Kapitel 3 | Iljas
Die Enttäuschung in Eiras Stimme hallte noch Stunden nach ihrem Gespräch in Iljas Kopf wider. Zugegeben, ein winziger Teil seines Herzens hatte sich schlecht dafür gefühlt, ihr den Posten als seine Leutnantin abzuerkennen, aber es gab wichtigeres als Gefühle. Die Aussicht auf das, was er sich sein ganzes Leben lang gewünscht hatte, zum Beispiel. Und Celian hatte ihm genau das geboten. Er wäre ein Vollidiot gewesen, wenn er den Deal wegen ausgeschlagen hätte. Wegen irgendwelcher Gefühlsduseleien.
Er war wirklich erbärmlich. Es war schon Stunden her, seitdem Eira mit zusammengepressten Lippen und empörtem Schnauben aus seiner Kabine gestampft war und wohin auch immer verschwunden war. Trotzdem saß er noch hier. Seine Gedanken kehrten immer wieder zu ihr zurück. Am liebsten hätte er sich selbst geohrfeigt, aber da das nicht möglich war, schüttete er einfach immer mehr Sor in sich hinein. Für gewöhnlich war dies das beste Mittel, um derartigen Unsinn von sich fern zu halten. Für gewöhnlich machte er sich allerdings auch die Mühe und füllte die goldene Flüssigkeit in eines der schicken Gläser, die er letztes Jahr einem dieser Schnösel aus Deníro entwendet hatte. Heute trank er direkt aus der Flasche. Und diese war schon fast leer.
Seine Füße hatte er auf den viel zu pompösen Tisch gelegt und der Stuhl, in dem er es sich gemütlich gemacht hatte, rutschte immer weiter nach hinten. Im regelmäßigen Takt öffnete er seine Augen, um einen Blick auf den Block in seinem Schoß zu werfen, nur um diese dann wieder zu schließen. Der Bleistift in seiner Hand bewegte sich keinen Millimeter und das Papier blieb stets leer.
In manchen Nächten – den meisten von ihnen, wenn er ehrlich war – bevorzugte Iljas die Gesellschaft schöner Frauen, die sich an ihn schmiegten, heiße Küsse auf seinem Nacken hinterließen. Er erinnerte sich im Nachhinein an keine von ihnen, nur an das leichte, summende Gefühl des Glücks in seiner Brust. In den selteneren Nächten sehnte er sich nur nach seinem Skizzenblock und einem Stift, der seine viel zu lauten Gedanken in Form von filigranen Zeichnungen klarer wirken ließ. Er liebte die Freiheit, aber noch viel mehr liebte er es, wenn die Muse ihn küsste, wenn er sich voll und ganz in seiner Leidenschaft verlor. Die Linien, die er zog, waren dann so einfach, so natürlich. Sie spiegelten seine Seele wider, mit ihren hellen und ihren dunklen Elementen, ohne auch nur ein einziges davon zu verurteilen. Oft genug hatte Iljas seine Werke anschließend verbrannt oder in das endlose Meer geworfen. Es ging ihm nie darum, etwas Großes aus seiner Kunst zu machen. Nein, das war das Letzte, was er wollte. Sie war seine Zuflucht, seine Besinnung. Sie hielt ihn zusammen, wenn nichts anderes half, wenn er sich selbst bereits am liebsten für verloren erklärt hätte.
Nur heute ließ ihn auch seine Inspiration allein. Wann um alles in der Welt hatte er ein Gewissen entwickelt? Seufzend ließ er den Stift in den Skizzenblock hineinkullern und schloss diesen. Keine Sekunde später klopfte es an der Tür. Iljas warf das kleine Büchlein hastig in eine Schublade seines Tisches und setzte sich wieder aufrecht hin. Niemand an Board der Perlenrache wusste davon, was er tat, wenn er alleine war. Und er hatte nicht vor, es jemals auch nur einem von ihnen zu offenbaren. Nicht einmal Eira.
Er musste dieses schlechte Gewissen wirklich dringend loswerden.
»Komm rein«, sagte Iljas, lehnte sich erneut in seinem Stuhl zurück und überkreuze seine Arme vor der Brust. Der Alkohol zeigte bereits seine Wirkung. Wie eine beschlagene Brille machte er Iljas das Sehen schwieriger, seine Reaktionszeit langsamer. Und vor allen Dingen machte er ihn unvorsichtiger. Obwohl er sich auf seinem eigenen Schiff befand, obwohl der größte Teil seiner Mannschaft noch nicht schlief und einen Fremden an Board sofort bemerkt hätte, konnte er sich niemals sicher sein, wer an seiner Tür klopfte.
