~35~
Magnus
Zusammen mit Luke saß ich auf dem Boden. Momentan führten wir sehr viele Gespräche die mir halfen. Aber das nahm ich in dem Moment, wo wir redeten gar nicht so wahr. Erst später stellte ich fest das es mir besser ging oder ich mit etwas besser klar kam. Ich machte Fortschritte und das war gut. Ich hatte nicht mehr den Drang mich selbst zu verletzen. Alle Schnitten sind mittlerweile zu sichtbaren Narben verheilt. Auf meinem Bauch fand man eine ovale Brandnarbe, die von meiner Wärmflasche kam. Die Tabletten hatte ich vollkommen aufgegeben und anscheinend sah es so aus, das die Nebenwirkungen doch nicht so eingeschlagen haben. Zumindest half mir Luke mich wieder länger zu konzentrieren und auf meine Gefühle zu hören. Insgesamt fühlte ich mich gut. Gerade redeten wir über Bücher und Filme. Ich habe nie oft gelesen aber das wollte ich ändern. Langsam bekam ich ein Gespür dafür was mir gut tat. "Ich finde immer noch die Harry Potter Bücher besser, obwohl die Filme auch gut sind." Luke fand die Filme besser. "Du musst mal den ultimativen Vergleich machen. Erst liest du das Buch und danach gleich den Film." Ich lächelte, denn vielleicht würde ich das wirklich mal machen. Mein Studium konnte ich Gott sei dank aufgrund der Krankheit nach hinten schieben und vielleicht würde ich meine Entscheidung nochmal überdenken. Ich dachte viel anders als noch vor einem halben Jahr. "Magnus, da es dir in den letzten Tagen so gut ging und du dich wirklich anstrengst, hatte ich heute etwas mit dir vor. Es gehört nicht ganz zur Therapie aber jemand ganz bestimmtes hat gedacht das es dir ganz gut tun würde. Es ist nur ein Versuch und wenn es dich zu sehr belastet oder irgendetwas ist sagst du sofort bescheid ok?" Ich nicke verwirrt. Langsam schaffe ich es selber aufzustehen. Etwas nervös und mit kribbelnden Händen gehe ich zusammen mit Luke in einen, mir unbekannten Raum. An der Tür steht Entspannungsraum und so sieht er auch aus. Der Teppich ist noch viel weicher und überall findet man Sitzsäcke und Kissen sowie Decken. Es sind wie immer die selben Farben. Ein angenehmer Geruch nach Vanille liegt in der Luft. Noch vor ein paar Wochen hätte ich gedacht, das ich allein dadurch zunehme. Jetzt erfinde ich es als angenehm. Ich stoppe als ich bemerke das in diesem Raum bereits Leute sind. Zwei bekannte Augenpaare sehen mich an. Mit tränenverschleiernden Augen sehe ich meine besten Freunde an. Ohne mich zu betrachten kommen sie auf mich zu und ziehen mich in ihre Arme. Nur zu gerne lasse ich mich umarmen. Als ich das bekannte Parfüm einatme, merke ich erst, wie sehr ich sie vermisst habe. "Das war schon längst überfällig." flüstert Cat. Wir lösen uns wieder. "Wenigstens können wir nicht schimmeln." gibt Ragnor grinsend wieder. "Oder schwanger werden." hänge ich hinten dran. Es ist einfach die Macht der Gewohnheit. Aber dieses mal ist es anders. Ich habe das Gefühl, das ich wirklich mit ihnen lache und nicht nur meine Fassade es tut. "Raphael kommt dann auch gleich noch." informiert mich Cat, nachdem wir Jungs uns wieder beruhigt haben. Luke ist bereits wieder gegangen. Allerdings weiß ich, das er in der Nähe bleibt. Zu dritt machen wir es uns gemütlich. Kurz kommt in mir die Angst auf das sie spätestens jetzt Fragen stellen werden. Aber so ist es nicht. Wir reden über alles, so wie früher. Wir lachen und genießen die Zeit. Ihre Blicke sind nicht mitleidig oder fragend. In keinem Moment fühle ich mich gemustert. Dafür muss ich ihnen später noch danken. Irgendwann kommt auch Raphael. Die Gruppe ist somit komplett. Ich fühle mich sehr gut aufgehoben und bin einfach nur glücklich sie mal wieder zu sehen. Ich spüre keine Überforderung oder sonstiges. Einfach nur eine gewisse Freiheit, die ich zum ersten mal spürte. Während der neue Blockbuster besprochen wird, kommt in mir die Frage auf, wer dafür verantwortlich ist, das die drei hier sind. Noch dazu das sie keine Erklärungen wollen. Cat scheint meine Stille falsch zu interpretieren. "Magnus? Sollen wir gehen?" verständnisvoll lächelt sie mich an. Ich schüttle nur den Kopf. "Nein, ich frage mich nur wer.." Ich muss die Frage nicht vollenden. Alle drei sagen gleichzeitig "Alec". Ich werde rot, denn das kann mein Körper mittlerweile wieder. Im Schneidersitz fummle ich wieder an dem Saum von seiner Jacke herum. "Er hat uns gesucht und uns dann nur ein paar Sachen erklärt die wir beachten sollen. Mehr hat er nicht gesagt. Das wollte er dir überlassen, wenn du dafür bereit bist. Erst wollten wir ihm nicht glauben, das er dich kennt. Aber dann hat er uns ein Bild gezeigt." Eine Wärme breitet sich wie ein Tsunami in mir aus. Mein Herz schlägt in einer höheren Frequenz und das lächeln auf meinen Lippen wird immer größer. Wie sehr ich mich in diesen Jungen verliebt habe und wie schnell die Gefühle wachsen, wird mir auch erst jetzt bewusst. Er ist wundervoll und