7.Kapitel - von Schockzuständen



Phoebe stolperte ins Zimmer und fiel.

Sie  rappelte sich gleich blitzschnell auf, konnte jedoch nicht verhindern, dass das Messer sich in ihrem Arm festbohrte. Sie schrie erschrocken auf und der Dieb fuhr sich gestresst durch die Haare, bevor er sagte:

„Beweg dich nicht. Ich werde jetzt aus diesem Zimmer spazieren, ohne dass du nach Hilfe schreist. Verstanden?"

Phoebe nickte, weil ihr nichts anderes übrig blieb und fragte sich, wo Charles steckte.

Der Dieb entfernte noch die letzten Schmuckstücke vom Körper des Beraubten und Phoebe versuchte den Schmerz in ihrem linken Arm auszublenden.

Gerade als der Dieb sich wieder aufrichtete, schwang sie den Stuhl mit aller Kraft und liess ihn auf den seinen Schädel krachen. Er sackte in sich zusammen, zwar mit einem erstickten Schrei, aber immerhin rührte er sich nicht mehr.

Phoebe atmete zitternd aus. Wenigstens etwas gelernt hatte sie seit dem letzten Vorfall. Diese Schurken waren viel zu arrogant. Und in ihrer Arroganz wurden sie unachtsam.

Ein wenig hilflos schaute sie sich im Raum um. Und was bitteschön sollte eine Dame tun, wenn sie sich mit zwei bewusstlosen Männern im Zimmer befand und die Tür abgeschlossen war? Dazu hatte die Etikette natürlich keine Antwort.

Phoebe verdrehte trotz angesichts der grotesken Situation die Augen und drehte den Dieb mit Ach und Krach auf den Rücken. Leider hatte dieser das Gefühl, schon wieder aufwachen zu müssen und sie zog ihm nochmals den Stuhl über den Kopf, damit er auch ganz sicher liegen blieb.

Mit zitternden Händen tastete sie seine Taschen ab und fand, nebst unzähligen Wertsachen und entwendeten Münzen, den Schlüssel für die Tür. Erleichtert stiess sie die Luft aus und schloss kurz die Augen. Das Glück war heute auf ihrer Seite.

Rasch öffnete sie die Tür und schloss hinter sich gleich wieder ab. Dann liess sie sich mit zitternden Knien an der Tür hinab rutschen und schlug die Hände vors Gesicht. Das Adrenalin in ihren Adern begann abzuflauen und der Schmerz in ihrem Arm wurde erst richtig bemerkbar. Noch immer steckte das Messer in ihrem Oberarm und ihr wurde schlecht. Aber es selbst entfernen, das konnte sie nicht.

Plötzlich polterten Schritte die Treppe hinauf, aber sie war zu müde, um ihren Kopf zu heben.

„Phoebe?", fragte eine besorgte Stimme leise und schüttelte sie leicht an der Schulter. Als er das Messer in ihrem Arm sah zog er scharf die Luft ein.

„Oh, bollocks!", fluchte er und nahm ihr schnell den Schlüssel aus der Hand, bevor er sie sanft zur Seite schob, sodass sie die Tür nicht mehr blockierte.

Ein Bick hinein ins Zimmer und er hatte verstanden.

„Phoebe? Phoebe, hör mir zu! Du bist in einem Schockzustand. Ich bringe dich hier raus. Wir gehen ins Hauptquartier, hast du verstanden?"

Phoebe antwortete nicht, sie fühlte sich weit weg, wie in Watte gepackt. Sie wusste zwar, dass Charles jetzt da war, aber sie war es nicht. Sie fühlte sich wie auf einem anderen Planeten, irgendeinem, den ein paar Wissenschaftler irgendwann entdeckt hatten.

Sanft wurde sie hochgehoben und bald war sie von Dunkelheit umgeben, als Charles über die Pflastersteine zurück ins Hauptquartier raste. Dort angekommen wurden sie sofort in Empfang genommen, sie hörte vage, wie Charles einem seiner Männer den Befehl gab, den Dieb zu verhaften und zu verwahren. Sie wurde weitergetragen und schliesslich auf einem weichen Sessel abgesetzt.

