CHAPTER SIX

Wenn ich mit Charlie nach Hause fuhr, war es immer lustig. Er machte Musik an und stellte sie so laut er konnte. Dann sangen wir beide mit und lachten, weil es zu bescheuert war. Meistens, wenn es zu schön war und wir nicht wollten, dass es schon zu Ende ist, fuhren wir noch ein Stück weiter und drehten irgendwann.

Heute war das nicht der Fall. Es herrschte ohrenbetäubende Stille im Auto. Es ließ mich regelrecht ersticken. Charlie's Stimmung war mies, nachdem was Noah heute für einen Mist gebaut hatte. Und ich wusste, dass selbst Noah, bestimmt auch nicht gerade stolz auf seine Tat war. Aber es war nun mal passiert.

Und auch als Charlie die Haustür aufschloss, verschwand er sofort oben in seinem Zimmer. Und wieder stand ich alleine im Flur, und es war still. Stunden verbrachte ich in meinem Zimmer und beschäftigte mich mit Schulkram und überflüssigem Zeug, welches meine Langeweile verschwinden lassen sollte.

Und als es dann an der Tür klingelte, war ich mehr als glücklich darüber, denn ich musste nicht mehr auf meinem Stuhl sitzen und an die Wand starren. Ich hüpfte die Treppe runter und öffnete in einem Schwung die Tür. Und genauso gut, wollte ich sie auch wieder zuknallen, sobald ich Noah vor der Tür sah. Widerwillig sagte ich: "Komm rein." Er setzte einen Schritt nach dem anderen, durch die Haustür und blieb dann neben mir stehen.

"Alyssa hat das mit mir und Kian gehört. Sie ist stinksauer." Ich nickte und fragte mich, ob Alyssa ihn auch gefragt hat warum. Und wenn ja, was hat er gesagt? Mir fiel ein, dass ich Alyssa auch noch erzählen musste, was mit Kian und mir passiert ist, denn ich konnte es nicht ewig aufschieben, dem war ich mir bewusst. Ich hatte mir schon ausgemalt, wie sie reagiert. Vielleicht entsetzt und wütend, aber vielleicht glaubt sie mir auch nicht und verspottet mich.

Ob sie sofort mit Kian Schluss machen würde, oder würde sie ihm verzeihen und ihn mir vorziehen. "Er hat nun mal einen Fehler gemacht", hörte ich ihre Stimme bereits in meinem Kopf.

"Oh." "Ja, Oh", meinte Noah, nachdem ich nur dieses eine Wort gesagt hatte. Ich hatte eigentlich gar nicht daran gedacht, wie Alyssa reagiert, wenn sie erfährt, dass Noah Kian eine reingehauen hat. Na ja, nun wusste ich es. "Charlie ist auch sauer auf dich." Er rollte mit den Augen. Danach fuhr er sich durch die Haare und ging an mir vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Ich wusste nicht was er vorhatte, dass einzige was ich konnte war es vermuten.

Ewig war nichts von Noah, geschweige denn von Charlie, zu hören, bis Noah die Treppe runter kam und auf den ersten Blick sah er ziemlich wütend aus. Er stapfte wütend aus der Tür raus und knallte sie zu.

So schnell wie es ging zog ich meine Schuhe an und rannte aus der Tür raus. Ich sah Noah in die Garage reingehen und schnellte hin. Dort angekommen sah ich, wie er seinen Helm aufsetzte und auf sein Motorrad stieg. Ich stellte mich davor, weil ich mit ihm reden wollte, da ich wusste, dass Charlie es sowieso nicht tun würde.

"Lass mich durch, Kayla." Ich schüttelte den Kopf. "Nein." Er seufzte und senkte den Kopf. Ich machte mir wirklich sorgen, dass er übermütig werden könnte, da er viel zu aufgebracht war. "Lass den Scheiß." Ich konnte seine Wut spüren. Ich näherte mich ihm und legte meine Hand auf seine. "Bitte Noah, steig ab."

