You call me to ask how I'm doing with a worried voice
Kikwang war still, konzentrierte sich auf den Verkehr und hing nebenbei in seinen eigenen Gedanken fest so wie ich. Der Unterschied war jedoch, dass der Sänger total entspannt war und ich einfach nur noch ein kleines, hässliches Nervenbündel war. Ja, ich war dermaßen nervös Junhyung jetzt nach so langer Zeit wieder gegenüber zutreten. Und diese abscheulichen Worte, dich zu ihm gesagt hatte, machten es nicht gerade besser. Wie würde er reagieren? Würde er mich anschreien oder gleich wieder zur Tür hinauswerfen? Ganz ehrlich, wenn er das tun würde, könnte ich ihm nicht mal böse sein. Ich hatte ja nichts anderes verdient. Jetzt da ich in Kikwangs Auto saß, auf dem Weg zu meinem Ex, kam ich mir reichlich lächerlich und dämlich vor. Mein Verhalten war so dermaßen daneben gewesen. Mir war das natürlich schon früher bewusst gewesen, doch jetzt schlug mir die Wahrheit ins Gesicht wie ein Faustschlag. Ich hätte das mit ihm klären müssen und nicht solche hässlichen Sachen zu ihm sagen sollen. Ich hatte ja nicht mal nach einer Lösung suchen wollen. Wie ein Feigling hatte ich mich verkrochen und ihn mit Boshaftigkeit bestraft.
Junhyung konnte nichts dafür. Überhaupt nichts. Wie denn auch? Er konnte doch nicht wissen, dass plötzlich Paparazzi auftauchten. Klar, er hatte versprochen aufzupassen, dafür zu sorgen, dass man uns nicht erwischte und einige Zeit war das ja auch gut gegangen. Aber irgendwann schlug das Schicksal immer zu und verhindern konnte man das nun mal nicht, so sehr man es sich auch wünschte.
Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als Kikwang das Auto parkte und den Motor ausstellte. Er zog den Schlüssel aus dem Zündschloss, stieg jedoch nicht aus sonder blieb sitzen. Verwirrt und etwas erwartungsvoll sah ich ihn an. Was kam denn jetzt noch? Wollte er mir irgendwas Wichtiges noch sagen, bevor wir reingingen? Oder war doch etwas Schlimmes passiert?
Ich merkte schon, wie mein Körper sich ungewollt versteifte und mir schlecht wurde. Meine Hände zitterten und ich schob sie in die Taschen meiner Jacke. Kikwang sollte das bloß nicht sehen. Ich konnte es gerade nicht ertragen, dass er so entspannt war und ich nur noch einem Wrack glich.
„Hast du dir eigentlich schöne Sachen gekauft mit Junhyungs Geld?"
Und das war der Moment in dem mein Herz stehen blieb.
„Was?!", kam es mir tonlos über die Lippen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an und fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen, obwohl das eigentlich gar nicht sein sollte. Leider Gottes hatte ich meine beschissene Spontanaktion vollkommen vergessen und wusste jetzt nicht, was ich darauf antworten sollte.
Ich versuchte es nochmal, doch nur ein Krächzen entkam mir. Das Blut schoss mir in den Kopf. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig und ich fühlte mich überhaupt nicht mehr wohl. Die Fahrzeugtür sah gerade so einladend aus. Ich bräuchte keine fünf Sekunden um sie zu benutzen und aus dem Wagen zu springen. Im Anschluss darauf würde man natürlich wegrennen, doch das wäre die dümmste Idee des Jahres. Erstens würde Kikwang mich schneller einholen, als ich schauen konnte und zweitens musste ich zu dem Mist, den ich veranstaltet hatte auch stehen. Im Moment jedoch wollte ich kein bisschen dazu stehen und lieber wegrennen, was mir mein Verstand lautstark mitteilte. Super Sache!
Der Sänger schaute mich streng an oder versuchte es zu mindestens. Er sah aus wie ein Elternteil, das sich bei seinen Kindern nicht durchsetzten konnte. Absolut nicht ernstzunehmend und gemein gesagt auch ein wenig lächerlich. Aber gut, wir sprachen hier von Kikwang. Ich glaubte sogar, dass er nie so richtig böse werden konnte. Er wirkte auf mich wie der reinste Sonnenschein.
