19 Herzensschöne.

┊  ┊  ┊           ★ LOUIS

┊  ┊  ☆

┊  ★




Zu meiner Verblüffung gab Harry während des Essens meiner Freundin die Kurzfassung. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Ich blieb bei meiner Meinung. Diese Isabell war besser dran, wenn Harry das Abenteuer beendete.

„Und du warst wirklich bei einem neuen von Deaf Studio Dreh dabei?", fragte Eleanor sichtlich interessiert. Sie hatte kaum zwei Bissen von ihrem Sandwich genommen. Harry nickte: „Sie haben 'Smoke on the water' übersetzt, direkt an der Themse. Leider musste ich früher abhauen, weil die Aufmerksamkeit heikel wurde. Vielleicht haben mich auch zwei, drei Leute erkannt."

„Scheiße", fand Eleanor direkt. Dann lächelte sie: „Ich find's cool, dass sie dich nicht schnarchen hört. Erspart dir jede Menge Theater."

Das Ganze entwickelte sich nicht so, wie ich es gerne hätte. Meine Freundin reagierte auf Harrys neusten Clou viel zu positiv. Schließlich wollte Eleanor wissen, ob Harry ein Bild von seinem neuen Mädchen hätte. Er zeigte ihr kurz darauf das Video, wo eine Gruppe 'Beautiful to me' gebärdeten. Olly Murs hatte mächtig mit angegeben.

Harry beugte sich vor und er tippte auf sein Handy: „Die mit den rotblonden Haaren und noch ist sie nicht mein Mädchen."

„Nicht dein typisches Beuteschema", fand Eleanor und ich widerstand der Versuchung den Hals zu recken. Sie reichte Harry das Handy zurück: „Und du kommst damit klar, dass sie nicht hört und mit Musik nicht besonders viel anfangen kann?"

Es war Harry tatsächlich egal.

Das ich hier völlig ausgeschlossen wurde, war mir egal. Ich wartete immer noch darauf, dass meine Freundin tat, was richtig war. Nämlich Harry ins Gewissen redete. Doch sie machte nichts von alldem, stattdessen sprach sie: „Bring sie doch zu unserer Silvesterparty mit, dann können wir sie direkt kennenlernen."

Just in diesem Augenblick blieb mir das Sandwich im Hals stecken und ich röchelte. Aber keiner nahm davon Notiz. Allgemein wurde ich am Tisch unsichtbar und nachdem ich das halbe Sandwich verdrückt hatte, verzog ich mich ins Wohnzimmer und tat, wofür ich eigentlich hergekommen war.

Ich packte aus, befestigte Lichterketten am Fenster, große Papiersterne in 3D an der Decke und sammelte Müll ein. Nebenbei hörte ich Harry und Eleanor miteinander reden, mal lauter, mal leiser. Also begann ich die dicke und lange Girlande um das Geländer im Treppenhaus zu wickeln. Kaum hatte ich es bis ins erste Stockwerk geschafft, da bemerkte ich, dass Harry noch eine Zweite hatte. Mehrmals tat ich mir an den Tannenzweigen weh und fluchte.

Auf der letzten Stufe ließ ich mich nieder, öffnete vorab das Fenster und zog eine Zigarettenschachtel aus meiner Hosentasche. Schwerfällig setzte ich mich und atmete tief das Nikotin ein. Mein Blick schweifte an der Wand entlang.

Im gesamten Flur waren die Wände mit Bildern tapeziert und bildeten eine Zeitleiste. Es begann mit Kinderfotos, es folgte X-Factor und dann die Eroberung der Welt. Irgendwie war genau diese Zeit so furchtbar schnell vergangen. Ich konnte mich kaum noch daran erinnern, wann was zuerst passierte.

Erst als meine Mutter starb und Eleanor zurück in mein Leben kam, da schien die Zeit wieder an Tempo zu verlieren und ich drohte nicht mehr in einem Strudel zu ersticken. Jetzt begann ich mich zu fragen, ob dieser Fotoweg vielleicht Harrys Art war die Zeit irgendwie überblicken zu können.

Ich würde das verstehen.

Nachdem ich den gerauchten Zigarettenstummel aus dem Fenster geworfen hatte, kehrte ich ins Erdgeschoss zurück und fand Harry und Eleanor zwischen den Kisten. Sie hatten das Chaos geordnet und die beiden Bäume waren fertig geschmückt.

