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Magnus

Eine Woche später saß ich wieder mit Luke auf dem Teppichboden. Heute besprachen wir ein wichtiges Thema. Das Einkaufen in einem Supermarkt. Das würde ich heute wirklich anstehen. Der zweite Meilenstein. Eigentlich stand dann nur das Normgewicht an. Wobei ich mein jetziges Gewicht immer noch nicht wusste. Und das war auch besser so. "Hast du Angst davor, heute dort herein zu gehen?" Ich spielte mit meinem Saum. Die Antwort war ganz klar, ja. Ich erinnere mich an die letzten einkaufe. Sie haben drei Stunden gedauert, weil ich alles verglichen habe. Ich hatte Angst mich an den Kalorien festzuhalten, die man auf jeder Verpackung fand. Allein beim reinen essen hatte ich immer im Kopf wie viel Kalorien das jetzt waren. "Ich schätze das mal als ein ja ein?" Luke hatte mein schweigen richtig gedeutet. "Wovor hast du Angst?" Ohne aufzusehen, zuckte ich kurz die Schultern bevor es wie eine Flut aus mir heraus kommt. "Beim einkaufen da habe ich die Blicke nur noch mehr gespürt. Die belustigten Stimmen höre ich deutlicher und beim einkaufen habe ich immer gemerkt, das etwas nicht stimmt. Ich habe Angst gerade heute zu versagen. Ich habe Angst das mich das heute zurück wirft oder das essen danach nicht mehr klappt. Momentan habe ich vor allem Angst, weil ich ja merke das es mir besser geht. Die Angst, in einem Augenblick wieder schwach zu sein und die Essstörung, das zweite mal die Macht über mich hat. Ich möchte niemanden enttäuschen." Ich fahre mir durch meine Haare. Tief atme ich durch, um nicht zu weinen. Lilly und ich hatten gestern darüber geredet, wie es "draußen" wieder sein wird. Ich hatte nicht gut geschlafen. Natürlich freute ich mich wenn ich irgendwann hier heraus konnte. Aber würde ich auch zu Hause mein Gewicht halten können? Könnte ich das beachten was ich hier gelernt hatte? Ich mochte diesen geregelten Alltag hier und zu Hause hätte ich den am Anfang nicht. Würde sich vielleicht auch die Beziehung zu Alexander verändern? Konnte ich allem gerecht werden? "Magnus?" Ich sah Luke direkt in de Augen. "Setz dich nicht zu sehr unter Druck. Wir machen alles Schritt für Schritt. Heute das einkaufen und nach schauen wir erstmal. Sobald die Entlassung geplant ist werden wir dich genau darauf vorbereiten. Außerdem begleite ich dich auch zu Hause weiterhin durch regelmäßige Therapien, in Ordnung? DU schaffst das schon." Ich nickte um danach nochmal tief durch zu atmen. Luke und ich besprachen fast drei Stunden, was mir helfen könnte. Auch worauf ich achten sollte und auch die zeitliche Begrenzung legten wir fest. Zusammen erstellten wir einen Essenplan für einen Tag und schrieben dann das auf ein Zettel. Genau so wie viele Kalorien das wären. Wahrscheinlich würde mich das abhalten, jede Packung mir einzeln durchzulesen. Luke sagte nichts dagegen. Das Kalorien zählen würde immer da sein, wie die Essstörung. Lilly hatte das einkaufen bereits gestern hinter sich gebracht. Ihr hatte es keine Probleme bereitet. Zusammen mit Luke fuhr ich also zum nächsten Supermarkt. Ich war froh das er nicht so groß war. Denn auch das sollte helfen. Davor blickte ich auf das Namensschild. Vereinzelte Menschen gingen herein oder verließen gerade den Laden. Manche gemütlich, die anderen schwer beschäftigt. "Konzentrier dich nur darauf was auf deinen Zettel steht. Du musst dich nicht weiter umschauen. Wenn du wieder zu Hause