~21~

Alexander

Wütend fuhr ich zu dem Haus meiner Eltern. Ich wollte endlich antworten. Mein Leben schien aus dem rudern zu kommen und daran trugen sie ihren Beitrag. Warum redete mit mir keiner? Ich parkte mein Auto bei der Einfahrt. Das Haus war übertrieben und groß. Es war mein Elternhaus aber ich habe mich immer etwas verloren darin gefühlt. Tief atmete ich durch bevor ich ausstieg und die Klingel drückte. Mir öffnete einer der Haushälterinnen. "Alec, was machen Sie denn hier?" Es war Imogen, schon eine ältere Dame. Ich mochte sie immer am meisten. Leicht lächelte ich. "Du wirst nie aufhören mich zu siezen oder?" Auch sie lächelte leicht. Ich wusste das sie ihren Beruf mochte aber einfach hatte sie es definitiv nicht. "Wahrscheinlich nicht. Bist du gewachsen?" Imogen ging mir gerade mal bis zur Brust. So wie Izzy. "Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht mal wann ich das letzte mal in den Spiegel geschaut habe." Sie tritt zur Seite und macht mir somit Platz. In dem Haus ist es frisch, was etwas ungewöhnliches ist. "Wie geht es Max und Izzy?" Ich denke kurz nach. So richtig weiß ich es nicht. "Gut soweit. Sind meine Eltern da?" Imogen schaut betrübt auf den Boden. "Nur ihre Mutter. Sie ist im Schlafzimmer." Ich muss irgendetwas verpasst haben. "Wo sind eigentlich alle anderen?" Ich schaue mich um. Meine Eltern hatten meistens fünf Haushälterinnen, drei Chauffeure und vier Nannys. Sie waren zwar nie alle gemeinsam arbeiten aber mindestens drei Leute waren immer zu finde. "Am besten sie schauen erstmal nach ihr." Ich verenge meine Augen und schaue Imogen an. Danach wende ich mich ab und gehe die vielen Stufen hinauf. Ich kann mich nicht weiter umschauen, da hier oben alles dunkel scheint. Da ich hier mal eine lange Zeit gewohnt habe, weiß ich wo das Zimmer liegt. Meine Wut ist zwar noch da. Nur nicht mehr so stark. Leicht klopfe ich an. Ich bekomme keine Antwort. Vorsichtig öffne ich die Tür. Auch dieser Raum liegt komplett im dunklen. Trotzdem nehme ich eine Gestalt im Bett war. Mir steigt der Geruch von Alkohol in die Nase. Mit einem unguten Gefühl taste ich nach dem unteren Lichtschalter. Ein kleine Lampe in der Ecke geht an und macht es mir möglich, alles zu sehen. Der Anblick ist schrecklich. Das ganze Zimmer ist verwüstet, überall liegen Taschentücher und Alkoholflaschen. Einzelne Bilder liegen verstreut. Es sind Familien und Kinderbilder. Alle Schränke stehen offen, die Sachen liegen draußen. Die Gegenstände die einst mal auf den Kommoden standen, liegen ebenfalls auf den Boden. In der Mitte steht das große Bett meiner Eltern. In der Mitte liegt meine Mutter. Sie ist blass, ihre Augen rötlich und geschwollen, die Lippen rissig. Sie weint. Immer wieder entfliehen ihr Schluchzer. Sie scheint mich noch nicht bemerkt zu haben. Ich habe meine Mutter noch nie in so einem Zustand gesehen. Aber die Wut drängt sich in den Hintergrund. Ich muss für sie jetzt da sein. Egal was zwischen uns war. Ich ziehe meine Schuhe und Jacke aus und lege mich neben sie. "Hey, Mum." flüstere ich leise. Sie sieht auf und fast erschrocken mustert sie mich. Ich ziehe sie nur an mich und fast sofort drückt sie sich an mich. Ihr Kopf liegt auf meiner Brust. Sie krallt sich mit einer Hand in meinen Pullover. Ihre Handknöchel bluten. Ich mache mir sorgen und gleichzeitig frage ich mich, was hier passiert ist. Beruhigend streiche ich ihr über den Rücken. "Ssshhh, es wird alles gut. Ich bin da." Es erinnert mich an Magnus, der ebenfalls vollkommen losgelöst war. Ich war bei ihm und auch bei meiner Mum blind. Ich habe nichts mitbekommen und sofort gebe ich mir die Schuld. Es dauert nicht lange, da werden ihre Atemzüge ruhiger und gleichmäßiger. Ich halte sie noch kurz, bevor ich aufstehe und leise in dem Zimmer Ordnung mache. Ich sammle alle Flaschen auf und stelle sie in den Flur. Die Bilder lege ich auf die Kommoden und die Sachen lege ich ordentlich wieder in die Schränke. Die Taschentücher schmeiße ich weg. Ich betrete das Bad und sehe sofort den kaputten Spiegel. Auch hier versuche ich so ruhig wie möglich, die Glassplitter zusammen zu kehren und weg zu schmeißen. Nachdem die gröbste Ordnung wieder hergestellt ist, greife ich mir das Verbandszeug. Meine Mum schläft so tief, das sie nicht merkt, wie ich die einzelnen Wunden säubere und ihre Hand verbinde. Als ich auch das