Kapitel 6
Kapitel 6
Julian
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Kurz bevor ich zum Training fahre, stelle ich sicher, dass die Fenster geschlossen sind, Nala genügend Trinken hat, die Alarmanlage scharf gestellt und die Haustür doppelt abgeschlossen ist, ehe ich das Haus verlasse. Während ich noch dabei bin, den Briefkasten zu leeren, höre ich es hinter mir poltern. Als würde jemand mit vollster Kraft den Deckel der Mülltonne, immer wieder zuschlagen. Im Sekundentakt. Ich drehe mich um und blicke direkt in den penibel gepflegten Garten von Gehstock-Gisela, offiziell Gisela Marianne Back. Diese klopft gerade den kleinen Biomülleimer, am Rand der großen Biotonne ab und starrt dabei zu mir. Auch eine Alternative die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ein »Guten Morgen« rufen hätte ja auch nicht gereicht, gerade, weil sie schon so eine markante und laute Stimme hat. Irgendwas hat die Frau auf dem Herzen. Das spüre ich.
»Guten Morgen, Frau Back«, rufe ich übertrieben freundlich rüber und winke sogar, wie ein Spasti. Mein nettestes Lächeln setze ich auch noch auf. Frau Back verzieht aber keine Miene, nicht mal für einen Millimeter, in diesem faltigen Gesicht. Aber das Biotönnchen wird noch immer ausgeklopft. Lauter und aggressiver denn je. Schluckend schultere ich meine Trainingstasche, in der ich kurz vorher alle Briefe und Reklamen verfrachtet habe und gehe zum Carport. Dort verfrachte ich meine Tasche auf dem Rücksitz.
Heilige Scheiße!
»Haben Sie schon wieder ein neues Auto?«, krächzt Frau Back. Ich fahre vor Schreck zusammen und drehe mich um. Die kleine Dame, steht hinter mir und stemmt ihre Hände in die Hüften. Böse mustert sie abwechselnd mich und mein Auto. »Ist der genauso laut wie das kleine Auto, mit dem sie noch gestern zur Arbeit gefahren sind, oder wie die Schrottlaube in der Garage.« Autsch. Die Schrottlaube in meiner Garage, ist mein allererstes Auto gewesen. Ein alter 3er BMW Coupé. Baujahr 2004. Selbst gekauft, okay, teils, nachdem ich mein Führerschein ohne Fehlerpunkte bestanden habe. Mama, Papa und auch Oma Lilli, haben etwas an Geld rüberwachsen lassen, damit ich mir diesen gebrauchten Traum erfüllen konnte. Obwohl Mama, damals der Meinung gewesen ist, dass mir ein Renault Twingo besser stehen würde. Eine Knutschkugel, ohne Servolenkung, bei dem ich mit meinem 1,86 Meter, locker auf dem Rücksitz sitzen musste, um überhaupt fahren zu können. Der Twingo sei sicherer, als dieser hässliche BMW. In dem kann ich mich ja schneller um einen Baum wickeln.
Überraschung.
Bis auf einen kleinen Unfall, beim Wenden in drei Zügen und das ich mir die Felgen beim Seitwärtseinparken, ruiniert habe (bin kein Profi im Seitwärtseinparken), habe ich mich nicht um den Baum gewickelt. Ganz im Gegenteil. Eigentlich bin ich ein ganz ruhiger und besonnener Fahrer. Geblitzt wurde ich auch noch nicht. Ein Ticket fürs Falschparken? Fehlanzeige. Weiße Weste.
Natürlich kann ich den 3er fahren, aber da sind einfach zu viele Verschleißteile kaputt und müssen erneuert werden. Aber dazu fehlt mir die Zeit und die Lust, auch wenn ich gern selbst an Autos herumschraube. Verkaufen steht ganz bestimmt nicht zur Debatte, dafür hänge ich viel zu sehr an diesem blauen BMW, mit den zerkratzten Chromfelgen.
»Ja, ich habe ein neues Auto. Gute Auffassungsgabe, Frau Back«, lobe ich die alte Dame. Innerlich kotze ich schon vor Sarkasmus. »Ich bin gestern in einem Unfall verwickelt gewesen.«
»Ich kann lesen. Steht in der Bild. Die B1 ist eh die Hölle. Ich fahre da auch nicht gerne lang. Aber immerhin leben Sie noch. Welch eine Freude.« Wieder mustert sie den Geländewagen. »Aber diesen Elefanten... das ist schon eine ganz andere Hausnummer. Ist dieser Bolide, denn genauso laut, wie Ihre anderen Autos? Mein Dackel, hat ein empfindliches Gehör, wissen Sie...«
Das haben alle Hunde, Gisela, nicht nur Dietrich, der dauergeile Dackel. »Dieser Bolide, ist tatsächlich um einiges leiser, Frau Back.« Ich drücke die hintere Beifahrertür zu und spiele ungeduldig mit den Autoschlüssel in meiner Hand herum.
»Watt kostet datt Dingen?«
»Geld. Steine nehm' die nicht.«
Frau Back starrt mich an, als hätte ich ihren geliebten Dietrich, auf die andere Straßenseite getreten.
»Ganz schön frech heute. Haben wohl gut geschlafen, wat?«, motzt sie.
»Immer. Aber das ist eh nur ein Leihwagen, den ich für einen bestimmten Zeitraum fahre. Wenn die Frist abgelaufen ist, kann ich den Vertrag verlängern, oder mir ein neues Auto aussuchen. Das nächste Mal, nehme ich einen Ford Mustang GT.« Marcos Frau würde mich umbringen, wenn ich nach eben diesem Auto fragen würde. Sie versucht mir die ganze Zeit schon einen Chevrolet Camaro heiß zu machen. Aber bisher lehne ich ab und teste die deutschen Automarken durch.
»Wenn man das Geld hat und dieses unnötig verschwenden will, dann bitte. Fahren Sie nur vorsichtig mit ihrem Panzer. Das ist eine 30er Zone, die in eine Spielstraße geht. Hier laufen Katzen, Kinder und ältere Herrschaften herum.«
»Vielen Dank für die Erinnerung, Frau Back. Ich muss dann auch los. Würden Sie sich bitte...« in Salzsäure auflösen, aber ich halte mich zurück. »... aus der gefährlichen Zone begeben. Dankeschön.«
Nachdem Frau Back über die Straße und in ihrem Haus verschwunden ist, setze ich zurück und mache mich auf dem Weg zum Training. Leider. Das Gespräch mit Rose steht noch an.
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