Menschen - Nur Menschen

Chopin - Spring Waltz

Eine Idee von dir hat mich inspiriert , also das hier gehört dir, meine liebeNaureeen03. War schon längst fällig.🙂😘

SIE

Die Ruhe kehrte endlich ein. So still! So dunkel! Beruhigend, aber irgendwie auch beängstigend, ja sehr beängstigend.

Das hielt ich aber nicht lange aus. Irgendwo in der Ferne ein Schrei, dann ein lauter Knall, ein Schuss und wieder Schreie .... Dunkelheit, Angst, Kälte.

Ich saß wieder auf dem kalten Boden in diesen vier Wände. Die Angst übernahm mich komplett, als ich schon die laute Schritten und das Gebrüll immer näher kommen hörte. Ich fing an zu zittern.

Die Hölle fing gleich an oder besser gesagt, sie setzte sich fort.
Aufgehört hat es nicht und das würde es auch nicht. Die Hoffnung hatte ich schon längst verloren.

Ich sah hier schon lange keine Licht mehr in meinem Leben. Wenn es überhaupt ein Leben war. Nein das war es nicht.

Das war Folter, Qual, Schmerz und Tränen.

Ich könnte mich nicht erinnern wann ich das letzte mal gelacht hatte, wann ich das letzte mal Freude und Glück gespürt hatte. Was war das eigentlich? Ich kannte es nicht.

Wie fühlte es sich an zu lachen? Wie fühlte es sich an zufrieden zu sein, sorgenlos? Sich frei fühlen?

Das kannte ich nicht mehr.

Von einem Heim zum anderen. Von einer Pflegefamilie zu der nächsten. Kein Zuhause zu haben, kein Platz wo ich mich wie in eine Familie fühlen konnte.

Familie!

Ein fremdes Wort. Etwas was ich noch nie in Zusammenhang mit mir bringen konnte. Ich wurde gestoßen ohne etwas getan zu haben.
Oder etwa doch?

Ich war schuld. Meine Augen, meine Haare, mein Name. Ich. Einfach ich. Meine Person.

Mein ganzes Leben wurde mir schon gesagt, ich hatte nie was anderes gehört, also musste es so sein.
Ich war ein nichts!

Die Tür ging mit einem lauten Knall auf. Er und seine Freunde und ein starker Alkoholgeruch kamen rein.

"Meine Liebe warum steht nichts auf dem Tisch? Du weißt doch wie du mich erwarten solltest."

"Oh ja...ja. Tut mir leid."
"Ein scheiß tut es dir. Beweg deinen Hintern endlich", brüllte er laut und packte mich hart an meinem Arm um mich hoch zu ziehen.

Sofort lief ich in der Küche und holte die Flaschen um sie ihm zu bringen. Ich stellte sie auf dem kleinen, dreckigen Tisch wo schon Zigaretten, weiße Pulver und ein paar Tabletten da lagen.

"So ist gut. Brav. Jetzt komm her."

Ich wollte nicht. Heute wollte ich nicht meine Sinnen verlieren, mein Kopf verlieren. Ich tat es schon zu oft, alleine um zu vergessen, aber heute war es was anderes.

Er wird mich zwingen. Sie werden dabei sein, wieder und ich werde nur ein Spielzeug sein.

Ich zögerte und schaffte es nicht mich zu bewegen. Sein lautes Gebrüll, holte mich aus meine Gedanken und mit langsamen Schritte, was ihn noch mehr nervte, setzte ich mich in Bewegung.

Hart zog er mich neben sich auf das dreckige Sofa und legte mir seine Hand um mein Hals: "Wenn ich etwas sage, dann reagierst du sofort, kapiert! Du weißt wie ungeduldig ich bin." Ich nickte nur ängstlich.

Er streckte sich dann und nahm etwas das auf dem Tisch lag.
"Jetzt komm, schön deine Mund aufmachen!" Ich verneinte und ich war mir sicher, dass das gefährlich für mich ausgehen würde, denn im nächste Moment drückte er meinen Kiefer zusammen und ich war gezwungen meine Mund aufzumachen.

Die zwei Tabletten wurden in meine Mund geschoben und eine Hand darauf gelegt.

Es dauerte nicht lange, mir wurde schwindelig und ich fühlte mich leicht, einfach leer. Ich spürte Hände auf meinem Körper, Lippen und nasse Küsse.
Mir war schlecht und ich wollte das nicht, aber ich war zu schwach, machtlos, für nichts gut, gar nichts. Hatte nichts eigenes, kein Zuhause, keine Familie. Nur das hier hatte ich.

Ich war ein nichts.

ER

Ich schaue in die beiden Augenpaare, welche für mich Alles bedeuten. Es gibt nichts wichtiges für mich auf diese Welt und es tut mir in der Seele weh, zu sehen, das ich nicht alles habe was sie brauchen, zu sehen, dass alles was ich verdiene nicht genug ist.

