Freitag - 59.7 - Aufbruch nach London

Don't forget  -  it's fiction!

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Ich habe keine Ahnung, ob ich heute Nacht überhaupt geschlafen habe. Ich bin so grottenmüde wie schon lange nicht mehr und gleichzeitig so hibbelig wie eine überdrehte Spieluhr. Meine Familie geht mir schon seit gestern aus dem Weg, wo sie kann. Ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen. Erst eine ausgiebige heiße Dusche mit Rundumverwöhnprogramm bringt mich einigermaßen ins Lot.

Wir haben nochmal gechattet mit Nora und uns mit ihr an ihrer Frittenschmiede verabredet, weil da alles angefangen hat mit ihr. Auch Kwon wird dorthin kommen. Sonja, Majas Freundin, haben wir natürlich gleich selbst mit „im Gepäck" und sind dann hier vollzählich. Chris haben wir inzwischen auch per Chat ein bisschen kennen gelernt. Er ist ein witziger, liebenswerter Typ und ein echtes Berliner Original. Ich glaube, mit ihm werden wir viel Spaß haben. Markus hat sich für heute frei genommen und backt grade schon wieder Kuchen und Brot. Aber die Kinder sind in der Schule und bei der Arbeit. Der arme Simon muss sich heute sogar noch auf eine Mathearbeit konzentrieren. Wie gut, dass Mathe sein stärkstes Fach ist, da wird er das wohl trotz Aufregung und Vorfreude hinkriegen. Die Mädels in seiner Klasse beneiden ihn jedenfalls glühend! Und machen ihn damit ziemlich scheckig ... Aber dadurch ist er an seiner Schule grade ziemlich hoch im Kurs. Sobald die drei Youngster hier aufschlagen, machen wir uns auf zum Flughafen.

Irgendwann bin ich beim nervösen Rumtigern mal wieder an meinem PC gelandet, den ich eigentlich für heute schon ausgemacht hatte. Mir ist eingefallen, dass heute ja die neue Scheibe „Answer" rauskommt. Und richtig – ich finde schon wenige Minuten nach der Veröffentlichung des MV zu „Idol" bei Youtube das erste Colour Code Video. Das MV selbst ist der reine Wahnsinn. Ich habe sie ja beim Training gesehen, aber dieses Feuerwerk an Farben und dieses Tempo sind wirklich atemberaubend. Da sind sie – meine großen „Söhne".

Das Video muss ein paar Wochen vor dem Beginn der Tournee aufgenommen worden sein, denn Jimin ist da noch nicht ganz so mager wie zu dem Zeitpunkt, als sie hier eintrafen. Sie alle übertreffen sich wieder selbst, haben unglaublich viel Ausstrahlung. Aber am meisten treffen mich die Worte, die Jimin im Refrain singt.
„You can't stop me loving myself" !!!
Hat er selbst das geglaubt, was er da gesungen hat??? Er tanzt ausgelassen, schaut mal verschmitzt, mal selbstsicher in die Kamera. Wenige Wochen danach ist er total gebrochen bei mir zur Tür reingeschlichen. Ich kriege das eine und das andere Bild von ihm im Kopf überhaupt nicht übereinander! Ist er über den Berg? Wird er übermorgen in Las Vegas mit dieser Selbstverständlichkeit dieses Lied performen können? Kann er jetzt selbst glauben, was er da zu singen hat?

Unten links schiebt sich ein kleines Kästchen in meinen Bildschirm, das mir mitteilt, dass ich eine Mail bekommen habe. Sie ist von Jimin.
Na, der hat es wohl klingeln hören ...

