~ 16 ~
Magnus
Mein Oberkörper schmerzt. In meinem Mund ein Kaugummi. Er spielt meinem Körper vor, das ich etwas esse. Meine Eltern verschwinden aus der Tür und so bin ich wieder allein, in diesem Haus. Ich umfasse mich selbst. Frieren ist mittlerweile ein Normalzustand geworden. Ich gehe nur noch mit einer Wärmflasche schlafen. Auf meinem Bauch findet man eine große Brandnarbe, so oval wie die Wärmflasche. In der Nacht bekam ich Bauch und Muskelkrämpfe. Die Tabletten helfen nicht mehr und trotzdem nehme ich sie weiter. Ich weine mich in den Schlaf. Schon oft habe ich die salzigen Tränen gekostet und schon oft war die Frage da, wie viel Kalorien eine Träne hat. In einem Buch schreibe ich auf, wie viel ich esse am Tag. Aus einer Stunde einkaufen, werden 3. Meistens landet Kaugummi und ein Apfel auf dem Band. Ich wiege mich mehrmals täglich. Früh und abends tat ich es nackt. Auch das notierte ich mir. Konzentrieren kann ich mich nicht mehr lange. Immer wieder habe ich Kreislaufbeschwerden. Andauernd bin ich müde. Mein Herzschlag ist langsamer geworden. Ich verlor die Kontrolle über die Kontrolle. Mein ständiger Begleiter war Ana und auch Alexander. Er ist in den letzten Monaten zu einem guten Freund geworden. Nur diesen einen sozialen Kontakt hielt ich. Warum ich dies tat, wusste ich selbst nicht. Er wusste nicht was bei mir los war. Er sah es mir nur an. Schon mehrmals hatte er mich darauf angesprochen und immer wieder verwies ich ihn auf später. Ich wusste das in meinem Leben etwas schief lief. Doch ich konnte nichts daran ändern. Mit Alexander hatte ich die letzten 2 Wochen nur noch telefoniert. Er hatte Stress mit der Uni und seinen Eltern. Mir war es recht. Ich ging jedem aus dem Weg. Auch meinen Eltern. Auch sie hatten Stress und waren deswegen die meiste Zeit unterwegs. Sie konnten gar nicht mit bekommen, das etwas nicht stimmte. Sie waren heute morgen nur kurz da gewesen um ihren Koffer neu zu packen. Bei dem Abschied waren sie auch schon in einem Telefonat verstrickt. Ich versteckte mich in dieser großen Kleidung. Mittlerweile wog ich 4o kg. Eine Zahl die in mir ein kurzes Hoch auslöste. Noch vor 5 Monaten war ich so voller Euphorie. Jetzt war da ein großes nichts. Ich versuchte wirklich zu kämpfen, nur jeder Schritt war eine Überwindung. Mein Handy brachte mich dazu mehrmals zu blinzeln. Ich lag im Bett. Die Decke über meinen Körper. Mir war kalt. Zitternd ergriff ich mein Handy. „Hey Alexander." Ich stellte das Telefon auf Lautsprecher. Die Kraft es zu halten, fehlte mir. „Na. Wie geht es dir Mags?" Den Spitznamen hatte er mir noch bei dem Ferienhaus verpasst. Es waren wirklich ein paar sehr schöne Tage. Ich hatte gemerkt, das ich mit ihm etwas hatte, was neu war. Wir redeten so als würden wir uns schon über Jahre kennen, so waren es doch nur 5 Monate. Die Frage hatte er mir ganz am Anfang schon gestellt. Ich hatte sie ihm nur noch nie ehrlich beantwortet. „Ganz gut und dir?" Ich wusste das er in diesem Moment wieder sein Gesicht verzog. „Abgesehen davon das du mich anlügst, geht es mir ganz gut. Ich habe heute Zeit wollen wir uns im Park treffen?" Das war keine gute Idee, trotzdem stimmte ich zu.