"Hau ab, Kayla!", brüllte er mich regelrecht an. Ich schreckte zurück und ließ auch gleichzeitig von seiner Hand ab. Ich trat nach hinten, um ihm den Weg frei zu machen. Er gab Gas und fuhr rasend an mir vorbei. Und in dem Moment fühlte ich mich gebrochen.

Die Tür schmiss ich hinter mir zu, als ich ins Haus ging, zog meine Schuhe aus und ging die Treppe hoch, als mir Charlie entgegen kam. Wortlos ging ich an ihm vorbei, doch er drehte sich zu mir um und fragte: "Soll ich uns Pizza holen gehen?"

Schroff erwiderte ich: "Nein." Wohl ein bisschen zu bissig, denn Charlie bemerkte sofort, dass ich ein Problem hatte. "Was ist los mit dir?", entgegnete er ein bisschen angekratzt. "Dasselbe könnte ich dich fragen. Noah ist total aufgebracht gegangen. Was hast du zu ihm gesagt?"

Er rollte mit den Augen, drehte sich um und lief nach unten. Ich lies es nicht zu, dass er mich ohne eine Antwort hier stehen lies. Also folgte ich ihm. "Charlie antworte mir!" Er kümmerte sich immer noch nicht um mich und lief einfach auf die Haustür zu, wo er sich seine Schuhe anzog.

Ich konnte nicht glauben, dass er nun der nächste sein wird, der hier aus der Tür raus stürmt. "Charlie, verdammt, jetzt hau doch nicht ab!"

"Willst du es wirklich wissen?" Mit ein bisschen weniger Elan nickte ich. "Ich denke, dass Noah dich nur verteidigt hat, weil er die Aufmerksamkeit brauchte. Ihn interessiert es doch gar nicht, wie Kian sich dir gegenüber verhält."

Ich bezweifelte, dass Charlie recht hatte, aber was wenn doch? Wenn Noah das nur getan hat, weil er Beachtung brauchte. Ich sah Charlie etwas verzweifelt an. "Denk mal drüber nach", sagte er und ging dann endgültig aus dem Haus.

Umso mehr ich darüber nachdachte, umso schlechter ging es mir. Und irgendwie verletzte mich der Gedanke an Noah nur noch mehr. Die Traurigkeit überkam mich und die Tränen ließen sich nicht aufhalten. Verletzt und gebrochen ging ich die Stufen hinauf in mein Zimmer und verkroch mich unter meiner Decke.

Alles fühlte sich kalt und leblos an. Zerstörte Hoffnungen waren zu sehen. Und ich war alleine. Ich hatte mir die Decke ganz über den Kopf gezogen, um ganz darin zu versinken.

Es hatte mich verletzt, dass Charlie denkt Noah würde so handeln. Und noch mehr tat es mir weh, wenn ich daran dachte, dass es vielleicht die Wahrheit sein könnte. Ich meine, Charlie kennt ihn doch am Besten - wieso sollte er also falsch liegen?

Nach über einer halben Stunde lag ich immer noch im Bett, mit Tränen übergossen und alleine. Ich nahm die Decke von mir runter und setzte mich im Schneidersitz auf das Bett. Ich wischte mir die Tränen mit den Händen weg und stand dann auf, um nach unten zu gehen.

Ich fragte mich, wo Charlie eigentlich hingegangen ist. Wäre er Pizza holen gegangen, wäre er schon längst wieder da, weil er immer nur zehn Minuten braucht, da wir direkt in unserer Straße eine Pizzeria haben. Ich entschloss mich dazu, einfach noch eine Weile zu warten.

Mittlerweile war es schon halb zehn und ich war immer noch alleine. Ich hatte Charlie schon häufiger versucht anzurufen, doch er ging nicht an sein Handy. Ich begann mir wirklich Sorgen zu machen. Er würde niemals irgendwas dummes tun und doch ist er nicht hier.

