6 Deaf Studio.
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In drei Wochen drehten wir drei Videos.
Ich hinkte dermaßen mit meinem Unikram hinterher, dass ich Nachtschichten machen musste. Von Benny bekam ich nur zu hören, dass ich mich nicht so anstellen sollte – der hatte gut reden, denn der konnte sich seine Arbeitszeiten flexibel legen und wir richteten uns sowieso nach ihm.
Von Dicky hatten wir das erste Geld bekommen und es tat gut auf dem Konto ein kleines Bisschen mehr Luft zu haben. Die Klicks hatten ihr Limit erreicht und Hearzones Abonnenten waren gewachsen. Probehalber stellte Dicky unser neustes Video erneut für alle sichtbar ins Netz und wollte von uns wissen, ob wir jede Woche eines produzieren könnten. Wir würden auch unsere eigene Abteilung online beim Magazin bekommen.
Natürlich sagte Noah zu, bevor er überhaupt mit allen in Ruhe darüber sprach. Aber wieso hätte er das auch tun sollen, es stimmten sowieso alle begeistert zu. Somit wurden die Wochenenden verplant.
Die Auswahl der Videos traf mittlerweile Sunny, während Soyun sich angeboten hatte sich um unsere Klamottenauswahl zu kümmern. Sie schnüffelte sich also bei Noah, Mozzie und mir durch die Schränke und nistete direkt aus.
»Ernsthaft Foxy, die kannst du nicht behalten, hier hast du einen dicken Hintern drin«, teilte sie mir schonungslos mit, als sie eine meiner wenigen Hosen in den Müll warf, die mir passten. Die meiste Zeit über trug ich eine Art Kleid, Strumpfhose und Cardigan als Kombination, weil es einfach bequemer war.
Bei Noah war sie genauso eiskalt und ich sah, wie er seinen peinlichen Pullover mit Super Mario heimlich wieder aus den blauen Sack nahm. Soyun würde einen Anfall bekommen, wenn sie das Ding in der Uni sah.
Das dritte Video drehten wir auf einem kargen Feld. Es war bitterlich kalt, aber dafür schien die Sonne. Komplett in schwarz gekleidet, durften Mozzie, Noah und ich zumindest einen Pullover tragen. Sunny hatten wir wegen dem schlechten Weg nicht mitnehmen können. Wir waren ewig über Felder gelatscht bis wir den perfekten Ort für Benny gefunden hatten.
Zuerst erklärte er uns, dass wir uns mit dem Rücken zueinander stellen sollten. Dieses Mal gehörte mir der Refrain zu Olly Murs 'Beautiful to me' und ich war froh drum, denn den konnte ich mir am besten merken. Der Beat des Liedes war toll. Noah, Mozzie und ich hatten am Vorabend geübt, wie wir uns am besten bewegten.
Mein bester Freund begann und obwohl unsere Finger eiskalt waren, so hatten wir an diesem Tag viel Spaß. Nach jeden Abschnitt machten wir immer wieder Pause und es dauerte leider lange, bis die erste Strophe im Kasten war. Denn im Pre-Chorus musste Noah sich ordentlich beeilen, damit er im Takt blieb.
Mein Refrain war da fast ein Kinderspatziergang. »Love, don't ever change the way you are. You light the sky just like a star. I don't care what you see. You're beautiful to me, oh.« Trotzdem machten wir fünf Durchgänge und dann war alles im Kasten.
Zum Schluss schlug Noah vor, dass wir ja alle zusammen ein Rad schlagen könnten, zum Abschluss des Videos. Die Idee war lustig und da wir alle drei ein Rad schlagen konnten, stellten wir uns sofort auf. Soyun gab das Kommando, damit unsere Beine auch wirklich zusammen durch die Luft sausten.
Mein Bruder sorgte weiterhin dafür, dass wir stimmig zur Tonspur waren und baute sowohl Untertitel als auch Drums- und Basslinie wieder ein. Dann ging das nächste Video an Dicky. Morgens, bei der Erscheinung saß Noah dann wie auf heißer Kohle und verfolgte die Aufrufe.
Mittlerweile hatte meine beste Freundin, Amanda, die Videos auch bemerkt und spamte mich auf WhatsApp damit zu. Sie schien sich köstlich voller Schadenfreude darüber zu amüsieren, dass ich Zeit mit Benny verbringen musste. Schlussendlich behauptete sie noch: Pass auf, dass du kein Star wirst und dich bald Hinz und Kunz kennen.