„Sei froh, dass Junhyung davon nichts mitbekommen hat, es wahrscheinlich auch nie wird und ich einer dieser unmöglichen Menschen bin, die die Brief anderer Leute aufmacht", meinte er mit Nachdruck in der Stimme, was zur Folge hatte, dass ich mich nur noch mehr schämte.
„Huh?"
Heute war wohl einer dieser Tage, an denen ich nur dämliche Antworten gab und gar nicht mehr mitkam. Zu mindestens verstand ich überhaupt nicht, was Kikwang damit meinte, dass Junhyung es wohl nie rausfinden würde. Warum das denn? Hatte er ihm nicht den Brief gegeben?
Kikwang kicherte amüsiert und sah gleich gar nicht mehr streng aus. Eher war er äußerst amüsiert von meiner Verwirrung, warum auch immer. Ich fand es überhaupt nicht lustig.
„Da ich den Brief, zu deinem Glück, zuerst gelesen habe, habe ich das Zeug mit meinem Geld gezahlt und den Brief verschwinden lassen. Du wärst sowas von unten durch bei Junhyung, wenn er die Rechnung gesehen hätte. Also sei artig und bedank dich, dass ich dir den Gefallen getan habe", grinste er breit und sah mich erwartungsvoll an.
Ähm... wie bitte? Er erwartete ein danke von mir, weil er seinem Freund etwas verheimlichte? Okay, er tat mir damit wirklich einen Gefallen und ritt mich nicht in die Scheiße rein. Das war wirklich verdammt nett von ihm und eigentlich müsste er das ja gar nicht tun. Jedoch hatte ich das Gefühl, dass er es nicht für mich tat, sondern für Junhyung. Er wollte nicht das Junhyung verletzt wurde. Das konnte ich ja sogar verstehen. Warum sollte Kikwang auch etwas für mich tun, wenn wir uns eigentlich sowas von überhaupt nicht kannten?
„Danke. Ich zahl dir das Geld so schnell wie möglich zurück", flüsterte ich bedrück. Ich fühle mich immer noch unbehaglich und würde am liebsten Reißaus nehmen, doch das ging jetzt nicht mehr. Ich war schon hier und musste das auch durchziehen. Ich konnte nicht ewig wegrennen.
Kikwang nickte nur und schnallte sich ab.
„Das will ich auch schwer hoffen. Das Zeug war immerhin nicht gerade billig."
Damit deutete er mir, mich auch abzuschnallen und auszusteigen. Ich tat es wortlos und folgte ihm dann.
Kikwang sperrte die Tür auf, hielt sie mir auf und ich betrat zögerlich die Wohnung. Mein Körper war angespannt vor lauter Aufregung und Nervosität. Mir schossen so unendlich viele Gedanken durch den Kopf, sodass ich selber gar nicht mehr hinter her kam. Ich hatte ehrlich gesagt schon ein bisschen Angst vor Junhyungs Reaktion. Er rechnete mit Sicherheit nicht damit, dass ich auftauchte. Zwischen uns war verdammt lange Funkstille gewesen. Und jetzt stand ich einfach hier, was er seinem Freund zu verdanken hatte. Wollte er mich überhaupt sehen? Hatte Kikwang ihn überhaupt gefragt, ob er mich wieder sehen wollte?
Ich konnte mich nicht länger auf all die Fragen, die mir im Kopf rumschwirrten konzentrieren, denn ein blonder Schopf tauchte im Türrahmen zur Küche auf. Meine Aufmerksamkeit lag sofort auf dem jungen Mann. Neugierig musterte er mich so intensiv, dass mir das Blut in die Wangen stieg. Er schien kein Schamgefühl zu besitzen. Andernfalls würde er mich nicht so genau betrachten.
„Wer ist das?", fragte er dann auch noch an Kikwang gerichtet. Ich runzelte die Stirn. Das gefiel mir überhaupt nicht. Er könnte auch mich direkt fragen, immerhin stand ich direkt neben Kikwang und reden konnte ich sogar auch.
„Du weißt, wo sein Zimmer ist", meinte Kikwang an mich gerichtet und beachtete den jungen Mann gar nicht. Diesem missfiel das, was man anhand seines empörten Schnaufens bemerkte. Langsam nickte ich, sah den Sänger noch einen Moment an und machte mich dann auf den Weg, als er nichts mehr erwiderte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er zu dem anderen ging und diesen unter lautstarken Protesten mit in die Küche zerrte.