Er musste immer wachsam bleiben.
Die Tür schwang auf und Galen steckte seinen Kopf hindurch. Iljas seufzte.
»Ich hoffe, ich störe Sie nicht«, der junge Navigator stand einen Moment lang unschlüssig herum, ehe er sich traute in die Kabine einzutreten.
»Was gibt's? «, fragte Iljas und griff nach der Flasche, die noch immer auf dem Tisch stand. »Solltest du dich nicht für den morgigen Aufbruch vorbereiten?«
»Ich habe eine Nachricht für Sie«, antwortete Galen und zog einen goldenen Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke. Mit gerunzelter Stirn und einer vielsagenden Kopfbewegung bedeutete Iljas ihm den Brief auf den Tisch vor ihm zu legen. Während er tat wie ihm geheißen, nickte Galen kaum merklich. Als wollte er sich selbst versichern, dass das, was er tat, in Ordnung war.
»Von wem ist die Nachricht?«, Iljas betrachtete das schimmernde Gold des Umschlages eine Weile. Die Farbe des Reichtums, der Arroganz, der Macht. Die Farben seiner Träume, die er vor einer Ewigkeit begraben und vergessen hatte.
»Ich weiß es nicht«, gab Galen zu. Sein Blick glitt zu seinen Schuhen, mieden das stechende Eis aus dem Iljas' Augen gemacht waren. Strähnen seines dunklen, mittlerweile langen Haares fielen ihm ins Gesicht. »Ein Fremder hat ihn mir zugesteckt. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen«, es war ihm sichtlich unangenehm, dass er nicht genügend Informationen hatte. Iljas hatte schon früh gelernt auf die Kleinigkeiten Acht zu geben. Auf das stille Zittern in der Stimme, wenn man Angst vor etwas hatte und es am liebsten verbergen wollte. Auf das Anspannen des Kiefers, wenn man seine Wut mit allen Mitteln verstecken wollte. Auf die aufeinander gepressten Lippen, wenn ein Lächeln aus Lügen bestand. Galen verriet sich durch das unruhige Spiel seiner Finger. Immer wieder ließ er den Mittelfinger seiner rechten Hand über den Daumen gleiten. Vor und zurück. Vor und zurück. Es erinnerte Iljas daran, wie jung und unerfahren Galen tatsächlich war.
Erst vor wenigen Monaten hatte er den jungen am Straßenrand sitzen sehen. Seine Haut voller Dreck, seine Lippen trocken und seine Augen – seine Augen waren so ernst, so traurig und doch so unerbittlich gewesen. Eigentlich benötigte die Mannschaft der Perlenrache zu dem Zeitpunkt kein weiteres Mitglied. Zwischen ihnen allen hatte sich ein starkes Vertrauen aufgebaut, sie waren eine Familie geworden und jemand Neues, jemand Fremdes wäre bloß ein unnötiges Risiko gewesen. Aber Iljas hatte sich selbst in Galen erkannt. Er hatte sich daran erinnert, wie er tagelang durch die Straßen seiner Heimat gezogen war. Seine Füße hatten geschmerzt und in der Nacht bekam er kein Auge zu. Angst und Schuldgefühle hatten ihn geplagt. Er wollte, konnte nicht mehr nach Hause. Konnte nicht mehr dabei zusehen wie das Leben aus dem erschöpften Körper seiner Schwester wich. Wie seine Mutter nichts dagegen tat, nicht einmal ihre Hand hielt.
Und er hatte Galen nicht dort sitzen lassen können. Allein.
Iljas blinzelte mehrmals. Mit der Zeit waren die Erinnerungen zwar verblasst, doch sie waren noch immer sein Schwachpunkt. Sie waren noch immer der Grund dafür, dass er hier, auf diesem alten Schiff, war und jede Goldmünze, die er auftreiben konnte, unter der losen Holzdiele in seiner Kabine versteckte. Und warum er Celians Angebot nicht ausschlagen konnte.