Ich wollte gerade nach oben ins Bett gehen, als es an der Tür klopft. Ich sprintete hin, in der Hoffnung, dass es Charlie ist. Mit einem großen Schwung öffnete ich die Tür und fand Noah vor. Er hatte eine Wunde auf der rechten Seite seiner Stirn und auf seiner Wange darunter, war getrocknetes Blut zu sehen.

"Noah! Was ist passiert?", fragte ich ihn völlig erschrocken. Ich wusste ganz genau, dass so etwas passieren würde, weil er viel zu wütend weggefahren ist. "Auf dem Weg zurück bin ich Kian und seinen Freunden begegnet", sagte er sauer.

Ich nahm Noah am Handgelenk und zog ihn nach drinnen, um ihn auf die Couch zu setzten. Ich ging nach oben ins Bad und holte etwas zum desinfizieren, dazu ein Wattepad, ein Verband und zusätzlich ein Pflaster und lief schnell wieder zu Noah, der mit einer schmerzerfüllten Miene auf der Couch saß.

"Solche Vollidioten", äußerte ich mich aufgebracht. Ich desinfizierte seine Wunde, legte ein Stück Verband darauf und das es gut hält, klebte ich noch ein Pflaster auf den Verband. "Mein Vater wird sich das später bestimmt nochmal angucken", versicherte ich ihm.

Mit meinem Finger strich ich sanft über das Pflaster. Noah schaute nach oben, um mir in die Augen sehen zu können. "Ich kann nicht fassen, dass Kian das getan hat", gab ich zu. "Du kennst ihn doch." Noah wirkte kraftlos und ziemlich alleine. Ich erinnerte mich an Charlie's Aussage und wusste, dass sie nicht stimmen konnte - Noah würde so etwas nie tun.

Trotzdem machte es mich verletzlich und ich sah schon den glasigen Schimmer auf meinen Augen. Es wurde mir alles zu viel und ich konnte es nun nicht stoppen. Das Noah nun auch mit reingezogen wurde, nur weil er mich verteidigt hatte, fand ich nicht fair.

Ich drehte mich weg, weil ich nicht wollte, dass er meine Tränen sieht. Dass er sieht, wie es mich verletzte. Ich ging zum Fenster und starrte in die Nacht hinein und fragte mich, wo mein Bruder gerade ist.

"Charlie ist schon seit Stunden weg und ich habe keine Ahnung wo er ist", hauchte ich einfach in die Stille. Noah sagte hinter mir erst nichts. Vielleicht hatte er mich nicht richtig verstanden oder seine Reaktion bestand daraus nichts zu sagen. "Wieso ist er abgehauen?"

Ich wischte mir noch eine Träne weg, bevor ich mich umdrehte und sah Noah, wie er mich eindringlich ansah. Ich zuckte zuerst mit den Schultern, obwohl ich insgeheim scheinbar doch wusste wieso. "Ich glaube ich habe ihn provoziert oder so was", erklärte ich, während ich komisch mit meinen Händen herumfuchtelte.

Ich setzte mich wieder neben ihm auf die Couch. So gut wie es ging schmuste ich mich in die Kissen hinein, so, als könnte ich in ihnen versinken. Ich hoffte einfach nur, dass er keinen Mist bauen würde.

Doch ich machte mir nicht nur Gedanken über meinen Bruder. Ich machte mir auch Gedanken über Noah. Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau warum ich mittlerweile so oft an Noah dachte. Klar, er war immer hier, in meiner Nähe und um uns herum passierte viel. Aber wieso führten mich meine Gedanken zu ihm.

Während wir hier so saßen, herrschte Stille. Keine Unangenehme Stille, eher eine sehr friedliche, entspannende. Ich legte meinen Kopf in seine Richtung und beobachtete ihn dabei, wie er grübelte. Seine Augen starrten auf einen Punkt und ließen ihn nicht mehr los. Bis er dann doch meinen Blick bemerkte. Wir sahen uns nur an, auch wenn es mir irgendwie unangenehm war, kam ich nicht von seinem Blick los.

