~27~

Magnus

Langsam lässt er mich wieder herunter. Allerdings sind wir beide noch nicht bereit, die Umarmung zu lösen. "Ich habe dich vermisst." flüsterte ich leise an seinem Ohr und sehe sogleich die Gänsehaut. Es bringt mich zum lächeln. Als Antwort drückt er mich nur noch näher und vergräbt seinen Kopf in der Kuhle zwischen meinem Hals und meiner Schulter. Ich streiche ihm durch die weichen, dunklen Haare. Mir ist bewusst, das ich die ganze Zeit davon ausgegangen, ich sei heterosexuell und ich weiß das mich das heute Abend alles überdenken werde. Ich werde meine Probleme damit haben. Aber in diesen kleinen und intimen Moment, genieße ich nur die Wirkung, die dieser Mensch bei mir auslöst. Genau so wie seine Nähe, die mein Körper anscheinend schon immer unterbewusst mochte. Vorsichtig und fast in Zeitlupe lösen wir uns voneinander. Meine Hände finden seine und ich sehe ihn an. Seine Augen sind blutunterlaufen. Unter ihnen findet man starke dunkel Augenringe. Sie scheinen fast wie höhlen. Er wirkt blasser und mir kommt es so vor, als hätte er Tage nichts gegessen. Erschöpft schauen mich seine Augen an. Ohne etwas zu sagen, gehen wir gemeinsam in mein Zimmer und setzen uns dort auf das Bett. "Du siehst schrecklich aus." flüstere ich, als ich ihn nochmals betrachte. "Ich weiß. Aber ich wollte dich unbedingt sehen." haucht er. Ich greife nach seiner Hand. Ein weiterer Punkt den ich immer mochte, wir mussten uns keine Fragen stellen. Wir würden reden, wann wir die Kraft gefunden hatten. "Maryse, meine Mum ist jetzt in einer Klinik für Alkoholerkrankte. Izzy ist zusammen gebrochen. Max wurde mir vom Jugendamt weg genommen und ich bin von der Universität geflogen. Ich lag am Boden und habe geweint und das alles in den letzten achtundvierzig Stunden." gibt er zu und sieht dabei gerade aus zu meinem Fenster. Er verfolgt mit seinen Augen, die einzelnen Vögel bevor er bei mir stehen bleibt. "Wie ist das alles passiert?" Ich wäre gern bei ihm gewesen, hätte ihm im Arm gehalten. So wie er es bei mir gemacht hat. Er erzählt mir alles. Die Stimme ist monotonlos und ich weiß das es nur zum eigenen Schutz ist. Als er endet, lege ich mich in seine Arme. Alexander zieht mich sofort näher. "Fotografie war mein allergrößter Traum und jetzt ist er geplatzt. Ich weiß nicht mal ob ich jemals wieder eine Kamera in die Hand nehmen kann. Was soll ich jetzt machen?" Fast hätte ich vorgeschlagen, das er es nochmal in Europa versucht aber dafür liebt er seine Familie und auch seine Heimat viel zu sehr. "Vielleicht kannst du es nicht gleich, aber zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt. Und wenn es bereits morgen ist." gebe ich deswegen wieder. Wie schlecht es ihm nur gehen muss. Die Gedanken rasen wieder und überschreiten die Mindestgeschwindigkeit aber mir kommt eine Idee. Ich erinnere mich an unseres erstes Gespräch. Zufall oder Schicksal. "Und was ist wenn das Leben nicht wollte, das du studierter Fotograf wirst?" Alexander sieht mich an. "Warum sagt mir das Leben dann nicht, was es für Pläne hat?" kommt es etwas sauer von ihm. Ich schrecke nicht zurück, denn in seiner Situation, kann ich das sehr gut nachvollziehen. "Weil du es selbst verstehen sollst. Und das geht nicht in ein paar Sekunden. Du musst es sehen und dann weißt du, dass es das Richtige ist." Ich merke wie er darüber nachdenkt. "Du kannst nicht gleich alles auf einmal schaffen. Alles Schritt für Schritt." Ich versuche ihm wirklich zu helfen. Mich selbst wühlt das alles auf. In ihm muss ein Orkan wüten. "Ich finde nicht mal den Anfang, von dieser nie enden wollenden Kette." Ich richte mich