Kapitel 3
Kapitel 3
Julian
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Mein Audi, hinter mir auf dem Abschleppwagen, meine volle Trainingstasche auf meinem Schoß, Sep, ein typischer Ruhrpottler neben mir auf dem Fahrersitz. Dialekt des Todes, Vokuhila, blondiertes Haar, Fluppe im Mundwinkel und bereits die strahlend-leuchtend, weißen Dritten im Mund – ein Lächeln wie Dieter Bohnen, ebenso wie die Solariumbräune. Den Bierbauch, vermutlich durch Brinkhoff's, weil er ein liebender Dortmunder ist, lass ich mal außen vor. Eben noch dröhnt, der Kuperkopf von Ed Sheeran über die neuwertigen Bose-Boxen, schon übernimmt die viel zu aufgedrehte Radiomoderatorin des Senders High5, das Reden. Och, bitte, halt's Maul, ehrlich und spiel einfach die fünf Lieder, die ihr immer abdümpelt. »Neues aus Hollywood. Kim Kardashian hat sich eine schwere Verletzung zugezogen...« Ist ihr ein Fingernagel abgerissen, als ihr ihre Skims beim Anziehen um die Ohren geflogen ist? Dann muss sie ja noch ein Knalltrauma haben. Katastrophe.
»Beim Bleachen ihres Polochs, hat sie sich schwere Verätzungen zugezogen...«
Cool, auf diese Nachricht hab ich bereits mein ganzes Leben gewartet. Zufälligerweise, berichtet Kim K. das natürlich, bevor die tausendeste Staffel Keeping Up With The Kardashian ausgestrahlt wird. Hm, riecht nach PR. Vermutlich werden die den dramatisch-gestellten Vorfall in der neuen Staffel begutachten dürfen? Vorher schütte ich mir Bleiche in die Augen. Die aufgedrehte Moderatorin bestätigt meine Vermutung auch noch. Im Ernst? Hat die was intus, oder so? Oder generell, die Hälfte der Menschheit?
Und warum bleacht man sich das Arschloch? Ästhetik? Langeweile und zu viel Geld?
Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Sep eine angebrannte Kippe aus dem geöffneten Fenster wirft. Auch wenn wir noch kein Sommer haben, aber dafür warme Temperaturen und seit einiger Zeit kein Regen mehr, kann sowas einen Brand auslösen. Ich sage aber nichts, da meine Gedanken, von einem schleimigen Husten von Sep unterbrochen werden. Gleichzeitig schiebt er sich schon die nächste Fluppe zwischen die trockenen Lippen. Auch wenn er kein Angestellter von Marcos Frau ist, sondern nur dem Leasing-Unternehmen angehört mit dem die schon lange Geschäfte machen... nein, verpetzen ist nicht so mein Ding, obwohl ich weiß, dass es May genauso aufregen würde.
Sep, ignoriert mich und ist offensichtlich kein Mensch der großen Worte. Ist mir ganz Recht, so kann ich schon mal, angelehnt auf Creep, nach Nami suchen. Ja, ich weiß, dass es dumm ist und sich das nicht gehört, weil sie verheiratet ist und meine Chancen gleich null sind und ich mich schon wie ein krankhafter Stalker... ist das schon Stalking, oder kann man das noch als Neugier bezeichnen?
Was gebe ich denn bei Facebook ein? Der Nachname, wie war noch mal der Nachname? Ah, stimmt. Rubio. Oh, na super. Mein Suchergebnis geht in den fünfstelligen Bereich. Suche erweitern und Dortmund eingeben. Nichts mehr. Gibt es doch nicht. Rubio in Deutschland. Knappe 50. Aber auf den Profilbildern lässt sich nichts erkennen. Auf Instagram werde ich auch nicht fündig. Vermutlich heißt sie da noch nicht mal so, wie sie heißt. Ich probiere auch die Schreibweise Rubió aus, aber das Ergebnis ist genauso ernüchternd. Die ominöse Nami will sich nicht finden lassen.
Oder ich bin einfach zu dumm. Wieso warte ich nicht ab, bis sie mich anschreibt, weil sie die Fotos vom Unfall braucht? Seufzend schließe ich die Apps und lasse mich nach hinten in den Sitz fallen. Das ist wohlmöglich, der erste und letzte Tag, dass ich diese Frau gesehen habe. Wer weiß, ob sie mir überhaupt schreiben wird. Das ganze wird doch so oder so von der Polizei bearbeitet, weil diese die Unfallprotokolle an die Versicherung weiterleiten müssen - denk ich mal. Ach, keine Ahnung. Das einzige was ich weiß, ist: Nami hat sich, völlig aus dem Nichts, in mein Hirn gebrannt und wird da erstmal nicht verschwinden. Fuck.