Vor seiner Zimmertür hielt ich inne. Ein schreckliches Gefühl ergriff Besitz von mir. Ich wollte und traute mich auch nicht die Tür zu öffnen. Zu viel Angst hatte ich vor Junhyungs Reaktion. Doch jetzt einen Rückzug zu starten, wäre so verdammt feige und erbärmlich.
Also atmete ich noch ein letztes Mal tief durch, ehe ich nach der Türklinke griff und diese langsam hinunter drückte. Vorsichtig öffnete ich die Tür Stück für Stück und spähte hinein. Ich hatte ja wirklich mit vielem gerechnet, aber sicherlich nicht damit. Zugegeben das Bild vor mir schockierte mich ein wenig, auch wenn ich vielleicht sogar tief in meinem Inneren mit so etwas ähnlichem gerechnet hatte.
Das Zimmer war abgedunkelt. Ein paar einzelne Sonnenstrahlen erhellten noch sein Zimmer. Die Vorhänge waren nicht ganz ordentlich zugezogen. Mir fiel auf das ein Fenster einen Spalt offen stand.
Mein Blick wanderte noch kurz durch den Raum, ehe er am Bett hängen blieb. Junhyung lag dort. Er trug eine knielange Jogginghose und ein dünnes Top. Kopfhörer lagen auf seinen Ohren und seine Haare standen in alle Richtungen ab. Eigentlich sah er ganz normal aus, wären da nicht die dunklen Schatten unter seinen Augen, die ich sogar bei dem Licht erkannte. Außerdem war er wirklich schmaler geworden. Angestrengt starrte er auf den Laptop, welcher auf seinen Oberschenkeln platziert war. Leise, um ihn nicht zu erschrecken, betrat ich den Raum vollständig und schloss die Tür hinter mir.
Auch wenn ich Kikwang und die anderen jungen Männer, welche hier wohnten, nicht kannte, war ich mir sicher, dass sie alle gerne lauschten. Sicher waren sie enttäuscht darüber, dass ich die Tür geschlossen hatte.
Als ich näher zu meinem Exfreund heran trat, fiel mir noch etwas auf. Und das schockierte mich nun wirklich. Junhyung war blasser geworden. Nicht dieses Blass, wenn der Winter begann, sondern das kranke Blass. Er machte keinen gesunden Eindruck. Ich brauchte nicht lange überlegen, um zu wissen woran das lag. Kikwang hatte also wirklich nicht gelogen. Junhyung ging es immer noch schlecht und das obwohl schon so viel Zeit vergangen war. Das tat mir wirklich weh. Ich wollte einfach nicht glauben, dass er es nicht überwunden hatte. Wieso hatte er uns nicht vergessen können? Fiel es ihm wirklich so schwer? War ich wirklich so anders für ihn gewesen?
Reglos stand ich nun in der Mitte des Zimmers und wusste nicht wohin mit mir. Ich wagte es kaum zu atmen aus Angst, dass Junhyung mich bemerken würde. Mein Mund wurde staubtrocken und mein Magen krampfte sich zusammen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Der einzige Gedanke, der mich im Moment permanent belästigte, war der, dass ich bloß abhauen sollte, bevor man mich bemerkte. Ehrlich, mir war das gerade wirklich alles zu viel. Junhyung so zu sehen, war zu viel. Dass ich meine Gedanken nicht kontrollieren konnte, war zu viel. Ich wollte im jetzigen Moment wirklich nicht mehr.
Im Nachhinein hatte ich keine Ahnung mehr, wie lange ich auf dem gleichen Fleck stand und den Rapper anstarrte. Erst als dieser plötzlich die Augen schloss und sich tiefer in die Kissen sinken ließ, erwachte ich aus meiner dämlichen Starre. Es grenzte eigentlich an einem Wunder, dass Junhyung mich noch nicht bemerkt hatte. Aber genau das zeigte einem, dass es ihm nicht gut ging. Ich hatte ihn als eine aufmerksamere Person kennen gelernt. Er hätte mich längst bemerken sollen.
Angestrengt schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter und bewegte mich mechanisch auf das Bett zu. Direkt neben Junhyungs Schulter blieb ich stehen. Ich zögerte nicht lange und stupste ihm sachte gegen die Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.
Anstatt jedoch die Augen zu öffnen, grollte Junhyung dunkel und verzog das Gesicht.
