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Und so standen sie wie geplant am nächsten Abend in Leos Wohnzimmer. Er hatte extra ein paar Möbel an die Seite gerückt, damit sie mehr Platz hatten und trotzdem fühlte sich der Raum seltsam klein an.
„Okay...", begann Leo, „Dann zeige ich dir am besten erstmal die Tanzhaltung. Es gibt natürlich auch noch die Doppelhandhaltung, aber die brauchen wir erstmal nicht..."
Er trat einen Schritt näher an Adam heran und griff nach seiner Hand. Als er ihn berührte ging ein Zucken durch Adam, als hätte er sich erschrocken. Es kam ja auch etwas überraschend.
„Sorry, das muss sein...", lächelte er, doch eigentlich musste er zugeben, dass Adams Hand sich in seiner ziemlich schön anfühlte. Sie passten seltsam gut in einander.
„Ich würde sagen, dass ich erstmal mit dem Führen anfange. Ist wahrscheinlich leichter so. Aber wir können ja auch später mal tauschen.", meinte er dann. Adam nickte bloß, was ungewöhnlich für ihn war, wo er doch sonst immer irgendeinen Spruch parat hatte.
„Okay, dann musst du deine andere Hand hier auf meine Schulter legen...", fuhr er fort und platzierte Adams Hand. Dann griff er vorsichtig um Adam herum und sagte: „Und meine muss hierhin"
In diesem Moment fiel ihm erst auf wie nah man sich beim Tanzen eigentlich war. Es war etwas, was ihm noch nie gestört hatte, ganz egal mit wem er getanzt hatte. Und das waren viele gewesen. Männer, Frauen, Menschen die er gut, kaum oder gar nicht kannte. Doch mit Adam war es irgendwie anders.
Es war unangenehm, aber gleichzeitig auch auf eine ganz eigene Weise schön. Leos Herzschlag beschleunigte sich und dieses Gefühl überforderte ihn irgendwie. Vor allem weil er keine Ahnung hatte, was da gerade passierte. Also beschloss er sich einfach auf Dinge zu konzentrieren, die er verstand. Wie Walzer zum Beispiel.
„Ich dachte, wir fangen wir langsamen Walzer an", erklärte er, jedoch ohne dabei die Tanzhaltung zu verlassen, „Das wird auf Caros Hochzeit nämlich garantiert viel gespielt werden. Schließlich ist es eine Hochzeit und Caro liebt Walzer. Ist auch ganz simpel. Schritt zur Seite, zwei Schritte auf der Stelle. Und nochmal!"
Leo begann die Schritte auszuführen. Gemeinsam mit Adam. Dieser machte gut mit, aber der Grundschritt war ja auch keine große Kunst.
Ein paar Momente lang schunkelten sie einfach so hin und her, bis Adam auch endlich mal wieder etwas von sich gab: „Ohne Musik fühlt sich das hier aber ganz schön albern an. Hoffentlich ist es mit besser..."
Leo war ehrlich gesagt gar nicht aufgefallen, dass sie noch ohne Musik tanzten. Er war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, darüber nachzudenken, was an Adams Hand seine Eigene so gut ergänzte. Doch nach dessen Kommentar, ließ er ihn sofort los und griff nach seinem Handy.
„Moment!", meinte er und suchte seine „langsamer Walzer"-Playlist heraus. Er startete sie und „Foolish" von Johnny Mathis beginnt zu spielen. Leo mochte dieses Lied und er liebte es dazu zu tanzen. Adams Kommentar („Schnulziger gehts auch nicht, oder?") ignorierte er einfach und nahm wieder die Tanzhaltung ein.
„Und jetzt das gleiche im Takt", erkläret er überflüssigerweise und begann die eben gezeigte Schrittfolge auszuführen. Nach ein paar Wiederholungen begann er sie langsam zu drehen. Eine kleine Änderung, die eigentlich keiner Erklärung bedarf und Adam schien auch gut damit klar zu kommen. Natürlich war es spürbar, dass er zum ersten Mal tanzte. Seine Bewegungen waren hart und abgehakt, nicht fließend und sanft wie bei Leo. Jedoch schien er zumindest ein gewisses Gefühl für den Takt zu haben und das reichte für den Anfang. Der Rest würde mit der Zeit kommen.
