Bokuto lächelte mich sanft und doch noch ein wenig geknickt an. Es schien ihn zu freuen, dass ich doch noch Interesse an dem ganzen hier hatte, wobei ich irgendwo ja keine andere Wahl hatte. Ich war nun hier und wenigstens etwas wollte ich mich schon zurechtfinden. Daher lag es nahe, mir von ihm einiges erzählen zu lassen.
"Angefangen hat all das vor vielen, Tausenden Jahre, etwas vor den Menschen, wenn ich mich recht entsinne. Das Volk der Vögel existiert schon seit Ewigkeiten, aber das macht uns keineswegs primitiver oder besonders fortschrittlicher gegenüber den Menschen. In unseren Augen sind wir weder besser noch schlechter, wir sind uns so ähnlich, dass wir wohl gleichgesinnte sein sollten.
Dieses Land liegt hinter Nebeln, die nur für Geweihte durchdringbar sind und jene, welche sich ihnen anschließen. Er schützt uns, aber auch die Außenwelt. Eine Insel inmitten des Nichts, doch für uns ist es wie eine nicht vergessbare Koordinate, als würde uns ein Magnet stetig zurück an diesen Ort ziehen. Hier wächst der Baum des Friedens, der das Symbol für die Gleichheit eines jeden steht. Ob du nun zu den Eulen, den Raubvögeln oder doch den Singvögeln gehörst, hier wird dir keiner Schäden zufügen. Hier ist das heilige Land und wer es entweiht, wird seinen Zorn zu spüren bekommen.
Das war nicht immer so, aber seitdem es so ist und es in jeder Gruppe Einzelne gibt, die sich für die Einhaltung der Rechte einsetzen, wird es auch auf lange Sicht so bleiben. Keiner weiß genau, wie dieser Ort geschaffen wurde, die Alten behaupten, einer der vier Winde hätte ihn erschaffen und uns geschenkt, aber... in meinen Augen klingt das weniger glaubwürdig.
Jetzt aber zu der Rangordnung, welche hier herrscht. Es gibt insgesamt vier Clans, welche ursprünglich aus drei bestanden, bis die Eulen sich abgehoben haben und inzwischen die Baumkronen besetzen.
Die Körner sind diejenigen, die die Mitte des Baumes bewohnen. Um ganz ehrlich zu sein, sind sie eher klein gebaut, aber sie haben einiges an Grips und Durchsetzungsvermögen, trotz ihrer Größe. Angeführt werden sie von einer Legion aus Kernbeißern und Kleibern, zwei sehr nette junge Männer.
Die Käfer besetzen dahingegen die unterste Etage und lassen sich von so einem hochnäsigen Specht führen. Der Typ geht einem dermaßen auf die Nerven, also geh ihm lieber aus dem Weg, es wäre einfacher, wenn du ihn meidest. Seine Kinder sind dahingegen recht nett.. aber- egal.
Na ja und dann gibt es eben noch die Jäger, wie sie sich nennen. Angeführt von einem übergroßen Seeadler, der aber alles andere als ein Arschloch ist, obwohl er direkt unter uns wohnt. Eigentlich ein ganz netter Typ, wenn er nicht so 'nen Stock im Arsch hätte, aber das ist ja nicht gerade von belangen."
Nun herrschte eine unwohle Stille zwischen uns, während ich meine Arme an meinem eigenen Körper vergrub und in meine Gedanken versank. Das alles waren viele Informationen auf einmal und ich hatte nicht geglaubt, dass es derartig viele.. Vogelmenschen..? Was waren sie? Waren sie Vogelmenschen? Harpyien? Doch ich traute mich nicht, diese Frage indessen ebenfalls noch zu stellen, zu sehr hatte mich der Moment zuvor gebrochen, als dass ich soeben noch mehr Interesse zeigen wollte. Dennoch griff ich den zu vorigen Gedanken wieder auf. Hieß das, dass womöglich jeder Vogel eigentlich ein Mensch war? Mein Herz stockte und unwohle Gefühle breiteten sich in mir aus. Was diese Leute, die womöglich in meiner Wohnung saßen, sich dann wohl-. Schwer schluckte ich und spannte mich unter einer großen, warmen Hand an meinem Rücken an.