Da sich in der Hörgeschädigten-Welt sowieso jeder kannte, würde das keinen Unterschied machen.
Der Alltag holte mich ein, es war tierisch anstrengend die Uni unter einen Hut zu kriegen, mit dem neuen Hobby. Ganz besonders als Dicky sein Wort hielt und für uns ein wenig umstrukturierte. Wir fanden als Truppe Routine und zu Olly Murs 'Beautiful to Me' schaltete Dicky die Kommentarfunktion ein.
Zum ersten Mal lasen wir das Feedback dazu und das war toll. Natürlich gab es die einen oder anderen Hater, aber die juckten weder Noah, noch mich. Einige äußerten Wünsche, die Sunny sich aufschrieb, andere fragten, ob sie bei uns einsteigen könnten.
Was drei kleine Videos alles so ändern konnten.
Benny erklärte uns das so: »Es gibt keinen richtigen Markt für diese Videos, meistens schläft ein solches Projekt wieder ein und die Clips verschwinden. Wäre nur klug, wenn wir jetzt zuschlagen und noch mehr Musikvideos umsetzten.«
Da hatte er allerdings recht.
Jeder von uns konnte das Geld gebrauchen und es würde laut Dicky mehr werden. Noah hörte also auf über technischen Schnickschnack zu schreiben, der angeblich mehr Lebensqualität bringen sollte und ich brauchte nicht mehr Korrekturlesen. Das tat nun jemand Anderes.
Wenn ich alleine in der Bahn saß und mir die Kommentare zu dem Video durchlas, dann war ich schon irgendwie stolz. Mir gefiel die Vorstellung, dass man Songtexte nun bildlich darstellen konnte und einige Leute eine Vorstellung davon bekamen, wie Musik sich anfühlen könnte.
Das vierte Video diskutierten wir in den Büroräumen von Hearzone mit Dicky. Der kleine runde Inhaber, mit der Kreisglatze versorgte uns mit Tee und Cupcakes. Einige seiner Fotografen kehrten zu dieser späten Stunde zurück und ich saß zusammen mit Noah und Benny im kleinen Besprechungszimmer.
»Wir haben die Wahl zwischen Queen und We will rock you oder Sam Smith und Lay me down«, erklärte Noah. »Kapitan hält es jedoch für besser, wenn wir Queen nehmen, mehr Bängs.«
»Wir könnten das vor dem Buckingham Palace drehen«, schlug Benny vor und ich sah auf Dicky, der nun mit einer Tasse Tee zu uns kam und sich die schwarze Nickelbrille auf die Nasenwurzel schob. Leicht neigte er den Kopf, stellte seine Tasse ab und gebärdete: »Alles schön und gut, aber bevor ihr jetzt weiter plant, müssen wir etwas besprechen. Zuerst braucht eure Truppe einen Namen damit sich die Leute besser orientieren können.«
Ich grinste und erklärte: »Darüber haben wir beim letzten Dreh abgestimmt und würden uns gerne 'Deaf Studio' nennen, ganz simple. Ist das Okay?«
»Bestimmt«, meinte Dicky und notierte sich das. »Ich probiere ein paar Schriften für den Header aus und schicke euch die Vorschläge. Sucht euch dann zusammen einen aus.«
Wahrscheinlich würde da eher Benny drüber schauen und Noah alles toll finden. Mir war so was ziemlich egal. Dicky setzte sich zu uns und sah uns der Reihe nach an: »Das Nächste ist, dass sich zwei Leute bei mir gemeldet haben.«
Oh je, das klang ja nicht besonders gut.
»Kriegen wir Ärger?«, wollte Noah wissen und Dicky schüttelte den Kopf: »Nein, nein. Es ist nur so, dass die Videos ziemlich hohe Wellen schlagen. Mag sein, dass ihr das Ganze eher aus Spaß gemacht habt und unser typischer Kreis das toll findet, aber wie es aussieht sind die Clips jetzt auch draußen angekommen.«
Mit draußen meinte er die Hörende-Ecke. Im Normalfall interessierten sich die Hörenden nicht dafür, was bei uns so ablief. Deaf-Slam, Fußballweltmeisterschaft der Gehörlosen, stilles Theater, Deaf-Messe – all dies lief unter ihren Radar.