Sie ist krank, viel zu krank und alles was die zwei Schätze haben bin ich.

Manchmal fühle ich mich machtlos. Es ist nicht fair, dass unschuldige Menschen leiden. Es ist nicht fair, dass Kinder leiden. Sie sollen kein Schmerz kennen, keine Trauer.
Sie sollen immer lachen und glücklich sein. Es ist das einzige was ich mir für meine Kinder wünsche.

Ich gehe ins Schlafzimmer und gebe ihr die Medikamenten, setze mich auf die Bettkante und streichle ihr blasses Gesicht. Sie versucht mir ein Lächeln zu schenken, es fällt ihr aber schwer.
"Streng dich nicht an, meine Liebe!"

Meine Frau, meine Geliebte, meine Freundin, meine andere Hälfte. Mein Herz fühlt sich schwer in meiner Brust an. Es tut weh. Es tut weh zu sehen wie ihre schönen, blauen Augen kein Strahlen mehr haben, wie ihre schönen, blonden und lockigen Haare aufgefallen sind, wie ihre rosige Wangen verblasst sind, wie ihre roten, vollen Lippen trocken und weiß geworden sind.

Es tut verdammt weh!

Ich streichle sie weiter, beobachte ihr langsames Atmen und erkenne weiterhin ihre Schönheit trotz der Krankheit, die sie auffrisst.

Langsam beuge ich mich vor und lege meine Lippen auf ihre Stirn.
"Ich liebe dich, mein Herz!"

Die Nacht legt sich langsam über uns und die gesamte Stadt dann umgibt sie uns mit ihrer Dunkelheit. Manchmal wünsche ich mir, es wäre nur Nacht und dunkel. Es ist leicht sich zu verstecken vor all der Verantwortung der man tagsüber nicht entkommen kann.

Im Wohnzimmer setze ich mich mit all den Unterlagen an den Tisch. Fällige Rechnung, noch eine und noch eine. Letze Mahnung und wieder letzte Mahnung. Rezept, Rezept, Arztrechnung.

Ich lege mein Kopf in meine Hände und atme schwer ein und aus. Wie soll das gehen? Wie?

*****

Die Mädels sind schon längst am schlafen und ich mache mich für einen meiner Nebenjobs fertig. Sie wissen Bescheid mit ihren zwölf und zehn Jahre, sind sie sehr selbständig und verantwortungsbewusst.
Sie sind viel zu erwachsen geworden, hätte ich die Möglichkeit gehabt, hätte ich das vermeiden wollen.
Sie sollten Kinder bleiben, unbeschwert und glücklich.

Ich laufe die Straße entlang und lasse mich von der Nachtruhe umhüllen. Immer wieder laufen mir fröhliche Jugendlichen über den Weg oder einfach nur Menschen die entweder zu einem Treffen, nach Hause oder zur Arbeit gehen.

In eine verlassene Strasse und in der Nähe eines Geldautomaten, bei dem ein Mann steht, bleibe ich stehen und suche nach meinem Handy um zu sehen wie spät es ist, nicht das ich mich verspäte. Ich werfe ein Blick darauf und merke, das ich noch Zeit genug habe.

Der Mann vor mich, nimmt einen Haufen Geld aus dem Automat und steckt es in seinen Geldbeutel und läuft weiter.

Ich fang an mich zu bewegen, ein Schritt nach dem anderen, erstmal langsam dann schneller. Ohne zu ahnen was ich mache, sehe ich mich wie ich ihm in eine Gasse zwischen dem Wohnhäuser ziehe.

Ich weiß nichtmal was ich getan habe, wieso ich es getan habe. Ich realisiere nichts mehr, nur das ich das Geld in meine Hände halte und weiter gehen will.

Das bin nicht ich. Das kann ich niemals gemacht haben. Ich knie mich neben den Mann, der vor mir liegt. Lege eine Hand an seinem Hals und atme erleichtert, als ich sein Puls spüre. Nur ohnmächtig geworden.

Ich stehe auf, blicke das Geld in meiner Hand an und will es wieder zurück legen. Dann kommen mir die Rezepte, Rechnungen und all das was ich zahlen muss in den Kopf und mit einem schweren Herzen und Reue entferne ich mich mit dem Geld.

"Das bin nicht ich. Nein! Nein! Das wollte ich nicht!"

Ich laufe weiter und immer schneller. Die Tränen gleiten über mein Gesicht und mein Herz fühlt sich schwer an.

"Das wollte ich nicht!", wiederhole ich immer wieder.

SIE

Die Strassen sind leer. Es ist kalt und nass. Immer wieder ist ein fahrendes Auto zu sehen und ab und zu lautes Gebrüll und lachende Menschen.

Heute ist nicht viel los und ich weiß nicht ob ich glücklich oder traurig sein soll.

Keine stinkenden und schwitzigen Hände auf mir spüren zu müssen macht mich glücklich. Keinen einzigen Cent in der Tasche für morgen zu haben, macht mich traurig und meine Sorgen wachsen.