Ein unangenehmer Schauer ging durch meinen Körper, während ich ihn dennoch weiter gewähren ließ, mich nicht gegen ihn wehrte. "Wie ist das? Mischt ihr euch als Vögel unter Menschen... oder?", platzte die unausgesprochene Angst dann doch aus mir, mit einem panisch, wackeligen Unterton, den selbst ich nicht so von mir kannte.
Bokutos gerötete Augen kniffen sich kurz zusammen, als würde er mich scannen, versuchen herauszufinden, was ich gerade dachte. Davon mal abgesehen war die Erzählung, die er mir geleistet hatte, eines der best artikulierten Sachen, die ich je von ihm zu hören bekam, doch das war jetzt unwichtig.
Plötzlich zuckte er einfach mit den Schultern, was mein Temperament schon wieder in Wallung brachte. "Manche tun das. Meistens entscheidet man mit der Volljährigkeit, ob man primär als menschliches Wesen leben will oder den Großteil seines Lebens als Vogel verbringt. Die Entscheidung hat allerdings Auswirkungen auf die Lebensdauer." Erst da fiel mir wieder ein, dass Bokuto -als schnelles Beispiel dahin genommen- nur zum Teil Gefieder bekam. Es hatte mich ganz schön aus der Bahn geworfen, als er angefangen hatte, von irgendwelchen Vogelgattungen zu sprechen, unter deren Begriff ich mir nicht mal etwas vorstellen konnte. Mir blieben jegliche weiteren Bemerkungen oder Kommentare im Hals stecken, während mein Körper damit für einheitliches Schweigen entschied.
So verbrachten wir einige Momente, in denen ich nicht mal ahnen konnte, was in seinem Kopf vorging. "Was denkst du, wie all das entstanden ist?", hakte ich also nach der verstrichenen Zeit nach, schließlich hatte er sich deutlich differenziert.
"Ehrlich?", fragte er, was mich nur verschwiegen nicken ließ, "Ich weiß es auch nicht so genau. Aber dass ein Wind das hier geschaffen haben kann? Nie im Leben. Im magischen Aspekt ist zwar Vieles zu Vielem in der Lage, aber ein einfacher Südwind kann wohl kaum eine ganze Welt schaffen. Das passt vorne und hinten nicht zusammen." Seine Meinung klang plausibel, doch ich konnte nur wenig mitreden. Bis vor wenigen Tagen, hatte ich nicht mal im Entferntesten daran gedacht, dass etwas Derartiges existieren konnte. Ich hatte mich fest an den Gedanken einer sicheren, unmagischen Welt geklammert, wie es wohl jeder Sterbliche tun würde.
Hätte mir vor ein paar Monaten jemand gesagt, dass ich in einer abgeschiedenen, von Magie erfüllten Welt landen würde und das auch noch mit meinem Ex-Lover, hätte ich ihn nicht nur für verrückt erklärt, sondern womöglich auch noch eine Anzeige wegen Belästigung ausgestellt.
Wieder schüttelte ich den Kopf, als ich mir eingestehen musste, wie absurd all das hier war.
Doch es half ja alles nichts. So oder so würde ich erstmal hier festsitzen. Für einen Menschen, der jetzt als Verlobter eines Prinzen dastand, gab es wohl kaum entkommen.
Was mir dahingegen entging, als ich derartig intensiv meinen Gedanken nachhing, war der musternde Blick meines Sitznachbarn, der zwar auch seinem Denken nachzugehen schien, allerdings wohl auch eine gewisse Faszination für meinen Körper gefunden haben musste.
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