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Ich hab keine Ahnung, ob die Reihenfolge der Tänze, die Leo Adam zeigt, einen Sinn ergibt. Schieben wir's einfach darauf, dass er warscheinlich selbst keinen Plan hat, was er da tut. Viel Spaß :)


Am nächsten Morgen saßen sie gemeinsam mit Pia und Esther im Büro.

Aktuell schien es eine regelrechte Leichen-Flaute zu geben. Das war ja im Grunde etwas Gutes, allerdings bedeutete das auch, dass sich das Ermittlerteam nun um die lästigen und langweiligen Aufgaben kümmern mussten und keine Ausrede hatten, um darum herum zukommen.

Gesprächsstoff gab es leider auch kaum. Unter anderem, weil Adam Leo eine strenge Schweigepflicht über ihre Tanzstunden auferlegt hatte. Sonst hätte er sich nach eigener Aussage definitiv nicht darauf eingelassen. Dabei war der gestrige Abend das aktuelle Topthema seines inneren Dauerpodcasts, der sich seine Gedanken nannte. Dementsprechend gerne hätte er ein paar von diesen geteilt. Mit Adam, mit Pia und auch mit Esther. Doch er hatte ja keine Wahl. Er sollte sich schließlich glücklich schätzen, dass Adam überhaupt mitmachte.

Doch jedes Mal, wenn er sah, wie Adams Hand nach irgendetwas griff, sei es ein Stift, ein Hörnchen oder eine Papierkugel um seinen Aggressionen freien Lauf zu lassen, dachte er daran, wie gut sich diese Hand in seiner angefühlt hatte. Dann fragte er sich ob das schon immer so gewesen war.

Es war natürlich nicht so, dass er und Adam regelmäßig Händchen hielten oder so. Aber es gab die eine oder andere Situation, an die er sich erinnern konnte. Bei einem Einsatz, bei dem sie einander nicht verlieren durften. Als sie auf dem Weihnachtsmarkt gewesen waren und Leo Adam zu einem der Waffelstände gezogen hatte. Oder als sie als Teenager in Leos Baumhaus saßen und sich vor Adams Vater versteckten.

Und ja. Jedes Mal hatte Adams Hand sich gut angefühlt. So gut, dass Leo sie am liebsten nicht mehr losgelassen hätte, aber für solche Gedanken war nie Zeit oder Raum gewesen. Erst am gestrigen Abend.

Doch bevor Leo jetzt die Chance gehabt hätte, diese weiter auszuführen, traf ihn eine Papierkugel, die eindeutig aus Adams Richtung kam.

„Ey!", fuhr Leo seinen besten Freund an, auch wenn er nicht wirklich wütend war.

Das schien Adam auch zu wissen, denn dieser grinste bloß provokant zurück: „Selbst schuld, wenn du mir nicht zuhörst!"

Leo war wirklich so in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht mitbekommen hatte, dass Adam ihm irgendwelche Ergebnisse mitgeteilt hatte, die keinen von beiden wirklich interessierten. Aber Arbeit war nunmal Arbeit und wusste von irgendwem erledigt werden. Und das waren nun leider sie. Auch wenn Leo viel lieber jetzt schon wieder mit Adam in seinem Wohnzimmer stehen wurde, um dort das Tanzen zu üben.

Doch zu diesem Vergnügen kam er leider erst einige Stunden voller langweiliger Berichte später.

„Ich würde sagen, wir machen erstmal eine kleine Walzerwiederholung und wenden und dann etwas anderem zu", eröffnete Leo ihre Tanzstunde, „Worauf hast du mehr Lust? Discofox oder Salsa?"

Adam sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren, doch das amüsierte Funkeln in seinen Augen konnte er nicht vor Leo verstecken. „Für mich ist Salsa ein Dipp für meine Nachos und Discofox ein potenzieller Name für eine schreckliche Malle-Band, Leo. Ich glaube nicht, dass ich da was zu sagen kann"

„Sag einfach!", antwortete Leo grinsend.

„Okay, dann Salsa", verdrehte Adam die Augen. Ein Lachen konnte er sich dabei allerdings nicht unterdrücken. Ein weiteres Indiz dafür, dass er nur so tat, als würde er das alles so sehr hassen.

„Super!", meinte Leo und griff nach seinem Handy, „Jetzt aber erstmal Walzer!"