„Danke für die Hilfe", sprach Harry. „Und für den Moralapostel."

„Immer gerne", ich grinste und verstand, dass mein Kumpel keine weitere Hilfe brauchte. Ganz Gentleman sah ich, dass Harry meiner Freundin in den Mantel half und ich passte mich an, indem ich die Haustür aufhielt und eine Verbeugung andeutete. Eleanor rollte belustigt mit den Augen, dann warf sie mir die Autoschlüssel zu.

Es hatte wieder angefangen zu schneien und sie fuhr nicht gerne, wenn die Straßen glatt waren. Sofort stellte sie im Auto die Heizung an und rieb die Fingerspitzen aneinander. Ed's erstes Album dröhnte aus den Boxen und ich machte die Musik leiser.

„Du warst nicht gerade nett zu Harry", sprach Eleanor und zog sich das lange Haar aus dem Kragen der Jacke. „Man muss ihm auch die Chance geben anständiger zu sein."

„Ich halte es einfach für besser, wenn er einfach erst Mal ein bisschen Distanz zwischen sich und diesen ganzen Weibern bringt", gab ich ehrlich zu und lenkte den Wagen vorsichtig durch die Straßen.

Nun lachte Eleanor laut auf: „Dafür ist es schon zu spät, oder hast du nicht zugehört als er dir von dieser Isabell erzählt hat?" An der roten Ampel hielt ich und sah Eleanor irritiert an, also fuhr sie fort: „Harry trifft sich mit einem Mädchen, das an Handicap hat. Völlig andere Baustelle als seine üblichen Verabredungen und das heißt schon was."

Ich schüttelte knapp den Kopf und das war ein Fehler, denn Eleanor wurde langsam pissig: „Du hast tatsächlich nicht zugehört! Ich denke, dass sie Abwechslung ist und so wie es klang, ist sie an ihm interessiert, und wirklich nur an ihm. Außerdem finde ich es gut, dass Harry ihre Freunde schon kennt. Da ist es nur natürlich, wenn er etwas verunsichert ist."

„Wieso sollte er verunsichert sein?", so ganz fiel der Groschen bei mir nicht. Dramatisch seufzte meine Freundin: „Manchmal frage ich mich, ob du heute deinen Kopf ausgestellt hast. Die Kommunikation mit ihren Freunden ist eine ganz andere als bei uns. Denkst du nicht, dass es etwas befremdlich für Harry war oder er sich vielleicht ein wenig ausgeschlossen fühlte? Er beherrscht die Sprache, die dort genutzt wird nicht. Du weißt schon, Gebärdensprache."

Unweigerlich musste ich lächeln: „Ein kurzes Gespräch mit Harry und schon bist du völlig im Bilde."

„Ich kann eben zwischen den Zeilen lesen", ihre Mundwinkel zuckten. „Trotzdem darfst du ihn gerne mehr unterstützen."

Das tat ich, nur anders, als die typischen Weichspüler. Der Schnee wurde dichter und Eleanor stellte Ed's Musik wieder lauter. Sie entspannte sich und dann fragte sie: „Kann es sein, dass du gar nicht möchtest, dass Harry sich verliebt?"

Sie traf mich damit total unvorbereitet und ich lachte laut auf: „So ein Unsinn. Ich würde es gut finden, wenn es passieren würde. Aber Mal ehrlich, wir reden hier von Harry." Seine Begeisterung für eine Frau kam plötzlich und nahm auch genauso schnell wieder ab.

Eleanor zuckte mit den Schultern: „Dinge können sich ändern, das weißt du doch am Besten." Ich wusste nicht, ob sie es mit Absicht machte, aber prompt zog sich mein Magen zusammen. Sie ging nicht weiter auf das Thema ein, doch ich begann mich nicht zum ersten Mal zu fragen, ob... meine Beziehung vielleicht nicht das war, was ich glaubte.

Nach dem Tod meiner Mutter hatten Eleanor und ich wieder zueinander gefunden und alles auf Anfang gestellt. Wir lernten uns neu kennen, gingen miteinander aus als wäre es unser erstes Date und niemand machte dem anderen wegen irgendetwas Vorwürfe.

