018 | Louis
Louis' P.o.V.
Schnell kämpfte ich mich durch die vielen Decken und stolperte aus dem Bett. Meine Beine gaben nach, doch Niall fing mich auf, bevor mein Kopf auf den Boden knallte. Mein ganzer Körper fühlte sich einfach nur taub an. Es war, als hätte ich kaum noch Kontrolle über mich selbst. Froh darüber, dass Niall ziemlich gute Reflexe hatte, bedankte ich mich leise bei ihm und schaute anschließend in seine blauen Augen, welche mich besorgt musterten.
"Ich will zu ihr."
Da ich vermutlich nicht mehr als ein paar Schritte schaffte, hob Niall mich hoch und brachte mich zu Anne. Meine Geschwister zitterten und schauten verängstigt immer wieder zu der Frau, welche im Gras lag. Als Niall mich absetzte ließ ich mich neben Anne fallen und zog sie mit der letzten Kraft, die ich noch aufbringen konnte, an mich. Fest umschlang ich ihre Taille und hielt sie einfach nur fest. Meinen Kopf legte ich auf ihrer Schulter ab und strich mit zittrigen Händen über ihren Rücken.
Auch die Mädchen erwachten aus ihrer Starre und näherten sich uns vorsichtig. Jetzt war es unsere Aufgabe, Anne das wiederzugeben, was wie für uns all die Tage gemacht hatte.
"Mama? Mama!" Gemma stieß zu uns und nahm ihre Mutter in die Arme. "Was ist passiert?" Sie schaute zwischen uns beiden hin und her.
"Robin... Irgendwas stimmt nicht", schniefte sie und brach in Tränen aus. Es tat unglaublich weh, dass Harry nicht hier war. Aber Anne so zu sehen versetzte meinem Herzen erneut Stiche. Ich wollte nicht, dass sie so traurig war. Sie hat das alles gar nicht verdient. Anne ist eine so wundervolle Frau.
"Und mit Harry?" Nun schaute Gemma mich an und versuchte ihre Mutter so gut es ging zu trösten. Ella tapste auf die beiden zu und schmiegte sich an den Rücken ihrer Mutter.
Ratlos ließ ich meine Schultern hängen.
"Ich habe keine Schmerzen mehr. Aber ich fühle nichts. Gar nichts. Er fehlt mir so und ich weiß nicht was ich tun soll." Ich schaute auf meine Hände herab und spielte mit dem Saum des Pullovers, den ich trug. Er war von Harry und mir einige Nummern zu groß. Doch er roch nach ihm und sein Geruch beruhigte mich auf eine gewisse Art und Weise.
Gemma atmete erleichtert auf. "Wenn du seitdem nichts mehr gefühlt hast, dann ist es zumindest nicht schlimmer geworden. Und Robin schafft das. Beide sind unglaublich zäh. Ich hoffe zumindest, dass ich Recht habe." Sie schenkte mir ein Lächeln. Es war ein ehrliches Lächeln, allerdings erreichte es ihre Augen nicht. In ihnen spiegelte sich pure Sorge wider.
Langsam holte ich Luft und schmiegte mich an meine Schwestern, welche von Anne ebenfalls abgelassen hatten und nun wieder an meiner Seite waren. Vorsichtig strich ich ihnen der Reihe nach durch die Haare und platzierte sanfte Küsse auf ihren Schläfen. Sie waren so jung und mussten sich schon mit so vielen Geschehnissen auseinandersetzten.
Das war nicht das Leben, welches ich mir für meine Mädchen gewünscht habe. Nicht im entferntesten Sinne. Es stimme mich traurig, dass sie so viel durchstehen mussten. Zwar waren Lottie und Fizzy nur wenige Jahre jünger, doch sie waren mental einfach sehr starke Persönlichkeiten. Und die Zwillinge nahmen sehr viel davon mit.
