6. Kapitel - Feelings
"Im Königreich der Eulen."
Ich wusste nicht, auf was ich vertrauen sollte, woran ich glauben sollte und so trieb ich in diesem Strom, der so viele verschiedene Flüsse zu einem einzigen bündelte. Und dieser Strom war Bokuto, denn er leitete mich durch dieses Chaos, er war der Anker, der mich in der greifbaren Nähe der Realität behielt. Erneut stieß er eine große Doppeltüre auf, was uns in einen Saal führte, um bei den Details zu bleiben, einem Thronsaal. Ein alter Mann stand ruckartig auf und lief auf uns beide zu. "Mein Sohn!", freute er sich, während ich zurückwich. Dieser Mann.. Seine Flügel waren so gigantisch, dass er noch mächtiger erschien, als es sein Aussehen vermuten ließ. Mein Herz rutschte in meine Hose, während ich mit Angst in den Augen vor der großen Gestalt zurückwich. Dass einige Angestellte entsetzte Gesichter zogen, bekam ich nicht mit. "Vater, das ist Akaashi, mein zukünftiger Gemahl. Akaashi, das ist mein Vater, der König der Eulen."
In diesem Moment war ich wieder unklar darüber, was mich mehr entsetzte. Im einen nannte mich Bokuto ohne Nachfrage seinen Zukünftigen, also wahrscheinlich Verlobten und im anderen wurde ich gerade einem wahrhaftigen König vorgestellt. Mein Herz setzte für einen Moment aus und ich war über die Oberstufen-Zeit mit Bokuto froh, denn nur so konnte ich dieses ganze Chaos einigermaßen gut wegstecken, hatte er ein solches früher schon öfters angerichtet.
Wie wir letztendlich aus dieser derart seltsamen Situation gekommen waren, wusste ich auch nicht mehr so ganz. So saß ich nun auf einem weichen Bett, starrte nach draußen in den Sonnenuntergang, beobachtete eine Stadt wie sie aufwachte und zeitgleich einschlief, eine Stadt die ich nicht kannte, die mir so seltsam fremd und doch so bekannt vorkam. Kurzum war ich selbst von meinen Gefühlen so verwirrt, dass ich sie nur ungern einfach zuordnen würde, mir dafür lieber weitaus mehr Zeit lassen würde.
"Ich hab dir frische Kleidung besorgt!", sprach eine freudige Stimme, die nur von einer Person stammen konnte. Im Moment interessierte mich diese Aussage allerdings nur sehr halbherzig. Viel mehr wartete ich auf die Erklärungen, die Entschuldigungen, die mir dieser verdammte Idiot langsam mal schuldete.
Eine unangenehme Stille legte sich über uns. Ich vernahm, wie Bokuto sich räusperte, während ich einfach weiter an Ort und Stelle saß. Gerade wollte ich den Mund aufmachen, um ihm Vorwürfe zu machen oder wenigstens darauf hinzuweisen, dass er sich doch bitte erklären sollte, doch er kam mir zuvor, war er scheinbar doch besser darin, die Mimik anderer nachzuvollziehen, als ich es ihm zugetraut hätte. "Es tut mir leid, Akaashi! Wirklich sehr! Ich hätte dich nicht einfach entführen dürfen... Aber du musst meine Situation auch verstehen... Zumindest ein wenig!" Mir entging die Unsicherheit in seiner Stimme nicht und am liebsten hätte ich ihn einfach angeschrien, gebrüllt, was mir durch den Kopf ging, was ich seinetwegen alles zurücklassen musste und von daher nicht mal eine eigene Entscheidung treffen konnte. Doch ich blieb still. Kein einziger Laut entwich meiner Kehle, während ich weiterhin aus dem Fenster starrte und ihm keines Blickes würdigte. War es, weil ich dachte, er hätte es nicht verdient? Weil sein Gesicht Gefühle in mir auslöste, die ich nicht auszusprechen wagte? Oder einfach, weil ich so tief in irgendwelchen gedanklichen Dimensionen saß, dass es mir gar nicht möglich war, mich zu bewegen? Ich wusste es partout nicht. Doch in letzter Zeit, nein, seitdem er bei mir aufgetaucht war, wusste ich allgemein nicht mehr so viel. Er schaffte es tatsächlich, dass ich immer weniger zu wissen schien. Verschleierte er meinen Verstand? War das eine seiner neuen Fähigkeiten? Im Moment wirkte es nämlich so, als ob ich die Oberstufen-Zeit, mit einem komplett Fremden verbracht hätte, als ob ich mit einem Fremden, eine unbekannte Beziehung geführt hätte.
Erst als sich ein Schatten über mich legte, schnappte ich wieder nach der Realität. Aus meinen grauen Augen sah ich zu ihm auf, wusste nichts mehr. "Wer bist du?", drang es aus mir, während ich ihn so ansah, zutiefst verletzt von dem Mann, den ich ja doch wieder nicht kannte. "A-Akaashi...", hörte ich ihn stottern. Mein Körper erzitterte. "Ich bin immer noch derselbe, den du- Den du geliebt hast." Erst als Tränen mein Kinn kitzelten und langsam immer wieder auf meinen Schoß tropften, stellte ich fest, dass ich weinte. "W-Warum weinst du?", fragte Bokuto mit brüchiger Stimme, der allerdings ebenfalls kleine Tränenflüsse auf seinen Wangen hatte. "Ich... Ich weiß nicht", schluchzte ich und spürte wie sich die Matratze neben mir senkte. Doch auch wenn ich diese Aussage tätigte und sie immer wieder tätigen würde, wusste ich tief in mir, warum ich so sensibel reagierte. Es war die Angst ihn erneut zu verlieren, die Angst nicht in seine Welt zu passen. Verwirrung, die mich so sehr frustrierte und zugleich auch die Wut auf mich selbst, dass ich ihn so schlecht behandelte, wo er sich doch so viel Mühe gab. Doch neben diesen Ängsten, die sich auf meine Umwelt bezogen, war da auch noch die Angst, dass ich inmitten dieses Chaos mich selbst verlieren würde. Ich hatte Angst, doch aus dieser Angst projizierte sich eine tiefe Trauer, die ich seit einer zu langen Zeit tief in mich gedrängt und dort verschlossen hatte. Langsam, fast als ob die Bewegung mein Zögern nochmals verdeutlichen wollte, sank ich an seine Brust, vergrub mein Gesicht schließlich doch dort und ließ die verborgenen Gefühle und Emotionen einfach zu, weinte mir die Seele aus dem Leib, bis ich keine Tränen mehr übrig hatte, gab für diese wenigen Momente zu, dass er mir wichtig war.
Behutsam löste ich mich von ihm, äußerte mich nicht, sondern rieb mit meinen Ärmeln meine Augen trocken, während mein Puls immer noch etwas zu schnell ging, meine Hände, genauso wie meine Knie zittrig. Doch ich konnte und wollte ihm keine Erklärung liefern.
"Ich wollte dir eigentlich etwas über die Geschichte des Landes erzählen... aber ich hab das Gefühl, das wäre jetzt der falsche Zeitpunkt", sprach Bokuto nach einigen Minuten der Stille. Seine Stimme war zittrig, doch keineswegs mehr zu brüchig wie zuvor. "Doch bitte... erzähl mir etwas hierüber", bat ich ihn also darum. Ich wollte mich etwas ablenken und so ging das wohl am besten.
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