lange an. Plötzlich prasselten immer mehr Emotionen auf mich ein. Doch wirklich selbst empfand ich keine davon, ich spürte sie lediglich in meiner Brust.

Irgendwas stimme nicht. Und zwar ganz und gar nicht.

Plötzlich durchströmte ein unglaublicher Zorn meinen Körper. Keuchend richtete ich mich auf und versuchte regelmäßiger zu atmen, doch es funktionierte nicht. Meine Muskeln spannten sich an und meine innere Unruhe wuchs von Sekunde zu Sekunde. Ohne es kontrollieren zu können brach meine Wolfsgestalt durch. So schnell wie jetzt hatte ich mich noch nie verwandelt und ich schien auch keine Kontrolle darüber zu haben. Die Wut brachte mein Blut zum Kochen und genau das machte mir Angst.

Sehr viel Angst.

Ängstlich fiepte ich und hielt nach Hilfe Ausschau, doch es war gerade niemand da. Ich war ganz allein hier draußen mit so viel Zorn in meinem Inneren, dass ich das Gefühl hatte zu zerbersten. Kein einziges Mal in meinem Leben hatte ich so viel Hass und Wut gleichzeitig gespürt. Es lähmte mich vollkommen. Unfähig mich auch nur zu bewegen stand ich im Gras und versuchte mich wieder zu verwandeln.

Louis?

Ich zuckte zusammen, als ich Harrys Stimme in meinem Kopf hörte und augenblicklich stiegen mir die Tränen in die Augen.

Hazza?

Doch ich bekam keine Antwort. All die Dinge, die ich gerade noch empfunden hatte, verschwanden mit einem Atemzug. Ohne Kontrolle darüber zu haben, fiel ich als Mensch ins Gras und schluchzte.

Was war das?

Mein ganzer Körper kribbelte und vor lauter Anstrengung atmete ich schwer. Ich war vollkommen am Schwitzen und strich mir immer wieder eine Strähne aus meinem Gesicht, denn sie blieb nicht an Ort und Stelle, sondern fiel immer wieder zurück.

War das Harrys Wut? Was war denn passiert, dass er so voller Zorn war?

Nach mehreren Minuten Ruhe, versuchte ich aufzustehen. Es war nicht einfach, doch ich schaffte es halbwegs und schleppte mich mit zittrigen Beinen in Richtung Haus. Die Kraft hatte mich komplett verlassen. Zuerst der Ausflug, dann die Suchaktion und jetzt das. Jede Faser meines Körpers brannte. Noch so gerade schaffe ich die Treppen hoch und lehnte mich dann an die Wand und versuchte tief Luft zu holen. Doch meine Beine gaben nach und kraftlos sankt ich polternd auf den Boden.

"Lou? Was ist denn los?" Fizzy schaute aus der Küche heraus in meine Richtung. Mit großen Augen sah sie mich an und kam auf mich zu. Sanft legte sie ihre Hand auf meine Schulter und strich auf und ab. Ich lehnte mich ein bisschen dieser Berührung entgegen und schloss müde meine Augen. "Irgendwas war mit Harry."

Fizzy keuchte erschrocken, weswegen ich sie direkt ansah und meine Hand auf ihre legte, welche immer noch auf meiner Schulter ruhte. Ihre Augen wurden immer größer und ohne das ich sie davon abhalten konnte, riss sie am Kragen meines Oberteils und legte meine linke Schulter frei. Erleichtert atmete sie auf und schaute mich etwas entspannter als gerade eben noch an.

"Fizzy, mach mal langsam", beschwerte ich mich und schaute sie an. "Es geht schon wieder. Mit ihm ist alles in Ordnung." Und das spürte ich auch. Denn seit ein paar Sekunden durchströmte mich eine Wärme und ich fühlte mich unglaublich wohl und geborgen. "Harry geht's gut, mehr als gut", lächelte ich und nahm Fizzy Hand in meine. "Ich spüre ihn. Es fühlt sich an als wäre er hier."

