38 Zwo - eins - Risiko.

┊  ┊  ┊          ★ HARRY

┊  ┊  ☆

┊  ★




„Meine Fresse, Harry, was bist du denn so schlecht drauf?", beschwerte sich Niall direkt bei mir. One Direction befand sich außerhalb von London in einer großen Lagerhalle. Hier hatte man die neue Konstruktion der Bühne aufgebaut, die uns in die Stadien dieser Welt für das komplette Jahr begleiten würde.

Wenn auch die Mehrheit der Leute glaubte, dass wir einfach so über die Bühne sprangen, wie wir lustig waren, so sah die Realität doch anders aus. Wir mussten durchaus einen bestimmten Rhythmus haben und ein gescheites Bühnenbild abgeben. Außerdem gab es da noch irgendwelche technischen Gründe, die ich schon wieder vergessen hatte.

Gerade kümmerten sich die Bühnenarbeiter darum, dass sich eine Erhebung endlich fehlerfrei bewegte. Wir mussten Abseits warten und hockten auf Plastikstühlen und vertrieben uns gelangweilt die Zeit. Eigentlich sollten wir seit zwei Stunden fertig sein. Mir war kalt, meine Stimmung auf den Nullpunkt

„Ich bin nicht schlecht drauf", wehrte ich mich und überflog noch einmal die Mail meines Anwalts. Er hatte sich den Vertrag von Isabell einmal angesehen und mir in normalen Worten geschrieben, was der Inhalt ihrer Bedingungen war.

„Du hast nur Stress mit deiner Neu- ich meine mit Inge", behauptete Niall. Louis hob neben mir den Kopf und fragte irritiert: „Wer ist Inge?"

„Das weiß ich auch nicht", sprach ich trocken. „Aber wahrscheinlich meint er damit meine Freundin."

„Ich dachte, die heißt Isabell?", war mir zumindest Louis ein guter Bruder und ich genoss es sehr, dass er Niall eine klare Ansage machte: „Man könnte meinen, du hast ein Gedächtnis wie ein Sieb! Höre endlich richtig zu, Nialler! Sonst landest du auf Tour mal in Indonesien statt in Indien."

Liam rührte seinen Kaffee um, er klatschte da so viel Milch rein, dass ich mich fragte, ob er den Kaffee überhaupt schmeckte. „In einem scheint Niall allerdings Recht zu haben, du hast wirklich Stress."

„Isabell ist sauer auf mich, weil ich sie darum bat den Standartvertrag zu unterschreiben", gab ich zu, während vor uns die Techniker die Bühne inspizierten. „Sie wirft mir vor, ich würde ihr nicht vertrauen und möchte im Gegenzug, dass ich ebenfalls einen Vertrag unterzeichne."

„Verstehe", sprach Niall grinsend. „Und der große Harry Styles mag es nicht, wenn Frauen auf Gleichberechtigung pochen."

Blödsinn! Wobei... ein Bisschen hatte er vielleicht doch Recht. Es war nur fair, dass sie genau dasselbe von mir verlangte, wie ich von ihr. Trotzdem fühlte ich mich mit den Anforderungen irgendwie verpflichtet und in die Ecke gedrängt.

Louis riss eine Tüte Nüsse auf und wollte wissen: „Was steht in ihrem Vertrag?" Ich hielt ihm mein Handy hin und während er las, verschluckte sich mein Kumpel mehrmals und lachte schließlich. „Sie ist ja echt schwer auf Zack." 

Gespielt geschäftlich räusperte sich Louis und las vor: „Einmal im Monat schuldest du ihr ein Date, ohne Bodyguard, Störungen, Fans und sonstigem Pi-Pa-Po. Dauer, mindestens vier Stunden."

„Auf Tour könnte das schwierig werden", gab Liam zu bedenken, was auch mir Kopfzerbrechen bereitete. Bei uns allen ging die Romantik im Tour-Stress nach und nach auf Sparflamme.

