26 Geheim für immer.
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Noah stieß zu uns zurück und traf auf einige aufgelöste Gesichter, etwas, was ihn völlig irritierte. Sunny schloss ihn so fest in die Arme, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Erst als er es langsam im Kreuz bekam, da löste er sich und verbeugte sich knapp.
Neben mir seufzte Eleanor: „Ich wünschte, Niall hätte das gesehen."
„Ja", stimmte Fizzy zu. „Live und nicht irgendwo später auf Youtube oder so."
Ich verschwieg, dass Niall dagegen gewesen war ein Video auf Gebärdensprache zu drehen. Genauso wie Liam, während Louis sich nicht sicher gewesen war. Niall würde die Faszination wahrscheinlich nicht verstehen. Ein wenig tragisch, aber manchmal war das so.
Noch einmal berührte mich kein Vortrag auf dem Deaf Slam. Noahs Auftritt war der Einzige, der irgendwie anders war. Vielleicht, weil er Unbekanntes und Vertrautes miteinander vereinte. Der Deaf Slam dauerte bis kurz nach Mitternacht. Erst dann waren schließlich alle Stimmen ausgezählt und Noah wurde Zweiter. Ein Ticket nach Chicago war ihm also sicher.
Langsam löste sich die Gruppe auf, wir holten die Jacken von der Garderobe und es war völlig normal, wie sich dort jeder um jeden kümmerte. Sunny wurde die Treppen hoch getragen, der Rollstuhl geklappt und als wir nach draußen traten, da roch es nach Schnee und Weihnachten.
Der Innenhof war verschneit, Kälte kroch an den Beinen hoch und dann war es Zeit sich zu verabschieden. Sunny nahm mir das Versprechen ab, dass ich mich bald wieder blicken ließ und ich sollte mal dran denken einen Kumpel mitzubringen. Dabei zwinkerte sie mehrmals und ich verstand den Wink mit dem Zaunpfahl. Ihr Vater holte sie ab und nach und nach verteilte sich das Grüppchen.
Ich musste Eleanor und Fizzy noch nach Hause fahren und die Weihnachtsfeiertage würden uns alle einbuchten. Im allgemeinen Chaos der Verabschiedung hatte ich einen Moment mit Isabell. Sie wirkte so glücklich, wie ich mich nach einem gelungenen Konzert fühlte.
„Danke, dass du mitgekommen bist", sprach sie und ich schlang die Arme um sie: „Es war interessant." Das war nicht gelogen.
„Wenn auch etwas sehr lang", behauptete Isabell und ich musste grinsen: „Ja. Aber das ist doch unwichtig." Denn es hatte ihr gefallen und das war alles was zählte. Sie schob sich die Mütze aus dem Gesicht und leicht beugte ich mich runter: „Kannst du Weihnachten nicht einfach schwänzen?"
„Kannst du es?", stellte sie die Gegenfrage und die Versuchung war groß. Doch dann sah ich meine Mum, wie sie meine Bude abfackelte, mich enterbte und die tragische Story an die Presse verkaufte.
Das würde sie durchaus tun. Nur, um mir nach einen Canossa-Gang zu vergeben und ordentlich Profit gemacht zu haben. Meine Mum liebte das Drama und die Show, auch, wenn die Welt davon eher weniger mitbekommen hatte.
Isabell schlang nun die Arme ebenfalls um mich und seufzte tief: „Ich hab das Gefühl nach Weihnachten geht die Welt unter und wir verabschieden uns."
„Unsinn, ich verspreche, wenn Weihnachten vorbei ist, dann geht es erst richtig los", ließ ich sie wissen und Isabell verstand es so, wie ich es meinte. Sie musterte mich grinsend und schließlich sagte sie: „Logisch, denn holen wir die Zeit nach, in der wir uns noch nicht kannten."
Ich konnte es kaum erwarten, dass genau diese Zeit begann, denn es bedeutete verdammt viel Zeit. Ihr Kuss schmeckte nach Cola, aber auch nach Schnee und sie selbst. Isabell zu verabschieden war nicht leicht, wenngleich es nur für ein paar Tage war. Ich sah ihr nach, wie sie verärgert auf ihre Freunde zuschritt, die sie mit irgendwelchen Faxen aufzogen.
Amanda tat, als würde sie verliebt in Ohnmacht fallen und Noah fing sie automatisch auf. Der Schneeball, den Isabell nach ihren zwei besten Freunden warf, verfehlte beide und hinter mir pfiff Eleanor belustigt: „Komm schon Harry, wir frieren hier an."
