Kapitel 1


NIALL

„Hallöchen zusammen!". Gut gelaunt rauschte mein Vater Bobby ins Esszimmer, wo Greg und ich am Tisch saßen und die E-Mails checkten, ließ einen großen braunen Umschlag auf die Tastatur meines Laptops fliegen und tänzelte weiter in die Küche, um eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank zu nehmen.

Entgeistert starrten wir ihn an, während er summend mit der Flasche zurückkehrte, und gleich darauf noch ein paar der selten benutzten Sektgläser aus dem verstaubten Dekoschrank zutageförderte.

„Was genau gibt's hier zu feiern?". Das Erstaunen in Gregs Stimme sprach Bände.

„Wir haben einen fantastischen ...". KNALL des Sektflaschendeckels. „Neuen ...". PLATSCH als der Inhalt überschäumte und den Boden verschönerte. „Auftrag!". Er reckte eine Faust in die Luft und gab ein wenig erwachsenes Juchzen von sich.

Greg und ich wechselten einen vielsagenden Blick. Es gab nicht viele Momente, an denen er sich so kindisch aufführte, da musste ihm ja eine ganz besonders irre Hiobsbotschaft in die Falle gegangen sein. „Jetzt rück schon raus!". Gespannt setzte ich mich gerader hin. Ich hatte meine Ausbildung zwar erst vor einer Woche begonnen (da ich vor einer Woche endlich das magische Alter von achtzehn Jahren erreicht hatte), aber in Neugier und Eifer stand ich meinen Familienmitgliedern in nichts nach.

Bobby deutete wild gestikulierend auf den Umschlag, der noch immer auf unserer Tastatur lag, mit der Ecke auf dem Buchstaben F gelandet war und nun ununterbrochen Reihen von Fs in das Dokument schrieb. „Ups". Während ich diesen Schrott entfernte, riss Greg ungeduldig ohne Rücksicht auf Verluste mit bloßen Händen den Umschlag auf, der hinterher verständlicherweise aussah, als ob eine Horde Wildschweine darüber hergefallen wäre, und zog mehrere Bögen Papier heraus.

Boah, das sah mal wichtig aus! Ohne lange nachzudenken griff ich danach, doch Greg, der immerhin etliche Zentimeter größer war und ein paar fiese Tricks aus seiner Ausbildung auf Lager hatte, wehrte mich gekonnt ab und hielt die Blätter schnell außerhalb meiner Reichweite. „Nicht so übereifrig, Bruderherz".

Ich schnitt ihm eine Grimasse. „Nun sieh doch endlich nach!". Fast hätte ich mich auf seinen Schoß gesetzt. Bobby saß uns gegenüber und beobachtete uns amüsiert, während er gelassen an seinem Sektglas nippte.

Greg warf die Papiere auf die Tischdecke und drehte die ersten zwei um, während ich mich wie ein Piranha auf das dritte stürzte. Als wir das Geschriebene überflogen, wurden unsere Augen immer größer, bis ich den Kopf hob und Bobby fassungslos anstarrte. „Das ist nicht dein Ernst!".

Mein Dad grinste. „Doch".

„Du hast den Malik-Fall übertragen bekommen?", schrie nun auch Greg, dessen Kinnlade fast bis zum Boden hing. Fehlte nur noch, dass ihm der Speichel aus dem Mund tropfte.

„Jop".

„Wie hast du das geschafft?". Ungläubig starrte ich wieder auf das Schreiben des Polizeipräsidenten. Dads Truppe war zwar schon im ganzen Land bekannt für seine Erfolge, die saubere Arbeit und die enorme Risikobereitschaft, aber dass ihm gleich der aktuellste, gefährlichste, kniffligste Fall übertragen wurde ... damit hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet. Bobby offenbar auch nicht, denn er zuckte strahlend die Schultern. „Genau genommen hab ich gar nichts gemacht". Vergnügt leerte er das Glas, um es gleich nochmal bis zum Rand aufzufüllen. „Ich war gerade dabei, die Akte unseres letzten abgeschlossenen Falls fertigzustellen - du weißt schon, dieser grausame mit dem Teenager-Mörder da - als auf einmal der Präsident höchstpersönlich die Zentrale gestürmt hat. Er hatte es so eilig, seinen Auftrag loszuwerden, dass ich mich nicht mal anständig bedanken konnte".

Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn. Wenn der Polizeipräsident einem einen Auftrag buchstäblich hinterherwarf, war das meistens kein gutes Zeichen. „Was ist denn mit den letzten Ermittelnden passiert?".

Bobbys Gesicht verfinsterte sich ein wenig. „Diese Nacht hat jemand die Zentrale der Davis in ein Schlachtfeld verwandelt. Der Leiter und einer seiner besten Leute sind dabei erstochen worden. Alles deutet darauf hin, dass es diese verdammte Malik-Bande war".

Besorgt biss ich die Zähne zusammen. Das klang ganz und gar nicht gut. Die Davis waren - wie wir - eine der erfolgreichsten Organisationen, denen nur einmal im Jahrzehnt ein Verbrecher entwischte. Die Tatsache, dass es diese Maliks geschafft hatten, in deren Zentrale einzudringen und sie dann auch noch zu überwältigen, verursachte mir ein flaues Gefühl im Magen.