„Kikwang lass mich in Ruhe!", fauchte er mit tiefer Stimme, was mich zusammen zucken ließ. Die schlechte Laune, die er hatte, konnte man deutlich heraus hören.
Das wäre jetzt der Moment, in dem ich abhauen sollte und es einfach gut lassen sollte. Doch ich tat es nicht. Mein Herz brachte mich zum Bleiben. Noch einmal streckte ich meine, mittlerweile zitternde, Hand aus und stupste ihn an. Dieses Mal kräftiger als zuvor. Ich kam mir wirklich dämlich dabei vor. Anstatt Junhyung einfach zu rütteln oder ihm die Kopfhörer vom Kopf zu reißen, stupste ich ihn an wie ein kleines Kind, dass nach der Aufmerksamkeit seiner Mutter lechzte.
„Aish!"
Das war seine einzige Reaktion. Sonst nichts. Er zuckte nicht mal mit der Augenbraue. Langsam wurde auch ich ungeduldig und leicht sauer. Der Kerl verhielt sich gerade wirklich schrecklich. Kein Wunder, dass Kikwang mich hierher geschleppt hatte. Er wollte wahrscheinlich, dass Junhyungs schlechte Laune ein Ende hatte. Und natürlich bekam ich sie gerade voll ab. Jetzt verstand ich auch, warum der Sänger mich alleine zum Zimmer geschickt hatte. Na herzlichsten Dank auch!
Mir war das Ganze jetzt wirklich zu blöd. Aus einer Kurzschlussreaktion heraus, packte ich einfach das Kabel der Kopfhörer und zog es aus dem Laptop heraus. In den darauffolgenden paar Sekunden passierte viel.
Die Musik hämmerte plötzlich lautstark durch das Zimmer. Junhyung schrie erst auf, riss sich dann die Kopfhörer vom Kopf und das nur um sie gleich darauf vom Bett zu schmeißen. Und dann endlich machte er die Augen auf und sah mich an.
Wut flammte in seinen Augen. Doch das dauerte nicht lange an. Nur so lange bis er mich endlich erkannt hatte. Junhyung erstarrte. Sein Mund klappte auf und seine Muskeln spannten sich an. Und während er mich so fassungslos, wie auch erschrocken anstarrte, erwiderte ich seinen Blick teilnahmslos.
Jetzt musste ich nur noch darauf warten, dass er meinen Anblick verarbeitete und eine Reaktion von sich gab. Falls er überhaupt noch dazu fähig war. Er sah so schockiert aus, was mich schon schockierte. Aber irgendwie hatte ich ja damit gerechnet. Junhyung hatte sicher mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass ich plötzlich vor ihm stand. Vielleicht war ja das Kikwangs Plan gewesen. Er hätte bestimmt gerne das Gesicht von seinem Freund gesehen, doch leider Gottes hatte ich ja die Tür geschlossen.
Plötzlich begann Junhyung sich zu regen. Seine Augen lagen noch einen kurzen Moment auf mir, ehe er hektisch nach seinem Laptop griff und die Musik abschaltete. Dann hielt er wieder inne und starrte auf das Gerät auf seinen Beinen. Ich musste ein Seufzen unterdrücken. Er brauchte nichts sagen. Ich wusste auch so, dass ihm meine Anwesenheit unangenehm war. Es war wirklich eine scheiß Idee gewesen hierher zu kommen.
Die Minuten verstrichen und ich hörte regelrecht, wie ein Sturm aus Gedanken in Junhyungs Kopf zu wüten begann. Mir ging es gerade anders. Ich war entspannter als vorhin. Es beruhigte mich auch, dass ich nun nicht mehr diejenige war, die vollkommen überfordert war. Jetzt war es nämlich Junhyung, auch wenn mir das auch irgendwo leid tat.
Schließlich verlagerte ich mein Gewicht auf ein Bein, ließ die Schultern kreisen und strich mir eine einzelne Strähne hinters Ohr.
„Junhyung, ich-"
Weiter kam ich nicht und das obwohl ich in einem sanften Ton gesprochen hatte. Mein Exfreund unterbrach mich unwirsch und sah mich mit einem Mal an.
„Wenn du mir wieder irgendwas an den Kopf werfen willst, dann verschwinde lieber, bevor du das machst!", fuhr er mich wütender, als ich ihn je erlebt hatte, an. Meine Reaktion war es ein paar Schritte zurück zu weichen. Er machte mir keine Angst, jedoch fühlte ich mich wieder komplett unwohl. Außerdem kam die Angst, die ich so gut verdrängt hatte, zurück. Ich wollte nicht, dass Junhyung mich vielleicht doch noch anschrie.
