1 Straßenkunst.
┊ ┊ ┊ ★ ISABELL
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»Nein!«
Heftig schüttelte ich den Kopf. Trotzdem wurde ich immer noch von drei Gesichtern bittend angesehen. »Nein, nein, nein! Auf gar keinem Fall!« Um meine Abneigung zu untermalen, stampfte ich wie ein Kleinkind mit dem Fuß auf. Je dramatisch, desto besser!
Das würde ich nicht tun.
Nicht heute, nicht morgen und ganz sicher auch nicht, wenn die Hölle zufrieren würde. Energisch verschränkte ich die Arme vor der Brust. Sollten sie sich einen anderen Dummen suchen
Meine Freunde, zumindest waren sie das meistens, und ich befanden uns auf einen der zahlreichen Flure der Universität London. Es war schon spät, deshalb wirkte das Gebäude wie ausgestorben. Nach 18 Uhr belegte eben nur noch der Oberstreber Seminare. Uns war das egal, wir mochten es leer sogar lieber.
Aber gerade wünschte ich mir wirklich einen Strom an Studenten, die mich irgendwie retten würden. Natürlich kamen sie nicht. Wäre ja schließlich auch zu einfach – zu praktisch – gewesen.
Zurück zu den drei treuherzigen Augenpaaren, die verdammt viel Ähnlichkeiten mit Bambi hatten. Mein Herz schmolz.
Ich brauchte Elsa, jetzt sofort! Sie musste mein Herz einfrieren und mich immun gegen diese Art von Überredungskunst machen.
Mit meinem letzten bisschen Selbstbeherrschung hob ich den Finger und gebärdete mit viel Nachdruck und ernsthafter Miene erneut: »Nein! Nein! Nein!«
Dann drehte ich mich schwungvoll um und wollte die Beine in die Hand nehmen. Nur weg hier, ich hatte eh Feierabend. Aber leider war ich nicht schnell genug. Eine Hand fasste nach meiner Umhängetasche und zog mich brutal zurück, dann umklammerten mich zwei Arme und hoben mich leichtfertig hoch, sodass ich den Boden unter den Füßen verlor.
Ich würde einkrachen, ersticken und davor explodieren.
Meine Gegenwehr war äußerlich absolut nicht vorhanden, denn ich wusste, dass ich gegen Mozzie keine Chance hatte. Er war stark wie ein Bär und breit wie ein Schrank. Ein echtes Muskelpaket.
Noah stolperte um uns herum. Sein braunes Haar stand wirr vom Kopf ab und das Hemd unter seiner Jeansjacke war mal wieder falsch zugeknöpft. Warum mir so etwas in solchen Momenten auffiel?
Keine Ahnung, vielleicht, weil ich hartnäckig seine Hände und den Blick in sein Gesicht ignorierte. Aber er fuchtelte dermaßen hartnäckig mit seiner rechten Hand vor meinem Gesicht herum, dass ich erneut mit dem Fuß aufstampfen wollte und ihn schließlich wütend ansah.
Ich würde diese dumme Hand beißen, nämlich in drei, zwei...
»Foxy bitte! Wir brauchen fünf Leute, sonst können wir das nicht machen. Inklusionsprojekte müssen sich für den Kostenträger immer lohnen. Ohne dich sind wir nur drei und wir können 'The Ring' nicht mitnehmen«, bettelte er mich an und zeigte der Reihe nach auf uns.
Alleine, weil er schon wieder die Gebärde für Fuchs benutzte, hätte er eigentlich einen Tritt in den Allerwertesten verdient.
Nun formte er die Hände zum Gebet und sah mich bittend an. Es war einfach nur unfair. Noah wusste ganz genau, wie er mich manipulieren konnte. Meine Haltung entspannte sich und langsam ließ Mozzie mich los. Simsalabim, ich stand wieder auf meinen eigenen Beinen. Es wunderte mich, dass er mir bei der Umarmung nicht die Rippen gebrochen hatte.
Mozzie, der laut seinem Personalausweis mit dem altertümlichen Namen Mozart gestraft war, lächelte breit. »Bitte, bitte, bitte!«
Neben ihm stand Soyun, ihres Zeichens Asiatin, Fashion-Queen und ein Anhänsel, das wir einfach nicht los wurden. Bis heute wusste niemand von uns aus welchem asiatischen Raum sie eigentlich kam. Seit Soyun das erste Mal in der Behindertenzentrale der Universität aufgekreuzt war, blieb sie an uns kleben.
