18 Dein siebter Sinn.
┊ ┊ ┊ ★ LOUIS
┊ ┊ ☆
┊ ★
☆
„Jingle bells, jingle bells, Jingle all the way, oh what fun it is to ride, in a one-horse open sleigh, hey."
„Das darf nicht wahr sein", murmelte ich und war mit dem ersten Schreck von der Fußmatte gesprungen. Jetzt sah ich, wie die Matte unter mir blinkte und der fette Engel darauf zu schielen begann.
Als Harry mich fragte, ob ich ihm dabei helfen würde seine Bude weihnachtstauglich zu dekorieren, da ging ich davon aus, dass ich nur irgendeinen abstrakten und überteuren Schnickschnack von rechts nach links schieben sollte.
Aber jetzt hatte ich eine ganz wahnwitzige Vorahnung. Ich gab den Code ein, damit Harrys Haustür aufsprang und sollte mich nicht irren. Mir dröhnte eine volle Ladung 'Last Christmas' entgegen. Überall standen offene Kisten und gefühlt alle dreißig Zentimeter stolperte ich über Kabel.
„Was zur Hölle-", murmelte ich und taumelte in das riesige Wohnzimmer. Dort blieb ich wie angewurzelt stehen als ich die beiden Tannenbäume sah und meinen Kumpel, der sich gerade versuchte zu entscheiden welche Farbkombination er den armen Tannen aufzwingen sollte.
So sehr ich Harrys Engagement für Toleranz und Akzeptanz auch bewunderte, aber seinen Weihnachtsbaum nach diesem Motto zu schmücken fand ich doch etwas arg. Die Alternative waren anscheinend die Vereinsfarben blau-weiß von Tottenham Hotspur.
„Geht's dir gut?", machte ich mich bemerkbar und Harry wandte sich um, er blinzelte: „Ja, ging mir nie besser."
„Aha", machte ich weniger überzeugt. „Und hast du auch so viel Krempel für Ostern?"
Nachdenklich runzelte Harry die Stirn: „Daran dachte ich auch schon, aber vorher muss mein Garten aufgepimpt werden. In der Todesfalle kann ich schlecht Eier für Arlo, Jackson und Lux verstecken."
Ich kramte nach meinem Handy: „Beweg dich nicht, ich rufe eben Preston an, du hast dir anscheinend ziemlich kräftig den Kopf gestoßen. Ich will nicht, dass wir das Blutgerinnsel in deinem Kopf weiter verschieben."
Doch Harry blieb gelassen: „Hör auf zu spinnen und hilf mir lieber. Denn das war es doch, was du tun wolltest."
Da war was dran. Besonders Lust hatte ich keine. Also pellte ich mich erst mal aus meinen Mantel und platzierte mich auf die Couch zwischen Lametta und fetten Engeln, die sich auch prompt in Bewegung setzten, hin und her schwenkten und 'Silent night, holy night' krähten.
„Ziemlich cool, hm?", fand Harry begeistert, bei mir hielt sich das Entzücken in Grenzen: „Großartig."
Ich sah, dass er die Sofakissen bezogen hatte und fragte mich, wenn ich ihn nun um einen Kaffee bat, er mir den in einer Weihnachtskitsch-Tasse servierte. „Hast du keinen klassischen Christbaumschmuck?", warf ich ein und musterte die bunten Kugeln. Mein Kumpel rieb sich das Kinn und sprach aus, was ich längst vermutete: „Ich dachte, ich zeige meine Solidarität einmal anders."
In anderen Worten: Er hatte einen Knall.
Diese Sache mit der Unterstützung nahm langsam bedenkliche Formen an. Würde ich Harry nicht schon Jahre kennen, dann würde ich vermuten er hätte still und heimlich das Ufer gewechselt. Doch Harry Styles war so stockenhetero wie Elton John schwul war.
Nur weil Harry zu ein bisschen Extravaganz neigte und erfreulich freimütig eine Regenbogenflagge bei jeder Gelegenheit durch die Luft wedelte, hieß das noch lange nicht, dass er die Hintertür bevorzugte.
Niall hatte jedoch einmal in einen völlig betrunkenen Moment seinerseits vermutet: „Vielleicht kompensiert er mit all diesen Models auch nur was."
Quasi wie Charlie Harper, bei dem sich die Frauen nur so das Kondom gegenseitig in die Hand gaben. Doch das änderte nichts an den Fakt und absoluter Realität: Nix mit Larry, das scheiterte alleine schon daran, dass niemand von uns je seine Hintertür hergeben würde, geschweige denn scharf auf ein Abenteuer am anderen Ufer war.