Dann erinnerte ich mich an Charlie's Worte, die Noah nicht erlaubten, auch nur daran zu denken, mich mehr als nur freundschaftlich zu berühren. Albern, wie ich fand. Und ich fühlte mich zudem vor den Kopf gestoßen, weil Charlie nicht über meinen Körper, und wer ihn berührt, zu bestimmen hat.

Auch wenn Charlie seine Worte meine Gedanken nicht mehr losließen, hörte ich dennoch nicht auf ihn anzusehen, irgendwas an ihm faszinierte mich zu sehr. Und dann sprang die Tür auf. Unsere beiden Köpfe sahen in die selbe Richtung und waren beide etwas schockiert, von dem, gedanklich, nicht anwesenden Charlie.

Jedenfalls wirkte er so auf uns. Er schaute uns an, für mehrere Sekunden. Ich fragte mich, was er gerade dachte. Sein Ausdruck veränderte sich zu wütend und verständnislos. "Was soll der Scheiß?", pöbelte er uns direkt an. Keiner von uns beiden hatte eine Ahnung, was genau er meinte.

"Wovon redest du?", stellte Noah die Frage, die mir im Kopf herumschwirrte. Charlie nickte nur mit dem Kopf in unsere Richtung und näherte sich uns. "Von euch." Ich hatte das Gefühl, dass er gerade definitiv etwas falsch interpretierte. "Ich hatte dir genau gesagt, dass du die Finger von ihr lassen sollst."

Er sprach ziemlich unklar und ich wusste genau, dass er wahrscheinlich ein Bier zu viel getrunken hatte. Ich stand ruckartig auf, weil ich auf keinen Fall wollte, dass es ausartete. Ich stellte mich vor ihn. "Charlie, geh einfach ins Bett", sagte ich ruhig. Meine Hand, die ich bis eben noch auf seiner Brust hatte, wurde mit einem Ruck weggerissen.

Mit einer bedrohlichen Haltung ging er auf Noah zu. Ich fand es schon einschüchternd, sodass ich es für besser hielt mich erst mal zurückzuhalten. Bis Charlie's Faust plötzlich Noah's Wange fand. Da Noah nicht vorbereitet war, fiel er zu Boden.

Ich lief schnell zu ihm und versuchte mich zu versichern, dass alles gut ist. Er blutete leicht aus der Nase, aber sonst schien alles gut zu sein. Er musste heute schon viel einstecken - Kian, dann meinen Bruder.

Ruckartig stand ich auf und sah in das Gesicht von meinem Bruder, welches keinerlei Reue zeigte. "Wir haben rein gar nichts gemacht, was dich dazu veranlassen könnte so mit uns umzugehen!" Mit meinen Fäusten schlug ich ihm gegen die Brust, auch wenn ich wusste, dass es ihm wahrscheinlich keinerlei Schmerz hinzufügte - ich musste einfach meine Wut an ihm auslassen.

"Verdammt, verstehst du das nicht!?" Meine Wut auf ihn wuchs nur noch mehr, was Charlie deutlich zu spüren bekam, weshalb Noah mich von hinten vom ihm wegzerrte. Was Charlie anscheinend wieder wütend machte. "Lass sie los!", und zerrte mich von ihm weg. "Ich tu ihr verdammt nochmal gar nichts!", brüllte Noah nun auch.

Keine Sekunde nachdem ich mich von Charlie losgerissen hatte, stürmte Noah auf ihn zu und stieß ihn mit aller Kraft weg. Es begann zu eskalieren und ich ging dazwischen, um schlimmeres zu verhindern.

Es entstand einfach nur ein wildes Durcheinander, von dem ich mich losriss. Ich wollte keinen von beiden jetzt sehen, weil ich einfach nur genervt war. Ich stürmte also in mein Zimmer. "Ihr könnt mich beide mal am Arsch lecken!"

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