Es ist sogar eine ziemlich lange Mail. Gut, dass ich sitze. Diese Mail ist so unglaublich, dass es mich schier umwirft. Ich heule Rotz und Wasser beim Lesen vor lauter Müdigkeit und Rührung. In bewegenden Worten erzählt er mir, wie es ihm nun nach den neun Wochen und all den Ereignissen hier in Europa geht, was sich für ihn und in ihm verändert hat, wie wichtig ihm seine Bilder und seine innere Schaukel geworden sind. Was für ein Wunder es für ihn ist, zu entdecken und zu erleben, welche Wirkung seine Stimme, sein Gesang haben können auf andere Menschen. Er hört nicht mehr nur die Worte des Lobes. Er erlebt und begreift und fühlt die Wahrheit darin, er entdeckt tatsächlich sich selbst in dem Lob. Aber ein Satz bringt mich wirklich fast um:
Dass ich beim Blick in den Spiegel nicht mehr 'oje' denke, sondern:'guten Morgen, Jimin! Ich wünsche dir einen schönen Tag.'

Er spricht davon, dass er mir ewig dankbar sein wird. Aber größer kann sein Dank gar nicht ausfallen als mit diesen Worten!

Und genau, wie er es geschrieben hat: auch mein Herz singt das „Magnificat", meine Seele lobt den Herrn für dieses große Wunder von Jimins seelischer Heilung und Selbstannahme. Ich gehe ins Wohnzimmer zu meinem Gebetsteller und schütte Gott mein übervolles Herz aus, ich bringe ihm diese sieben jungen Männer und vertraue sie IHM an, denn ich selbst habe neu gelernt in diesen Wochen: ER macht es gut! Erst danach bin ich in der Lage, auf Jimins Mail zu antworten.

Du lieber Jimin!

Oh Gott, ich kann nicht mehr! Ich weiß gar nicht, ob es gut ist, wenn ich Dir jetzt antworte, denn Du dürftest inzwischen in der Durchlaufprobe für heute Abend sein. Und da haben solche Gespräche doch gar keinen Platz. Versprich mir bitte, dass Du das Weitere erst liest, wenn Du wirklich ein bisschen Pause hast.--------------------

Mit diesem Brief beschenkst Du Dich und mich unendlich, Jimin. Aber – ich heule mir grade die Augen aus dem Kopf, weil ich noch einmal all Deine furchtbare Not und Verzweiflung in jeder Zeile Deines Briefes spüre. Ob Du selbst ahnst, WIE weit Du gekommen bist in diesen neun Wochen? Dein Brief ist wie Frühling, wie die Morgensonne, ist Versöhnung mit Dir selbst. Es ist ein einziges riesengroßes Amen! Du hast so hart dafür gearbeitet. Du hast das so sehr verdient. Es macht mich unendlich glücklich, dass Du so weit gekommen bist. Dass Du Dich selbst nun freundlich anschauen kannst. Dass Du einen Blick werfen kannst auf all das in Dir, was wir anderen so sehr an Dir lieben. Und dass ich ein Teil davon sein darf.

Ja , natürlich bin ich furchtbar aufgeregt und freue mich halb tot auf Euch. Ich freue mich auf das Frühstück, ich freue mich auf das Konzert. Ich freue mich auf jeden einzelnen von Euch, auf Eure Stimmen, auf Euer Lachen. Sogar auf Eure Tränen, wenn Ihr gehen werdet in der Nacht, sogar auf Eure Tränen freue ich mich irgendwie, weil sie echt und ehrlich und voller Liebe sein werden. Aber wenn ich all Eure Nachrichten lese, die Ihr mir in den letzten Wochen geschrieben habt, all die Worte, die Ihr mir geschenkt habt wie Gold, dann weiß ich doch sicher, dass wir uns immer wieder sehen werden, und das macht es leichter.

Ich habe eben, kurz bevor Deine Mail kam, das Video zu 'Idol' gesehen. Es muss eine Weile vor Eurem Abflug nach Europa aufgenommen worden sein, richtig? Man sieht Dir Dein Leid noch nicht so sehr an. Kannst Du nun selbst glauben, was Du im Refrain singst? Dass nichts und niemand Dich daran hindern kann und darf, Dich zu lieben, mit allem, was Du bist und hast? Dein Brief spricht davon, dass Du das nun kannst, und das macht mich froh. Sehr froh.