»Heute morgen wurde das Video 'Beautiful to Me' getwittert und geteilt«, erzählte Dicky zufrieden lächelnd.
Ich runzelte die Stirn: »Ja und? Viele Leute teilen auf Twitter. Ist doch egal.« Das war der Sinn der Plattform. Sich mitteilen, Dinge verbreiten, sich wichtig machen.
Dicky lächelte eine Spur breiter: »Nicht, wenn Olly Murs sein Video persönlich twitter.«
Niemand von uns regte sich. Wir starrten ihn an und jetzt wieherte er los: »So habe ich heute Morgen auch geguckt, als Jo mir das erzählte. Sie hat das ein bisschen überblickt und zuerst gedacht, es wäre ein Fake-Account. Aber die 7.8 Millionen Follwer sprechen für sich.«
Wie viele Menschen hatten das gesehen? Ich bekam dezent Panik. SO viel Aufmerksamkeit wollte jetzt auch wieder niemand von uns. Ich ließ weiß an, wie die Wand und sah zu Benny und Noah. Erster schnappte sich sofort sein Handy und überzeugte sich selbst, während mein bester Freund hart schluckte: »Ist... er... sauer?«
»Wer? Olly Murs?«, Dicky schüttelte den Kopf. »Nein, sein Management hat angerufen und sich in seinem Namen bedankt. Falls ihr eins seiner Konzerte besuchen möchtet, das im O² stattfindet, dann sollt ihr euch melden.«
Prompt funkelten Noahs Augen: »Das wäre der Hammer! Lass gucken, wann er da spielt!«
Ich grinste, denn Soyun, Mozzie und auch Sunny waren bestimmt sofort dabei. Man könnte Vergleiche ziehen, vorher was Essen gehen und eventuell erneut aufnehmen. Hauptsache wir durften das Vibrationsfeld noch einmal nutzen.
»Danach hat das CAA Management angerufen«, erzählte Dicky weiter. CAA sagte uns gar nichts, was er unseren ratlosen Gesichtern auch ansah: »Sie vertreten einige Musiker. Scheinbar ist das Video von One Direction auch aufgefallen und man möchte sich mit euch treffen. Eventuell eine Zusammenarbeit anstreben.«
Jetzt hatte ich definitiv die Hose voll.
»Auf gar keinem Fall!«, wehrte ich mich sogleich. Doch Noah beschwichtigte: »Ach komm, Foxy, wieso nicht?«
Ich kannte tausend Gründe, wieso nicht, aber der Erste war unschlagbar: »Weil wir das als Hobby gemacht haben und nicht professionell!«
»Das ist wahr«, stimmte mir Benny überraschend zu. »Was meint CAA mit einer eventuellen Zusammenarbeit überhaupt?«
Nun zuckte Dicky mit den Schultern: »Das ist eine gute Frage. CAA hat lediglich um ein unverbindliches Treffen gebeten. Vielleicht wollen sie erst mal schauen, ob sich mit der Gebärdensprache etwas umsetzen lässt, oder sie haben ein paar Vorstellungen und prüfen auf Möglichkeiten.«
Das klang alles so ernst. Zu ernst für meinen Geschmack.
Ich wollte nur die Videos mitmachen und dann friedlich weiter zur Uni gehen. Meine hörenden Kollegen sollten sich die Clips mit meinem Gesicht überhaupt nicht erst ansehen. Wenn ich Pech hatte, dann hatte Olly Murs diesem Wunsch schon die Luft rausgelassen.
Ich lehnte mich zurück und verschränkte nachdenklich die Arme vor der Brust. Noahs Euphorie schien etwas gedämpft, denn er wurde ruhiger. Benny dagegen ließ nun sein Handy sinken: »One Direction wird doch durch Modest! vertreten und nicht durch CAA.«
»Keine Ahnung«, gab Dicky zu. »Da müsste ich mich informieren. Fakt ist jedoch, dass der freundliche Mann am Telefon, Jeffrey Azoff, um einen Termin bat.«
»Völlig unverbindlich«, schob ich hinterher und Dicky nickte: »Völlig unverbindlich.«
Okay, na gut, wieso nicht. Vielleicht kam ja was Gutes bei raus.