„Geschenke von dir dürfen nicht mehr als hundert Pfund kosten und du musst eine Quittung vorlegen", las Louis weiter vor, nun brüllten er und Niall vor lachen. Beide hatten nicht einmal Bargeld mit sich, geschweige denn wusste einer von ihnen, was die Schuhe gekostet hatten, die sie heute trugen.

Niall rieb sich mit allen zehn Fingern über das Gesicht: „Was hast du ihr gekauft, dass sie dir ein Limit setzt?"

„Einen Hund, ein paar Schuhe und ein Kleid", na ja und den Reader zu Weihnachten, aber der zählte nicht. „Sie mag es irgendwie nicht, wenn ich Geld für sie ausgebe."

Meine Aussage sorgte für allgemeine Verwirrung, denn jeder meiner Brüder liebte es seine Freundin mit Geschenken zu verwöhnen. Liam kaufte seinem Mädchen am Liebsten ein Auto, Niall spendierte Reisen und Louis ging so gerne mit Eleanor shoppen, dass sie daraus mittlerweile einen richtigen Sport gemacht hatten.

„Zu den regelmäßigen Dates gehören Treffen mit ihren Freunden – was soll das bitte heißen?", nahm Louis den Faden wieder auf. Ich wusste ganz genau, was es bedeutete. Nämlich, dass Isabell wollte, dass ich ihre Freunde näher kennen lernte und ich Anschluss fand.

Eigentlich konnte ich drauf verzichten. Ich wollte nur sie, das Drumherum war mir egal. Ihr allerdings nicht und ob ich diese Treffen überhaupt umsetzten konnte, schien sie nicht groß bedacht zu haben. Meine bisherigen Freundinnen war es schnurze, ob ich deren Freundeskreis kannte und mir war das ganz recht gewesen.

Liam nippte an seinem Kaffee: „Ist ihre Clique so furchtbar?"

„Nein, nur anders", gab ich zu und Louis rollte mit den Augen: „Mit Anders hattest du doch noch nie ein Problem."

Das mochte sein, denn ich legte viel Wert darauf, dass ich Anders akzeptierte. Trotzdem fühlte ich mich in Isabells Clique einfach nicht wohl und ich bezweifelte, dass mehrere Treffen etwas daran änderten.

Louis scrollte weiter: „Wer ist Fluffy?"

„Der Hund, den ich Isabell gekauft habe", antwortete ich prompt und mein Kumpel schien zu verstehen: „Jetzt macht es Sinn, dass sie darauf pocht, dass ihr auch nach einer Trennung gemeinsames Sorgerecht habt."

„Ich verstehe dein Problem nicht", meldete sich Niall. „Das sind doch alles Dinge, die man irgendwie umsetzen kann."

„Ja", fand auch Louis. „Gut, ein, zwei Punkte könnten kniffig werden, aber da ist eben Fantasie gefragt. Wie zum Beispiel geteilte Rechnungen, wenn ihr essen geht. Zückst du eben jedes Mal einen Gutschein."

Es war albern. Ich besaß genug Geld um Isabell für den Rest ihres Lebens in jedes Restaurant dieser Erde einladen zu können. Und genau das wollte ich. Ich wollte sie beschenken, einladen, zukippen mit lauter tollen Sachen.

„Ihr habt gut reden!", wehrte ich mich. „Haben bei euch alle brav unterschrieben?"

„Ja", meinte Niall leichthin. Er zuckte mit den Schultern. Da Hailee und er beide aus derselben Nische kamen, war es für niemanden eine große Sache. 

Liam und Louis schüttelten dagegen den Kopf und Erster erklärte: „Cheryl ist so krampfhaft darauf bedacht ihre Privatsphäre zu schützen, dass ich mich keine Sorgen darüber machen muss, ob sie je Platz in einer Talkshow nimmt. Sie würde eher mit Bear auf und davon verschwinden, als mich öffentlich abzuziehen."

In dieser Hinsicht konnte man Liam nur zustimmen. Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der so energisch und kämpferisch alle Grenzen zur Privatsphäre absteckte, wie Cheryl.

