Vier

Siri's Handy klingelte. Wir waren gerade damit beschäftig gewesen, meine Umzugskisten auf einander zu stapeln um den Boden und das Bad möglichst frei zu kriegen. Siri legte meine Tasche oben auf einen Stapel Kisten und nahm ihr Handy in die Hand. Sie nahm den Anruf an und grinste. „Gut, die Tür ist noch offen. Ihr könnt einfach durch kommen, wir sind hinten", antwortete sie auf etwas, was der Anrufer gesagt hatte. Daraus schloss ich, dass unsere Putz-Unterstützung, nein Korrektur, meine Putz-Unterstützung, Siri zählte ebenfalls als Unterstützung, da war.

Während ich bereits dabei war, einen der Eimer, die wir vorhin eingekauft hatten, mit Wasser zu füllen, hörte ich es im Eingang poltern. Stimmen drangen in das kleine Bad und als ich heraus trat, kamen vier Leute, ungefähr in unserem Alter, in den Raum. Drei Jungen und ein Mädchen, welches ihre dunkle Haare mit einer Klammer weites gehend nach oben gesteckt hatte und einen leicht genervten Gesichtsausdruck hatte. Der Junge der als erstes herein gekommen war sah Siri erschreckend ähnlich. Er hatte die selben blonden Locken, aber im Gegensatz zu Siri trug er sie kurz. Sein offenes und ansteckendes Lächeln war das Selbe wie das des Mädchens, welches mir geholfen hatte.

Hinter ihm standen zwei Jungen, der Linke hatte wilde, halblange Haare in einem dunkelblond und trug einen ausgewaschenen Strickpulli, eine Ledertasche über die Schultern und eine Kette um den Hals, an der ein kleiner Rabe als Anhänger baumelte. Der Junge rechts neben ihm hatte etwas dunklere, kürze Haare und war kleiner als der Junge links. Er trug eine Kamera um den Hals und hatte Blätter in den Haaren. „Hey!", begrüßte der erste Junge Siri und sie lächelte zurück. Doch sein Blick glitt zu mir und er musterte mich kurz. Das strahlende Lächeln verließ nicht seine Lippen. „Hey, du musst Lilith sein?", fragte er und streckte mir seine Hand entgegen. Perplex nahm ich sie. Er drückte kurz und ließ dann wieder los.

„Freut mich!", er fuhr sich kurz durch die Haare, „Ich bin Ezra, Siris kleiner Bruder." Er grinste zu ihr rüber. „Mich auch", antwortete ich und musterte ihn meinerseits. Auf der einen Seite konnte er unmöglich Siris kleiner Bruder sein, auf der anderen Seite war die Ähnlichkeit kaum übersehbar. „Kleiner Bruder?", hakte ich nach und mein Blick huschte zwischen den beiden hin und her. Ezra musste lachen. Es war eine herzliche, ehrliche Lache, wie die seiner Schwester, nur tiefer. „Siehst du Sir? Niemand glaubt uns das!", er stupste sie spielerisch in die Seite. Sie haute ihm ärgerlich auf die Finger. „Man, Ez!", sie sah ihn mahnend an, bevor sie sich wieder zu mir wand. „Er ist erst 18. Das macht 2 Jahre Unterschied! Mach mir die nicht kaputt!", schmollte sie, aber konnte selbst nicht ernst bleiben und grinste während sie es sagte.

„Bevor das hier in ein ewiges Gespräch ausartet, Hi, ich bin Darius!", stellte sich der Linke Junge hinter Ezra vor und winkte mir kurz zu. „Freut mich!", fügte er an. Ich lächelte ihm zu. „Und mich erst!", antwortete ich und meinte es auch so. Darius deute auf den Jungen neben sich. „Das ist Reggie", stellte er ihn vor und der Junge deutete eine Verbeugung an. Er betrachtete mich. Offenbar blieb sein Blick an meinem rotbraunen Vogelnest, welches ich meine Haare nannte, hängen, denn er stutzte kurz. Doch er sagte nichts, sondern legte nur den Kopf schief.

Das Mädchen neben Ezra, das bis jetzt keinen Mucks von sich gegeben hatte sprang neben mich und hakte sich bei mir unter. „Ich bin Maeve. Und ich bin mir sicher, wir werden ganz schnell, sehr gute Freundinnen!", sie zwinkerte mir zu und zog mich durch den Raum. Siri lachte und sagte: „Maeve hat ein Gespür für sowas. Wenn sie sowas sagt, dann stimmt es auch."

Angesprochene drehte den Kopf zu Siri und streckte ihr die Zunge raus. Sir drehte sich zu den Jungs, während Maeve mit mir im Schlepptau das winzige Bad begutachtete. „Meine Güte Siri, als du gesagt hast Notfall, habe ich nicht damit gerechnet, dass die damals wirklich das ganze Haus leer geräumt haben. Ich dachte, dass hätte Granny nur so gesagt, damit wir aufhören zu fragen!", entfuhr es Ezra überrascht, als er den Raum in Augenschein nahm. „Warts ab, oben ist es noch schlimmer", sagte Siri und deutete auf die Treppen. Ich nickte nur und versuchte, mich aus dem kleinen Badezimmer zu befreien, in dem Maeve sich zu dem vergilbten Spiegel gedreht hatte.

„Nichts, was wir noch nie gemacht hätten!", sagte Darius und klopfte Reggie neben sich auf die Schulter. Der sah ihn an und blinzelte. Seine Augen wirkten Müde und seine ganze Körperhaltung war geschafft. Siri fuhr sich durch die Haare und mir fielen erneut die schwarzen Fingerkuppen auf. Als wären sie verbrannt worden. Schoss es mir durch den Kopf. Es war, als wären sie verkohlt.