Und ich verstehe nicht, wie Du überhaupt fragen kannst. NATÜRLICH werde ich ganz bestimmt nicht ins Bett gehen, bevor ich Dich und Euch einmal in die Arme genommen habe!

Von ganzem Herzen, Deine Tina

Markus kommt die Treppe runtergeschlappt, sieht mich tränenüberströmt am PC sitzen, schaut mir über die Schulter und liest die beiden Mails. Dann zieht er mich hoch und nimmt mich einfach ganz fest in die Arme. Ganz lange und ganz fest.
„Komm, du musst was essen. Im Flugzeug wird es nichts passendes für dich geben, dann kriegst du erst heute Abend wieder was. Die Kinder kommen auch bald, und dann müssen wir los."
Er lässt mich nicht los, während er die Mail abschickt und meinen PC runter fährt, und führt mich dann nach oben. Doch plötzlich habe ich noch eine Idee. Ich laufe nun selbst ganz schnell ins Wohnzimmer und fische aus dem Regal das alte Fotoalbum mit meinen Kinderbildern. Ich blättere ein wenig hin und her und entscheide mich für ein Bild, wo ich meinen Bamba im Arm halte, direkt in die Kamera schaue und glücklich aussehe. Mit diesem Bild gehe ich zu unserem Kopierer zurück in den Keller. Die Kopie schneide ich zurecht, klebe sie auf eine Pappe und stecke sie in einen Briefumschlag.

Eine Stunde später stehen wir zusammen mit den drei Jugendlichen an der Bushaltestelle und warten auf den Transfer zum Flughafen. Wir haben für die zwei Nächte alle auf Koffer verzichtet, und in jedem Handgepäck steckt ein Brot oder ein Kuchen. Markus hat Milchreis eingepackt und Jin gebeten, Milch da zu haben. Es soll nichts fehlen ... Am Flughafen steuere ich inzwischen relativ zielsicher die Frittenbude an, wo Nora und Kwon bereits auf uns warten und uns herzlich begrüßen. Wir checken ein, warten, essen gemeinsam, was es hier so zu kaufen gibt, und steigen in den Flieger. Auch Chris ist inzwischen in der Luft.

Ich bin sehr still. Das ganze Gehibbel der letzten Tage ist wie weg geblasen. Für mich kann es nicht schnell genug Mitternacht werden. Ich schreibe eine Nachricht an Jimin und an Namjoon, auch wenn ich weiß, dass sie in der Luft gar nicht abgeschickt werden wird.
„Ich hoffe, es war richtig, diese Antwort zu schreiben. Habt ein wundervolles Konzert!"

Chris kommt wenige Minuten vor uns in Heathrow an und begibt sich zu dem Gate, an dem wir auftauchen werden. Als wir schließlich gegen 19:00 ebenfalls in die große Ankunftshalle stolpern, grinst er uns schon an der Seite eines Mannes mit großem, rotem, unbeschriftetem Schild entgegen. Ich habe in der Zwischenzeit wieder auf normal schalten können. Doch kaum sitzen wir im Bus und fahren auf die M4, meldet sich der Gruppenchat „Bangtan Sonyeondan".

Superhirn:"19:17     Nur ganz kurz. Ja, es war richtig. Ich sollte übersetzen und habe nach Deinem einleitenden Satz erstmal selbst gelesen. Ich habe es dann zwischen Probe und Fansign in einer ausführlichen Pause übersetzt. Jimin ist nach anfänglichem Schreck glücklich. Wir müssen jetzt auf die Bühne."

GelberGeist:"19:17    1000 Dank und bis nachher! Muss die anderen einsingen ..."