Als ich weiter meine Schwestern betrachtete fiel mir auf, wie gut sie eigentlich mit den Situationen umgegangen waren. Alle wiesen ein gesundes Gewicht auf und schienen auch ausreichen Schlaf zu bekommen.
Und dann kam ich.
Klein, schwach und völlig mit den Nerven am Ende. Auch mein Körper zeigte, was in den vergangenen Wochen passiert war. Schon nach dem Tod unserer Eltern hatte ich wenig Appetit. Doch da war noch Harry da und hat es mir wieder schmackhaft gemacht. Doch jetzt? Jetzt war er nicht hier und mir schmeckte nichts. Liam und Niall, besonders Niall, gaben sich Mühe und versuchten mich zum Essen zu animieren. Doch nach einem Bissen schnürte es mir den Magen zu.
War ich so schwach? Benommen schaute ich auf das gras vor mir und schlang meine dürren Arme um mich herum. Warum bin ich immer der schwächste. Selbst jetzt könnte ich ohne die Hilfe von anderen nicht leben.
Hatten mich unsere Eltern deswegen immer versucht im Haus zu behalten?
Waren wir deswegen so weit weg von all dem Rudelleben?
War ich ihnen vielleicht auch eine Last?
Ich wurde aus meinen negativen Gedanken gerissen als Liam seine warme Hand auf meinen Rücken legte und langsam auf und ab strich. Es hatte etwas beruhigendes, doch im Vergleich zu Harry war es nichts. Verletzt schaute ich zu ihm hoch und wimmerte leise.
"Komm, ich bringe dich zurück ins Bett. Du solltest dich schonen und Kraft tanken. Harry würde nicht wollen, dass es dir so schlecht geht." Fest biss ich mir auf die Lippe, schüttelte schnell meinen Kopf und ignorierte das schmerzende Pochen, welches dabei entstand. "N-Nicht so reden. Harry lebt." Meine Stimme zitterte und ein Schluchzer verließ meine Kehle. Doch ich brachte keine Träne hervor. Es war, als wäre ich von Innen ausgetrocknet.
Liam entschuldigte sich, legte seine Arme um meinen Körper und nahm mich vorsichtig hoch. Ich brachte nicht noch ein Wort über die Lippen und nickte einfach nur. Meinen Kopf legte ich auf Liams Schulter und presste mich leicht an seinen Oberkörper. Er war so schön warm. Es war nicht im Geringsten mit der Wärme die Harry ausstrahlte vergleichbar. Es war anders, aber dennoch tat es unglaublich gut.
Ein Blick über Liams Schulter verriet mir, dass Anne langsam aufstand und sich den Dreck von der Hose klopfte und mit Gemma und Ella zusammen mitging. Sie war wirklich eine bemerkenswerte Frau. Wie schaffte sie das nur? Es schien als hätte sie auch keine Schmerzen mehr. Vielleicht hatte es Robin nicht so stark getroffen?
Lottie sowie der Rest meiner Geschwister folgten Liam und legten sich direkt wieder zu mir ins Bett, nach dem mich Liam dort abgelegt hatte. Nach dem griff er nach dem Korb, den Niall zuvor gebracht hatte und holte verschiedene Lebensmittel hervor.
"Hier, das ist Zwieback. Das bekommt dir vermutlich am besten. Versuchst du es mal? Ich mache euch noch einen Tee. Wenn es dir zu hart ist, kannst du es auch in den Tee tunken." Mit zittrigen Händen nahm ich ihm die Papierpackung ab. Jedoch schnappte sich Lottie diese direkt und schaute mich mit einem Blick, welchen ich nur zu gut kannte, an. Unsere Mutter schaute genauso, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Man konnte alles in Bewegung setzten, doch von ihrem Vorhaben konnte man sie nicht mehr abbringen.
Als Liam wieder mit einem Tablett, zwei Kannen Tee und einigen Tassen zurückkehrte, sprang Fizzy auf und nahm es ihm ab. "Geh du zu Niall. Wir kümmern uns jetzt um Lou. Wir schaffen das." Liam begann zu Lächeln.