Meine Schwester sah ziemlich überrascht aus und fing an zu lächeln. "Dann ist ja alles gut, na komm. Anne wartet und ich habe Hunger." Ich nickte leicht und schüttelte dann aber meinen Kopf. "Ich kann jetzt nicht essen. Am liebsten würde ich ins Bett." Meine Schwester seufzte und schüttelte leicht mit ihrem Kopf. "Du solltest trotzdem ein bisschen was essen. Also komm." Sie half mir auf die Beine und mit einem Arm um ihre Hüfte lief ich neben ihr her in die Küche. Dort ließ ich mich wie heute morgen neben Anne nieder und lächelte sie kurz an.

Während die anderen aßen, lehnte ich mich zurück und nahm ein wenig an den Gesprächen teil. Ich war einfach unglaublich müde, weswegen ich auch nichts aß. Daisy und Phoebe waren auch schon im Bett. Durch das ganze Toben waren sie wie Ella unglaublich müde. Gerade waren alle fertig und ich wollte ins Schlafzimmer, meinen Schlaf nachholen, als Anne mich festhielt.

"Könnten wir kurz reden?" Überrascht schaute ich sie an und nickte langsam. "Setz dich bitte." Ich nahm wieder Platz, doch Anne setzte sich diesmal gegenüber von mir hin und legte ihre Hände ineinander verschränkt auf den Tisch. Irgendwie war die Atmosphäre gerade ziemlich angespannt und langsam bekam ich auch etwas Bauchweh. Heute war schrecklicher Tag. Ich wollte einfach nur noch ins Bett und wenigstens im Traum bei Harry sein.

"Die Mädchen haben mir heute erzählt, dass du wegen eigenen Kindern-" Und schon schaltete ich ab und hörte ihr nicht mehr zu. Ich liebte Anne wie eine zweite Mutter. Das tat ich wirklich und auch wenn es respektlos war, konnte ich einfach nicht anders. Ich hatte mir gestern schon den Kopf darüber zerbrochen und wurde heute entweder von meiner Schwester, von Michal oder dann noch tatsächlich mit Kindern bombardiert und dann auch noch das mit Jane. Und das steckte mir immer noch tief in den Knochen.

"Louis, hörst du mir überhaupt zu?" Leicht schüttelte ich meinen Kopf und stütze diesen auf meiner Hand ab. "Tut mir leid, aber ich habe keine Lust darüber zu reden. Es ist ganz allein meine Sache und das es niemand verstehen will regt mich nur noch mehr auf."

"Louis..." Annes Stimme war ganz ruhig und sie nahm meine Hand in ihre, doch ich entzog sie ihr und stand auf. "Verdammt, ich bin 17 Jahre alt. Ich werde nicht heute über meine Zukunft entscheiden. Denn ich denke in diesem Alter einem neuen Rudel beigetreten zu sein, weil man entführt wurde, ohne seinen Willen an einen Alpha gebunden zu werden, der nicht hier ist und seine Eltern zu verlieren ist genug." Sie setzte wieder an etwas zu sagen, doch ich schüttelte nur meinen Kopf, schob den Stuhl heran und verließ die Küche. Lottie und Fizzy lehnten an der Wand und schauten mich geschockt mit großen Augen an.

Enttäuscht blickte ich sie an, ging dann ins Schlafzimmer und warf die Tür hinter mir zu. Schlechte Laune machte sich in mir breit. Wütend zog ich meine Klamotten aus und warf sie zu Boden. Vollkommen übermüdet und geschafft vom Tag ließ ich mich auf das Bett fallen und starrte wie auch heute morgen schon an die Decke.

Immer wieder dachte ich an Janes Worte und schluckte. War es wirklich so? Ich sollte nicht so unsicher sein, denn Harry hatte mich ausgesucht oder nicht? Doch meine Gedanken plagten mich so sehr, dass ich gar nicht merkte wie falsch meine Gedanken eigentlich waren.

War es besser, wenn ich nicht da wäre?

________

2245 Wörter 19/09/2020

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top