Welcome to Luxor

»Luxor. Das einstige Theben. In aller Welt bekannt als Hauptstadt der Pharaonen und religiöses Zentrum des alten Ägypten. Hier atmet jeder Stein Geschichte. Besuchen Sie am Abend den Luxor-Tempel mitten im Herzen der Stadt und erleben Sie beim Anblick der beleuchteten Ruinen das Gefühl, durch die Zeit zu reisen. Vor dem Tempel stand einst ein Paar gigantischer Obelisken - einer davon befindet sich heute auf der Place de la Concorde in Paris. Lassen sie sich beeindrucken vom größten religiösen Bauwerk der Antike − dem Karnak-Tempel. Der riesige Komplex ist dem Gott Amun geweiht und verkörpert wie nur wenige andere Orte den Reichtum und die Pracht vergangener Zeiten. Bewundern Sie die prachtvolle Säulenhalle mit ihren 134 massiven Säulen, von denen viele kunstvoll mit Hieroglyphen verziert sind. Wenn Sie in dieser Halle stehen, spüren Sie förmlich die Macht und den Glauben, die diesen Ort durchzogen.

Genießen Sie einen Spaziergang entlang unserer Nilpromenade, die das geschäftige Treiben der Stadt mit der Ruhe des Flusses verbindet. Beobachten Sie traditionelle Feluken und lassen Sie sich von der majestätischen Atmosphäre inspirieren. Luxor steckt voller Mythen und ungelöster Geheimnisse. Archäologen entdecken hier immer wieder neue Gräber, Artefakte und Einblicke in das Leben der alten Ägypter. Jede Reise nach Luxor ist wie eine Schatzsuche - nicht nur in den antiken Ruinen, sondern auch in der eigenen Vorstellungskraft.«

Nur mit halbem Ohr lauschte Tom dem Audio-Guide, den der Taxifahrer als Endlosschleife in mehreren Sprachen laufen ließ, seit Tom in das Fahrzeug eingestiegen war. Schließlich war er kein popeliger Tourist! Dennoch - der letzte Satz entlockte ihm ein kleines Schmunzeln. Schatzsuche! Genau sein Stichwort. Der derzeitige Entdecker-Hype, der die ganze Stadt durchzog und zahlreiche Journalisten und renommierte Wissenschaftler anlockte, beruhte ja zu einem maßgeblichen Teil auf seinen Forschungen.

Mit deren Ergebnissen sich nun Brockhorst als der deutsche Howard Carter feiern ließ!

Mit wachsender Verbitterung dachte Tom an seine hochfliegenden Erwartungen nach diesem Praktikumseinsatz vor ... fünf Jahren? Wo war nur die Zeit geblieben? In Gedanken verwünschte Tom seinen ehemaligen Mentor. Der Spagat zwischen Studium, seiner Arbeit für den Professor und den Bemühungen, eine mehr als nur freundschaftliche Beziehung mit Stella zu führen, hatte ihn oft an seine körperlichen und mentalen Grenzen gebracht. Und dann gab es noch sein ganz persönliches Projekt, an welchem er in unzähligen Nächten fast verzweifelt wäre. Aber Schlaf wurde überbewertet. Und jetzt endlich rückte sein längst verdienter Erfolg in eine greifbare Nähe.

Das Taxi hielt und der Fahrer deutete mit einem Kauderwelsch aus abgehackten englischen und französischen Worten auf eine schmale Seitengasse. Tom feilschte den utopischen Fahrpreis auf eine angemessene Summe herunter, stieg aus und schob sich durch das Getümmel von Einheimischen und Urlaubern. Eine endlose Reihe an Marktstände mit farbenfrohen Tüchern, Stoffen und Teppichen, intensiv duftenden Gewürzen, exotischem Obst, süßem Gebäck und gegrillten Speisen, sowie traditioneller Handwerkskunst und angeblichen Antiquitäten säumten den Straßenrand. All das interessierte Tom nicht die Bohne.

Sein Ziel befand sich abseits des regen Treibens. Vorsichtshalber überprüfte Tom die Richtigkeit der Adresse. Das Erste, was er in Ägypten gelernt hatte - die Menschen waren unglaublich freundlich und hilfsbereit. Auf eine Frage nach dem wohin bekam man von Passanten immer eine Antwort, auch wenn derjenige gar keine Ahnung hatte. Aber nicht zu helfen wäre unhöflich und das war hier ein absolutes No-Go.

Orientalische Klänge und der süße Duft der Shishas wehten aus dem Eingang eines Cafés. Über der offenen Tür flatterten bunte Wimpelbänder. Hier würde sich nun seine Zukunft entscheiden.