Louis reichte mir mein Handy zurück: „Ich war so verknallt in Eleanor, dass ich unserem Management auf den Vertrag gepinkelt hätte, wenn sie von mir verlangt hätten, sie solle so was unterschreiben." Leichthin wedelte er mit der Hand: „Am Ende musste ich El vertrauen. Ich hatte echt total Muffensausen, aber sie hat mich auch nach der Beziehung nicht ans Messer geliefert."

Ich erinnerte mich. Eigentlich erwartete jeder, dass Eleanor in der Presse über Louis auspackte, doch stattdessen passierte einfach gar nichts. Sie hielt über all die kleinen und großen Sünden dicht und verhielt sich großartig.

So etwas konnte funktionieren, war aber in der Regel nicht Gang und Gäbe.

„Ziehe den blöden Vertrag zurück", riet Louis mir. „Und frag dich, ob du darauf vertrauen kannst, dass Isabell keine dieser hysterischen Weiber ist, die austickt, sollte das mit euch enden."

Die Bühnenarbeiter pfiffen nach uns, wir würden weitermachen. Schwerfällig erhob sich einer nach dem anderen von uns. 

Niall gab mir einen Klaps gegen die Schulter: „Sieh mal, Verträge dieser Art regeln eigentlich nur die sachliche Ebene bei uns im Showbizz. Damit es nicht ausartet, du weißt schon, Rosenkrieg und so. Bei Isabell wäre das ein Bisschen anders, sie würde sich damit im Endeffekt mehr schaden, als dir."

Nüchtern betrachtet schon. Meine Fans würden sie fressen und Isabell war nicht der Typ, der auf so viel Aufmerksamkeit stand. Sie hielt sich nicht großartig in meiner Welt auf, ihr Reich war ein Anderes. Unser Umfeld überschnitt sich so gut wie nie.

Ich steckte mein Handy wieder weg und beschloss, dass ich es vielleicht wirklich drauf ankommen lassen sollte. Alleine die Vorstellung diesen Vertrag nicht in der Hinterhand zu wissen, machte mich nervös, aber ich wollte meine Freundin auch nicht dermaßen enttäuschen und verärgern.

Das Bühnentraining zog sich ewig und als wir endlich entlassen wurden, da schrieb ich Isabell noch im Auto eine Nachricht. Leider antwortete sie nicht und während ich im abendlichen Verkehr festsaß, da beschloss ich es drauf ankommen zu lassen.

Ich hatte sie fast eine Woche nicht gesehen und musste das endlich bereinigen. Denn ich vermisste sie, ihre kleinen Nachrichten, mit Vorfreude an sie zu denken und ich wollte meine wenige Zeit in London noch mit ihr verbringen. Und nicht damit zu streiten.

Allerdings hätte ich auch nie gedacht, dass sie genauso starrsinnig war, wie ich. Normalerweise knickten die Leute ein, wenn ich etwas haben wollte. Doch Isabell blieb hart und ich hatte mich selbst dabei erwischt, wie sehr ich mir wünschte, sie würde sich melden.

Ich hatte halbwegs Glück, denn es brannte Licht in der oberen Etage des Hauses, in der sich Isabells WG befand. Wenn sie nicht da war, würde ich einfach warten. Mit einem merkwürdigen Gefühl im Magen klingelte ich und hörte kurz darauf ein Bellen. Dann sprang die Haustür auf und noch bevor ich die Treppen nach oben bezwungen hatte, erwartete mich eine Kugel Wolle.

Kam es mir nur so vor, oder war Fluffy tatsächlich ein winziges Bisschen gewachsen? Treuherzig wedelte er mit dem Schwanz und hüpfte um meine Beine, als ich oben ankam. Zu meiner Überraschung musterte mich Isabells Mitbewohner.

Benny... über den sie gerne herzog.

Ich streichelte Fluffy und räusperte mich schließlich: „Ist Isabell da?"

„Jap", Benny trat zur Seite. „Zumindest, wenn sie ihre Rückverwandlung schon hinter sich hat."