Junhyung richtete sich derweil ein Stück auf und schob den Laptop von sich weg. Skeptisch taxierte er mich. Mir war das unangenehm. So unangenehm, dass ich wegsah. Ich wollte hier weg. Jetzt sofort. Das war eine beschissene Idee gewesen. Warum auch hatte Kikwang darauf bestanden? Wollten die Beiden mich leiden lassen oder mir einfach nur eins auswischen?
„Was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen?"
Seine Stimme triefte nur so vor Spott und Verachtung. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Urplötzlich wurde mir schlecht. Mein Magen rumorte und krampfte sich schmerzhaft zusammen. Lautlos keuchte ich auf und biss die Zähne zusammen.
Und obwohl es mir so beschissen ging, schaffte ich es den Mund aufzumachen.
„Es tut mir leid, dass ich Schluss gemacht habe, ohne mit dir zu reden. Auch tun mir all die Worte leid, die ich dir an den Kopf geworfen habe."
Überraschenderweise klang meine Stimme fest und zitterte kein Stück. Auch mein Unwohlsein und meine Unsicherheit merkte man mir nicht an. Kein einziges negatives Gefühl klang mit. Nun traute ich mich auch wieder Junhyung richtig anzuschauen. Was ich sah, überraschte mich dann doch.
Fast schon entsetzt über meine Worte, weiteten sich seine Augen. Die Wut schwand aus seinen Blick. Ich sah in seinen Augen, dass er verletzt war. Nicht wegen meiner Entschuldigung, sondern wegen all den Wörtern meinerseits zuvor. Auch bemerkte ich, dass er mich immer noch genau taxierte. Ein wenig misstrauisch sogar. Suchte er nach Anzeichen, dass ich ihn verarschte? Dachte er das wirklich?
Anders konnte ich mir diesen Blick nicht erklären. Seine gesamte Haltung hatte sich ein wenig gelockert. Das war positiv. Seine Haltung war nicht mehr abwehrend.
Und das bewirkte etwas bei mir. Ich traute mich endlich mal richtig den Mund aufzumachen. Ob es nun positiv oder negativ war, war Ansichtssache.
„Was ist? Willst du deine Freundin nicht begrüßen?", fragte ich nach einer Ewigkeit der Stille. Im Nachhinein hätte ich mich für diesen Satz schlagen können. Damit würde ich doch nur seine Wut wieder hervorrufen. Das dachte ich zu mindestens. Komischer Weise bewirkten diese zwei Sätze etwas komplett anderes bei Junhyung. Leben kam in ihn. Schneller als ich reagieren konnte, rappelte er sich hektisch hoch und umarmte mich. Und das so stürmisch, dass es uns beide fast zu Boden riss. Seine Arme drückten meinen Körper fest an seine Brust. So fest, dass ich Angst hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Überrascht keuchte ich auf und versuchte ihn von mir wegzudrücken. Nicht, weil ich den Körperkontakt mit ihm nicht leiden konnte, sondern eher weil es mir zu plötzlich war. Ich hatte damit überhaupt nicht gerechnet.
Als ich mich einigermaßen von dem Schock erholt hatte, merkte ich etwas. Mein Herz schlug so kräftig, dass ich schon Angst hatte, es würde mir aus der Brust springen. Mein gesamter Körper erhitzte sich. So stark, dass meine Wangen rot wurden. In meinem Magen rumorte es. Dieses Mal jedoch vor Glück. Meine Augen fingen an zu brennen. Die positiven Gefühle und die Erleichterung, die ich gerade empfand, waren nicht in Worte zu fassen.
Ohne zu zögern schloss ich meine Arme um seinen Körper. Und plötzlich holte mich die Müdigkeit ein. Automatisch schloss ich die Augen und erlaubte mir es mich gegen Junhyung zu lehnen. Ich fühlte mich so entspannt wie schon lange nicht mehr. In diesem Moment konnte ich mich so richtig fallen lassen. Ich dachte an nichts, machte mir keinen Kopf wegen meinen derzeitigen Jobproblemen und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt. Manchmal sollte man wohl wirklich den Kopf einfach abschalten und die Sorgen für eine kurze Zeit vergessen. Jetzt gerade ging es mir wieder gut.