Er startete seine Playlist und wieder begann „Foolish" zu spielen. Grinsend stellte er sich vor Adam und wollte bereits die Tanzhaltung einnehmen, als sein Freund meinte: „Können wir auch mal was anderes hören? Ich fand dieses Lied schon beim ersten Mal schrecklich und es ist die letzten vier Male definitiv nicht besser geworden"

Nun war Leo der, der genervt die Augen verdrehte: „Immer bist du so negativ" Doch er gab nach und übersprang das Lied. Wobei von Nachgeben nicht wirklich die Rede sein konnte, da er sich gar nicht erst auf eine Diskussion einließ. Adam konnte sehr stur sein. Vor allem bei so banalen Dingen. Und bei weniger banalen auch. Im Grunde war er es immer.

Doch als sie schließlich zu tanzen begannen, war Leo schlussendlich auch völlig egal, welches Lied sie dabei hörten. Es änderte nichts daran, dass Leo eine Menge Spaß hatte und am Liebsten gar nicht aufhören wollte, aber sie mussten ja auch irgendwie vorankommen.

Also stoppte Leo die Musik nach zwei Liedern wieder und öffnete seine Salsa-Playlist. Allerdings drückte er noch nicht „Play", da er zuerst die Schritte erklären wollte, bevor sie sie ausprobierten.

„Im Grunde ist es wie beim Walzer", meinte er also „Nur in einem anderen Rythmus. Langer Schritt zur Seite, zwei Kurze auf der Stelle. Etwa so: Apfelkuchen, Apfelkuchen...."

Er zeigte das eben Erklärte , wobei er auf „Apfel" den langen und auf „Kuchen" die zwei kurzen Schritte machte.

„Apfelkuchen?", fragte Adam mit hochgezogenen Augenbrauen und einem breiten Grinsen im Gesicht, „Du weißt schon, dass das überhaupt keinen Sinn macht, oder?"

Leo könnte jetzt eingeschnappt sein, doch das war er nicht. Viel eher freute er sich, weil er es geschafft hatte Adam zum Lachen zubringen, weshalb der eigentlich geplante sarkastisch-schnippische Tonfall seines: „Mir doch egal" nicht ganz über kam. „Und jetzt komm her!"

Wieder überraschte Adam Leo damit, wie schnell sie vorankamen. Es dauerte nicht lange, bis er neben dem Grundschritt auch „Pull & Push" und ein Unterarmdrehung beherrschte. Ganz egal, wie mürrisch er auch tat, er hatte ein Talent fürs Tanzen. Davon war Leo überzeugt.

Leider hatte Leo nicht bedacht, welche Lieder sich in dieser Playlist befanden und so hielt es Adam bei einem Cover von „Sweat (A La La La La Long)" nicht mehr aus und brach lachend in sich zusammen.

Normalerweise wäre Leo jetzt genervt gewesen und hätte ihn gebeten, das alles etwas ernster zu nehmen, doch in diesem Moment war es ihm egal. Das lag daran, dass sie gut voran kamen und dabei Spaß hatten. Warum sollte er daran also etwas ändern?

Vielleicht lag es auch ein wenig daran, dass er Adams Lachen mochte und einen Teufel tuen würde, es ihm zu verbieten. Vor allem wenn es so ein ehrliches Lachen, ohne einen sarkastischen oder bitteren Unterton, war. In solchen Momenten war es so ansteckend, dass Leo nicht darum herum kam, selbst breit zu grinsen.

Generell hatte er schon den ganzen Abend über gute Laune gehabt, wie meistens, wenn er eine gute Zeit mit Adam hatte. Und jede Zeit war besser mit Adam. Das war schon immer so gewesen. Natürlich hatte es auch Momente gegeben, in denen er ihn gehasst hatte, aber selbst dann hatte sich dieser Hass ganz anders angefühlt, als bei anderen. Intensiver und flüchtiger zugleich. Wie so vieles, was er bei Adam empfand, außer dieses eine besondere Gefühl, dass immer da war und schon immer da gewesen ist. Leo konnte es nicht benennen, doch es fühlte sich schön an.

„Ich glaube, es reicht dann auch für heute", entschied er schließlich, worauf Adams Grinsen noch ein wenig breiter wurde. Er selbst hätte allerdings gerne noch mehr Zeit mit Adam verbracht.

„Na, endlich"

„So schlimm kann's doch gar nicht gewesen sein!", antwortete Leo mit einem Lachen.

Adam zuckte bloß mit den Schultern und meinte: „Joa, war ganz okay...Soll ich noch zum Essen bleiben?"

Und das war besser, als jede Antwort, die Leo erwartet hatte.

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