nachdem ich das alles hinter mir habe, muss ich mir echt was einfallen lassen um mich zu bedanken. Wie gern ich ihn einfach jetzt gerade umarmen würde. Nur beiläufig am Telefon hatte ich ihm erzählt das ich meine Freunde auf einer Art schon vermisse aber ich nicht weiß ob ich das kann. Einfühlsam und bestärkend hatte er mir gesagt, das ich alles schaffen könnte und das er immer da wäre. Ich wunderte mich immer wieder wie viel Verständnis er aufbringen konnte. Aber dann hatte ich bereits vom Thema abgelenkt. "Wie hat er euch gefunden?" frage ich vorsichtig. Ich wende meinen Blick von meinen Händen ab und sehe in die Augen von Cat. "Seine Schwester kannte Raphael. Vor ein paar Tagen habe ich ihn ganz nervös angerufen, weil ich Angst hatte, das du uns doch nicht sehen möchtest. Alec kann Leute ziemlich gut beruhigen." Und während ich noch in meinen Gedanken bin und dümmlich vor mich her grinse, geht hinter mir die Tür auf. Nur das bekannte kribbeln was unbewusst bei mir einsetzt, lässt mich stocken. Ich drehe mich um. Alexander steht, zaghaft lächelnd da und betrachtet uns aus liebevollen Augen. Ich stehe auf und gehe auf ihn zu. Auch er kommt mir entgegen. "Ich wollte nicht stören, aber.." Ich schüttle nur den Kopf bevor ich ihn zu mir heran ziehe und meine Lippen auf seine lege. Seine Hände liegen sofort auf meinen unteren Rücken. Freudig stimmt er mit ein. In mir kitzeln mich die Schmetterlinge mit ihren Flügeln. Es ist berauschend. Ich verliere mich komplett in dieser Berührung. Ich vergesse meine Umgebung und alles rund herum. Alexander scheint es ebenfalls so zu gehen. Er zieht mich noch näher. Wahrscheinlich hätten wir weiter gemacht, wäre da nicht das räuspern hinter mir. Wir lösten uns. Sein lächeln war so echt, genau so wie das leuchten seiner Augen, was in den letzten Tagen immer mal wieder getrübt war. Es war unser zweiter richtiger Kuss. Sonst waren es eher mehr so flüchtige oder kurze Lippenberührungen. Ich wusste das er auf mich acht gab, das es mir nicht zu viel wurde. Aber ich würde nie genug davon bekommen. "So würde ich gern öfters begrüßt werden." gibt er leise zu. "Das lässt sich anrichten." Wir beide Lächeln uns an bevor wir uns einen Eskimo Kuss geben. Es ist unsere kleine Geste und ich liebte es. "Ich störe ungern, aber kann uns einer mal aufklären?" Ragnor klingt belustigt. Zögernd, fast entschuldigend, sieht mich mein Freund an. Er beachtet wirklich alles. Wahrscheinlich hätte er noch so getan, als wären wir nur Freunde. Aber ich wollte diesen Jungen nicht verleugnen. Ich war eher stolz, das ich trotz den Umständen, ihn an meiner Seite hatte, ihn 'Mein' nennen konnte. Gemeinsam gehen wir zu der Gruppe und lassen uns wieder auf dem Boden nieder. "Das ist Alexander. Mein fester Freund." gebe ich lächelnd zu. Ich kann nicht anders als seine Hand zu nehmen und sie mit meiner zu verschränken. "Das kommt jetzt überraschend." Raphael nickt mir trotzdem zu. Wir hatten nie viele Worte gebraucht. Dankend nicke ich zurück. Cat' Augen sind immer noch groß. "Da kann ich Raphael nur recht geben. Aber ich wünsch euch alles gute. Ein schönes Paar seid ihr definitiv." Ich flüstere ein leises "Danke" in die Richtung von Ragnor. Alec hebt unsere verbundenen Hände und küsst somit meinen Handrücken. Cat wird ganz unruhig. "Ok können wir mal kurz kreischen?" Fragend sehen wir sie alle an. "Hallo? Ihr seid so unendlich süß. Oh mein Gott. Ich hab nie etwas niedlicheres gesehen. Und du bist bisexuell? Das heißt wir können zusammen die Typen bewerten." Grinsend kann ich nur den Kopf über meine beste Freundin schütteln. "Aber ihn musst du behalten." Cat zeigt auf meinen Freund. Und somit passiert etwas, was ich noch nie gesehen habe. Er wird rot. Ich versuche mir das Bild genau einzuprägen bevor ich ihm einen Kuss auf die erhitzten Wange gebe. "So nachdem die Romantik jetzt vorbei ist, könnten wir ja mal wieder etwas Stimmung hier herein bringen." Gleich darauf höre ich Musik zu der man sehr gut tanzen kann. Ich darf mich zwar nicht so viel sportlich betätigen, aber ein kurzer Tanz wird wohl drin sein. Recht schnell sind wir alle auf unseren Beinen, außer Alexander. Kurz schmolle ich und strecke im gleichen Atemzug ihm meine Hände zu. Er verdreht nur die Augen. Als auch er auf den Beinen steht beginnt für mich der Moment, wo ich das Atmen vergesse. Wir lachen unaufhörlich und machen uns über bestimmte Tanzbewegungen lustig. Die Stimmung ist ausgelassen und auch Alexander höre ich mehrmals lachen. Es fühlt sich so richtig an. Neben Alexander ist es der zweite Lichtblick und ich merke selbst wie die Dunkelheit langsam von meinen leuchtenden Punkten verdrängt wird. Ich bin glücklich und hier in Alexander' Armen neben meinen besten Freunden, ist es auch der Augenblick, wo ich selber merke, das ich stärker sein kann als diese Krankheit.
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