Vielleicht, weil wir die Einzigen waren, die auf Gebärdensprache mit ihr kommunizieren konnten. Oder vielleicht, weil sie jemanden brauchte, der ihr das Gefühl gab sie wäre besser als alle anderen.
Dünner, modischer, hübscher – alles zusammen.
Bei mir hatte sie damit jedenfalls Erfolg. Neben ihr fühlte ich mich immer dick, hässlich und unpassend angezogen. Sie war das Püppchen mit den kirschroten Lippen und ich das Trampel daneben.
Wieso konnte sie nicht einfach das Klischee einer Technik besessenen Asiatin erfüllen?
»Wieso machst du das mit!«, fragte ich sie stattdessen wütend und Soyun zuckte nur mit den Schultern, dann kaute sie gelangweilt weiter auf ihren Kaugummi herum und strich sich durch das lange, glänzende schwarze Haar.
Ich vergrub mein Gesicht in der Handfläche und plötzlich stampfte Mozzie mit dem Fuß auf, um unsere Aufmerksamkeit zu erlangen. Er wusste, dass er das bei mir nicht tun musste, aber er schien sich in Noahs Nähe daran gewöhnt zu haben. Je nachdem, wo wir uns befanden, stampfte man entweder mit dem Fuß auf, oder schlug die Hand auf die Tischplatte.
Miss Morgan, die Betreuerin und Dolmetscherin der Behinderten-Zentrale der Universität kam auf uns zu. Sie war kunterbunt angezogen und trug ein Nasenfahrrad spazieren, das sie aussehen ließ, wie ein menschlicher Papagei.
Langsam kam mir das wie ein abgekartetes Spiel vor. Sicher hatten meine Freunde und Miss Morgan vorab schon miteinander gesprochen, sonst hätten sie nicht wie eine Einheit, mit derselben Meinung vor mir gestanden.
Zu verdächtig.
Siegessicher fuchtelte Mozzie vor Miss Morgans Gesicht herum und erzählte ihr lautlos, dass sie mich überredet hätten. Dabei hatte ich noch keinen einzige Ton zugesagt.
Lächelnd reckte Miss Morgan die Daumen nach oben. Eigentlich mochte ich die Dolmetscherin.
Was ich nicht mochte, war ihr unermüdlicher Tatendrang, Inklusion aus Teufel komm raus zu unterstützen. Sie sah in die Runde und gebärdete: »Ich möchte noch kurz mit Foxy reden, würdet ihr schon vorgehen?«
Könnte jemand mit diesem beschissenen Foxy aufhören? Merkten sie nicht, dass es nicht dazu beitrug, dass ich high und vor Freude im Dreieck herum sprang?
Mozzie und Soyun nickten. Sie verabschiedeten sich und während Soyun nach den Autoschlüssel ihres nagelneuen weißen Minis suchte, wusste ich, dass sich Mozzie auf sein Rad schwingen würde. Noah dagegen gab mir zu verstehen: »Warte am Hauptausgang auf dich.«
Ich nickte ebenfalls und dann befand ich mich alleine mit Miss Morgan auf dem Flur. Tief atmete ich durch, dann platzte es aus mir heraus: „Ich habe die Nase so voll von diesem Inklusions-Scheiß! Wieso machen Sie so etwas? Kann sich die Diversity – yes we can - Organisation keine anderen Versuchskaninchen suchen?"
Meine Stimme war rau, ich hatte den halben Tag nicht gesprochen. Manchmal hatte es Nachteile mit einen Haufen Leute befreundet zu sein, die sich weigerten in Lautsprache zu kommunizieren. Aber zugegeben, mir war die Gebärdensprache immer lieber. Sie war weniger anstrengend und kompliziert.
Letztes Mal waren wir in einem inklusiven Vergnügungspark gewesen. Was daran inklusive hatte sein sollen, wussten wir bis heute nicht. Mit der Achterbahn durften wir nicht fahren, da wir angeblich im Notfall die Notausgänge nicht fanden. Wegen Orientierungslosigkeit. Pff, als wenn wir in eine andere Richtung laufen würden, wenn sich die Masse gen Ausgang bewegte.
Den Rollstuhl von Sunny bekamen wir kaum in irgendein Fahrgestell und vom Preis-Leistungs-Verhältnis wollten wir gar nicht erst reden. Ermäßigung bekam man nur, wenn man zusätzlich zu den 100 Prozent Behindertenausweis noch das B für freie Begleitung hatte. Dass man mit 16 fast automatisch das B verlor, wurde dabei nicht berücksichtigt.