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Ich sitze im Wartebereich von Peters Autoverleih und spiele unbeeindruckt und um die Langeweile zu überbrücken, Fruit Ninja auf meinem Handy, als ich jemanden fluchen höre.
»Aha, du lebst noch.«
Ich blicke auf, nachdem ich eine Bombe erwischt habe und blicke direkt in das Gesicht von Marcos Frau. May Reus, einer Frau mit der man sich besser nicht anlegen sollte - habe ich das schon mal erwähnt? »War doch nur ein Auffahrunfall«, bemerke ich trocken und aktiviere die Tastensperre.
»Es gibt Menschen, die sterben schon bei mickrigen Geschwindigkeiten. Dir geht's soweit gut?« Ihre braunen Augen Mustern mich.
Ich nicke. »Alles gut. Ehrlich. Haben Peter, oder Sep schon etwas wegen dem Auto gesagt?«
»War noch gar nicht bei den Flitzpiepen. Ich will so wenig wie möglich mit den beiden quatschen.« May lässt sich auf den Sessel fallen und atmet tief durch. »Hab gehört, dass Peter ein paar neue Geländewagen reinbekommen hat. Der neue X5 hört sich gut an.«
»Elektro?«
May verzieht angewidert das Gesicht. »Benziner meinte Dennis.« Dennis ist ebenfalls ein Mitarbeiter bei Peter, der aber auch oft genug in der Tuningwerkstatt von May steht, um seinen alten CL500 aufzumotzen.
»Kannst ja da mal nachforschen.«
Ich nicke. »Danke, mache ich. Wo hast du die Chaoten gelassen? Die hängen dir doch immer am Rockzipfel.«
»Sind zuhause. Kane und Mina liegen mit Magen-und-Darm flach. Marco lenkt sich ab, in dem er in der Küche Weihnachtskekse backt.«
Ich blinzle verwirrt. »Wir haben Mai.«
»Tja, eure Fußballerische Meisterleistung lässt auch den coolsten Kapitän verzweifeln.«
»Nicht nur der Kapitän ist verzweifelt. Wir alle sind das.«
»Ich sehe mir jedes Spiel an. Blinde, beinlose Menschen spielen besser, als ihr momentan.«
»Danke Frau von und zu Reus. Das ist mir bewusst. Marco sicherlich auch.«
Mays Ehrlichkeit, man, damit streut sie nur noch mehr Salz in die Wunden von uns.
Sie starrt mich an, als wolle ihr Blick mich in Staub verpuffen lassen. Dann schlucke ich und weiche ihren dunklen Augen aus. »Gibt es denn etwas Neues von deiner Oma?«, hakt sie nach.
Augenblicklich schnürt sich mein Hals zusammen. Ich greife nach der Flasche Wasser vor mir auf dem Tisch und muss erstmal einen kräftigen Schluck trinken. May wartet geduldig auf eine Antwort. »Nichts Neues. Nicht besser, aber auch nicht schlechter«, antworte ich. »Wundert mich, dass du Marco davon nichts gesagt hast- also was mit mir los ist.«
»Weil ich keine Petze bin. Du hast zu mir gesagt, ich soll's für mich behalten, also behalte ich's für mich. Marco muss auch nicht alles wissen.«
Dankend blicke ich sie an. »Danke.«
»Was auch immer«, murmelt May und steht vom Hocker auf. Sie greift in ihre Handtasche und reicht mir plötzlich eine Tüte mit Keksen hin. »Marco hat die zwar gebacken, aber nach meinem Rezept. Also Durchfallfrei. Hoffentlich.« Dankend nehme ich die kleine Gebäcktüte entgegen. »Ich lass mich mal wieder von Peter und Sep belabern, dass Frauen nichts in einer Autowerkstatt zu suchen haben.«
Ich lache leise. »Denk daran. Mord ist moralisch verwerflich. Du hast Kinder und einen Mann, der vermutlich bald in Keksen untergehen wird.«
»Ich lass es wie ein Unfall aussehen. Das hat bisher immer geklappt. Mach's gut«, tönt May ernst und verlässt den Wartebereich.
Kopfschüttelnd wende ich mich wieder meinem Handy zu. Aber anstatt eine Runde Fruit Ninja zu zocken, schreibe ich Kai zurück, der mir geschrieben hat.
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