auf und setze mich genau vor ihn. "Wie wäre es bei dir?" frage ich sanft. Er will es wahrscheinlich nicht hören. Aber er braucht jetzt Zeit für sich und wenn es nur zwei Tage sind. "Aber das geht nicht. Ich muss Max wieder holen. Meine Mum besuchen. Izzy irgendwie helfen. Arbeiten. Einen neuen Beruf suchen. Außerdem habe ich da noch dich." Ich lächle. Meine kühle Hand legt sich auf seine Wange. Er lehnt sich in diese Berührung. "Du kannst nicht für alle gleichzeitig da sein. Außerdem bringt es nichts, wenn du dich selbst so verbiegst. Irgendwann brichst du und dann geht nichts mehr." Ich komme ihm ein Stück näher. Alexander sitzt ebenfalls im Schneidersitz da. Unsere Knie berühren sich. "Du musst gerade für Max, Izzy, Mum und für mich, auf dich selbst aufpassen. Du hast gesagt, das du morgen Max besuchen kannst? Warum machst du das nicht und nimmst dir dann mal Zeit für dich. Auch James Bond hat nicht an einem Tag die ganze Welt gerettet. Nimm dir eine Auszeit, lass deine Gedanken schweifen, schlaf dich aus und danach denkst du über vieles ganz anders. Auch wenn es dir schwer fällt. Aber schenk dir selbst mal etwas Ruhe. Das alles was du gerade auf deinen Schultern hast schafft kein Mensch. Vor allem nicht allein." Auch er legt seine Hand nun an meine Wange. Ich sehe wie ein kleines Stück der alt bekanntlichen Wärme durch seine Augen huscht. "Was würde ich nur ohne dich tun? Selbst diese paar Stunden mit dir, war wie ein ganzer Urlaub." Innerlich werde ich rot. Äußerlich wende ich nur schüchtern den Blick ab. "Danke, Magnus." Sanft lächelt er. "Jederzeit." Nachdem Alexander erst spät abends gegangen ist, husche ich zu Lilly herüber. Ihre langen Haare sind zu einem lockeren Zopf gebunden. "Du stehst eindeutig auf ihn." sagt sie grinsend, während ich mich neben sie setze. Der Tag war aufschlussreich. Ich erwidere nichts und damit veranlasse ich, das ihre Augen groß werden. "Du streitest es nicht mehr ab. Das heißt ich hatte recht?" Ich kann nicht anders als zu lächeln. Ihre Freude ist fast schon ansteckend. "Ich weiß es nicht. Mir ist heute soviel aufgefallen, wo ich nicht weiß, ob es schon immer da war. Verstehst du?" Wie immer fummle ich an meinem Saum herum. "Ich dachte immer das ich Heterosexuell bin." Lilly verdreht ihre Augen. "Und wann hast du das festgestellt?" Fragend ziehe ich die Augenbrauen hoch. "Wann hast du festgestellt, das du nur auf Frauen stehst? Hast du dich überhaupt jemals gefragt ob auch Männer in Frage kommen?" Ich möchte bereits etwas über meine Lippen bringen bevor ich stocke. "Siehst du. Man verliebt sich nicht in das Geschlecht sondern in den Menschen. Und wenn du auf ihn stehst, dann akzeptier das und mach dir das nicht kaputt. Wir haben genug Probleme." sagt sie ernst und ich schaue sie mit Respekt an. Doch schnell stelle ich mir wieder Fragen. "Aber ich weiß doch gar nicht ob es bei ihm gleich ist?" Lilly sieht mich an, als würde die Antwort mit einem rosa Einhorn vor mir stehen. "Dann denk zurück. Es gab bestimmt Momente, die darauf deuten. Außerdem musst du ihm sehr viel bedeuten. Heute sah er wirklich scheiße aus und trotzdem ist er gekommen. Er macht sicherlich viel. Aber das bestimmt nicht nur als 'dein bester Freund'. Auch wenn er es selbst vielleicht noch nicht weiß."  Ich denke darüber nach. Er hat mir damals Komplimente gemacht und auch die Nähe hatte ihm nie etwas ausgemacht. "Ach ja, da wären noch eure Blicke, die förmlich vor Liebe sprühen." Ich sehe sie an und sie kann nur grinsen. "Du musst nur dieses Bild in dein Zimmer anschauen. Es spricht Bände."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top