Miss Morgan seufzte: „Du machst es mir aber auch wirklich schwer. Schau mal, Isabell, das O₂ hat angeboten, dass eine Gruppe von Benachteiligten-"
„Nennen Sie uns doch einfach behindert. Meine Güte, als wenn es einen Unterschied machen würde, ob behindert, geschädigt, verkrüppelt oder was weiß ich", sprach ich sarkastisch. Wir mussten nicht in Watte gepackt werden.
„- jedenfalls haben sie über Diversity gefragt, ob wir das neue Inklusionsangebot der Halle testen möchten und uns Karten für ein Konzert unserer Wahl bereitgestellt", ignorierte Miss Morgan meinen zickigen Einwurf.
Jetzt wurde mir zumindest klar, wie sie Noah gelockt hatte. Egal wie oft wir auf die Nase fielen, ständig konnte er sich dazu aufraffen etwas Neues auszuprobieren und manchmal war das enorm frustrierend. Mittlerweile musste er doch wirklich begriffen haben, dass 90 Prozent der Inklusions-Projekte Bullshit waren. Die Enttäuschung war quasi vorprogrammiert.
Missmutig betrachtete ich Miss Morgan. „Wer sucht das Konzert aus?"
„Sunny."
Nun brach ich selbst in lautes Gelächter aus.
Sunny war eine 16 Jährige Rollstuhlfahrerin, die noch zur Schule ging, aussah wie ein Emo und Gruftie gleichermaßen und das Gegenteil von ihrem Namen war. Ihre Gebärdenname war 'the Ring', einfach, weil sie dem Mädchen aus den Film im Brunnen äußerlich sehr ähnelte.
Na ja, wenn Sunny das Konzert aussuchte, dann konnte zwangsläufig nichts anderes dabei herauskommen, als so etwas, wie Metallica. Es gab Schlimmeres und später könnte ich mich dann über Noah lustig machen. Er würde sicher einen heiden Schiss vor diesen Rockern, Satanisten, oder was auch immer uns im Dunkeln erwartete, haben.
„Ich dachte, dass es gerade für dich vielleicht eine wirklich tolle Erfahrung werden könnte", klärte Miss Morgan mich aufmunternd auf. „Die Halle soll einige neue Vorzüge mit sich bringen. Inklusion groß geschrieben und angeblich wurden keine Kosten gescheut."
Das sagten sie immer. Aber die Wahrheit war, man sparte, wo man nur konnte. Vernünftige Inklusion und Integration war den meisten Behörden einfach zu teuer.
„Na schön, okay von mir aus. Werden wir angeschrieben, wenn es so weit ist?", fragte ich und spielte damit auf unsere WhatsApp-Gruppe an.
Für Sunny würde ich diesen Schwachsinn tun, denn obwohl sie ein wirklich loses Mundwerk hatte, mochte ich sie gerne. Sie hatte von Anfang nicht verlangt, dass wir uns ihr anpassten, sondern sich selbst angepasst.
Keine Selbstverständlichkeit.
Ich hatte ihr dabei geholfen die Gebärdensprache zu lernen und mittlerweile beherrschte sie diese schon ziemlich gut. Sie war einer der wenigen Hörenden, bei der es nicht anstrengend war Zeit mit ihr zu verbringen.
Schade, dass wir sie nicht ganz so oft sahen, und ohne den Tag der offenen Tür in der Uni würden wir sie wohl nicht kennen. Damals hatte Sunny sich missmutig für Hilfe angemeldet und ich hatte sie von einem Hörsaal zum nächsten gerollt damit sie ihre Schnupper-Seminare besuchen konnte. Obwohl ich fünf Jahre älter war, verstanden wir uns sofort.
Ihr Sarkasmus und der Hang zur Übertreibung war lustig und ich mochte es, wenn sie mit viel Tamtam erzählte und gebärdete. Dabei stieß sie immer etwas in Reichweite um.
„Ist ansonsten alles okay, Isabell?", hakte Miss Morgan nach und prompt wusste ich, dass Noah gepetzt hatte. Der Tag war unheimlich anstrengend gewesen. Ich hatte vier Vorlesungen am Stück und zuhören war für mich Schwerstarbeit.
Besonders in Seminaren.