»Danke, Galen. Sieh' zu, dass du heute genug Schlaf bekommst«, sagte Iljas. Galen murmelte ein paar Worte zum Abschied, aber er Iljas verstand sie nicht. Seine Aufmerksamkeit galt allein dem Umschlag, den er noch immer nicht angerührt hatte, obwohl es so ihm sehr in seinen Fingern kribbelte. Erst als die Tür ins Schloss gefallen und Galens Schritte im Flur verklungen waren, erhob er sich aus seinem Stuhl. Seine Beine fühlten sich so weich an, als der Alkohol mit voller Wucht durch sie hindurchfloss, und seine tauben Sinne machten es ihm schwer sich zu konzentrieren.
Heiliger Dreizack, er musste ernsthaft damit anfangen weniger zu trinken.
Der Umschlag fühlte sich an wie Seide. Wertvoll. Wichtig. Iljas hatte nicht den blassesten Schimmer davon, wer ihm so einen Brief zukommen lassen würde. Wenn er den raten musste, würde er vermutlich auf einen der Götter getippt. Aber er war noch nie einem von ihnen begegnet und bezweifelt deshalb stark, dass sie ihn überhaupt kannten. Auf der Rückseite des Umschlages konnte er keinen weiteren Hinweis erkennen. Er war vollkommen leer.
Kein Absender. Kein Empfänger.
Woher hatte Galen dann gewusst, dass der Brief für seinen Kapitän bestimmt war? Iljas schüttelte den Gedanken daran, dass er nicht die ganze Wahrheit gesagt haben könnte, schnell wieder ab. Vielleicht hatte der Fremde es ihm im Vorbeigehen zugeflüstert. Vielleicht hatte Galen einfach von sich aus darauf geschlossen.
Es war egal.
Vorerst.
Iljas öffnete den Umschlag, zog das Stück Papier heraus und faltete es vorsichtig auseinander. Er stöhnte, als er die kunstvoll geschwungene, schwarz schimmernde Schrift erkannte.
Verdammt, dachte er. Die Einladung zum Sternenfest. Wie hatte er das vergessen können?
Die schönste Nacht des Jahres. Und die einzige, in der Kalira mehr oder weniger sicher war. Während die Sterne den Himmel zierten und der Mond die Kanäle zum Leuchten brachte, versteckten sich die Menschen hinter ihren schönsten Masken. Glitzernde Steinchen und bunte Blumen, schillernde Muscheln und seltene Perlen verbargen ihre Gesichter. Ihre Vergangenheit, ihre Zukunft. In dieser Nacht waren sie Nichts und Alles, Niemand und Jeder zugleich. Und doch hatte Iljas vor einigen Jahren seine Schwester dort erkannt. Er wusste nicht, ob sie wieder gesund geworden war oder ob sie noch immer mit dem Tod kämpfte.
Er wusste bloß, dass er ihre Augen vermisst hatte. Ihr Lächeln. Ihre Stimme.
Als er sie ansprach, hatte er Angst gehabt sie würde ihn ebenfalls trotz seiner Maske erkennen. Doch sein Leben als Verbrecher hatte mehr Spuren hinterlassen als geglaubt. Seither hatte er sie jedes Jahr während des Sternenfests gesucht, war mit ihr durch die Straßen spaziert und hatte die Schönheit der Nacht genossen.
Aber dieses Mal hatte er es vergessen. Wie konnte er es nur vergessen?
Er hatte seiner Mannschaft gesagt, sie würden morgen lossegeln. Celian hatte darauf bestanden. Er hatte keinen Augenblick daran gezweifelt. Es war seine eigene Schuld, die Gier hatte ihn dazu getrieben. Er konnte es nicht einmal auf den Sor schieben, den er erst Stunden nach seinem Entschluss getrunken hatte.
Sie durften morgen noch nicht starten.
Er musste Thaia sehen. Er musste wissen, wie es ihr ging. Und ob sie noch lebte.
Iljas ließ den Brief in seiner Hand sinken.
Er war so ein Dummkopf. Ein absoluter Vollidiot. Die Zeit machte ihn zu einem anderen Menschen. Früher hätte er sich für das geschämt, was er geworden war: ein Pirat wie er im Buche stand, dem das Gold wichtiger war als alles andere. Wichtiger als die eine Person, in der er begonnen hatte, seine engste Vertraute, seine Freundin zu sehen. Wichtiger als seine Schwester, für die er bereit gewesen war, sein eigenes Leben zu geben. Dieser unstillbare Durst nach Geld, nach Macht nahm ihn langsam vollkommen ein und drang bis in sein Herz hinein.
Er hatte Thaia vergessen.