Das reicht mir schon, um zu wissen, dass es ihnen gut geht. Sie werden jetzt auf die Bühne gehen, den Saal rocken und den Abend genießen.

Wir dagegen werden zum Hotel gefahren, wo wir freundlich begrüßt werden, uns ausweisen und dann unsere Zimmerschlüssel bekommen. Ein Angestellter geht mit uns mit und erklärt uns, was wir tun müssen, um überhaupt an diesem Flur aus dem Fahrstuhl und durch die gesicherte Tür in den Flur rein zu kommen. Erschossen von der kurzen Nacht und dem langen Tag, beziehen wir unsere Zimmer. Das Zimmer von Markus und mir hat eine weitere Tür, und daran hängt ein von Hand geschriebener Zettel. Von Namjoon, wie sich heraus stellt. Dies sei die Tür zur Suite, wir mögen uns bitte wie zu Hause fühlen, aber ab 21:00      Schon wieder diese kryptische Andeutung!      nicht mehr als nötig auf dem Flur rum laufen. Es wohnten auch noch andere Leute an dem Flur. Naja. Als erstes gehen wir sowieso ins Restaurant.

Uns allen knurren die Mägen, als wir uns am Fahrstuhl versammeln. Zu unserem Erstaunen werden wir dann in einen separaten Raum geführt, wo wir sehr zuvorkommend bedient werden. Und ein Angestellter des Hotels kommt mit meiner Allergienliste, die ich für Jin geschrieben habe, in der Hand zu mir, um mit mir die Speisenkarte zu besprechen. Er kann recht gut Deutsch und geht dann mit meinen Wünschen in die Küche. Na, das ist ja mal ein Luxus! Normalerweise muss ich in Restaurants um jedes Essen kämpfen, weil die Köche keine Lust haben, sich mit meinen Problemen auseinanderzusetzen. So kann das bleiben! Wir genießen das ausgezeichnete Essen in vollen Zügen. Keiner von uns wird so schnell wieder so fürstlich bedient und bewirtet werden. Außer Chris vielleicht, aber der auch nur, wenn er den Überhang aus der Küche seines noblen Arbeitsplatzes abstauben kann. Der genießt das ganz besonders, denn normalerweise ist er derjenige, der mit gradem Rücken und höflicher Miene den Gästen aufwartet. Jetzt kann er sich mal bedienen lassen.

 Wir lassen uns Zeit mit dem Essen, die ein oder andere Flasche Wein wird geköpft, lockere Gespräche laufen am Tisch. Mir tut die Stimmung gut. Ich lasse mich ablenken und entspanne. Bis um 22:30 die Nachricht von Jimin kommt.
„Wir sind durch. Es war bombastisch! Bis gleich..."
Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen.
„Jungs und Mädels, das Konzert ist rum. Die ziehen sich wahrscheinlich grade um und kommen dann her. Wir können dann also demnächst mal nach oben schlappen."
Markus grinst.
„DU kannst nach oben schlappen. Auf die Umarmungen von uns anderen allen werden sie bis morgen warten können. DICH wollen sie gleich sehen!"
Aber ich schüttele den Kopf.
„Ich habe jetzt von zwei verschiedenen Seiten die Andeutung bekommen, dass wir heute Abend ab 21:00 nicht mehr als nötig über den Flur laufen sollen. Also solltet ihr überlegen, ob ihr jetzt mitkommen und im Zweifelsfalle ins Bett gehen wollt. Oder ob ihr hier sitzen bleibt, bis die Jungs eintreffen."
Nora und die Kids mussten sehr früh aufstehen und kommen darum mit mir. Die anderen haben noch Sitzfleisch.
„Schnell antworte ich Jimin.
"Die Männer bleiben noch unten sitzen bei einem Glas Wein, wir anderen gehen hoch auf die Zimmer. Ich warte in der Suite auf Euch!"

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16.5.2019    -    25.11.2019    -    24.5.2020

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