»Wir sollten vielleicht nicht alle gehen«, mischte Noah sich ein. »Besser nur Foxy und du, Dicky. Sonst wird das zu chaotisch.«
Zuerst wollte ich abstreiten, aber dann erkannte ich, wieso mein bester Freund so etwas sagte. Nahmen wir ihn, Soyun und Mozzie mit, brauchten wir einen Gebärdendolmetscher und dies würde das Gespräch eventuell in die Länge ziehen oder verkomplizieren. Wer wusste schon, wie dieser Jeffrey Azoff drauf war. Außerdem dauerte es manchmal Wochen um einen Gebärdendolmetscher zu organisieren.
Natürlich hätten wir Benny als Dolmetscher einspannen können, aber trotz wenig Hörverlust war zuhören, übersetzen, beantworten und Gespräch steuern für ihn zu viel. Und was Sunny anging, Barrierefreiheit mit einem Rolli war unglaublich schwer zu finden. Wir müssten vorab genau schauen, ob wir mit dem Rollstuhl auch dahin kamen, wo wir hin mussten. Außerdem war sie erst 16, alles, was jetzt passierte, würden wir mit ihren Eltern absprechen müssen.
Noch dazu wäre es besser keine Rinder aufzuscheuchen, wo keine Weide war.
»Foxy hat die sauberste Sprache von uns und den größten Wortschatz«, zählte Noah auf. »Du, Dicky, hast Ahnung von Öffentlichkeitsarbeit und kannst einschätzen, was die uns andrehen wollen oder was auch nicht.«
Das war wohl wahr.
So kam es, dass Dicky sich bei CAA für ein Treffen melden würde und mir auf WhatsApp bescheid gab, wann es stattfand. Zwischenzeitlich entschieden wir, dass das nächste Video 'We will rock you' wurde und versuchten vor dem Buckingham Palast zu drehen, wenn möglichst wenig Touristen unterwegs waren.
Leider hatten wir damit nur semimäßig Erfolg. Wir drehten Nachts vor einem U-Bahn-Schild, auf dem der Hinweis zum Buckingham Palast stand. Dafür standen wir auf einer Sitzbank und mussten uns zum Beat bewegen. Zum Glück war die Lyrik dieses Mal mehr als simpel.
Dieses Mal mussten wir uns auch nicht umständlich verkleiden, sondern trugen lediglich weiße Lederjacken, die Soyun irgendwo für uns aufgetrieben hatte. Man könnte meinen, sie hätte mittlerweile einen Kostümfundus in der Hinterhand.
Dicky meldete sich am folgenden Montag bei mir und erklärte, dass der Termin für Donnerstagnachmittag ausgemacht worden war. Nicht unbedingt die beste Zeit für mich, weil ich einen stressigen Uni-Tag hatte und jede Menge Material, das ich schleppen musste. Ich würde auch direkt von der Uni zum Treffpunkt waren müssen.
Noah und Benny würden es sich bei uns in der WG gemütlich machen und auf mich warten. Diese bequemen Säcke!
Die CAA lud uns zu sich ein, die Adresse hatte ich mir vorab angesehen und festgestellt, dass ich in einen Stadtteil musste, der geprägt war vom Altbau. Charmant und teuer war die Gegend.
Sobald ich die U-Bahn verließ und mit meinem schweren Rucksack und der extra Tasche voller Bücher die Treppen hoch hechelte, empfing mich ekelhafter Nieselregen.
Zum Glück hatte ich am Morgen den großen, bunten Regenbogenschirm mitgenommen. Allerdings auch nur, weil Noah meinen Kleinen bereits selbstsüchtig eingepackt hatte. Ich kämpfte mit dem Regenbogen Schirm, da der Sturm mich von allen Seiten attackierte und ich das olle Ding nicht sofort auf bekam.
Als es endlich aufsprang, da war ich bereits ordentlich vom Sturm zerzaust worden. Leider half mir der Schirm nicht besonders dabei trocken zu bleiben, denn der Wind zerrte ihn auf Links und mich somit in die entgegengesetzte Richtung, in die ich eigentlich musste.