Keine Stunde später saß ich auf der Bank im Park. Hier trafen wir uns immer. Meistens tranken wir ein Kaffee und redeten bis in die Nacht hinein. Meistens über ernste Themen. Die fielen mir momentan einfach leichter. Trotzdem schaffte es Alexander mir ab und zu ein Lächeln in das Gesicht zu zaubern. Genau dieser setzte sich gerade neben mich. Seine Hände hatte er wieder in seinen Jackentaschen vergraben. Das machte er immer so. „Wirst du mir heute erzählen, was los ist?" Wie jedes Mal starrten wir auf den See, der etwas 100 Meter weiter weg von uns lag. „Irgendwann mal." Eine Eigenschaft die ich mochte an Alexander, er blieb immer ruhig und sanft. Wie ein Flügelschlag. „Manchmal kann es passieren, das Menschen sich verschließen. Vor der Außenwelt, vor den Leuten die ihnen wichtig sind und vor allem vor so sich selbst. Sie fühlen sich einsam und halten ihre Gefühle versteckt. Sie bauen sich Mauern um ihr Herz und eine Fassade vor ihr Gesicht. Damit niemand erkennt, wie schlecht es ihnen geht. Und irgendwann ist die Fassade so zu einem Teil von ihnen geworden, das sie gar nicht mehr den Unterschied erkennen, zwischen sich selbst und dem was sie vorgeben zu sein." Ich versteife mich immer mehr neben Alexander. „Ich möchte gar nicht wissen, was für eine Last das sein muss und ich weiß das man schneller in irgendwas herein rutscht. Manchmal bekommt man gar nicht mehr mit, was vor einem gerade passiert." Ich schlucke schwer und schaue dann Alexander von der Seite an. „Was möchtest du mir damit sagen?" Er legt seine Hand auf meine, die neben mir auf der Bank ruht. „Seit ich dich kenne, weiß ich das du immer versuchst etwas zu verstecken. Aber ich möchte für dich da sein, Magnus. Es gibt nichts was wir nicht hin bekommen." Ich entziehe ihm meine Hand. „Du stellst dir das echt so einfach vor oder?" Kann er nicht einfach Ruhe geben? Ich stehe langsam auf. „Es ist nicht leicht, ständig über alles die Kontrolle zu haben. Sich nicht beeinflussen zu lasse und sich der Stimme nicht einfach hin zugeben. Es ist nicht leicht jeden Tag aufzustehen und den Tag neu anzufangen. Mich hat es so viel Kraft gekostet, dich aus meinen Leben heraus zu halten und als ich keine Kraft mehr hatte, bist du einfach so an meine Seite getreten. Ich wollte dich nie in meinem Leben." Meine Stimme hebt sich immer mehr. Mittlerweile ist auch er aufgestanden. "Warum stehen wir dann gerade hier zusammen?" Er tritt näher. In all der Zeit habe ich mich das mehrmals gefragt. Ich war einfach zu schwach. Wie so oft in meinem Leben. Tränen der Wut steigen in meine Augen. "Weil du ein verdammter Idiot bist. Ich würde dich so gerne hassen." Mich verlässt sämtliche Kraft, in diesem Moment. Ich schaue noch einmal in seine Augen. Sie sehen mich so unergründlich an. "Tust du mir einen Gefallen?" hauche ich. Meine Stimme ist wie ich, kraftlos. "Welchen?" Ich trete einen Stück von ihm zurück. "Lass mich in Ruhe und trete einfach wieder aus meinen Leben. Ich brauche dich nicht, Alec." Damit sehe ich das, was ich erreichen wollte. Verletzt sieht er mich an. Ab jetzt kann ich wirklich sagen, das ich alles versaut habe. Ich versuche mir soviel es geht einzuprägen, bevor ich mich umdrehe und gehe. Ich spüre Alexander' Blick und die Tränen, die über meine Wange laufen.
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