Wenn ich keine Pausen machte, dann dröhnte mir ziemlich schnell der Kopf und ich vergaß zu essen und zu trinken. Was zwangsläufig dazu führte, dass mir schwindelig wurde. Da spielte es auch keine Rolle, dass ich Gebärdensprachdolmetscher oder Schriftsprachdolmetscher zugesprochen bekommen hatte. Sie änderten nichts daran, dass der Stoff schwer blieb.
„Ja, alles in Ordnung. Jedenfalls, ich muss los, Noah wartet noch", verabschiedete ich mich nun hastig und eilte dann durch den leeren Flur. Ich wollte nun wirklich nach diesem langen Tag nach Hause. Noch im Lauf machte ich meine beiden CI's alias Cochlea Implantate aus und verpackte sie sorgfältig in einer kleinen Box in meiner Tragetasche.
Jetzt würde ich sie nicht mehr brauchen. Mit Noah gebärdete ich eh und mein Kopf konnte sich erholen. All den akustischen Müll brauchte ich am frühen Abend nicht.
Meine Schulter schmerzte prompt, denn die Tasche war voll mit Büchern, Blöcken und anderen Kram. Wurde Zeit, dass ich nach Hause kam, die Schuhe auszog, die Jogginhose an und mich wie ein Pascha auf die Couch warf.
Am Hauptausgang wartete, wie versprochen, Noah auf mich. Es kam selten vor, dass wir zusammen nach Hause gingen, da wir unterschiedliche Studiengänge gewählt hatten und unterschiedlich Unischluss. Er liebte Mathematik und Informatik, während ich Kunstgeschichte und Anglistik für mich entdeckte.
Lächelnd hielt Noah mir seine Wasserflasche entgegen und ich nahm sie dankend an. Schon seit dem Treffen in der Behinderten-Zentrale, welche unser allgemeiner Mittelpunkt geworden war, hatte mich Noah regelrecht mit Tee zugekippt.
Er stieß die Tür auf und wir traten in die Dunkelheit hinaus. Dann grinste er breit und fing an zu gebärden: »Ich bin wirklich froh, dass du zugestimmt hast. Das wird sicher toll, ich war noch nie auf einem Konzert.«
Ich verschwieg besser, dass es so toll schon nicht werden würde. Wieso konnten wir nicht einfach etwas anderes machen? Etwas, wo man wusste, dass sich der Zeitaufwand lohnen würde? Konzerte konnten nur ein Schuss in den Ofen sein.
Nachdem ich ihm die Flasche zurück gereicht hatte, wartete ich bis er mich wieder ansah, dann hob ich die Hände: »Freue dich nicht zu früh. Wir sollten The Ring lieber schreiben, auf was für ein Konzert sie will, damit wir ein bisschen vorbereitet sind.«
»Ich mache das«, bot er an und ich musste lächeln. Bislang hatte Noah noch nicht gemerkt, dass Sunny eine kleine Schwäche für ihn hatte. Zu ihm war sie jedenfalls weniger grantig, als zum Rest der Truppe.
Während mein bester Freund auf seinem Handy herumtippte, fragte ich mich an der U-Bahnstation, wie dieser Inklusionskram mitten in einer Konzerthalle aussehen sollte. Noah und Soyun hörten absolut nichts. Sie waren total auf das konzertiert, was sie sahen und spürten. Zwar hatte Soyun, genauso wie ich, ein Cochlea Implantat, aber sie wollte nicht hören und setzte es gar nicht erst ein.
Die Welt war ihr zu laut, zu anstrengend und zu aufreibend.
Noah dagegen würde wohl jeder Zeit mit ihr tauschen, wenn er könnte. Allerdings war es nicht immer möglich jemanden mit einem Implantat zu versorgen. Sobald es anatomische Probleme im Innenohr gab, hatte sich der Traum vom Hören zu verabschieden. Dies war selten der Fall, doch für Noah bittere Realität.
In der U-Bahn wandte Noah sich mir zu und erklärte: »The Ring sagt gar nichts. Sie meint nur, dass es gut werden wird und wir tanzen üben sollen.«
»Tanzen? Zu Metallica können wir nur auf und abspringen.«
Belustigt musterte Noah mich, dann verlangte er: »Kannst du-«
Bevor er zu Ende gebärdet hatte, zwang ich ihn dazu, die Hand auszustrecken und tippte mit Zeige- und Ringfinger einen Beat dagegen, damit er sich in etwa ein Bild machen konnte, wie die Musik sich unter seinen Füßen anfühlen würde. Wachsam beobachtete er meine Finger und stellte dann fest: »Ganz schön wild.«
»Ja.«
Die Bahn hielt und Leute stiegen ein. Ein Pulk von Jugendlichen musterte uns, dann machten sie eine abfällige Geste und ich begriff, dass sie über uns lästerten. Früher hatte mich das wütend gemacht. Mittlerweile war es mir egal.