„So schwer verknallt, wie du bist, solltest du vor der Tour noch zum Arzt", behauptete Fizzy amüsiert. „Sonst bringt dich nicht dein Geschnarche um, sondern deine Entzugserscheinungen."
„Ich weiß, dass wir ekelhaft sind", gab ich zu. Ekelhaft verknallt. Früher hatte ich selbst Witze über solche Leute gemacht und jetzt war es mir merkwürdiger Weise egal.
„Ach, so ekelhaft nun auch nicht", behauptete Eleanor als wir zum Auto gingen. „Es ist nur ungewohnt dich so zu sehen, weil du sonst nie der Typ dafür warst."
Das mochte wahr sein. Verliebt zu sein machte einen seltsam, aber mich störte das nicht. Es war viel mehr ein Zustand, den ich genießen wollte. „Und, wie ist euer Fazit zum Abend?"
„Toll!", platze es aus Fizzy raus. „Es war was komplett anderes und total schön."
„Das fand ich auch", bekräftige Eleanor. „Ich würde das sehr gerne noch einmal sehen, aber manchmal war ich auch froh, das Isabell übersetzt hat. So habe ich irgendwie den Faden nicht verloren."
Keiner erwähnte, dass er sich fehl am Platz fühlte und wahrscheinlich war ich damit alleine. Aber in einem hatten sie recht, es war wirklich schön. Da ein Deaf Slam allerdings nicht allzu oft stattfand, bezweifelte ich, dass Eleanor so etwas in absehbarer Zeit noch einmal sah.
„Habt ihr Hunger?", fragte Fizzy im Auto von hinten und wir machten einen Abstecher nach McDonalds. Obwohl sehr spät war, riskierten wir es nicht im Inneren der Fastfood-Kette zu essen. Stattdessen musste der Drive In herhalten. Danach würde mein Wagen nach Fett riechen, aber das war nichts, was eine Lüftung nicht wieder wegbekam.
„Was ist eigentlich bei euch zu Hause los?", fragte ich schließlich und sah, wie Fizzy ihren McFlurry löffelte. Sie zuckte mit den Schultern: „Boo macht Wind um nichts."
Na ja, Louis war nicht unbedingt eine Drama-Queen, wenn er keinen Grund für hatte und als ich Eleanor ansah, da wusste ich, dass ich recht hatte. „Hast du ihm das mal gesagt?"
Wieder zuckte sie nur mit den Schultern.
„Wenn er dir zu bunt wird, dann kriegst du Asyl von mir", bot ich ihr an und das brachte Fizzy zum grinsen. Eigentlich hatte Louis ein gutes Verhältnis zu seinen Geschwistern, aber auch da konnte es mal krachen. Ich hatte nur Gemma und wenn zwischen uns die Fetzten flogen, dann richtig.
„Auch, wenn du auf Tour bist?", wollte Fizzy wissen, doch Eleanor sah es von der praktischen Seite: „Wenn Harry auf Tour ist, ist Louis es auch, also gibt es nur uns und wir regeln Probleme ohne Stress."
„Stimmt auch wieder", gab Fizzy zu.
Der Abend klang aus, ich brachte beide nach Hause, vorher entsorgten wir sämtliche Pappschachteln und als ich den Wagen auf Louis' Grundstück lenkte, da stöhnte Fizzy frustriert: „Scheiße. Der dämliche Sack ist noch wach." Licht brannte im Inneren.
„Stell dich dem Dämon", feuerte ich sie an und sie warf mich einen wütenden Blick zu. Damit rutschte sie vom Rücksitzt, schlug die Autotür zu als wollte sie sich für einen Boxkampf aufwärmen und stampfte hoch zur Haustür.
Ich wartete darauf, dass Eleanor es ihr gleich tat, doch stattdessen blieb sie sitzen und schnallte sich lediglich los. Sie atmete tief durch, aber statt etwas zu sagen, schwieg sie nur. Irritiert musterte ich sie: „Was ist los, El?" Es war ewig her, seit wir das letzte Mal alleine gewesen waren.
So richtig alleine, ohne einem anderen Menschen im Nebenzimmer.
Prompt schmeckte ich wieder Wodka Lemon auf der Zunge, roch Nikotin und hörte das leise Summen der Klimaanlage des Hotelzimmers. Sofort ging mein Puls schneller und ich spürte die hässliche, klamme Kälte, die sich wie bösartiger Schimmel ausbreitete und alles vergiftete.
