Kapitel 55: Getrennt

*Chris' POV*
Noch immer stand ich vor dem Haus. Ich atmete nochmal tief ein, bevor ich den Schlüssel in der Tür drehte. Kurz darauf stand ich im Wohnzimmer. Es wirkte leer ohne Alina. Ich hatte mich so sehr an ihre Anwesenheit gewöhnt. Und jetzt sollte ich einfach weitermachen wie bisher? Ohne zu wissen, was mit ihr passieren würde? ,,Es ist nicht deine Schuld gewesen." hatte mein Bruder noch gesagt, bevor er mich hier abgesetzt hatte. Doch egal wessen Schuld irgendwas gewesen war - es half uns jetzt auch nicht mehr weiter. Mir blieb ja nichts anderes übrig, als weiterzumachen. Nach vorne zu schauen. Den Kopf nicht hängenzulassen. Das zu tun, was jetzt von mir erwartet wurde. Was auch ich irgendwo von mir erwartete.

Natürlich konnte ich nicht vergessen, was passiert war. Oder mir alles schönreden - doch das hatte ich auch nicht vor. Bald würden wir mit ,,Dream and Fly" auf Tour gehen und bis dahin mussten Andreas und ich ohnehin noch ein paar Sachen vorbereiten und Proben, damit wenigstens während der Show alles gutgehen würde. ,,Alina hätte nicht gewollt, dass du einfach mit allem aufhörst." - Das sagte ich mir immer wieder. Und irgendwie half es mir, weiterzumachen. Selbst in dieser Zeit.

Die Wochen vergingen. Mit meinem Bruder hatte ich viel Zeit in der Zauberwerkstatt verbracht. Von früh bis spät waren wir dort und bauten, verfeinerten, grübelten - gingen unserer gemeinsamen Leidenschaft für die Magie nach und vergaßen dabei die Zeit. Das tat uns beiden gut. Doch ich vermisste es, dass uns Alina dort besuchen kam. Mal abgesehen von ein paar einzelnen Tagen, war es mir in der Zeit eigentlich recht gut ergangen. Das hatte ich meiner Familie zu verdanken, vor allem Andreas und unserer Mutter. Die beiden litten mit mir und konnten mich verstehen. Und wenn es mal wieder einer dieser Tage war, an denen es mir gar nicht gut ging, konnte ich mit Ihnen darüber reden. Auch mit Alinas Eltern hatte ich in dieser Zeit viel Kontakt aufgebaut. Sie machten sich - wie auch ich - viele Sorgen. Jedoch machten sie mir keinen Vorwurf für das, was passiert war.

Heute war wieder einer dieser Tage, an denen es mir nicht besonders gut ging. Zum Glück für mich dauerte es bis ,,Dream and Fly" noch ein bisschen. Denn ich hoffte, dass es mir bis dahin wieder etwas besser gehen würde. Eigentlich hatten wir Alina schon als festen Bestandteil unserer neuen Show eingeplant. Und unsere Illusion, welche wir bei Flash aufgeführt hatten, war gut angekommen. Doch diesen Plan mussten wir bis auf unbestimmte Zeit streichen. Jedenfalls ging es mir an diesem Tag nicht besonders gut. Oft hatte das gar keinen Grund, welcher unbedingt mit dem Tag zutun hatte. Es war einfach dieses plötzliche Bedürfnis, zum Krankenhaus zu fahren um Alina sehen zu können. Doch heute wusste ich, warum es mir ausgerechnet jetzt nicht gut ging: Es war der 21. September, Alinas Geburtstag.

Wie würde es wohl für jemanden sein der Monate oder vielleicht Jahre im Koma gelegen hatte und dann aufwachte? Man würde so vieles verpassen. Und die Welt würde man wahrscheinlich ganz anders vorfinden, als man sie in Erinnerung hatte. Und das schlimmste: Alle um dich herum können Dir nicht helfen und sind praktisch gezwungen, ihr Leben weiterzuleben. Ich saß an diesem Tag eigentlich nur zuhause rum, bis Andreas an der Tür stand und mich abholte, damit wir zusammen zur Werkstatt fuhren. Heute war ich froh, dass er mich aus meinem Gedanken gerissen hatte. Denn das war wohl die Art von Ablenkung, die mir jetzt am besten half.

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