Nur in einem hatte Niall wahrscheinlich recht. Vielleicht kompensierte Harry mit seinen promisken Leben tatsächlich etwas.
Trotz seines charmanten und höflichen Charakters war Harry oft genug ein Arsch und er wusste das nur zu genau selbst. Harrys Art war weder die feine Englische, noch konnte man sie entschuldigen. Und doch fanden die Frauen Reihenweise Entschuldigungen für ihn. Der Charme war schuld.
Es ließ sich nicht leugnen, dass er ihnen spielend leicht einreden konnte, dass es an ihnen lag, weshalb es nicht zwischen ihnen funktionierte und nicht an ihm. Normalerweise machte man das anders herum.
„Hör auf mit dem Quatsch", sprach ich und hielt ihm eine Packung mit roten Kugeln hin. Die bunten Kugeln würde ich verstecken. „Du hast dieses Jahr deine gesamte Verwandtschaft hier und das wird schon anstrengend genug, oder willst du deinen alten Leuten erzählen, was es mit deiner Solidarität auf sich hat?"
Das dürfte ziemlich lange dauern. Die Jungs und ich waren auch nicht direkt dahinter gestiegen.
Nachdenklich musterte Harry die Kugeln, dann knickte er ein: „Hast recht. Sicher ist sicher." Vorerst teste er jedoch die Lichterketten und tauschte zwei kleine Kerzen aus. „Du wolltest mir helfen, als mach dich endlich nützlich!"
Ich seufzte und zog eine Kiste zu mir heran, dann fing ich an zerbrechliche Figuren für die Krippe auszupacken. „Wieso hast du das nicht schon die letzten Tage gemacht?", fragte ich und Harry stieg auf einen Hocker, um die erste Lichterkette zu befestigen. Er zögerte, ich merkte es daran, weil er die Stirn angestrengt runzelte.
„Ich war beschäftigt", gab Harry und und ich hob die Augenbrauen: „Womit? Ich dachte, dass du dich erst einmal nicht mehr mit Camille triffst." Zumindest hatte ich das gehofft, denn das Thema Camille Rowe bedeutete im Zusammenhang mit Harry nichts Gutes und eigentlich glaubte ich, dass er das eingesehen hatte.
„Tue ich auch nicht. Ich habe Camille das letzte Mal vor sieben Wochen gesehen."
Erleichtert stieß ich die Luft aus, aber weil Harry nicht weiter sprach, ahnte ich Schlimmes: „Wer ist es dieses Mal? Verdammt, Styles, du wolltest dich bessern und anständig werden."
Frustriert sprang Harry von seinem Hocker. „Ich weiß", zischte er, „und ich bin nicht zurück in mein altes Schema gestolpert!"
Sprich, er hatte nicht wieder charmant aufgerissen was er nicht ernst meinte und danach eiskalt die Fliege gemacht. Und das konnte Harry richtig gut, Hoffnungen aufbauen, fallenlassen und wenn er wieder Lust drauf hatte, die Hoffnung wiederbeleben.
Doch das eigentliche Problem war, dass die Frauen sich zu Recht Hoffnungen machte. Normalerweise hätte ich gesagt, dass es Harrys Bier war, aber Niall war da ehrlicher als ich: „Man sagt einer Frau nicht, dass man sie liebt oder sie einem etwas bedeutet, wenn man das nicht ernst meint."
Da hatte Niall definitiv einen Nerv getroffen. Niemand wollte, dass mit seinen Gefühlen gespielt wurde.
„Sicher, dass du dir nicht selbst etwas vormachst? Verabschiede dich von der Frau, sag ihr, die Zeit war toll und halte dir vor Augen, dass wir bald auf Tour gehen und du dann sowieso kaum noch Zeit für Faxen dieser Art hast", fasste ich zusammen, doch Harry zögerte: „Ich treffe mich nicht mit ihr, nur um... kurz Spaß zu haben."
„Was ist es dann?", ich warf Verpackung beiseite. Harry gab sich nach Nialls ehrlichen Worten Mühe damit aufzuhören die Menschen zu manipulieren und zu benutzen. Warum, wusste ich nicht. Vielleicht, weil er begriff, dass er mit dieser Masche nie eine Beziehung führen würde, die echt und aufrichtig war.
Er würde alleine bleiben.
Im Moment war das für die Meisten in unserem Umfeld noch okay. Man war jung, wollte Grenzen und Abenteuer austesten, aber irgendwann fing man an sich zu langweilen. Eventuell war Harry genau an diesem Punkt schon angekommen.