„Ich mache mir Sorgen darüber, wenn ihr wieder auf Tour geht", gab sie zu und ohne, dass sie mir erklären musste warum, sprach ich: „Es wird funktionieren."
„Was wenn nicht?", stellte Eleanor die Gegenfrage. „Ihr wart eine sehr lange Zeit alle in verschiedenen Richtungen unterwegs und habt euch verändert."
„Das mag sein, aber wir sind auch erwachsener geworden und reifer", irgendwie. Ich hoffte, dass wir die Dinge nun anders klärten, wenn wir Probleme miteinander hatten. Da Eleanor immer noch besorgt aussah, setzte ich hinzu: „Wir passen schon auf Louis auf, damit er keine Dummheiten macht."
Trocken lachte sie: „Du meinst, nicht so wie wir in Las Vegas?"
Zwei mal, ganze zweimal hatte ich die wohl größte Dummheit überhaupt mit Eleanor gemacht. In Vegas verzockte ich in vier Tagen nicht nur richtig viel Kohle, betrank mich dauerhaft und war auf Partys von Leuten, die ich nicht kannte, sondern schlief auch mit der damaligen Ex-Freundin meines Bruders.
Ich glaubte, dass es nichts bedeuten würde, immerhin waren Eleanor und Louis damals nicht mehr zusammen, er schwängerte Briana und alles zwischen den beiden schien auseinandergebrochen zu sein. Dämlich war ich der Meinung, dass die beiden sich sowieso nie wieder in diesem Leben begegnen würde. Deshalb war es auch nicht schwer mein Gewissen zu ignorieren.
Wir dachten beide nicht darüber nach und verbrachten den gesamten Tag und die Nacht im Hotelzimmer. Eleanor half mir damals den Kummer in Las Vegas gänzlich zu betäuben. Ich hatte eine Woche vorher erfahren, dass mein Stiefvater Krebs hatte und die Chance, dass er es schaffte, so gering war, wie die Wahrscheinlichkeit das England die Fußballweltmeisterschaft gewann.
„Las Vegas spielt keine Rolle mehr", sprach ich. „Louis wird das niemals herausfinden."
Eleanor spannte die Miene an: „Denkst du das wirklich? Unangenehme Dinge kommen immer raus!"
„Nein", widersprach ich ihr sofort, alleine beim Gedanke daran wurde mir ganz anders. „Niemand außer uns weiß das und weder du, noch ich werden es Louis je erzählen." Er würde mich umbringen, alleine die Vorstellung es ihm zu sagen... viel eher würde ich versuchen ganz viele Meilen Abstand zwischen uns zu bringen.
Doch was noch viel wichtiger war, ich würde ihn als Bruder verlieren und das würde mehr schmerzen als jede körperliche Auseinandersetzung.
„Also denkst du nie daran ehrlich zu ihm zu sein?", Eleanor zupfte am Ärmel ihres hellen Mantels, sie vermied es mich anzusehen. Eigentlich glaubte ich, dass wir mit unserem stillen Pakt, kein Wort über Las Vegas zu verlieren, eine gute Übereinkunft hatten.
„Ich bin ehrlich zu Lou, jeden Tag. Nur manchmal würde die Wahrheit nicht helfen, sie würde nur zerstören", und in diesem Fall ganz sicher alles, was Eleanor und ich mit Louis hatten. Sie die Liebe und ich die tiefe Freundschaft. Die Wahrheit würde das Band von One Direction nicht aushalten.
Wir standen füreinander ein, hielten zusammen, aber es gab Grenzen und das hier war eine davon.
Erneut seufzte Eleanor tief, dann sprach sie völlig unvermittelt: „Ich liebe Louis."
Automatisch musste ich lächeln.
„Ich liebe ihn so sehr, dass ich es nicht noch einmal aushalten würde, wenn...", mit den Händen hielt sie imaginär etwas fest und ließ es dann los. „Versprich mir, das es niemals rauskommt und ich mich irgendwann nicht mehr fühle als würde ich Louis immer noch betrügen."
„Du hast ihn nie betrogen", korrigierte ich sie automatisch. Dies war die Rettungsleine meines Gewissens und Eleanor würde sie mir nicht wegnehmen. „Als es passierte, da wart ihr nicht zusammen. Er hat dich mit Danielle schließlich auch nicht betrogen."
Sie schwieg neben mir, ehe sie zugab: „Das ist wahr, trotzdem fühlt es sich so an."
Ich schwieg einen Augenblick und als sich Eleanor gerade daran machte die Wagentür zu öffnen, um zu gehen, da sprach ich unvermittelt: „Du hast mich damals gerettet."