Ich glaubte, es würde funktionieren, denn Eleanor liebte Freddie. Sie bemühte sich mit Briana und im Gegensatz zu Danielle damals, mischte sie sich nicht ein. Briana machte mir keine Schwierigkeiten, wenn ich Freddie abholte und Eleanor dabei war. Im Gegenteil, ich hatte eigentlich verstärkt das Gefühl, sie würden anfangen sich zu verstehen.

Doch immer wieder war da dieser merkwürdige Nachgeschmack in meinem Mund und ich konnte Eleanor nicht einmal irgendetwas unterstellen. Denn sie gab mir eigentlich keinen Anlass. Würde da nicht das Wort 'eigentlich' stören.

„Übrigens", sprach Eleanor, „ich bin dafür, dass Fizzy bei uns einzieht."

Beinahe hätte ich eine Vollbremse hingelegt. „Was?"

Wir waren gerade erst frisch in das Haus in Belgravia eingezogen, hatten alle Kisten und Möbel gerückt und ausgepackt und ich freute mich darauf mit Eleanor neue Erinnerungen zu erschaffen.

„Ja", sie nickte. „Du hast Dan doch gesagt, dass du dich um Fizzy kümmerst und rauskriegen willst, warum sie in letzter Zeit so arg rebelliert. Das kannst du nicht, wenn du in London bist und Fizzy in Doncaster."

Ich würde bald rund um den Globus sein und Eleanor wusste das. Leicht neigte ich den Kopf: „Wirst du sie im Auge behalten, wenn ich auf Tour bin?"

„Vermutlich, aber nur, wenn du vorher tust, was du Dan versprochen hast", das war das wirklich großartige an Eleanor, sie machte mich mit ein bisschen Druck zu einen besseren Menschen. Ich hielt Versprechen wieder ein und bemühte mich zuverlässig zu sein. Die Spur zu verlieren war zu einfach und in meinem Fall zu heikel. Ich machte dann nur eine Dummheit nach der Nächsten.

Tief seufzte ich. Nie hätte ich geglaubt, dass ausgerechnet Fizzy eines Tages aus der Reihe tanzen würde. Sie war die Schwester, die sich anpasste, vorbildlich war und noch nicht einmal einen Keks ungefragt aus der Dose nahm.

Jetzt trieb sie sich Nächte lang draußen herum, kam nicht nach Hause und schien mit dem Schulabschluss im Sommer absolut keine Ahnung zu haben, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Ihr Stiefvater, Dan, wurde ihr nicht mehr Herr, besonders, weil sie offiziell volljährig war. Doch er machte sich große Sorgen.

(„Was, wenn sie in die falschen Kreise gerutscht ist oder wenn sie Drogen nimmt? Ich habe überhaupt keinen Zugang mehr zu ihr. Sie kommt und geht, wie sie will und wenn sie die Nacht nicht nach Hause kommt – irgendwann passiert ihr was!")

„Wir sollten morgen das Zimmer für Fizzy herrichten", erzählte Eleanor. „Wer weiß, wie lange sie bleibt."

„Wohl nicht allzu lange, ich bin sicher, dass Fizzy sich nach ein paar Tagen in London schon wieder einkriegt", behauptete ich. Meine Schwester war nicht der Typ für eine dauerhafte Rebellion und wer wusste schon, ob Dan Fizzy mit irgendetwas nicht provoziert und herausgefordert hatte.

Ich fuhr den Wagen in die Garage des neuen Hauses. Wir konnten von der Garage aus direkt ins Haus gehen und uns empfing wohlige Wärme. Sofort spürte ich den Unterschied, wenn ich nach Hause kam und alleine lebte, oder seit Eleanor wieder ein Teil meines Lebens war. Es war anders, denn jetzt kam ich wirklich Heim und nicht nur in ein beliebiges Haus.

Dabei waren es nur die Kleinigkeiten, die anders waren. Jetzt blinkten mir die Weihnachtslichter entgegen und per Fernbedienung machte sie die Lichterkette um den Weihnachtsbaum an, der im großen Wohnzimmer stand.

„Du solltest dich bei Harry entschuldigen", sprach Eleanor später, als wir eines der Gästezimmer zusammen bezogen und den Schrank leer räumten. Meine Freundin liebte den Altbaustil, die hohen Fenster, die doppelten Flügeltüren – und so war es nicht verwunderlich, dass sie versucht hatte die Einrichtung anzupassen und es trotzdem gemütlich aussehen zu lassen. Wuchtige Möbel, warme Farben und weniger von meinem Junggesellenkrempel.