"Falls etwas sein sollte. Niall und ich sind erstmal bei Anne. Aber Gigi ist direkt nebenan. Zayn hat sich auch wieder beruhigt." Kurz zuckte ich zusammen und zog die Decke, welche neben mir lag zu mir hoch und versuchte so gut es ging mich mit dieser zu schützen.
Vorgestern war ich kurz mit Gemma und Michal an der frischen Luft. Ohne die beiden hätte ich aber auch keinen Fuß vor den anderen setzen können. Michal hatte sich schnell wieder beruhigt. Vielleicht lag es auch an der Anwesenheit von Gemma. Zuvor waren die Männer ohne ihre Frauen bei mir. Leider sind wir Zayn begegnet, welcher etwas zu stark auf mich reagierte. Doch Gemma hatte eine unglaubliche Kraft. Sie hatte kaum Probleme Zayn in Schach zu halten. Es war schon etwas amüsant. Der Gedanke daran, zauberte mir ein kleines Lächeln auf die Lippen und brachte ich zum Kichern. Gemma war definitiv Harrys Schwester.
Lottie stupste mich mit ihrem Ellbogen an und reichte mir ein Zwieback und eine Tasse lecker duftenden Tee. Es war meine Lieblingssorte. Normalerweise wurde hier so gut es ging alles angebaut. Dennoch trauten sich ab und an ein paar Betas in den Supermarkt und besorgten die Dinge, welche sich nicht selbst herstellen ließen. Dabei hatte mir Liam eine bestimmte Teesorte mitgebracht. Leider vergaß ich den Namen immer, aber er schmeckte einfach verdammt gut.
Zögerlich dippte ich den Zwieback in den Tee, nur um anschließend langsam darauf herum zu kauen. Es schmeckte komisch, doch ohne Tee war es viel zu bröselig und fühlte sich auf der Zunge staubig an. Zu meiner Überraschung meldete sich mein Magen nicht und auch mein Würgereiz blieb aus. Zufrieden aß ich noch ein paar Zwieback und trank den Tee. Doch nach zwei Tassen und mindestens 4 Zwieback ging nichts mehr und Magen schnürte sich zu. Fizzy nahm mir die Tasse ab und stellte sie an Seite.
Daisy und Phoebe schauten mich gespannt an. "Geht es dir besser?", fragend legte Daisy ihren Kopf schief. "Ja, geht es dir besser?", melde sich auch Phoebe und ahmte es ihrer Schwester nach und nahm die gleiche Haltung ein.
"Ja, ein bisschen." Freudig quietschend die beiden, bevor sie sich wieder am Fußende einrollten und die Augen schlossen. Ich beugte mich etwas vor und deckte die beiden zu. Als ich mich wieder nach hinten in die Kissen sinken ließ, schmiegten sich meine anderen Schwestern an mich und brummten zufrieden.
"Er wird bestimmt bald wieder da sein. Robin bestimmt auch. Anne war doch so überzeugt."
Schniefend nickte ich und versteckte mein Gesicht unter der Decke. Ich konnte und wollte gar nicht mehr weinen. Doch sobald meine Gedanken sich wieder damit beschäftigten, dass Robin nun auch in Schwierigkeiten war, wurde mir klar, wie wenig Chancen die beiden Alphas hatten wieder heil zurückzukehren. Oder wenigstens einfach nur zurückkehren. Die Verletzungen konnte man doch versorgen. Und bei Harry schlossen sich die Wunden so schnell, dass man mit dem bloßen Auge sehen konnte.
Was war es, dass sie davon abhielt zurückzukommen.
Müde schloss ich meine Augen und genoss die Wärme und vor allem die Liebe, welche von meinen Schwestern ausging. Genüsslich brummte ich. Ich konnte zwar nicht einschlafen, dafür war ich schon über den Punkt hinaus, dennoch fand mein Inneres für wenige Stunden Ruhe.
