04 | Zuhause
"Ceil! Schön dich zu sehen!", sofort wurde ich in eine herzliche Umarmung gezogen.
"Mum", seufzte ich, "ich bekomme keine Luft mehr."
"Oh tut mir leid, Schatz.", sofort löste sie sich wieder von mir und blickte mich besorgt an.
"Komm doch erst einmal rein. Deine beiden Brüder sind mit deinem Vater im Garten und spielen Fußball. Du weißt ja wie sehr die drei den Fußball lieben.", meine Mum schüttelte belustigt den Kopf und ich grinste als ich hörte, dass meine Geschwister draußen mit meinem Dad spielten.
Schließlich war es meiner Meinung nach wichtig, dass sie sich in diesem Alter auch draußen aufhielten und nicht wie die meisten anderen Teenager vor ihren Handys hingen.
Kaum hatte ich meine Ballerinas ausgezogen, führte mich meine Mutter auch schon in die Küche, wo mir gleich der alltbekannte Duft von Lasagne in die Nase stieg.
"Das sieht ja wahnsinnig lecker aus.", staunte ich und betrachtete das Festessen vor mir, das meine Mutter für die Familie zubereitet hatte.
"So wie immer halt.", sie zwinkerte mir zu und ich lachte leise.
Aber sie hatte eigentlich recht. Ihr Essen schmeckte immer fantastisch. Schade, dass ich von dieser Gabe gar nichts geerbt hatte. Kochen konnte ich nämlich definitiv nicht.
"Ich gehe mal raus in den Garten und hole die Männer.", meinte ich grinsend und verschwand zugleich in unserem Wohnzimmer, von dem man ganz einfach die Terasse betreten konnte.
Ich hörte augenblicklich lautes Gebrüll, als ich mich dieser Tür näherte und beobachtete grinsend meine Geschwister die wohl alle in einem Team gegen meinen Dad spielten und ihm haushoch überlegen waren.
Meine nackten Füße berührten das weiche Gras, als ich mich vorsichtig der tobenden Meute näherte und dabei versuchte nicht doch von einem Ball getroffen zu werden.
"Ceil!", Henry entdeckte mich als erstes und ließ einfach den Fußball liegen, um auf mich zu zurennen und mich in eine Umarmung zu ziehen. Ich fuhr ihm lachend durch sein lockiges Haar und ging dann ein wenig in die Hocke, um mit mir auf Augenhöhe zu sein.
Auch die Zwillinge Nole und Cole richten jetzt ihre Aufmerksamkeit auf mich und beendeten ihr Passspiel um - auch wenn nicht ganz so euphorisch wie Henry - auf mich zuzukommen.
Ich war froh, dass sie alle heute da waren. Seitdem ich zuhause ausgezogen war, sah ich meine Brüder und meine Eltern nicht mehr so häufig und selbstverständlich wie früher und ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich sie nicht vermisse. Auch wenn drei Brüder einen wirklich an den Rand des Nervenzusammenbruchs treiben konnten, fehlten sie mir immer öfter.
Cole und Nole waren jetzt vierzehn Jahre alt und Zwillinge. Sie sahen sich wahnsinnig ähnlich, nur Nole hatte fast schwarze Haare während Coles Haare eher schokobraun waren. Henry war zehn Jahre alt und unser kleines Nesthäkchen. Er hatte eine wilde blonde Lockenmähne und sah meinen beiden Brüdern ebenfalls total ähnlich.
Alle drei ähnelten sehr stark meinem Vater, während ich eher nach meiner Mutter kam.
"Ceil, Schatz, schön dich zu sehen.", mein Dad zog mich in eine herzliche Umarmung, die ich nur zu gerne erwiderte.
"Wie läuft dein Studium?", fragte er sogleich und ich lächelte etwas, da er mir diese Frage jedes Mal stellte. "Gut, denke ich. Momentan sind Semesterferien, da passt es ganz gut, dass ich mal aus dem Studentenwohnheim wegkomme."
"Das glaube ich dir.", er zog mich an der Hüfte an sich und schob mich vor sich her. "Hast du das Essen, das deine Mutter zubereitet hat, schon gesehen? Ich glaube wir müssen die Nachbarn einladen,um mit diesen Mengen fertig zu werden."
Ich kicherte leicht und nickte dann. "Sag nicht, dass sie wegen mir so aufgetischt hat. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Alles ist besser als dieser Caferteriafraß.", ich ging lachend neben meinem Vater her, während uns meine Brüder folgten und sich laut über irgendeine neue Fernsehserie unterhielten.
"Nole, Cole, Henry, helft doch eurer Mutter bitte beim Tischdecken!", forderte er die drei jetzt auf, die es sich automatisch auf der Couch bequem gemacht hatten und sich nur murrend von ihrem Platz erhoben.
"Ich kann Mum doch auch helfen", schob ich ein, doch mein Dad schüttelte lächelnd den Kopf und brachte mich so zum schweigen.