„Du bist wieder da."
Seine Stimme, auch wenn sie ganz leise und kaum zu hören war, riss mich aus meiner Gefühlswelt. Junhyung zauberte mit diesen vier Wörtern ein Lächeln auf meine Lippen.
„Ja, das bin ich", erwiderte ich eben so leise, jedoch nicht so schwach wie er. Meine Stimme zitterte nicht so wie seine. Ich konnte nicht sagen, ob er den Tränen nah war. Aber ich konnte mit Bestimmtheit sagen, dass er versuchte sich wieder zu fassen. Er war nicht auf mein Auftauchen vorbereitet gewesen. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich hatte mich ja wirklich auf alles Schlechte eingestellt. Deswegen war ich auch so überrascht gewesen, als Junhyung nicht komplett wegen dieser dämlichen Aussage ausgerastet war.
„Es tut mir so leid. Nur wegen mir musstest du das alles durch machen", murmelte er dann. Mir stach die Schwäche in seiner Stimme sofort ins Herz. Dass ich etwas durch machen musste, fand ich übertrieben. Klar, war das Geschehene nicht schön gewesen und hatte mir auch zu schaffen gemacht, aber mir war es ja doch noch einigermaßen gut gegangen. Nur ab und an hatte ich einen Tiefpunkt erreicht. Jedoch hatten diese Zustände nicht lange angehalten. Außerdem war es wirklich nicht Junhyungs Schuld. Er konnte ja nichts dafür. Er hatte so gut es ging aufgepasst und wie ich schon mal gesagt hatte, es war nur eine Frage der Zeit gewesen.
Vorsichtig ließ ich meine Hände über seine Seiten bis hoch zu seiner Brust fahren. Dort drückte ich ihn ein Stück von mir weg, was er gleich zuließ. Liebevoll umschloss ich sein Gesicht mit meinen Händen, strich mit meinem Daumen sanft über seine Wange.
„Du kannst nichts dafür. Es war dumm von mir dir vorzuwerfen, dass du schuld daran bist. Dir muss überhaupt nichts leidtun. Ich muss mich entschuldigen. Ich war diejenige, die so hart war und dir nicht mal die Chance gegeben hat, mit mir zu reden. Es tut mir wirklich leid, okay? Ich bereue es wirklich. Kannst du mir verzeihen?"
Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus. Gegen Ende musste ich mich sogar zusammen reißen, dass mir nicht die Galle hochkam. Alles was ich sagte, war so verdammt kitschig und ekelhaft. Aber so waren Entschuldigungen, die von mir stammten nun einmal. Bei Junhyung jedenfalls zeigte diese Entschuldigung Wirkung. Lebensfreude kehrte in seinen zuvor glanzlosen Blick zurück. Seine Augen funkelten regelrecht und bescherten mir ein Gefühl der Freude.
Erst hatte ich das Herz dieses wundervollen Mannes auseinander gerissen und jetzt setzte ich es Stück für Stück wieder zusammen. Genau das war es, was ich ihm schuldete. Ich hatte Junhyung leiden lassen und ihn für eine Zeit gebrochen. Meine Aufgabe war es nun meine Schuld zu begleichen und ihn wieder zusammen zuflicken. Es sollte ihm wieder gut gehen. Ich würde dafür sorgen, dass es ihm so schnell wie nur möglich wieder gut ging und er sich keine Gedanken mehr um den Stress machen musste. Außerdem musste ich es schaffen ihm die Angst zu nehmen. Die Angst davor, dass ich wieder abhaute, wenn sowas passierte. Das würde ich nämlich nicht tun. Nie wieder würde ich feige den Schwanz einziehen und abhauen. Das schwor ich mir in diesem Moment. Ich wollte mich verändern und mich in Zukunft den Problemen und Ängsten stellen.
„Stell keine Fragen auf die du die Antwort bereits weißt", murrte er, ehe er mich küsste. Erst war ich ziemlich überrumpelt. Ich hätte nicht gedacht, dass er mir einfach so ohne weiteres verzieh. Es war total ungewohnt für ihn. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass wir noch darüber reden würden. Dass Junhyung mich einfach so küsste, hatte ich nicht erwartet. Aber vielleicht lag es einfach nur daran, dass er froh war, dass ich meine Entscheidung geändert hatte.