Noah ignorierte sie einfach nur noch: »Sollen wir Pizza holen, bevor wir nach Hause gehen?« Die Bahn setzte sich wieder in Bewegung und ich nickte.
Zu Hause würde ein Haufen Chaos auf uns warten. Wäsche, Unordnung und gleichzeitig eine Menge Unikram, der sich nicht alleine erledigte. Als ich Noah daran erinnerte, dass er dieses Mal dran war, den Müll einzusammeln, verzog er missmutig das Gesicht. Hausarbeit war nicht wirklich sein Ding, aber in unserer WG musste er sich anpassen. Sonst herrschte bald, dank mir, äußerst dicke Luft.
Wie von selbst erhoben wir uns pünktlich an der richtigen Haltestelle und huschten hinaus.
Kurz vor den Treppen fing Noah takt- und talentfrei an zu tanzen. Er hatte die Moves bei John Travolta in Saturday Night Fever gesehen und machte sie nun ziemlich gut nach. Die Passanten, die uns entgehen kamen, sahen ihn belustigt an und Noah fragte: »Ob wir auf dem Konzert so tanzen können?«
»The Ring sieht mir nicht danach aus, als würde sie Diskomusik mit Glitzer hören.«
Wenn ich geahnt hätte, was Sunny heimlich in ihrer Gruft hörte, dann hätte ich mich mental zumindest drauf vorbereiten können. Doch so geriet ich vier Wochen später in eine, mir bis dato, völlig abgedrehten und durchgeknallten Welt.
Ich hatte zwar schon immer gewusst, dass 'Hörende' spezielle Macken hatten, die mir fremd waren, aber das toppte dann doch meine kühnsten Erwartungen.
So stolperte ich jedoch nur hinter Noah die Treppen hoch, vorbei an einem Plakat, mit vier grinsenden jungen Männern. Sie pflasterten halb London zu, mit ihrer dämlichen Werbung und ihrem komischen Comeback. Mich nervte das langsam, die Hype um sie war völlig überzogen. Wusste der Geier, was sie so Besonders machte.
Plötzlich blieb ich stehen, mich hatte buchstäblich der Blitz getroffen. Kurz entschlossen kramte ich in meiner Tasche herum und fand schnell, was ich brauchte.
Mit einen schwarzen Edding in der Hand, streckte ich mich nun. Noah hielt inne und fragte irritiert: »Was tust du da?«
Statt zu antworten fing ich an den blonden Typen von dieser Boyband einen mexikanischen kringeligen Schnauzbart zu malen. Der Typ mit dem Muttermal, der aussah wie ein klassischer Badboy und hässliche Goldketten trug, bekam ein Ziegenbärtchen und diese zwei dünnen Striche über der Oberlippe. Er machte mit diesem Schlafzimmerblick Rhett Butler aus 'Vom Winde verweht' alle Ehre.
Drei Stufen über mir lachte Noah nun und ich nahm mir das nächste Gesicht vor. Die Justin-Bieber-Verschnitte bekam eine runde Harry Potter Brille, dazu einen Zylinder und er sah ganz passable aus. Nun sah ich zum Letzten der Truppe und kurzerhand beschloss ich aus Locke einen modernen Abraham Lincoln zu machen.
Zufrieden betrachtete ich mein Werk und Noah schüttelte den Kopf: »Hast du jetzt wieder gute Laune?« Er hielt mir seine Hand hin und ich gab ihn den Stift, dann trat er vor den Blonden und schrieb auf sein Shirt: I am a disney-princess. Dann nickte er grinsend. So als wäre das Kunstwerk erst jetzt perfekt.
Ich packte schließlich den Stift weg und lächelte, wir konnten von Glück sagen, dass uns keiner gesehen hatte: »Das könnte ich mit sämtlichen Plakaten der Stadt machen.« Es war noch nicht einmal gelogen.
»Dann wird das unser neues Hobby. Immer, wenn wir schlecht drauf sind, dann tun wir den tragischen Plakatgesichtern etwas Gutes.«
»Abgemacht.«
Was ich nicht wissen konnte?
In ganz London gab es nicht genug Plakate, um das zu dämpfen, was mich bald überrollen sollte.
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