Iljas' Finger hatten sich wie von selbst zu einer Faust geformt. Seine Fingernägel bohrten sich in seine Handflächen und ließen einen leichten Schmerz durch ihn hindurchfahren, der ihn wieder zur Besinnung brachte.
Er musste die Abreise um einen Tag verschieben. Wenn Celian damit nicht klarkam, dann...was dann? Würde Iljas auf das Angebot verzichten, auf das er seit Jahren gewartet hatte, und das es ihm endlich möglich machen würde, ohne eine Maske zu seiner Familie zurückzukehren? Nur um Thaia für ein paar Stunden zu sehen?
Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.
Seine Gedanken wurden zu einem Echo. Sie pulsierten durch ihn hindurch wie ein Takt, eine Melodie, die ihn einfingen. Je mehr er versuchte sie loszuwerden, desto stärker klammerten sie sich an ihm fest.
Iljas griff erneut nach dem Sor und nahm einen ordentlichen Schluck. Bei den Großen Götter, er liebte dieses Gefühl. Dieses Kitzeln auf seinen Lippen. Dieses Rauschen in seinen Ohren. Dieses Adrenalin in seinem Herzen. Mit jedem Atemzug nahm der Alkohol ein Stück seiner Lebenskraft, aber es schenkte ihm auch den Mut weiterzumachen.
Noch ein Schluck, dann stellte er die Flasche wieder an ihren Platz zurück und machte sich auf die Suche nach seiner Mannschaft. So wie er sie kannte, würden die meisten sich noch auf dem Deck aufhalten. Er hatte zwar gesagt, dass sie möglichst früh ins Bett gehen sollten, aber er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals an diesen Befehl gehalten hatten.
Es war ein Wunder, dass seine Beine Iljas noch das Gleichgewicht behalten ließen. Wie viel hatte er noch einmal getrunken? Die Schlucke waren irgendwann zu einem verschwommen. Und sie waren so verlockend.
Ich brauche mehr. Mehr. Mehr.
Wann hatte er eigentlich angefangen Sor zu mögen? Er war sich ziemlich sicher, dass er ihn vor ein paar Jahren noch sofort ausgespuckt hätte.
Die Gänge des Schiffes schienen endlos lang und unglaublich kurz zugleich. Iljas hatte schon vergessen, wie lange er unterwegs war. Hatte vergessen was Zeit war.
Da erkannte er die vertraute Tür, die zu Eiras Zimmer führte. Ein amüsiertes Schnauben entwich ihm, als er daran dachte, wie sie die Tür in den ersten Tagen an Deck blau gestrichen hatte. Sie hatte ihn nicht einmal um Erlaubnis gefragt. Aber Iljas hatte Tränen in ihren Augen schimmern sehen und beschlossen, es ihr dieses eine Mal durchgehen zu lassen.
Jetzt musste er feststellen, dass er angefangen hatte, das Blau zu mögen.
Dass er angefangen hatte Eira zu mögen.
Er musste mit ihr sprechen. Er wusste zwar nicht worüber, aber er wusste, dass sie ihn verstehen würde. Das tat sie immer. Es war ihr Schweigen, das ihn meistens wieder zur Vernunft brachte und seine Gedanken klärte.
Ohne auch nur seine Sekunde länger drüber nachzudenken, klopfte Iljas an ihre Tür.
»Ich bin's«, alles in ihm schrie danach sich hinzusetzen, sich auszuruhen. Auf einmal war da diese Müdigkeit, die seine Augenlider so schwer machte. Er lehnte seinen Kopf gegen die Tür. »Darf ich reinkommen?«
»Nein«, antwortete Eira.
»Bitte.«
»Vergiss' es.«
»Eira, ich...«, auf einmal flog die Tür auf. Iljas taumelte vorwärts und brauchte ein paar Sekunden, um sich wieder zu fangen.
»Bist du wieder besoffen?«
»Nein«, log Iljas, rollte dann mit den Augen und seufzte. »Vielleicht.«
»Soweit ich mich erinnern kann, hast du einen neuen Leutnant, den du mit diesem Scheiß nerven kannst«, Eira trat vor ihn, sodass er nicht weiter in die Kabine eintreten konnte.
»Du verstehst das nicht«, er schüttelte den Kopf.