Junhyung nahm meine Lippen fordernder in Beschlag, animierte mich dazu den Kuss zu erwidern, was ich auch letztendlich tat. Noch ein wenig zurückhaltend bewegte ich meine Lippen gegen seine, doch das reichte dem Rapper nicht. Bestimmt griff er mir in den Nacken und zog mich näher zu sich. Seine andere Hand legte er derweil an meine Taille. Meine Hände hingegen lagen nur nutzlos an seiner Brust.
Meine Wangen wurden warm. Es fühlte sich so an, als würde ein Feuerwerk in mir explodieren. Mein Körper war taub und meine Hände fanden ihren Weg von alleine in seine Haare. Ich dachte an nichts mehr, machte mir keine Gedanken mehr darum, warum Junhyung mir einfach so verzieh. Ich konzentrierte mich nur auf den Kuss und schaltete den Kopf aus.
Nach so langer Zeit konnte ich mich endlich so richtig fallen lassen.
Ich genoss seine Berührungen. Meine Knie wurden weich und ich knickte fast ein. Junhyung saugte an meiner Unterlippe, strich kurz darauf immer wieder mit der Zunge darüber. Leicht, so dass es nicht weh tat, zog ich an seinen Haaren und brachte ihn noch näher als ohnehin schon zu mir. Mein Atem beschleunigte sich und meine Brust platzte fast schon, wegen meines viel zu starken Herzschlages. Es war der Wahnsinn. Nie hätte ich gedacht, dass ein Kuss nach so langer Zeit mich so fühlen lassen konnte.
Der Kuss wurde gieriger, stürmischer. Ich wurde mutiger und fing an meinen, nun wieder, Freund zurück zum Bett zu drängen. Natürlich war ich nicht auf das eine aus. Ich wollte einfach nur nicht mehr stehen, wenn es auch gemütlicher ging. Außerdem befanden sich in dem Apartment noch fünf andere Personen. Sex wäre eine verdammt schlechte Idee jetzt.
Junhyung verstand sofort was ich vorhatte und ging bereitwillig einige Schritte zurück. Als er an die Bettkante stieß, ließ er sich vorsichtig aufs Bett sinken und zog mich sofort hinterher. Das Ganze passierte, ohne dass sich unsere Lippen voneinander trennten.
Leicht öffnete ich den Mund, was Junhyung sofort ausnutzte. Seine Zunge strich über die Konturen meiner Lippen. Ich seufzte auf und blinzelte. Gott! Es fühlte sich so unglaublich gut an.
Mein Freund legte nun beide Hände an meine Taille und zog mich sanft aber bestimmt auf seinen Schoß. Nur zu gerne setzte ich mich hin. Ich spürte das Lächeln, das sich auf seinen Lippen bildete. Es stecke mich an und brachte mich ebenfalls dazu zu lächeln.
Und dann trennte Junhyung unsere Lippen voneinander. Er musterte mich genau. Ich wusste nicht, was er versuchte zu sehen, doch anscheinend wurde er fündig, denn plötzlich ließ er sich nach hinten fallen und zog mich mit sich. Mir entwich ein leiser Aufschrei, weil ich nicht damit gerechnet hatte. Meinem Freund entwich ein raues Lachen. Mit den Unterarmen stützte ich mich auf seiner Brust ab und er schlang seine Arme um meinen Oberkörper. Ich fühlte mich geborgen und absolut sicher. Es war schön endlich wieder bei ihm zu sein. Mit jeder Sekunde, die verstrich, bereute ich es mehr Schluss gemacht zu haben.
„Wie geht es dir? Du siehst nicht gut aus", sprach ich schließlich leise die Tatsache aus, die man gleich auf den ersten Blick erkannte. Junhyung seufzte leise und schloss für ein paar Sekunden die Augen.
„Jetzt geht es mir wieder besser", murrte er mit genauso leiser Stimme.
Er versuchte mich mit dieser Aussage zu beruhigen, das wusste ich. Er hatte erkannt, wie schlecht ich mich fühlte. Doch trotzdem brachten seine Worte nichts. Ich hatte immer noch ein schlechtes Gewissen, obwohl er mir gleich verziehen hatte. Das konnte ich übrigens immer noch nicht nachvollziehen. Aber ich war froh darüber, dass er es getan hatte, obwohl ich das eigentlich nicht verdient hatte, meiner Meinung nach.
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