Das Geschenk
Ein Mann nahm mich plötzlich aus der Box mit dem Stroh hinaus. Die Stimme, die mir vertraut war aus den letzten Tagen, die ich hier verbracht hatte, besprach etwas mit dem Mann. Ich spürte seine Stimme in seiner Brust vibrieren. "Gut, gut." Irgendjemand nahm mich und setzte mich in einen Karton. Ich wehrte mich nicht. Es würde bestimmt bald aufhören.
Schwankend setzte er sich in Bewegung. In dem Karton war es dunkel. Ich hörte, wie wir die vertrauten Geräusche der anderen Menschen und Tiere hinter uns ließen. Durch die undichten Stellen im Karton wehte kalte, winterliche Frischluft um meine Nase. Etwas fiel vom Himmel und wehte herum, bevor es auf dem Boden auftraf. Ich wusste nicht, was es war, doch es hatte einen ganz eigenen Geruch.
Nach nicht allzu langer Zeit war die Frischluftzufuhr beendet und der Karton auf etwas Stoffartigem abgestellt. Hier drinnen roch es seltsam. Die Luft war stickig und dick. Etwas knurrte auf und ich erschrak mich zu Tode. Was war das? Ein Ruck durchfuhr das Gefährt, als es anfuhr und ständig wackelte auf dem unebenen Boden.
Es wurde warm, und wir waren schon eine halbe Ewigkeit hier drinnen. Jemand hatte Musik angemacht und eine Stimme erzählte.
Auf einmal kamen wir zum Stehen, und mein Karton wurde hinausgenommen. Wieder wackelte der Boden, als der Mann ging. Er öffnete eine Tür. Eine Frau begrüßte ihn. Dann erhellte plötzlich ein Lichtstrahl mein Gefängnis. Ein freudiges Auflachen der Frau war zu hören, ehe eine Hand hinunterschoss und über mein Fell strich. Zitternd presste ich mich an den Boden, wie ich es von meiner Mutter gelernt hatte. Entsetzt rief sie etwas aus und nahm mich auf den Arm. "Alles gut, meine Kleine", meinte sie und trug mich in einen anderen Raum, in dem es einigermaßen kühl war, und setzte mich in einen Metallgitter. Dort war ein Napf, wie ich merkte, und eine seltsam geformte Plastikbox. Die Frau verließ das Zimmer. Ich spitzte meine Ohren. Nichts war hier zu hören, nur gedämpftes Reden aus dem Nachbarzimmer. Der Käfig war ausgelegt mit länglichen Pellets, die rollten. Als ich so ein Ding anknabberte, schmeckte es ein bisschen wie Stroh.
Nach einer Weile wurde es ziemlich warm in dem kleinen Zimmer. Durch ein Fenster über mir fiel Licht hinein und so merkte ich, dass es draußen dunkel geworden war. Mit meinen gespitzten Ohren nahm ich fernes Geläut wahr und hielt inne. Hoffentlich bin ich hier sicher, dachte ich.
Schließlich kam der Mann wieder. Grob packte er mich am Nackenfell und bugsierte mich in einen engen Karton. Nanu, was sollte das denn? Konnte ich denn nie meine Ruhe haben? Hier war es dunkel. Wieder. Der Mann hob den Karton hoch und transportierte ihn in ein anderes Zimmer. Hier war es deutlich wärmer. Und lauter. Ein scheinbar kleines Kind quietschte vergnügt vor sich hin, doch als der Mann eintrat verstummte es. Kurzer Wortwechsel, dann wurde ich auf den Boden gestellt. Nicht gerade sacht. Nur ein paar Sekunden später machten sich ungeschickte Kinderhände an dem Karton zu schaffen. Die Mutter half schlussendlich beim Öffnen und redete dabei geduldig auf das Kind ein. Es lachte und quietschte freudig auf, als sich der Karton öffnete und den Blick auf mich freigab. Lasst mich in Ruhe, dachte ich und drückte mich scheu auf den Boden. Doch trotz alledem nahm mich das Kleinkind hinaus und presste mich an sich. Es strampelte glücklich und ließ mich dabei versehentlich auf den Rücken fallen. Ich rappelte mich wieder auf und hoppelte ein Stück zur Seite, weil ich von all diesen Lichtern geblendet wurde. Und vielleicht hatte ich etwas Angst vor dem viel größeren, tollpatschigen Menschen. In der Wohnung stand etwas Riesiges. Ich schnupperte. Ein Nadelbaum. Warum holten sich Menschen einen Baum in die Wohnung? Gingen sie nicht hinaus?
Das kleine Mädchen krabbelte zu mir und streichelte mich grobmotorisch. Sofort erstarrte ich und fiel erneut in die Kauerstellung. Das Kind zog an meinen Ohren und lachte, als ich knurrte. Es wiederholte sein Tun und als ich zubiss, fing es an zu weinen. Seine Mutter tröstete es. Niemand tröstete mich. Stattdessen wurde ich ausgeschimpft. Die Erwachsenen wollten mich wieder einfangen, doch ich bekam Panik und rannte weg. Fluchend und schreiend kamen sie hinterher und wurden sich dabei wahrscheinlich der ganzen kleinen Spalten und Verstecke bewusst, die ihre Wohnung zu bieten hatte. Am Ende mussten sie ein großes, sperriges Möbelstück wegräumen, um mich fangen zu können. Sie hoben mich wieder am Nackenfell hoch. Das war zwar zur Not erträglich, aber unangenehm. Und auf Dauer richtig schmerzhaft, obwohl ich ja bei Weitem nicht so schwer wie meine erwachsenen Verwandten war.
Ich wurde wieder in meinen Käfig gesetzt und mit Kraftfutter, Heu und Wasser versorgt. Dann schloss sich die Tür und das Licht versiegte.
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