Das Warten

Ich wartete. Wartete lange, bis das Licht wiederkam. Jeden Tag, bevor es hell wurde und nachdem es dunkel war, kam jemand, um mich mit Heu und Kraftfutter zu versorgen. Es war nicht wie beim letzten Mal. Die Menschen mieden es, mich anzufassen. Eines Tages hoben sie den Käfig an, als wäre es Nichts. Ich bekam Panik, weil der Boden unter meinen Füßen erneut schwankte. Sie brachten mich ins Wohnzimmer. Ich hörte, wie das kleine Mädchen dort spielte. Ich fürchtete mich davor, wie sie mir dieses Mal wehtun würde.

Ein Ruck ging durch mich, als der Käfig auf den Boden gestellt wurde. Es war still. Endlich. Dann erst fiel mir auf, wie warm es war. Es war heiß. Geradezu drückend. Und laut. Die Menschen reduzierten wegen mir nicht die Lautstärke, in der sie redeten. Ich drückte mich auf den mit Pellets ausgelegten Boden. An einigen Stellen zwickte es, doch ich stand nicht auf. Dann öffnete die Frau die Klappe an meinem Käfig. Durfte ich etwa raus? Vorsichtig schnupperte ich und kroch langsam mit wachsam aufgestellten Ohren Richtung der geöffneten Klappe. Soweit bemerkte ich keine Gefahr, außer dem Kind und den anderen Menschen. Ich stellte die Vorderbeine auf das Gitter, um zu testen, wie stabil es war, und war mit einem Satz draußen. Mit großen Augen sah ich mich um. Der Baum stand immer noch. Doch die bunten Päckchen lagen nicht mehr da. Auch roch es nicht mehr so süß. Plötzlich kam jemand auf mich zu. Neben dem Kleinkind setzte sie sich hin und kroch auf mich zu. Alarmiert zuckte ich zusammen, doch ich machte mich nicht klein. Beruhigend sprach sie auf das Kind ein und kam immer näher. Sie erinnerten mich an einen Fuchs, der seiner Beute auflauerte. Ängstlich klopfte ich mit den Hinterpfoten und machte einen Satz zur Seite, doch es war sowieso niemand da, der mir helfen würde. Meine Mutter war weit weg.
Augenscheinlich wussten sie nicht, was ich wollte, denn das Kind lachte und die Frau ignorierte mein Klopfen. Sie kam weiterhin näher. Kroch immer noch. Jetzt erinnerte sie mich an eine gigantische Schlange. Wieder klopfte ich und spitzte die Ohren. Keine Reaktion. Aus der Küche kam Geklapper. Ich erstarrte, als ich merkte, dass es keinen Fluchtweg gab und machte mich ganz klein. Sie sollten mich in Ruhe lassen! 
Bedrohlich fiel der Schatten ihrer Hand auf mich, als sie sie erhob und mein Fell berührte. Sie kicherte. "Wie weich!"
Sie suchte die kleine Hand des Mädchens und streckte sie zu mir. Sie strichen gemeinsam durch mein Fell. Zur Beruhigung reichten sie mir ein Leckerli. Aber ich wollte nichts essen. Zumindest im Moment nicht. Das kleine Mädchen lachte immer noch. Sie griff nach mir. Doch sie packte mich nicht richtig. Ich hoppelte ein Stückchen weg von ihr. Doch die Mutter nahm mich und setzte mich zu ihrer Tochter. Die juchzte und freute sich. Ich hatte Angst. Kleine, grobmotorische Kinderhände strichen über mein Fell. Schließlich zog sie mir nicht am Ohr. Sondern an den Schnurrhaaren. Und als ich knurrte und wegrennen wollte, lachte sie und hielt mich am Bein fest. Mein Herz zersprang fast in meiner Brust. Ich wollte einfach nur weg.

Nach einer unerträglichen Ewigkeit Geschmuse wurde ich zurück in den Käfig gescheucht. Mit einem Klack schloss sich das Gitter. Ich buddelte die Pellets beiseite und legte mich auf den kühlen Boden. Mir war so warm. Oh. So unerträglich angst und bang.

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