»Ganz genau. Ich verstehe nicht. Deswegen will ich nichts mehr mit dem hier - «, sie schenkte ihm einen abwertenden Blick, der von seinem Kopf bis hin zu seinen Füßen und wieder zurück glitt. » - absolut nichts mehr zu tun haben.«
Erst jetzt fiel ihm auf, dass Eiras Haar klitschnass war. Ihre Wangen waren ungewohnt rosig und er konnte ihren hastigen Atem hören.
»Wo warst du?« Fragte Iljas.
»Iljas«, sagte sie, ihre Stimme klang fast schon bedrohlich. »Verschwinde.« Eira platzierte ihre Hände auf seiner Brust und schob ihn langsam aus der Tür heraus.
»Nein«, beharrte er, griff nach ihren Handgelenken und hielt sie dadurch fest. Sie war flink und für ihre Größe ziemlich kräftig. Aber er war noch immer der Stärkere von ihnen. »Ich will wissen, wo du warst. Das ist ein Befehl.«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie schließlich schweigend nachgab und ihn eintreten ließ. Eiras Zimmer war etwas, das Iljas noch nie verstanden hatte. Manchmal, wenn sie gemeinsam die Pläne für die Perlenrache besprochen hatten, wenn er sie kämpfen sah, dann war sie eine von ihnen. Doch ihr Zimmer war ein Einblick in das, was sich dahinter verbarg – ein Mädchen, das viel mehr als sie alle zusammen nach dem Leben sehnte.
Überall, an jedem freien Fleck, standen Pflanzen. Große und Kleine. Einige trugen bunte Blüten, andere kleine Beeren. Efeu schlang sich um das kunstvoll gebaute Hochbett aus Holz, an dem Eira auch kleine Haken für ihr Werkzeug angebracht hatte. Als er das erste Mal hier war, hatte er sie gefragt, warum sie all' diese Pflanzen hier hatte.
»Sie sind Erinnerungsstücke. Ich nehme von jedem Ort, der mir gefällt eine mit, um mich daran zu erinnern«, hatte sie schulterzuckend geantwortet. »Außerdem brauche ich manchmal auch eine Abwechslung zu dem ständig grauen Metall.«
Er konnte noch immer die Leichtigkeit spüren, die sie damals ausgestrahlt hatte. Sie hatte daran geglaubt, dass ihr Leben jetzt glücklicher werden würde. Und vielleicht war es das tatsächlich gewesen. Vielleicht hatte sie die Mannschaft auch als zweite Familie gesehen.
Vielleicht.
Bis ich sie enttäuscht habe. Bis ich sie ersetzt habe. Einfach so. Ohne Vorwarnung.
»Was willst du hier, Iljas?«
Richtig. Er war hier, weil er ihr etwas sagen wollte. Das Karussell, in dem seine Gedanken und Erinnerungen tanzten, lenkte ihn von dem ab, was wichtig war. Er musste sich konzentrieren, musste sich hinsetzen.
»Wir müssen unsere Abreise verschieben«, Iljas platzierte seine Hand auf dem Stützbein des Hochbettes, das Eira mit kleinen Dekorationen verziert hatte. Blumen und Sterne, Schrauben und Muttern hatte sie darauf gemalt, nachdem er ihr gezeigt hatte wie. »Ich muss noch etwas erledigen.«
»Deine Sache«, erwiderte Eira ungerührt. »Was habe ich damit zu tun?«
Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als er es hörte. Ein leises Husten, das von über ihm zu kommen schien. Aus dem Hochbett. Sein Verstand mochte ein einziger Nebel sein, aber selbst mit der Menge an Alkohol in seinem Blut war er kein Dummkopf.
Da war noch jemand im Zimmer.
Ohne zu Zögern stieß er sich von dem Bettgestell ab und schwang sich die kleine Leiter herauf. Seine Bewegungen waren überraschend beherrscht.
Eira stöhnte theatralisch und Iljas musste sie nicht sehen, um zu wissen, dass sie mit den Augen rollte. Sie machte nicht den geringsten Anstand sich zu bewegen, sondern wartete einfach nur ab.
Weil sie von Anfang an wusste, dass wir nicht alleine waren.
Erst als seine Füße auf der vorletzten Sprosse standen, konnte er das Mädchen sehen. Sie hatte sich, so gut es ging, in Eiras Decke versteckt, aber Iljas sah wie ihr kurzes, blondes Haar wild in ihr Gesicht fiel. Im fahlen Lampenlicht konnte er sogar das gläserne Schimmern in ihren Augen erkennen, das Glühen ihrer Wangen.
»Wer bist du?«
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top