„Phoebe? Ich werde das Messer jetzt rausziehen. Bist du bereit?", fragte Charles liebevoll, aber Phoebe reagierte nicht. Seufzend packte er das Messer beim Griff und zog es mit einem Ruck heraus. Sofort begann die Wunde zu bluten und er drückte ein Taschentuch drauf, bevor er die Wunde fachgerecht verband.

Dann fühlte sie, wie zwei starke Arme sie festhielten und sie liess sich fallen. Langsam bröckelte die Watte weg, liess sie schutzlos und verletzlich zurück.

„Ich kann das nicht, Charles.", meinte sie plötzlich und dieser schaute überrascht auf.

„Das mit uns. Ich kann das nicht. Ich kenne dich gerade mal zwei Tage und drei Nächte. Und bin zweimal beinahe gestorben.", Phoebe zitterte und schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht!", wiederholte sie und bemerkte den traurigen Blick, den Charles ihr zuwarf.

„In Ordnung", sagte dieser leise. „Ich verstehe dich. Ich bringe dich nur in Gefahr."

Dabei klang er so verzweifelt, dass Phoebe ihn am liebsten in den Arm genommen und ihm widersprochen hätte, aber sie konnte es nicht. Schliesslich war das, was er gesagt hatte, die Wahrheit.

Lange sagte keiner der beiden etwas. Stille lag über ihnen und sie beide wussten, dass es ein Abschied war.

Schliesslich richtete sich Charles auf.

„Ich begleite dich noch nach Hause.", meinte er leise und wie die Male zuvor hakte sie sich mit dem unverletzten Arm bei ihm ein. Wieder war nur das Klappern ihrer Schuhe auf den Pflastersteinen zu hören, sie schwiegen.

Vor dem Haus angekommen standen sie einen Augenblick lang schweigend da. Dann zog Phoebe Charles plötzlich in eine feste Umarmung.

„Pass auf dich auf, ja?", meinte sie und ihre Stimme zitterte leicht.

Charles nickte und schluckte den Kloss in seinem Hals mühevoll herunter.

„Mach ich."

Mühevoll bugsierte sich Phoebe auf ihr Fensterbrett und schaute hinab.

„Leb wohl, Charles.", flüsterte sie leise.

„Leb wohl, Phoebe.", flüsterte er leise zurück. Dann drehte er sich um und verschwand mit eingefallener Haltung in der Nacht.





Erklärung:

Phoebe befindet sich hier in einem Schockzustand, medizinisch korrekt leidet sie an einer akuten Belastungsstörung ABR. Diese wird hervorgerufen durch z.B. Tod eines Angehörigen, Miterleben von Unfällen oder eben das Erfahren von Gewalt, wie in diesem Fall.

Dieser Zustand beginnt eben mit dem erleben des Auslöser, wie oben beschrieben. Er kann Minuten, Stunden, Tage, in ernsten Fällen auch Wochen dauern. Häufig sind die Personen dann wie betäubt, fühlen sich in Watte verpackt, also so, als wären sie nicht sich selbst und sähen alles durch eine Kamera. Ausserdem können sie desorientiert sein und sinnlose Handlungen vollziehen. Ausserdem leiden sie an stark ausgeprägten emotionalen Schwankungen, die wir bei Phoebe noch sehen werden. Begleitet werden können die oben genannten Zeichen von einer vegetativen Reaktion, also von allgemeinen Stressreaktionen wie Schwitzen, Herzrasen oder Übelkeit.

Dann folgt die Verarbeitungsphase. dort kommt es oft zum Wiedererleben der Ereignisse in Form von Albträumen und Flasbacks. Flashbacks werden häufig von Geräuschen oder Gerüchen ausgelöst, bei Phoebe könnte man zum Beispiel etwas im Zusammenhang mit der Kerze nehmen oder das Klirren einiger Münzen.Ausserdem sind die Personen oft sehr schreckhaft und leiden an Schlafstörungen.


Ich hoffe mal, das hilft euch ein bisschen, um Phoebe's Reaktion zu verstehen. Sie hat den Schockzustand mehr oder weniger überwunden wird aber trotzdem noch das eine oder andere Symptom haben;)

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