Blinzelnd hielt sie inne und ich fuhr fort: „Ich weiß nicht, was mir in Vegas noch passiert wäre, aber in dieser Woche fühlte es sich an, als würde ich fallen und fallen. Und am nächsten Morgen, als du da warst, da hörte es auf."
Ich vermisste Robin immer noch jeden Tag. Ich vermisste das Wissen, dass meine Mum sich am Telefon über seine Ungeschicklichkeit beschwerte, ich vermisste die lustigen Kettenbriefe, die er mir damals fast täglich schickte, ich vermisste lauter so Kleinigkeiten. Das Wissen einen zweiten Vater zu haben, das Glück meiner Mum und-
„Harry", Elenaor griff nach meiner Hand und drückte sie. „Es ist in Ordnung Robin zu vermissen. Egal wie lange er schon tot ist."
„Ja", sprach ich belegt und zwang mich zu grinsen, dann würde ich wieder ernst: „El, ich verspreche dir, Louis wird es niemals, wirklich niemals herausfinden. Also lass dein schlechtes Gewissen los. Du brauchst keines zu haben." Ich dafür schon.
Knapp nickte sie, stieß die Autotür auf und schlüpfte nach draußen, doch sie hielt inne: „Übrigens, ich mag Isabell sehr."
„Da bin ich aber froh."
„Ja", sie lächelte breit. „Ist lange her, seit ein Mädchen nur dich gesehen hat und nicht den großen Harry Styles."
Das war wahr.
Stumm sah ich Eleanor nach, wie sie die Treppen zur Haustür hoch ging und wartete, bis sie ins Innere verschwunden war. Erst dann startete ich den Wagen neu. Nicht nur sie hatte sich Gedanken zur Tour gemacht. Auch ich fragte mich, ob das wirklich alles gut gehen würde.
Liam war geistig mehr abwesend, als anwesend. Was wahrscheinlich damit zusammen hing, dass er sich erst wieder an den Stress gewöhnen musste. Zumindest redete ich mir das ein.
Das nächste war, dass wir alle verschiedene Vertreter des Managements hatten. Da dauerte es, bis ein Deal endlich vom Tisch war. Keiner von ihnen arbeitete gerne mit der Konkurrenz zusammen und Modest! hatte mehrmals verlauten lassen, dass wir doch alle wieder bei ihnen unterschrieben. Doch das würde nicht passieren.
Kurz dachte ich an Niall und dass er in letzter Zeit keine Sprachmemos mehr beantwortete. Er reagierte nur auf Textnachrichten. Wenn er jetzt anfing einer dieser merkwürdigen Sternchen zu werden, dann sollte man das eindeutig mal bei einem Bier diskutieren.
Ich wohnte nicht weit von Louis weg und nachdem ich den Wagen geparkt hatte, da betrat ich mein dunkles Zuhause. Meine Schritte schienen von den Wänden zurückzuschallen und ich machte Musik an. Während weihnachtlicher Sound die Räume einnahm, machte ich eine Flasche Wein auf und sah zum Weihnachtsbaum.
Natürlich kamen mir Isabells Worte in den Sinn, dass man Geschenke nicht vorher öffnete, doch ich tat es trotzdem. Vorsichtig nahm ich ihr Geschenk zur Hand, es war flach und ich vermutete, dass sie mir ein Buch schenken würde. Das Papier mit den lachenden Tannenbäumen entfernte ich und setzte mich auf die Couch.
Eine kleine Karte fiel mir entgegen, ich klappte sie auf und sah auf die kringelige Schrift. Die Worte waren recht förmlich ausgefallen. Sie wünschte mir frohe Weihnachten und hoffte, dass ich einen guten Platz dafür finden würde. Dahinter war ein Emoji, der mich anzwinkerte.
Automatisch musste ich breit grinsen. Isabell schenkte mir ein Bild, der Rahmen passte zu all den anderen im Flur. Meine ganz eigene Zeitleiste. Ich sah auf das Foto, es zeigte Arlo und mich im 'Three little Deers' als wir das Eichhörnchen füttern wollten.
Mein Patenkind saß auf meinen Schultern, er hielt Nüsse in den Händen und auf seinem Kopf thronte das Eichhörnchen wie ein König. Das Foto hatte einen simplen Moment eingefangen, ein Stück Normalität.
Natürlich hatte ich einen guten Platz dafür und noch am selben Abend schlug ich den nächsten Nagel im Flur in die Wand.
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