5. Kapitel - Kingdom

Es schienen schon fast Stunden vergangen zu sein, bis ich meine Augen zögernd öffnete. Wenn wir bis jetzt noch nicht aufgekommen waren, dann würde jetzt doch auch nichts mehr kommen... oder?
So wagte ich also den Blick und erblickte ein unendliches Meer aus Wolken. Dass ich gerade an eine Person, die ich eigentlich mehr als mich selbst hasste, geklammert war, hatte ich spätestens in diesem Augenblick vergessen. In diesem Moment begann ich mich sicher zu fühlen und streckte meine Hand aus, um wortwörtlich nach den Wolken zu greifen. "Es ist wunderschön", murmelte ich und sah kurz wieder in die gelben Augen des andern, ehe ich mich wieder ganz auf diesen Anblick konzentrierte. Die Kälte hier oben fiel mir schon gar nicht mehr auf. An meinem Arm hatten sich einige Wassertropfen festgesetzt, doch gerade war ich viel zu fasziniert von diesem Anblick, der sich mir bot. Denn dieser raubte mir tatsächlich den Atem. So flogen wir noch eine ganze Weile und ich hatte mich tatsächlich in seinen kräftigen Armen etwas gehen lassen, ehe ich wieder in die Realität einsickerte. Es war nicht nur irre, dass er nichts sagte, wir über den Wolken waren, sondern physikalisch gesehen doch auch unmöglich! Mein Herz begann zu Rasen und ich schnappte nach Luft. Ehe ich mich nun versah, waren wir tiefer in die dichten Wolken eingetaucht. Ist das nicht gefährlich? "Bist du irre!? Spinnst du?!", ich schrie ihn damit sicherlich nicht nur einmal an, machte es ihm wirklich schwer vorwärtszukommen. Zumindest rückblickend betrachtet, war das, was ich tat, mehr als Waghalsig. Immer mehr begann ich  mich in seinen Armen zu winden. Und schließlich geschah, was geschehen musste und ich glitt wie ein Aal aus seinen Armen. Keine Sekunde später, so fühlte es sich zumindest an, war ich wieder in seinen Armen. "Sicher das ich der Irre hier bin?", meinte er mit einem belustigten Glucksen. Sein Wissen überragte das Meine zurzeit um Welten. Bis jetzt bin ich mir nicht ganz sicher, was mein Grund für die Unruhe war, dass er besser als ich war oder doch eher, dass ich ihm, den ich so sehr hasste, die Kontrolle über mein Leben geben musste.

"Du wirst es noch lernen", meinte seine tiefe Stimme und ich sah das zarte Lächeln auf seinen Lippen.
"Was?"
"Das Fliegen", erwiderte er.
Ich verstand nicht ganz.
"Mit eigenen Flügeln zu fliegen, das wirst du lernen."

Diese kurze, so knappe und scheinbar unbedeutende Konversation, hatte sich wie das Wissen über Volleyball bei mir eingebrannt. Vielleicht baute unsere Beziehung von hier an darauf auf oder es war doch etwas anderes. In diesem Moment gab er mir die Sicherheit, dass ich das nächste Mal hier die Kontrolle selber haben würde, dass er diese über mich gar nicht brauchte und mir ohne Angst Freiheit schenken konnte. Etwas angespannter als zuvor wich ich seinem Blick aus. Irgendwie hatte er mit dieser philosophischen Art etwas tief in mir bewegt, etwas das ich eigentlich nicht zugeben wollte, etwas was mich kompliziert fühlen ließ. Doch diesmal unternahm ich auch keine weiteren Fluchtversuche, sondern genoss einfach im Stillen die Schwerelosigkeit. 

Die Zeit flog langsam und gemächlich an uns vorbei, ehe ich eine Insel vor uns sah. Groß war sie nicht, aber der gigantische Baum alleine, erinnerte mich an das, was mir bisher nur in Büchern beschrieben wurde. Unter uns bemerkte ich erst jetzt das unendliche Meer. Wie lange waren wir denn bitte geflogen? Unruhig schnappte ich nach der Luft, atmete tief die salzige Luft ein. Mein Herz zog sich zusammen. Es musste schon ewig her sein, dass ich am Meer war.. Es weckte so viele Erinnerungen in mir, Erinnerungen mit Bokuto.. Dinge die ich so weit von mir geschoben hatte... Warum war er so? Warum löste er all das aus?

Und da war dieser kleine Moment, der nur wenige Millisekunden anhielt, indem ich fast in seinen Armen angefangen hatte zu weinen. Dieser Mann löste so viel in mir aus, so viel Emotion die ich noch nie gespürt hatte. Wortlos legte ich meinen Kopf an seiner Brust ab, hörte wie sein Herz schlug. Ich wollte doch nicht mal seine Nähe... Nein eigentlich wollte ich einfach nicht ganz wahrhaben, dass er mir etwas bedeutete, dass er mir noch immer wichtig war.

Kurz darauf landeten wir auf einem recht erdigen Hügel und ich hatte endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Sofort brachte ich etwas Abstand zwischen uns und entfernte mich zu ihm. Allmählich stieg in mir doch etwas Panik auf, als ich feststellte, dass hier nichts und wieder nichts war. Es war eine feststehende Tatsache, dass wir umgeben von Wasser waren. Furios breitete ich meine Arme aus. "Bokuto! Wo zur Hölle sind wir?!", schrie ich ihn darauf an, meine Augen vor Angst geweitet. Ich spürte meinen Puls in meinem kompletten Körper, während ich auch nicht sicher war, was er sich bei dieser Aktion gedacht hatte. "Wir sind.. in der Gegenwart und doch auch nicht", meinte er. Anders als die Tage zuvor wirkte er so viel selbstsicherer, was mich wiederum etwas verunsicherte. Langsam senkte ich meine Arme wieder. "Komm." Überfordert tappte ich ihm hinterher. Er berührte die Leere und ehe ich mich versah, war der gigantische Schutzwall, nein eher eine Kuppel, die ein gesamtes Reich, eine komplette Welt, verdeckt hielt, zu sehen. Der Grauhaarige schritt mit einer mir gewohnten Leichtigkeit durch diese, ehe er meinen Arm ergriff und mich mit sich zog. Ich war noch immer überwältigt von dem Anblick und war froh, in der Lage zu sein, meinen Mund geschlossen zu halten. Still folgte ich ihm und allmählich dämmerte es mir. Alles, was ich für Lügen, für "blödes Gelaber" gehalten hatte, entsprang einer Wahrheitsquelle, die unrealistischer nicht scheinen konnte. "Mein Prinz", entwich es den Kehlen mancher Personen. Die einen waren mehr Vogel als Mensch und anderen sah man ihre Abstammung gar nicht an. Unsicher schloss ich zu ihm auf, hielt mich dicht bei ihm. Die starrenden Blicke der Fremden ließen mich unwohl fühlen. Nein, eigentlich ließ mich alles hier unwohl fühlen, denn es war eine Situation, die ich so nicht kannte, eine Situation auf welches mich kein Buch der Welt je vorbereitet hatte. Koutarou schwang die Türe zu einem großen Gebilde auf. Auf den ersten Blick sah es aus, wie ein Baum, doch sobald man näher kam und etwas dem Ganzen etwas mehr Achtung schenkte, fiel auf, dass es ein Gebäude war. "Wo sind wir?", murmelte ich mit leiser Stimme und schmiegte mich schließlich doch etwas an ihn.

"Im Königreich der Eulen."

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