Tom atmete noch einmal tief durch und klopfte sich den feinen Sand von Jacke und Hose. Auf dem dunklen Anzug sah man aber auch jedes Staubkorn. Der heutige Termin war immens wichtig und sein Auftreten musste einfach perfekt sein. Entschlossen betrat Tom das Café und steuerte den hinteren, nur schummrig beleuchteten Teil des Etablissements an.

Wie aus dem nichts erschien ein breitschultriger Typ mit Sonnenbrille und versperrte ihm den Weg.

»Yasseen erwartet mich«, sagte Tom mit weit weniger fester Stimme, als er es sich wünschte.

»Mr. Stresemann? Kommen Sie, kommen Sie. Nehmen Sie Platz. Schön, dass Sie es einrichten konnten.«

Aus dem Hintergrund ertönte der tiefe Bass des Mannes, mit dem Tom bisher nur telefonisch gesprochen hatte. Er schob sich an dem Bodyguard vorbei im festen Glauben daran, genau das Richtige zu tun.

»Ich bin sehr erfreut, Sie persönlich kennenzulernen«, sprach er den Ägypter mit einem höflichen Kopfnicken an. Yasseen entsprach so ziemlich seinen Vorstellungen von einem reichen, gelangweilten Ölscheich, der die besten Mannesjahre bereits hinter sich hatte. Ein blütenweißes Gewand umhüllte den beleibten Körper des Mannes und an den faltigen Fingern, die Tom heranwinkten, funkelten edelsteinbesetzte Ringe. Mit einer Mischung aus Sorge und Bewunderung verfolgte Tom, wie sich das filigrane Rattanmöbel der Sitzecke bei jeder Bewegung des beachtlichen Gewichts verformte.

»Ah, mich freut es. Mich freut es ganz besonders. Sie sind ein erstaunlich begabter junger Mann, dem noch Großes bevorsteht.« Yasseen wedelte mit der Hand und sofort huschte eine Bedienung heran, die wortlos ein weiteres Gedeck auf dem kleinen Tisch abstellte.

Geschmeichelt beeilte sich Tom, der Aufforderung nachzukommen. Er hatte sich sein Vorgehen genau überlegt. Wenn er es schaffte, diesen Mann zu überzeugen, würde die Welt endlich von Tom Stresemann Notiz nehmen. Im Geiste sah er bereits sein Konterfei auf den Titelblättern der angesehensten Fachzeitschriften.

»Jetzt zeigen Sie mir, was Sie für mich haben. Und erzählen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann.« Yasseen schaufelte mehrere Löffel Zucker in seinen Tee und ermunterte Tom, ebenfalls zuzugreifen. »Ich bin immer interessiert, aufstrebende Talente zu unterstützen.«

Tom ließ sich von dem großväterlichen Gehabe nicht täuschen. Längst hatte er den hungrigen Blick seines zukünftigen Gönners bemerkt. Natürlich hatte er sich vor diesem Gespräch über Yasseens Sammelleidenschaft und seine umstrittenen Geschäftspraktiken informiert. Er wusste genau, wie er den verschlagenen Geldsack ködern konnte.

»Kennen Sie die Legende um Pharao Neptuchamun? Ich bin mir sicher, Sie haben bereits von den verschollenen Prophezeiungen gehört, die angeblich von Anubis selbst diktiert wurden.«

»Wollen Sie mich über die Geschichte meines eigenen Landes belehren? Natürlich kenne ich diese Legende. 24 Schriftrollen, die unermessliche Weisheit beinhalten. Aber der Preis ist hoch. Die Götter teilen ihre Macht nicht, ohne etwas zu verlangen.« Der Ägypter gab sich reserviert, doch seine Haltung hatte etwas Lauerndes an sich. »Behaupten Sie etwa, zu wissen, wo sich eine der Orakelschriften befindet?«

»Ich behaupte gar nichts und ich entschuldige mich in aller Form für meine unglückliche Wortwahl.« Tom legte sich die Hand aufs Herz und verneigte sich demütig. Der Zweck heiligte die Mittel und diese eine letzte Arschkriecherei würde er auch noch verkraften. »Sie haben natürlich völlig Recht − die Götter teilen ihre Macht nicht. Jedoch erweisen sie hin und wieder aus einer unergründlichen Laune heraus, einem in ihren Augen Würdigem ihre Gunst. Die hochgelobten Entdeckungen von Professor Brockhorst, die momentan im ägyptischen Museum zu bewundern sind, verdankt mein Vorgesetzter dieser Gunst. Allerdings wurde sie nicht ihm zuteil - «, Tom machte eine theatralische Pause und blickte seinem Gegenüber geradewegs in die Augen. »Sondern mir.«

»Ist das so?« Yasseen faltete die Hände und tippte sich mit den Fingerspitzen gegen das bärtige Kinn.