fertig habe, lüfte ich noch schnell durch und decke sie ordentlich zu. Nachdem der Alkoholgeruch nach draußen gezogen ist und die Abendluft in dem Raum schwebt, schließe ich das Fenster, ziehe mich wieder an und mache das Licht aus. Fertig von diesem ganzen Tag, gehe ich in die Küche und koche meiner Mum noch einen Tee. Imogen betritt die Küche. "Was ist passiert?" frage ich leise, während ich dem Wasser beim erhitzen zu schaue. "Deine Eltern haben sich nach dem Auszug von Izzy und dir angefangen zu streiten. Erst war es selten. Doch es wurde immer schlimmer. Solange bis dein Vater auf Geschäftsreise gefahren ist. Seitdem war er nicht mehr da. Er hat fast alle entlassen, außer ein paar. Der Zustand wurde immer schlimmer. Max hat mich irgendwann gefragt, ob er nicht zu euch könnte. Ich habe mit deiner Mutter geredet und sie hat ziemlich schnell zugestimmt. Sie hat es nicht geschafft, sich um ihn zu kümmern. Nachdem auch Max weg war, hat sie sich vollständig aufgegeben. Die seltenen male wo sie ihn von euch abgeholt war, ist auch nur ein Wunsch von dem Personal gewesen." Ich lehne mich geschockt an den Kühlschrank der neben mir steht. "Warum hat uns keiner angerufen? Und seit wann trinkt sie?" Imogen setzt sich auf einen Stuhl. "Sie hat vor den Sommerferien angefangen. Wir wollten ihr helfen aber sie hat es nicht zugelassen. Wir durften das Schlafzimmer nich betreten. Niemand hat euch angerufen, weil sie es uns klar untersagt hat. Außerdem hat sie eure Nummern weg geschmissen. Maryse hat zu uns gesagt, ihr wollt definitiv nichts mehr mit ihr zutun haben. Auch wenn sich das keiner vorstellen konnte." Ich fahre mir durch meine Haare. Noch etwas was in meinem Leben zerbricht. "Sie lassen sich scheiden." Es war keine Frage sondern eine Feststellung. Imogen blieb ebenfalls. "Meine Mutter ist alkoholkrank. Wie soll ich das nur Izzy und Max erklären." Ich sprach zu mir selbst. Mein Leben war ein einziger Scherbenhaufen und ich wusste nicht wo ich anfangen sollte mit puzzeln. "Sie braucht Hilfe, Alec." Jeder schien Hilfe zu brauchen bei irgendetwas. Jeder hatte ernsthafte Probleme und ich, ich versuchte mit meinen zwei Händen überall zu sein. Ich nicke ihr zu. "Aber sie braucht professionelle Hilfe und da hören meine Kompetenzen auf. Deswegen frag ich dich. Brauchst du Hilfe?" Ich tunkte den Teebeutel immer wieder in das heiße Wasser. "Eigentlich würde ich jetzt gerne nein sagen, aber ich brauche wirklich deine Hilfe." Ernst sieht sie mich an. "Auf deinen jungen Schultern lasten zu viele Probleme. Pass auf das du nicht auch noch zerbrichst." Ich versuche zu lächeln aber es funktioniert nicht. "Das kann ich mir momentan nicht leisten." Ich greife nach der Tasse und schaffe sie leise in das Zimmer meiner Mum. "Wie viel Alkohol ist noch im Haus?" frage ich Imogen, als ich im Erdgeschoss wieder ankomme. "Nur das was in der Küche steht." Ich nicke. Zusammen schütten wir den Alkohol weg. "Kannst du morgen auf Max aufpassen? ich würde auch gern, nur ich nehme ihn ungern in eine Klinik mit." fragend sieht sie mich an und ich erzähle ihr grob worum es geht. "Klar, ich pass gerne auf ihn auf. Morgen ist Jia hier." Ich nicke. "Nachdem ich in der Klinik war, fahre ich zu Jace, der auch mit mir reden wollte und dann komme ich hier her, um mit Mum zu reden. Danach löse ich dich ab. Es wäre schön wenn du bis abends bei Max bleiben könntest. Ich bring ihn dann auch in das Bett und.." Sie legt eine Hand auf meinen Oberarm. "Ich komme morgen früh vorbei und dann wenn du wieder da bist und keine Hilfe mehr brauchst, geh ich." Ich ziehe sie in meine Arme und bin froh diesen kurzen Halt zu haben. "Danke, ich muss jetzt auch los. Max wartet auf seine Gute - Nacht - Geschichte." Ich löse mich von ihr und besorgt sieht sie mich an. Schnell wende ich mich ab. Während der Heimfahrt denke ich über das Geschehene nach. Warum hatte sie nie etwas gesagt? Warum habe ich sie nicht gefragt, wie es ihr geht und warum bin ich nicht schon viel eher zu ihr gefahren? Zu Hause gehe ich sofort zu Max. Gemeinsam legen wir uns in sein Bett. Er kuschelt sich an mich und so beginne ich zu lesen. Ich selbst bin unendlich müde und würde am liebsten auch schlafen. Aber eine Projekt Aufgabe für die Uni muss ich heute noch beenden. Wo sind nur die guten, alten Zeiten hin?

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