Doch auch wenn Leo eigentlich wesentlich fortgeschrittenere Tanzpartner gewohnt war, störte es ihn kaum, dass Adam eigentlich Welten unter diesem Niveau lag. Im Gegenteil. Es gefiel ihm mit Adam zu tanzen und das lag nicht nur daran, dass ihre Hände so perfekt in einander passten. Auch wenn das vielleicht auch dazu beitrug. Fest steht aber, dass er es mit niemanden sonst ausgehalten hätte, einen ganzen viereinhalb Minuten langen Song nur im Grundschritt zu tanzen. Doch jetzt war er fast traurig, dass das Lied zu Ende war.
Sie hatten währenddessen nicht miteinander gesprochen. Adam war zu sehr damit beschäftigt gewesen, konzentriert seine Füße anzustarren, etwas was Leo ihm of abgewöhnen müssen würde, doch erstmal hatte er ihn machen lassen. Die Stille war auch mal schön. Es chine als würde es nichts geben, außer ihnen und Johnny Mathis ruhige Stimme.
Doch dann war das Lied zu Ende und Leo beschloss, dass Adam jetzt für die nächste Lektion bereit war. Nämlich:
„Die Bierkiste!", kündigte Leo an und erntete sogleich einen verwunderten und amüsierten Blick von Adam.
„Die Bierkiste?"
„Die Bierkiste!" Leo lächelte. Dann ging er einen Schritt vorwärts, einen zur Seite und schloss die Füße wieder. Das Ganze wiederholte er rückwärts. „Stell dir einfach vor, du läufst um eine Bierkiste herum"
Adam warf Leo noch einen skeptischen Blick zu, begann dann aber selbst um eine imaginäre Bierkiste herumzulaufen. „So?", fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
Ein Lächeln huschte über Leos Gesicht. „Genau!", meinte er, „Und jetzt im Takt! Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei..."
Wieder stellte sich Adam verhältnismäßig gut an, weshalb Leo beschloss es nun zu zweit zu Musik zu probieren. Also startete er die Musik und sie nahmen die Tanzhaltung ein, die sich mittlerweile schon viel vertrauter anfühlte, als die zwei Male zuvor.
„So, wenn ich jetzt mit dem rechten Fuß vorwärts gehe, müsst du mit dem linken zurück, verstanden?", erklärte Leo ein letztes Mal, woraufhin Adam bloß: „Ist ja logisch" antwortete.
Sie begannen zu Tanzen und wieder klappte es erstaunlich gut. Zwar verhaspelte sich Adam manchmal ein wenig, aber auch das war völlig normal und es wurde von Song zu Song besser.
Auch die Anspannung der beiden fiel von Minute zu Minute. Sie wurden immer lockerer, unterhielten sich und spätestens als bei einem Lied das Dudelsacksolo begann, mussten sie so sehr lachen, dass sie erstmal eine Pause einlegten. Eine Pause, die sie produktiv nutzen, indem sie sich Pizza bestellten.
Doch bis diese geliefert werden konnte, würde es etwas dauern. Anscheinend waren sie bei Weitem nicht die Einzigen, die heute auf diese Idee gekommen sind. Also war noch genug Zeit, um weiter zu üben. Leo startete seine Playlist neu und sie begannen wieder zu den Klängen von „Foolish" zu tanzen.
Adam beschwerte sich zwar immer wieder, doch Leo glaubte ihm nicht wirklich, dass er jede Minute verabscheute, die sie mit dem Tanzen verbrachte. Dafür war sein Blick zu weich. Vielleicht gefiel es ihm nicht, aber er hasste es auch nicht.
Doch schließlich wurde er von der Türklingel erlöst. Denn dort stand der lang ersehnte Pizzabote mit zwei traumhaft duftenden Kartons in denen sich ebenso traumhaft schmeckende Pizza befand.
Doch bevor sich die beiden Männer darüber hermachten, schlug Leo noch vor: „Morgen wieder?"
Und daran, dass Adam zwar nur mit den Schultern zuckte und nicht widersprach, erkannte er, dass es nicht allzu schlimm gewesen sein konnte. Ihm hatte es jedenfalls gefallen.
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