„Ich mag sie, Louis. Ich mag sie wirklich und das nicht nur für eine kurze Zeitspanne", sprach Harry während er an sein neustes Opfer dachte. Nun grinste ich: „Na dann hoffe ich, dass du ihr gegenüber zumindest so viel Respekt hast und es beim simplen Mögen und Treffen belässt." Bevor das ganze Theater wieder von vorne losging.
Harry begann ein Spiel, die Frau verlor ihren Kopf und am Ende gab es Terror und Tränen.
„Dieses Mal ist es anders", behauptete er.
„Was macht dich so sicher?", fragte ich und hoffte, dass Eleanor möglichst bald mit dem Essen kam. Sie hatte versprochen mich hier nicht hängen zu lassen und mich von der Arbeit zu befreien.
Jetzt wollte ich, dass sie Harry um einiges erfolgreicher davon abbrachte, wieder Jagd auf Dates und One-Night-Stands zu machen. Im Gegensatz zu mir, hatte meine Freundin es drauf jemanden das Wort im Mund umzudrehen.
Wenn Harry ein anständiger Kerl werden wollte, dann sollte er als Erstes aufhören Slips zu sammeln und eine Pause einlegen. Und sich am besten episch weit weg von Camille aufhalten.
Mein Kumpel hatte die Lichterkette nun um den ersten Baum gewickelt und strahlte mich an, als hätte er in Lotto gewonnen: „Das Mädchen, mit dem ich mich treffe, hat absolut keine Ahnung wer ich bin."
„Hast du dich als Jane Doe vorgestellt?", witzelte ich und er kickte einen Karton in meine Richtung: „Nein. Das war nicht nötig. Kannst du dich daran erinnern, als es das unverbindliche Treffen gab, mit diesen Leuten, die 'Love you goodbye' auf Gebärdensprache filmten? Ich bin hin, weil kein anderer von euch Zeit hatte."
Ich erinnerte mich. Das war der Tag als ich nach Doncaster fuhr, weil es Probleme mit Fizzy gab.
„Da habe ich Isabell getroffen und, du kennst mich, ich kann nicht so leicht aus meiner Haut", gab Harry zu.
Er hatte also seinen Charme wieder spielen lassen.
„Sie griff mich mit einen Regenschirm an und eines führte zum anderen."
Ich stöhnte frustriert: „Man Harry!"
Sofort wehrte er ab: „Nicht wie du denkst, ich habe sie nur nach Hause gebracht, doch wir sind in Kontakt geblieben. Ich konnte nicht anders, ich meine, wann hat einer von uns Mal die Gelegenheit mit einem Mädchen auszugehen, für das wir nichts Besonderes sind?"
Ehrlich gesagt konnte ich mir so was nicht einmal vorstellen.
Harry nahm die Kiste mit den roten Kugeln und erzählte weiter: „Sie hat mich auch nicht gegoogelt und jedes Treffen ist total unvorhersehbar. Ich kann raus, ohne einen Personenschützer mitzunehmen, weil wir uns an Orten verabredet, wo mich niemand vermuten würde. Es interessiert sie nicht, dass sie mit mir in sämtlichen Klatschblättern der Welt landen könnten – oder... na ja, vielleicht weiß sie das auch nicht."
Wo trafen die sich wohl? In leeren Schächten der Tube? Oder immer Nachts, mit ein bisschen Jack the Ripper Nebel um sich herum? Ich war gemein so etwas zu denken, aber ich konnte nicht anders. Mäßig begeistert fragte ich: „Diese Isabell, wie alt ist die, wenn sie keine Ahnung hat, wer du eigentlich bist?"
„Sie weiß schon, dass ich Musiker bin und so", korrigierte Harry mich. „Aber Isabell kennt das Drumherum nicht. Das heißt, sie kennt mich, quasi auf Null zurückgesetzt und völlig unbelastet."
Zusammengefasst: Ohne das ganze Wissen von Presse, Fans und was es sonst noch so gab. Interviews, Auftritte, Youtube-Peinlichkeiten. Die Liste war lang.
Ich begriff, was Harry mir eigentlich damit sagen wollte. Nämlich, dass sie seine Chance war. Die Möglichkeit ohne Vorbelastung ein anständiger Mensch zu sein.
„Okay", murmelte ich und schob die nervigen fetten Engel von mir. „Wie hat diese Isabell es geschafft die One Direction – Manier zu ignorieren?"
„Sie hört keine Musik."
Im ersten Moment reagierte ich nicht, es dauerte, bis die Information mein Hirn erreichte: „W-Was?"