bist, wäre es auch günstig wenn du einen bestimmten dir heraus suchst. So weißt du mit der Zeit wo die verschiedensten Sachen stehen. Das heißt sobald du ihn betrittst, weißt du was du einkaufen möchtest und kannst genau das auch ansteuern. Ohne dich weiter umzuschauen. Dadurch wirst du vielleicht auch nicht so erschlagen von den verschiedensten Lebensmitteln." Ich nicke. Mittlerweile hatte ich immer ein kleines Heft einstecken, wo ich mir hilfreiche Sachen aufschrieb. Luke hatte mir vorher ungefähr erklärt wo ich etwas fand. Mit zitternden und kaltschweißigen Händen ging ich in den Laden. Der Zettel sowie Luke gaben mir einen gewissen Halt den ich auch brauchte. "Fändest du es von Vorteil, wenn ich mir jemanden immer mit nehme? Als Stütze und Hilfe sozusagen." Zuerst steuerte ich die Backwaren an. Ich brauchte dunkles Brot, das vertrug ich besser. 232 Kalorien hatten einhundert Gramm Vollkornbrot. Eine Scheibe müsste ungefähr 80 haben. Aber das stand bereits auf meinem Zettel. Deswegen musste ich nur noch nach eins greifen. "Es ist außerdem hilfreich, wenn du bei bestimmten Lebensmittel immer das selbe nimmst, da weißt du was drin ist. Und zu deiner Frage. Das musst du tatsächlich selbst einschätzen. Wenn dann sollte es am Anfang eine einzige, gleichbleibenden Person sein. Die Rücksicht auf dich nimmt. Aber auch nicht zu sehr, weißt du? Lilly hat zum Beispiel festgestellt das sie lieber allein einkaufen geht." Ich nicke. "Probier es einfach aus. Du wirst ziemlich schnell merken, was dir gut tut." Eine Dreiviertel bis maximal eine Stunde hatte ich für diesen Einkauf hier. Bei der Marmelade brauchte ich etwas länger worauf mich Luke auch hinwies. Das einkaufen fand ich fast schwieriger und kraftzehrender als das Wiegen. Irgendwie ging es dann. Und als wir wieder draußen standen, fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. "Siehst du. Mit etwas Übung und Routine wird es jedes mal besser." Dabei sah Luke auf die Uhr. "Fünfzig Minuten. Das solltest du auch zu Hause einhalten." Ich nicke. Ich war etwas stolz auf mich. Gemeinsam fuhren wir wieder in die Klinik. Im Therapiezimmer ließen wir uns wieder auf den Boden sinken. "Ich bin wirklich stolz. Du machst das sehr gut. Bei dem nächsten Schritt gibst du das Tempo vor und auch wie du es machen möchtest." Ich setze mich im Schneidersitz hin und betrachte Luke aufmerksam. "Mit jedem Bewohner wird eine Entlassungs- beziehungsweise Auskling' Phase durchgeführt. Sie fängt dann an, wenn das Normgewicht fast erreicht ist und man sicher ist, das er in einer guten Verfassung ist. Sie geht manchmal nur eine Woche manchmal auch ein paar Monate. Dabei besprechen wir einige Verhaltensweise die dir helfen können. Wir besprechen vielleicht einen Tagesplan. Wir reden meistens auch mit den Angehörigen oder Partnern. Die müssen mit einbezogen werden. Außerdem besprichst du auch dann noch deine Gedanken. Dann hast du noch zwei Gespräche mit der Ärztin. Erst wenn ich, die Ärztin, das Gewicht und vor allem du das ok gibst, wirst du entlassen. Verstanden?" Ich nicke und schreibe mir auch ein paar Sachen mit. Abwartend sehe ich meinen Therapeuten immer noch an. Solange bis es auch bei mir Klick macht. "Die Auskling' Phase beginnt heute oder?" Luke nickt nur. Sofort überspült mich die Aufregung, gemischt mit einem Tropfen Respekt. Aber ich denke, ich war bereit dafür.

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