"Danke, Ceil, aber heute bist du unser Gast. Deine Brüder können ruhig auch mal im Haushalt mithelfen.", meinte er mit einem strengen Blick in deren Richtung und sie seufzten nur.
"Sei nicht so streng mit ihnen.", flüsterte ich meinem Vater ins Ohr, als meine Brüder das Zimmer verlassen hatten. "Spricht da die große Schwester aus dir? Glaub mir seitdem du weg bist, fehlt deiner Mutter eine wichtige Hilfe im Haushalt. Du hast das alles immer ohne großes Beschweren gemacht, aber Nole und Cole weigern sich strikt dagegen.", er seufzte kurz.
"Das ist die Pubertät.", meinte ich grinsend und zuckte mit den Schultern. "Das wird schon noch." Sie würden noch früh genug merken, wann ihre Hilfe gebraucht werden würde.
"Du hast vermutlich recht - so wie immer.", er grinste kurz und ging dann ins Esszimmer, wohin ich ihm folgte. Meine drei Brüder hatten währenddessen wohl den Tisch gedeckt und ich setzte mich an den Platz, wo ich sonst auch immer gesessen bin. Kaum hatte meine Mutter die Lasagne auf den Tisch gestellt, brach ein wildes Gesprächsdurcheinander am Tisch aus.
In unserer Familie ging es oft ziemlich laut beim Essen zu - was auch nicht verwunderlich bei vier Kindern ist.
Nole und Cole unterhielten sich über irgendein neues Computerspiel und Henry versuchte bei den beiden immer wieder mitzureden, indem er einfach zu dem Gespräch solche Dinge wie "Ja das habe ich auch gehört" oder "Echt? So hat es der Noah aber nicht beschrieben." einwarf.
Meine Eltern diskutierten über die nächste Steuererklärung und diesem Gespräch folgte ich nur teilweise.
"Ich muss euch um einen Gefallen bitten.", mein Vater sprach plötzlich lauter und augenblicklich verstummten die Gespräche am Tisch.
"Am Sonntag findet eine wichtige Veranstaltung im Kreise einiger Unternehmer statt. Für meine Firma wäre es wichtig, wenn ich dort als Chef erscheinen würde, da ich dort auf viele Kunden aber auch Konkurenten treffen werde."
Wir Kinder nickten alle synchron. Mein Vater musste als wieder auf eine Veranstaltung. Aber was hatte das jetzt mit uns zu tun?
"Die Sache ist die, die Unternehmer kommen traditionell immer mit ihren Familien, also Frau und Kinder und deshalb würde ich euch bitten, wenn ihr mich begleiten könntet."
Nole und Cole verzogen angewidert das Gesicht, während Henry begeistert in die Hände klatschte. Er war schließlich noch nie auf so einer Veranstaltung gewesen im Gegensatz zu uns. Was sich vielleicht wie ein ganz netter Tag anhörte, entpuppte sich als langweiligster Tag überhaupt. Die Kinder der Unternehmer waren meist eingebildete Schnösel, die sich ihre Kleidung nicht schmutzig machen wollen. Die Zwillinge und ich wurden einmal vor einigen Jahren gezwungen an solch einer Veranstaltung teilzunehmen und wir hatten den ganzen Tag wegen Langeweile nur UNO gespielt. Seitdem kann ich dieses Spiel nicht mehr sehen.
"Müssen wir da wirklich hin, Dad?", Nole seufzte, als er seine Frage aussprach, weil er eh die Antwort schon kannte.
"Ich bitte euch darum. Man zeigt den Menschen sozusagen was man 'erreicht' hat. Eine anständige Familie verschafft einen guten Eindruck.", erklärte mein Dad und meine Mum nickte zur Bestätigung.
"Muss ich ebenfalls mitgehen oder bin ich inzwischen 'zu alt'?", fragte ich vorsichtig und schob mir noch einen Bissen Lasagne in den Mund.
"Ich würde mich sehr freuen, wenn du uns begleiten würdest, Ceil. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Devany seinen Sohn mitnimmt, nur um mir wieder eins reinzuwürgen.", murmelte er und ich nickte sofort.
Devany war der Nachname des stärksten Konkurenten meines Dads. Er sprach nicht gern über ihn und wenn dann nur schlechtes. Mein Vater hasste diesen Mann. Ich wusste zwar nicht warum, aber unsere Familien waren wohl offiziell verfeindet. Und dieser Devany hatte wohl einen Sohn in meinem Alter, auf den er auch sehr stolz war und dies meinem Vater unter die Nase reiben musste, da ich die letzten Jahre ja nie anwesend war im Gegensatz zu Devanys Sohn.
"Ihr werdet es überleben.", meinte jetzt auch meine Mutter und nickte uns aufmunternd zu.
Hätte ich mich nur wenigstens ein wenig über Dads Konkurenten informiert...
Wir alle kennen ihn.
Wir alle lieben ihn.
Damdamdam
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