Plötzlich vernahm ich ein lautes Poltern und Rufe. Und bevor mein Verstand realisierte was hier gerade ereignete, war mir mein Herz einige Schritte voraus. Es fing wieder an kräftiger zu schlagen und pumpte das Blut samt Adrenalin und Endorphine durch meine Adern.
Lottie verstand sehr schnell was hier gerade passierte, schnappte meinen Arm, legte ihn um ihre Schulter und legte mir ihren um meine Taille. So schafften wir es bis vor das Haupthaus, jedoch gaben meine Beine nach den ganzen Schritten nach und knickten weg. Meine Schwester, biss sich vor lauter Konzentration auf die Lippe und schaffte es, mich wieder aufzunehmen und mich weiter zu schleppen. Als ich da war wo ich sein wollte, ließ ich mich ins hohe Gras fallen und schluchzte laut auf. Meine Augen brannten, doch keine einzige Träne verließ meine Augen.
Mit zittrigen Händen strich ich eine mit Blut verklebte Locke beiseite. Als ich sein Gesicht nun endlich wieder betrachten konnte, brach ich vollends zusammen und presste mich näher an den reglosen Körper. Stumme Schreie verließen meinen erschöpften Körper. Qualvoll verzog ich mein Gesicht. Sein Geruch von Nadelholz wurde durch den von Blut fast vollkommen überdeckt. Der Geruch nach Eisen brannte sich in mein Hirn ein und ließ mich würgen. Nur mit sehr viel Beherrschung schaffte ich es zurückzuhalten.
Kraftlos legte ich meinen Kopf auf seiner Brust ab. Sein Herz schlug ganz langsam. Aus Angst es könnte sich immer weiter verlangsamen und vollends aufhören biss ich mir meine schon malträtierten Lippen blutig. Die Wölfe um mich herum griffen nicht ein, sondern saßen mit einem gewissen Abstand um uns herum. Fast alle anwesenden hatten sich verwandelt. Dies verriet mir mein Blick, der sich mir Bot, nachdem ich kurz über meine Schulter geschaut hatte. Es sah aus wie ein schützender Ring. Die Spannung, welche in der Luft lag, war zum Greifen nahe und sorgte für eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper.
Vollkommen ausgelaugt atmete ich stoßweise und versuchte so viel Sauerstoff wie möglich aufzunehmen. Ich wollte etwas sagen, doch meine Stimme versagte. Mein eigener Zustand war einfach viel zu kritisch. Das wusste ich zwar, zugeben wollte ich es aber gewiss nicht. Schließlich atmete ich noch und mein Herz schlug ebenfalls. Das war doch das wichtigste, oder?
Benommen und vollkommen von meinen Gefühlen überwältigt strich ich mit meinen Fingerspitzen über Harrys Wange und platzierte federleichte Küsse auf seiner Stirn. Das Blut versuchte ich so gut es ging auszublenden.
"Es war schwer ihn zu schützen und gleichzeitig noch voran zu kommen. Vor ein paar Stunden hatte es mich erwischt, sonst wären wir schon eher hier gewesen." Robin klang geschafft und müde. Auch an ihm klebte eine Menge Blut. Es war aber nicht sein eigenes und nur Harrys Blut war es auch nicht. Das verriet mir der Geruch. Robin blickte nun zu mir und dann wieder zu Liam und Zayn, welche mittlerweile durch den Schutzkreis zu uns kamen.
"Aber Harry wacht seit drei Tagen nicht mehr auf."
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2193 Wörter 24/07/2020 Widmung: alyssadormidera
Hallo ihr Lieben,
tut mir Lied, dass das Update so spät kommt, aber bei mir ging momentan alles drunter und drüber. So langsam entspannt sich wieder alles und ich konnte mich ausreichen erholen. xx
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