Heute ist nichts zu tun hier, so entscheide ich mich in der Bar zu gehen, wo ich weiß, ich werde für ein oder zwei Tänze immer angenommen.
Ich kann das gut und all die Männer dort sind immer glücklich mich zu sehen. Der Barbesitzer noch mehr.

Ich komme in der Bar an. Regle alles mit der Besitzer und schon steige ich auf die Bühne. Die Männer brüllen und schreien. Die Musik läuft und ich fange an mich zu bewegen. Langsam, sinnlich bezaubere ich alle die mich ansehen. Immer wieder verlässt ein Stück Stoff meiner Körper und meine blase Haut kommt zum Vorschein.

Die Männer schreien lauter und wollen mehr sehen und weil ich weiß, dass ich das machen muss nachdem der Besitzer einverstanden war, dass ich da tanze, wann immer ich will oder brauche komme ich deren Wunsch entgegen.

Ich bewege mich weiter und streichle sinnlich über meine Kurven. Die Scheine fliegen immer wieder auf die Bühne und obwohl ich weiß wie sehr mich das morgen helfen wird, fühle ich mich schmutzig und leer. Das einzige was ich hoffe ist, dass keiner der Männer sich mehr wünscht. Würde einer das wollen, musste ich einverstanden sein, denn sonst würde all das Geld das sie mir gerade zu Füßen gelegt haben verloren gehen.

Ich beendet meinen Tanz, sammele all das Geld ein und gehe hinter die Bühne. Meine Herz rutscht mir in die Hose, als ich schon ein Mann warten sehe.

Um die sechzig Jahre alt und mit eine Alkoholgeruch das mir schon allein davon schlecht wird. Warum? Warum nimmt das kein Ende?

Er nähert sich und legt seine verschwitzten Hände um meine Taille. Seine Lippen nähern sich meinem Hals und sein Geruch steigt mir in die Nase. Ich würge fast. Mir wird schlecht und ich kann mich schwer zurückhalten um nicht los zu rennen. Die Tränen steigen mir in die Augen. Ich will das nicht! Ich kann das nicht mehr aushalten!

Dann sehe ich den Vater meines Kindes wie er weg geht. Weg, weil er genug von uns hatte, weg, weil er frei sein wollte.

Dann sehe ich wie wir auf der Strasse sitzen und unser Haus weggenommen wird.

Dann sehe ich, wie mein Kind nicht die Behandlung bekommen kann die es braucht, weil ich nicht genug Geld habe.

Dann sehe ich mich vor einem leeren Teller stehen, weil ich nichts für das Abendessen habe, wenn mein Kind mir sagt, das er Hunger hat.

All das macht mein Herz noch schwerer und so vergesse ich den stinkenden Mann vor mir und lass es auf mich zukommen.

Ich schlucke den schwere Kloß herunter und die Tränen die immer wieder kommen wollen. Was ich gerade hoffe ist, dass es nur bei diesem einzigen Mann heute bleiben wird und nicht mehr.

Mit schwere Beine komme ich später nach Hause und gehe direkt unter die Dusche, wo ich so sehr über meine Haut reibe bis es weh tut. Ich setze mich dann hin und lasse das Wasser auf mich prasseln und weine.

Weine bis ich keine Tränen mehr habe und verfluche mein Leben.
Warum habe ich keine Eltern auf die ich mich verlassen kann? Keine Freunde? Warum musste meine Leben schon immer verdammt sein?

Warum?

Dann reiße ich mich zusammen, ziehe mich an und gehe meinen Sohn im Krankenhaus besuchen. Ich werde die paar Stunden mit ihm verbringen, ihn in meinen Armen halten und dann werde ich arbeiten gehen. Alle kennen mich schon und obwohl, es so spät ist, komme ich immer zu ihn rein. Viel zu lange liegt er schon da und außer mich hat er niemanden. Er braucht mich und ich brauche ihn.

Ich komme in sein Zimmer und mir kommen schon die Tränen in die Augen, als ich seinen kleinen, dünnen Körper sehe.

Warum?

"Verurteile nicht mein Leben, wenn du nicht mein Weg gegangen bist!"

********

Ich will mit diese Zeilen nicht sagen, dass so etwas tun in Ordnung ist. Ich bin mit so einen Weg nicht einverstanden, aber verurteilen tue ich auch nicht.

Ich bin der Meinung, es gibt immer eine andere Strasse, aber wir sind Menschen, wir sind schwach, wir haben Angst und oft sind wir einfach verzweifelt. Das bringt uns dazu, vielleicht eine falsche Wahl zu treffen.

Jeder weiß selber, was er mit dem eigene Leben machen möchte und niemand weiß genau was er/sie durchmacht und warum jemand so einen Weg geht.

Wir sind alle Menschen mit Fehlern. Das sollte man nicht vergessen.

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