„Weil ich ihm meine ehrliche Meinung gesagt habe?", ich warf ihr die andere Seite des Lakens zu, damit wir es zusammen über die wuchtige Matratze ziehen konnten. Gewisse Dinge wollte Eleanor nicht der Putzfrau überlassen. Wäsche und Schlafzimmer waren somit tabu.

Sie warf mir ein Kissen ins Gesicht: „Nein, weil du ihm einen Fortschritt ausreden wolltest, statt ihn zu unterstützen."

Da hatte sie recht.

Ich zog sie ins Gästebett und ärgerte sie, indem ich sie durchkitzelte. Japsend und kichernd wandte sie sich in meinen Armen, dann drückte ich ihr einen Kuss in den Nacken und fragte: „Weißt du, was wir in diesem Haus noch nicht gemacht haben?" Sie roch nach Zimt und Gebäck, als hätte sie heimlich gebacken.

„Eine Einweihungsparty geschmissen?", riet sie wohl wissend, dass unsere Silvesterfete die Einweihung war. Wer kommen wollte, der kam auch. Grinsend verneinte ich: „Wir sind echt alt geworden, früher haben wir jedes Zimmer extra entweiht." Ich wackelte mit den Augenbrauen.

Eleanors helles Lachen war Musik in meinen Ohren und sie zwickte mich zwischen den Rippen: „Ich bin voll dafür, dass wir das nachholen, aber nicht heute." Also nichts mit Sex oben, unten und sonst wo.

Enttäuscht ließ ich sie los, doch wieder lachte sie nur und erklärte: „Nicht heute heißt nicht, niemals. Also tue nicht so geschlagen." Sie kletterte aus dem Bett. „Ich muss morgen Abend nach Madrid und habe keine Ahnung, wo sich mein Pass befindet." Und wahrscheinlich hatte sie auch noch nicht gepackt. Das wollte sie nun nachholen.

Ich bezog das Bett alleine fertig, mit deutlich weniger Liebe und beschloss Harry eben anzurufen, dann hatte ich die Entschuldigung hinter mir. Während ich mit dem Handy ins angrenzende Bad ging und dort für Fizzy ein paar Handtücher ablegte, fiel mir auf, dass jemand das Bad benutzt hatte.

Irritiert darüber sah ich, dass unter dem Waschbecken die Schranktüren nicht richtig zu waren und drückte dagegen, doch etwas klemmte. Ich öffnete das Schränkchen, ging in die Hocke und bemerkte, dass die Kiste mit den ganzen Proben an Hygieneartikeln aufgefüllt worden war. Eleanor sammelte was das Zeug hielt.

Seifen, Shampoo, Cremes, wahrscheinlich wollte sie die Proben aufheben, für den Fall, dass unser Besuch etwas zu Hause vergessen hatte. Ich schob die Kiste weiter nach hinten, räumte ein paar Handtücher dichter zusammen und dann fiel mir etwas auf.

Die Schachtel blinkte mich quasi mit Rotlicht zwischen all den Hygienekram an. Sofort streckte ich die Hand aus und mein Magen verknotete sich. Was machte ein Schwangerschaftstest hier?

Just in diesem Augenblick bekam ich Atemnot und ein eiskalter Luftzug glitt über meinen Rücken.

Die Wände rückten näher.




───────────────────  


Hallo ihr Lieben! Danke für euer tolles Feedback und den Votes :)

>_< Bevor ich das normale Nachwort schreibe, wollte ich noch etwas ansprechen und fragen: Nämlich, wenn sich jemand irgendwie durch meine Kommentar-Antworten angegriffen fühlt, oder nicht wohl - dann sagt mir das bitte (ich fresse niemanden ;) denn das ist absolut nicht meine Absicht und ich entschuldige mich, falls das passiert ist!

Ich möchte hier niemanden verprellen oder gar die Lust am kommentieren nehmen! <3

Zum Kapitel, eigentlich ist es der Rest, der im letzten Kapitel nicht mehr reinpasste, weil es zu lang wurde. Auch bei Elounor ist nicht alles rosig ;) und es wurde schon angedeutet, wer bald auch noch mitmischt.

Vermehrt möchtet ihr Noah als dritte Sicht und dann werde ich das auch genau so machen ;) habt dank für die Abstimmung <3

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top