Verwirrt verstand ich nicht, was er damit meinte und betrat den kleinen Flur. Gerade zog ich die Jacke aus, da bemerkte ich Noah in der Küche über Papierstapel brüten. Knapp hob er zum Gruß die Hand, dann gebärdete er etwas in meine Richtung und ohne, dass ich fragen musste, übersetzte Benny: „Er wünscht dir viel Glück."

„Bei was?"

„Isa hat heute morgen ihre letzte Klausur für dieses Semester geschrieben, das heißt, sie wird langsam wieder erträglich und hat hoffentlich schon geduscht", erzählte er freimütig. „In ihrer Klausurphase ist sie ein einziges Monster zwischen Tränen, Mordlust und mir-ist-alles-egal-Lebensphilosophie. Da sie allerdings heute Mittag den Kühlschrank leer gefressen hat und es seit dem still ist... gibt es nur zwei Möglichkeiten."

Okay... vielleicht war es doch ganz gut, dass wir uns die Woche über nicht gesehen hatten. 

„Schätze beide Möglichkeiten bedeuten jemandes Tod."

„Kommt drauf an wie die Klausuren gelaufen sind", meinte Benny leichthin. Noah gebärdete etwas und Benny antwortete. Dieses Mal übersetzte er nicht für mich. Ich hing also meinen Mantel auf und nahm die Treppe nach oben zu Isabells Zimmer.

Dort vor der Tür war es tatsächlich verdächtig still. Mir fiel die Bücherwand auf, die im beengten Flur neu war, doch statt sie mir näher anzusehen, klopfte ich an der Zimmertür. Erst hinterher fiel mir auf, dass ich mir das auch hätte schenken könnten.

Natürlich bekam ich keine Antwort und so schob ich vorsichtig die Tür auf. Ich war Unordnung von Isabell gewöhnt, aber nun erschlug mich das Chaos. Ein Meer an Unterlagen, Bücher und Klamotten breitete sich vor mir aus. Nur eine kleine Lampe spendete Licht und es war eiskalt im Raum.

Vorsichtig quetschte ich mich durch den Türspalt und wäre beinahe auf diese ausgeschaltete Blitzklingel getreten. „Heilige Scheiße", murmelte ich. Meine Schuhe ließ ich an der Tür stehen und dann schlich ich auf Socken über zahlreiche markierte Blätter mit Abbildungen, Notizen und stieß beinahe den übervollen Mülleimer um.

Ungelenkt streckte ich mich, damit ich das Dachfenster schließen konnte und stellte die Heizung an. Erst jetzt konnte ich auf das Bett sehen und bemerkte, dass Isabell sich wie eine Sushi-Rolle in ihrer Bettdecke verschanzt hatte. Sie schlief tief und fest. 

Das rotblonde Haar wirkte noch nass von der Dusche und sie roch nach einer Honigmilch-Mischung. Unter ihren Augen lagen Schatten und alles in einem wirkte ihr Gesicht angespannt.

Mein Blick glitt zur Nachtkonsole, dort erkannte ich die zwei CI's und verstand, dass ich die ganze Nacht hier stehen könnte und sie mich nicht bemerken würde. Irgendwie ein wenig gruselig und das wollte ich nicht sein. Also ging ich vor dem Bett in die Knie und strich ihr über das nasse, zerzauste Haar.

Sie brauchte lange, um wach zu werden. Zuerst versteckte sie sich noch tiefer in ihrer Decke, doch schließlich zwang Isabell sich ein Auge zu öffnen. Statt großartig zu reagieren schloss sie es wieder und schwups, da war die Rückkehr ins Land der Träume schon geschehen.

Ich grinste und schob sie weiter nach hinten ins Bett, sodass ich mich neben sie legen konnte. Sofort presste sie sich gegen meine Seite und ich schlang einen Arm um die menschliche Sushi-Rolle. Stumm sah ich auf das Harry Potter Poster an der Dachschrägen und obwohl ich nur anstaubte und Wärme spendete, so war ich doch absolut entspannt und zufrieden.

Dieser ach so wichtige Vertrag hatte mir im Endeffekt mehr Schwierigkeiten gemacht als geholfen. Auf ihn zu verzichten war die richtige Entscheidung. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top