Die Leute auf der anderen Straßenseite, die Schutz im Bushäuschen suchten, lachten schadenfroh über meinen verzweifelten Versuch den Schirm wieder auf rechts zu drehen. Und als wäre als das noch nicht genug, trat ich mit meinen Harry Potter – Chucks auch noch in eine nette tiefe Pfütze.
Blödes CAA!
Mir kam der Weg so viel weiter vor, als er bei Google-Maps ausgesehen hatte. Ich schleppte mich voran, ekelte mich vor meinen nassen Socken und wäre beinahe am Altbaugebäude vorbeigelaufen. Irgendwie hatte ich richtig protzige Schilder erwartet, auf denen sich die CAA anpries. Stattdessen gab es nur ein mittelgroßes Messingschild.
Schwerfällig stieß ich die Tür auf, bekam den Schirm fast nicht durch den Türrahmen und brauchte fast drei Minuten, ehe ich ihn richtig schließen konnte. Mich sah die ältere Dame am Empfang sichtlich belustigt an.
Ich schüttelte mich, denn trotz Schirm war ich klatschnass und ich völlig durchweicht. Der erste Eindruck zählte und ich würde definitiv keinen guten ersten Eindruck hinterlassen. Ziemlich schlecht organisiert suchte ich nach dem Zettel mit den Namen, den ich mir aufgeschrieben hatte.
Beschämt räusperte ich mich und sprach: „Entschuldigen Sie bitte, ich habe einen Termin mit einem gewissen Mr Azoff, ich komme von Hearzone, dem Deaf Studio."
Die elegante Frau nickte und sah auf ihren Computer. Zur selben Zeit stellte ich fest, dass der Schirm an einer Stelle bereits kaputt war und an einer anderen eingerissen. Er sah genauso aus, wie ich mich fühlte.
„NehmsedeFahrstuuuundnfüfStock", sprach die Rezeptionistin und ich antwortete prompt: „Wie bitte?"
„Fünfter Stock, Raum 12", wiederholte sie sich nun etwas langsamer. Ich nickte und sah auf den Aufzug. Ach herrje, es war einer dieser kleinen typischen Mäuseschachteln, die es im Altbau gab. Dort passten nur knapp drei Menschen rein.
Da ich aber keine fünf Stockwerke hoch laufen wollte, würde ich das Ziehen im Magen einfach in Kauf nehmen. Kaum hatte ich den passenden Knopf gedrückt und wartete, da gesellte sich jemand zu mir.
Kurz sah ich nach rechts und erkannte einen jungen Mann in schwarz, mit Kapuzenjacke und Sonnenbrille. Na der hatte sich aber auch mit dem Wetter geirrt. Ich fand Sonnenbrillenträger allgemein albern. Wenn draußen nicht die große Hitze knallte, dann sollte man sein Gestell zu Hause lassen.
Der Aufzug kam an und er ließ mir höflich den Vortritt. Ich drückte direkt den Knopf für den fünften Stock und bemerkte im Spiegel des Aufzuges, dass mein Haar völlig zerzaust und ungepflegt aussah. Gerade schlossen sich die Türen quälend langsam hinter uns, da klemmte ich den Schirm unter meinen Arm und kramte in meiner Manteltasche nach einem Haargummi.
Den Leinenbeutel mit den schweren Büchern hatte ich abgestellt. Leider hatte ich alles Mögliche in der Hand, Labello, Taschentücher, Kleingeld, nur bis ich das Haargummi hatte, dauerte es gefühlt ewig. Mir war völlig egal, was der Typ von mir hielt, ich war schließlich nicht hier um den zu beeindrucken, sondern um bei einem Meeting mit Anwesenheit zu glänzen.
Zur Abwechslung hatte es mal etwas Gutes, dass sich der Aufzug so lahmarschig bewegte und ab und an ruckelte, wie es diese alten Geräte nun einmal taten. Ich hantierte mit meinen Haaren herum und zog sie durch das Zopfgummi. Gerade, als ich erleichtert ausatmete, da passierten mehrere Dinge gleichzeitig.
Mir rutschte der Schirm aus dem Arm, dieser sprang so energisch auf, als müsste er mit den Regentropfen jemanden befruchten, mir wurde die Strumpfhose aufgerissen und der Typ, der mit mir im Fahrstuhl stand, verschwand mit einen Laut, als würde ich ihn mit einer Atombombe angreifen, in Regenbogenfarben.
Schöne verdammte Scheiße!
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