„Musik ist in ihrer Welt nicht wichtig", ließ Harry mich wissen. „Hören ist dort nebensächlich. Sie unterhält sich mit ihren Freunden auf Gebärdensprache, schaut die Filme mit Untertitel und halte mich für blöd, aber ich mag es, dass sie ihr Umfeld eher durch die Augen wahrnimmt."
Ich starrte Harry an, dann ratterte es in meinem Kopf: „Sie kann nicht hören oder?"
„Doch, irgendwie schon", gab mein Kumpel zu. „Es ist so ein Mittelding. Sie hat Geräte am Ohr, die hören ermöglichen, aber ohne diese kriegt sie absolut nichts mit. Ich habe heute bei ihr übernachtet und sie hat sich nicht einmal bei mir beschwert, dass ich einen Wald absägen würde."
Harrys Schnarchen war grausam und Folter pur.
Im Tourbus hatte bei uns regelmäßig der Haussegen schief gehangen und Liam war nur wenige Geduldsproben davon entfernt gewesen, Harry im Schlaf mit einem Kissen zu ersticken. Schon mehrmals hatten wir Harry nahegelegt ins Schlaflabor zu gehen und sich ein Schnarchgerät verschreiben zu lassen.
Ich lehnte mich zurück und musterte meinen Kumpel. „Ernsthaft, ein Mädchen, das nicht hört?" Ich musste ihm nicht sagen, wonach das alles stank. „Lass das lieber. Vor allem wenn du nicht willst, dass du demnächst die nächste Schlagzeile in der Presse über dich lesen möchtest."
Harry ließ sich in seinem Sessel fallen, er wirkte nachdenklich: „Wahrscheinlich hast du recht."
„Nicht nur wahrscheinlich", korrigierte ich ihn. „Wenn du das Mädchen wirklich magst, dann siehst du zu, dass sie nicht die Nächste ist, die nette Postings auf ihren Instagram lesen darf." Doch das war es nicht alleine. Ich erinnerte mich nur zu gut an Tess Ward. Man hatte ihr Kochbuch auf Amazon so schlecht bewertet, das es nicht neu nachgedruckt worden war.
Harry verzog das Gesicht, er schwieg und das viel zu lange. Schließlich überraschte er mich: „Was, wenn ich es riskieren will?"
Das hatte er noch nie getan. Ich sprach ehrlich: „Denkst du, dass es das wert ist und ihr auch?"
„Keine Ahnung", gestand er. „Aber es ist das erste Mal, dass... ich das Gefühl habe, es ist anders."
Natürlich war es anders. Die Tussi hörte nichts, sie hatte keinen Plan, womit sie sich bei Harry einließ, geschweige denn, was ihm die Musik bedeutete.
Gerade, als ich ihm weiter die Augen öffnen wollte, da klingelte es. Oh bitte, lass es Eleanor sein. Sofort sprang ich auf. Den Weg bis zur Haustür schickte ich ein Stoßgebete nach dem nächsten zum Himmel und man erhörte mich.
Meine Freundin strahlte und hielt mehrere Tüten von Subway hoch. Doch noch bevor sie auch nur „Hallo", sagen konnte, zog ich sie ins Innere und flüsterte: „Spiel den Moralapostel!"
Eleanor drückte mir die Tüten in die Hand und sah mich an, als hätte ich zu heiß gebadet. Dann sprach sie zutiefst sarkastisch: „Danke für das Essen, Prinzessin. Kann ich dir aus deinem Mantel helfen? Oh, natürlich kannst du das. Danke sehr." Zur Provokation rollte sie mit den Augen.
„Ich habe dich noch nie Prinzessin genannt", erinnerte ich sie, weshalb sie schnaubte und sich aus dem hellbraunen Parka schälte und sich das Stirnband vom Kopf zog. Dann spazierte sie eiskalt an mir vorbei und sah sich wortlos Harrys zahlreichen Einkäufe an.
Mein Kumpel sprang sofort auf um sie zu begrüßen und Eleanor fragte direkt: „Magst du mir die Kurzfassung geben, was mit ihm-", sie zeigte mit den Daumen auf mich, „-los ist, oder ist das wieder so ein geheimes Ding, das ihr mir nicht verraten dürft?"
Wir zogen in die Küche, ich suchte nach Gläsern in den Küchenschränken. Harry warf mich einen angepissten Blick zu und als Eleanor sich an den Tisch setzte, da wurde ich wieder Zeuge ihrer magischen Fähigkeiten die Lage innerhalb weniger Minuten komplett zu überblicken.
„Ah, ich verstehe", sprach sie. „Um welche Frau geht es dieses Mal?"
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top