Tom griff in seine Jackentasche und verspürte im gleichen Moment den festen Griff von Yasseens Beschützer um seinen Oberarm.

»Es ist nur mein Handy«, rief er erschrocken aus. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, während der Mann ihn abklopfte und dann das Telefon aus seiner Tasche zog. Was sollte das denn? Tom kam sich vor, wie in einem schlechten Film gefangen. Mit schwitzigen Fingern entsperrte er das Gerät und rief die Bildergalerie auf. Nur die Ruhe bewahren, ermahnte er sich selbst.

Die Fotos dokumentierten den Ausgrabungsalltag der Archäologen sowie verschiedene ausgewählte Fundstücke. 2.500 Jahre alte Kartonagen von bemalten Mumiensarkophagen, eine vergoldete Totenmaske, Fayence-Uschebtis in unterschiedlichen Größen, kunstvoll verzierte Amulette, ein edelsteinbesetzer Zeremoniendolch.

Gelangweilt lehnte sich Yassen zurück. »Ganz hübsch, aber haben Sie nicht von einem bestimmten Papyrus gesprochen?«

Bedächtig scrollte Tom durch die Bilder, sehr darauf bedacht, sich jede Gefühlsregung zu verkneifen. Der alte Fuchs hatte angebissen!

»Nun, all diese Funde verdankt unser Team meiner Übersetzung eines Reisetagebuches, das bei den sterblichen Überresten eines Teilnehmers des sechten Kreuzzuges gefunden wurde. Es war leider nicht mehr vollständig erhalten, aber auf den Seiten, die ich entziffern konnte, wird immer wieder Bezug auf eine geheimnisvolle Schriftrolle genommen und auf die verschollenen Reichtümer eines längst vergessenen Herrschers.« Tom schaltete das Handy ab und formulierte seine nächsten Sätze mit Nachdruck.

»Die jetzigen Ausstellungsstücke sind nur der Anfang. Ich bin in der Lage diese Hinweise zu entschlüsseln und Neptuchamuns Ruhestätte zu finden. Dieses Grab wird alles in den Schatten stellen, was die Wüste bisher an Geheimnissen preisgegeben hat.«

Gut, das war ein bisschen dick aufgetragen und entsprach auch nicht ganz der Wahrheit, aber es war auch nicht direkt gelogen.

Bedächtig stellte Yasseen seine Teetasse ab und tupfte sich mit einem Taschentuch die Mundwinkel. Ein leichtes Hüsteln entwich ihm, welches zu einem glucksenden Lachen anschwoll.

»Sie gefallen mir, Mr. Stresemann, Sie gefallen mir. Aber warum kommen Sie mit der Geschichte zu mir? Sie gehören doch bereits einem hervorragenden Ausgrabungsteam an. Sie haben doch nicht etwa die Absicht, sich an den bedeutenden Kunstschätzen meines Heimatlandes zu bereichern?«

»Auf materielle Entlohnung lege ich keinen Wert. Ich möchte nur endlich die Anerkennung erhalten, die mir zusteht. Und Sie sind weithin bekannt als ehrenwerter Mäzen der Kunsthistorie und Altertumsforschung. Mit Ihrer Unterstützung kann ich ein Rätsel lösen, welches seit Jahrhunderten die Menschheit beschäftigt.« Gespannt wartete Tom auf Yasseens Reaktion.

Yasseen ließ sich mit einer Antwort Zeit. Nachdenklich strich er über seinen Bart, die dunklen Augen wachsam auf Tom gerichtet. »Und an was für eine Unterstützung hatten Sie dabei gedacht?«

»Ich brauche eine Drohne mit einem hochauflösenden LiDAR-Sensor und eine unbegrenzte Überfluggenehmigung für das Gouvernement al-Uqsur. Für einen so einflussreichen Mann, wie Sie es sind, ist das vermutlich keine große Sache. Ich habe allein leider nicht die geringste Chance, etwas zu erreichen, ohne dass eine gewisse Person sich wieder im Sinne des angeblichen Teamworks der Resultate meiner Arbeit bemächtigt.«

»Verstehe. Sie wollen also, wie sagt man dazu? Ihr eigenes Ding durchziehen?« Ein listiges Lächeln schlich sich in die Miene des Ägypters. »Nun, ich denke, wir können uns durchaus auf ein Arrangement einigen, welches für uns beide zufriedenstellend sein wird.«

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