Um das kurz zu klären: Wir sind die Horan-Organisation, wir gehören zur SEG - der Sondereinsatzgesellschaft unseres Landes - und nehmen Aufträge von verschiedenen Leuten an (Polizei, Privatpersonen, Politikern) und sind dabei außerordentlich beliebt. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keinen einzigen ungelösten Fall in unserem Aktenschrank. Bobby war der der Leiter, der sich um das Repräsentative kümmerte, Aufträge entgegennahm und im Team die Aufgaben verteilte. Das Amt des Leiters wurde immer von Generation zu Generation weitergegeben, was hieß, dass als nächstes Greg an der Reihe war - was mir nur recht war. Ich hatte keine Lust auf eine solche Position, wo mir hinterher alle die Schuld in die Schuhe schieben konnten wenn etwas schiefgelaufen war. Mein Bruder Greg war ebenfalls gleich nach seinem achtzehnten Geburtstag beigetreten und voll in das Team miteingestiegen. Jahrelang hatte ich neidisch zugesehen, wie er in alle Informationen eingeweiht und in die Einsätze miteinbezogen wurde, während ich als Minderjähriger noch zu Hause herumsaß und fast nichts von den vertraulichen Informationen mitgeteilt bekam. Das hatte sich vor einer Woche endlich geändert, sodass ich gleich voll durchstarten konnte.

Zu unserer zugegebenermaßen ziemlich kleiner Truppe gehörten neben meiner Familie außerdem noch Paul Higgins (ein bulliger Kumpel meines Vaters), Ed Sheeran (das Brain der Truppe), Eleanor Calder (die beste Schauspielerin), Liam (der Vernünftige) und Harry (unser Jüngster, dessen Eltern vorher auch Mitglied waren aber vor zwei Jahren bei einem Einsatz ihr Leben lassen mussten - seltsamerweise wurde Harry darauf schon mit knapp siebzehn Jahren aufgenommen). Liam und Harry waren nicht nur meine Kollegen oder Schulkameraden, sie waren außerdem meine besten Freunde, die ich schon seit Ewigkeiten kannte und denen ich ohne Zweifel mein Leben anvertrauen würde. Deshalb hatte Dad uns drei auch in eine Einsatzgruppe gesteckt; Ed, Greg und Paul bildeten die zweite während Mum, Dad und El Nummer drei waren. Jetzt könnte man denken Mann, sind die arm dran, genau drei Einsatzgrüppchen, fantastisch aber unser Team ist unglaublich effektiv. Drei Gruppen reichen aus, um Zielpersonen zu umzingeln oder von allen Seiten das Hauptquartier einer Mördergang zu stürmen.

„ ... anders aufteilen", sagte Bobby in diesem Moment und riss mich aus meinen Gedanken.

„Was ist los?". Verwirrt starrte ich ihn an.

Seufzend leerte dieser sein drittes Glas, bevor er es entschieden von sich wegschob, bevor er auf die Idee kommen konnte, nochmal nachzuschenken. „Ich sagte, das wird der gefährlichste Fall aller Zeiten. Die Maliks sind der gefürchtetste Clan. Diese skrupellosen Leute schrecken vor nichts zurück. Du weißt ja, wie sie vor zwei Monaten mal eine ganze Polizeieinheit von zwanzig Mann mit Links niedergemetzelt haben. Ihr drei Kleinen habt gegen die keine Chance, weshalb wir die Gruppen vermutlich ein wenig mischen müssen, damit die Verhältnisse mehr ausgeglichen sind".

„Nein!", protestierte ich sofort. Harry, Liam und ich waren mittlerweile ein so eingespieltes Team ... er konnte uns nicht ausgerechnet jetzt auseinanderreißen. „Wir schaffen das".

Bobby warf mir einen zweifelnden Blick zu. „Niall, ich will nur nicht meine drei Jüngsten gefährden, unter ihnen mein eigener Sohn".

„Du gefährdest uns doch nicht, wir machen nur unseren Job. Bitte". Flehentlich sah ich ihn an. Ich wusste, dass seine Argumente aussagekräftiger und logischer waren, aber ich wollte mich um keinen Preis von meinem Team trennen.

Ungläubig schüttelte Bobby den Kopf. „Von mir aus. Aber verlass dich drauf: Wenn ihr in eine für euer Alter etwas zu brenzlige Situation geratet, werde ich neue Gruppen bilden. Außerdem kann es sein, dass wir uns einige von den Bewerbungen anschauen müssen, um unsere Stärke ein wenig aufzubessern. Ein zwei Leute mehr wären nicht schlecht, vor allem jetzt beim Malik-Fall".

Ich nickte nur abwesend. Natürlich war dieser Fall für meinen Dad eine fantastische Gelegenheit, wieder einmal unsere Qualitäten unter Beweis zu stellen, aber mir war der Auftrag nicht geheuer. Ich hatte das nagende Gefühl, dass einiges auf uns zukam.


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Nachtrag: Auch wenn die Story seit Jahren abgeschlossen ist, freue ich mich immer noch genauso sehr über Sternchen, Kommentare und/oder ein Follow ^-^ Herzlichen Dank für all die Wertschätzung und das Feedback - und viel Spaß beim Lesen! <3

Kapitel 1 :) Das zweite werde ich auch gleich hochladen, da dieses hier ja nicht gerade der Spannungsbomber ist :D Falls es überhaupt jemand liest - lasst mir doch ein bisschen Feedback da :)

Und, falls jemand Tippfehler findet, ich hatte noch keine Zeit, den Text nochmal durchzulesen ... werde ich auf jeden Fall nachholen ;)






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