Aus reiner Neugierde betrachtete ich Ezra's Hände, mit denen er gerade in Richtung der Garten Tür deutete. Auch seine Fingerspitzen waren schwarz, wie Siris. Das schwarz zog sich fast bis zur Mitte des Fingers und ging nur langsam in die normale Haut über. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sie Beide hatten Schwarze Fingerkuppen. Was hatte das zu bedeuten? War das hier einfach nur Trend? Oder hatten die beiden Geschwister eine Erbkrankheit? Gab es das überhaupt? Eine Krankheit, bei der die Fingerspitzen schwarz wurden?

Unwillkürlich glitt mein Blick zu den Händen von Darius und Reggie. Doch Darius Hände konnte ich nicht erkennen. Eine Hand hatte er hinten auf Reggies Rücken platziert und die Andere hatte er sich hinten in die Hosentasche gesteckt. Reggie hatte ebenfalls beide Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Ich drehte mich zu Maeve um. Sie war schon dabei, den Spiegel abzuschrauben. Als ich ihre Hände sah, traf mich fast der Schlag und ich schnappte hektisch nach Luft. Ihre Finger waren noch schwärzer als Siris oder Ezras. Der Teil, der meiner Meinung nach verbrannt wirkte, streckte sich bis zu den Fingerknöcheln. Feine schwarze Linien zogen sich sogar bis ins Handflchen innere. Sie sah zu mir und lächelte sanft. „Alles in Ordnung?", fragte sie leise und beobachtete meine Mimik. Ich versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen und meine Atmung wieder auf normale Geschwindigkeit zu bringen, dann nickte ich schwach und wand mich ab. „Ich würde sagen, wir fangen dann mal an!", rief Siri und klatschte in die Hände.

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„Hat jemand Hunger?", fragte Siri und kam aus dem Badezimmer heraus, in dem sie mit Ezra gearbeitet hatte. Interessiert hob ich den Kopf. Ich stand in dem Raum mit den großen Fenstern, die gerade putzte. Unten hörte ich Darius und Reggie herum albern. „Ich!", rief Ezra aus dem Bad. Und Siri rief „Ich weiß!", zurück, „Es geht nicht immer um dich Ez! Andere Leute können auch Hunger haben!" Er antwortete nicht. Dafür meldete sich Maeve: „Ich habe mittlerweile schon echt Hunger!" „Ich auch", sagte ich und widmete mich wieder meinem Fenster. „Jungs!", schrie Siri nach unten.

Man hörte es kurz poltern, dann war es still. Ich zuckte zusammen. War den beiden etwas passiert? Was hatten sie herunter geworfen? War jemand hingefallen? „Meine Güte, man sollte doch eigentlich denken, ein 19 Jähriger und ein 18 Jähriger, könnten auf sich selber aufpassen...", flüsterte Siri in meine Richtung und rief nach unten: „Alles in Ordnung?" „Alles in Ordnung", kam es von Reggie zurück und man hörte Darius kichern. „Habt ihr Hunger?", fragte Siri noch einmal. Kurz war es still. „Ja!", antwortete Reggie, „Warte, ich komm kurz hoch!" Ich war weiterhin damit beschäftigt, Putzmittel auf dem Fenster zu verteilen, als Reggie die Treppe hoch kam. Siri stand noch im Flur, weshalb ich das Gespräch der Beiden ohne Probleme mit bekam. „Ich hatte überlegt, da es ja mittlerweile echt schon spät ist, könnten wir zusammen Abendessen", erklärte Siri gerade. „An was hattest du gedacht?", fragte Reggie und ich konnte das Grinsen auf seinen Lippen hören. „Du weißt genau an was ich denke", schmunzelte Siri. „Jeder hier weiß wovon du sprichst!", rief Ezra aus dem Badezimmer. „Ich nicht", fügte ich unnötigerweise hinzu, obwohl das wohl eh jeder wusste.

Siri drehte sich zu mir und kam in den Raum. „Isst du Currys?", sie sah mich fragend an. Ich nickte irritiert. Niemals hätte ich mir gedacht, dass sie etwas wie Currys essen würden. Wobei, wenn ich so überlegte, unwahrscheinlich war es nicht. „Dann wäre das ja geklärt!", sie klatschte begeistert in die Hände, „Ich schreibe Mama. Sagen wir, wir brechen in einer Halben Stunde auf?" Niemand protestierte und Reggie nickte zustimmend. Er war über den Nachmittag hinweg aufgetaut. Von dem schüchternen, stillen Jungen von heute Mittag war nichts mehr übrig geblieben.

Wir hatten fast alles fertig. Siri und Ezra arbeiteten noch an dem Feinschliff im Bad, Maeve und ich putzen alle Fenster und Darius und Reggie waren damit beauftragt worden, unten den Boden zu wischen. Oben war dies schon erledigt worden. „Fertig!", hörte ich Maeve rufen. Sie kam breit grinsend zu mir und lehnte sich an die Wand. Das Haus war mittlerweile sauber. So sauber, dass es gar unheimlich war. Zwar funktionierte nirgends das Licht, es gab kein Mobiliar und die Farbe blätterte von den Wänden ab, aber abgesehen von diesen Gesichtspunkten, war das Haus nun bewohnbarer als zuvor. Ich hörte es unten schon wieder laut poltern. Maeve schüttelte den Kopf und lachte leise. „Alles gut!", hörten wir Darius von unten. Nun musste auch ich leicht lachen. Die Beiden waren echt Chaoten!

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